Titel: | Einige Bemerkungen über die Darstellung Daguerre'scher Lichtbilder; von C. Grüel. |
Autor: | C. A. Grüel |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. CXII., S. 423 |
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CXII.
Einige Bemerkungen uͤber die Darstellung
Daguerre'scher Lichtbilder; von C.
Gruͤel.
Grüel, über die Darstellung Daguerre'scher Lichtbilder.
Es ist wohl nicht zu läugnen, daß die Daguerreotypie seit den vier Jahren ihres
Bestehens durch die Bemühung vieler ihrer Verehrer große Fortschritte gemacht hat.
Das Interesse daran hat sich gesteigert und es sind Erfolge gewonnen worden, welche
der Erfinder dieser interessanten Kunst anfänglich selbst nicht vorausgesehen haben
mag.
Den Malern hat sie wegen der Schönheit ihrer Producte eine früher nicht für möglich
gehaltene Concurrenz bereitet, doch auch für die Wissenschaft ist sie in näherem
Bezug auf die Kenntniß über die Eigenschaften des Lichts und seiner Einwirkung auf
verschiedene, vielleicht auf alle Körper, von großer Bedeutung geworden.
Das Wesentlichste, wodurch der erwähnte Fortschritt erreicht wurde, liegt in der
Verbesserung der Camera obscura, der zwekmäßigeren Reinigung und Politur der
Silberfläche, ihrer erhöhten Empfindlichkeit und in der Einführung derjenigen Aezung
des Bildes, welche unter dem Namen der Vergoldung bekannt ist.
Wer aus Erfahrung weiß, von welchem Einfluß bei dem Versuch jede einzelne dieser
Operationen und die Art und Weise, wie sie ausgeführt wird, ferner die
Beschaffenheit der hiezu anzuwendenden Stoffe ist, darf sich wohl nicht wundern,
wenn die von verschiedenen Personen angefertigten Lichtbilder sich oft wesentlich
von einander unterscheiden; ein Umstand, der sogar bei Bildern von einem und
demselben Verfertiger vorkommt. Sie variiren im Ton und in dem Grade der
Deutlichkeit, und sind am schönsten vielleicht dann zu nennen, wenn die hellsten
Lichter in einem nicht kalkartigen, sondern perlmutterglänzenden Weiß und die
tiefsten Schatten in reinem Sammtschwarz erscheinen. Ist dieß der Fall, dann wird
auch die Deutlichkeit des Bildes die möglich größte seyn. Der gleichartig blaue,
schiefergraue oder sepiafarbene Ton ohne deutliche Abstufung von Licht und Schatten
macht nicht die günstigste Wirkung, selbst wenn bei näherer Besichtigung die Bilder
die feinsten Linien und Details zeigen. — Um sich über den Grund dieser
Verschiedenheit Rechenschaft geben, überhaupt aber bei diesem Experiment eine mehr
als gewöhnliche Sicherheit gewinnen zu können, ist es nöthig alle Materialien und
Präparate genau zu prüfen, sie zum Theil selbst zu bereiten, ihre Reinheit und
richtige Beschaffenheit zu erhalten oder sogleich wieder herzustellen.
Wenn man im Stande ist, die hundertste Platte genau so zu puzen, sie in demselben
Grade und gleichförmig zu jodiren als die erste, dann erst kann man sich
Rechenschaft geben, von welchem bestimmten Einfluß eine veränderte Beschaffenheit
der Jodsilberfläche des Queksilbers oder einer anderen Substanz auf die Probe
ist.
So lange man nicht in jeder einzelnen Operation ganz sicher geworden, läßt sich am
Ende nicht entscheiden, woher ein Fehler oder sonst ein unerwarteter Erfolg
entstanden sey.
Das Hinderniß übrigens, wodurch am häufigsten ein Mißlingen der Bilder entsteht,
nachdem oft schon die besten Proben geliefert wurden, liegt nach meiner Erfahrung in
einer Unsicherheit in der ersten Behandlung und dann in der Jodirung der Platte. Es
ist nicht meine Absicht, hier eine Beschreibung meines Verfahrens beim
Daguerre'schen Versuch zu liefern, ich habe, seitdem ich Unterricht darin ertheile,
genugsam erfahren, daß alle gedrukten Mittheilungen über diesen Gegenstand ohne
praktische Anschauung keinen großen Nuzen gewähren. Nicht alle Liebhaber der
Daguerreotypie sind geübte Physiker und Chemiker genug, als daß Broschüren von
einigen Octavseiten, oft nichts weiter als zusammengetragene Recepte enthaltend,
ihnen helfen könnten, und es findet sich häufig, daß Leute mit großer Zuversicht an
den Versuch gehen zu können glauben und dann doch zu keinem guten Resultat gelangen,
weil viel Zeit und Mühe erforderlich ist bei der Complication verschiedener
Manipulationen, veränderlicher Stoffe, und wechselnder Umstände in allem das rechte
Maaß, die günstigsten Verhältnisse zu treffen, denn so leicht es auch ist ein Bild
zu erzeugen, eben so schwer gelingt es, ihm allemal den gleichen Grad von Kraft und
Klarheit frei von jedem Fehler zu ertheilen.
In der Regel verfolgt ein jeder den Weg, welcher ihm nach längerer Erfahrung der
sicherste zu seyn scheint; der eine macht seine Platte mit Bromdämpfen empfindlich,
der andere arbeitet mit Chlorjod oder anderen Jodverbindungen, obwohl die
verschiedenen Methoden gewiß nicht von gleichem Werthe sind.
Ich übergehe die Darlegung und Vergleichung derselben, indem ich mir erlauben wollte,
über einige andere Punkte, die den Daguerre'schen Versuch betreffen, zu
sprechen.
Es existiren nämlich bei diesem Experiment noch einige Vorurtheile und
Weitläufigkeiten, die man nicht beizubehalten braucht, weil jede Erleichterung bei
diesem leider nicht sehr einfachen Versuch erwünscht und vortheilhaft seyn muß.
Die Vorbereitung, das Schleifen der Platten geschieht häufig mit einer solchen
Verschwendung von Puzmaterialien, von denen das eine oft wieder verdirbt, was
das andere gut gemacht hatte, daß in Localen, wo Lichtbilder gemacht werden, die
Baumwolle nebst weißen und rothen Pulvern überall umherstäuben. Wenn es nothwendig
wäre, die Platten zuerst mit Oehl, dann mit gesäuertem Wasser zu schleifen, so würde
man, da Oehl wie jede Spur von Salpetersäure wieder von der Platte hinweg müssen,
eine Viertelplatte z. B. nicht leicht in längstens 4 Minuten fertig polirt
erhalten.
Ist das Oehl und das salpetergesäuerte Wasser aber zu entbehren (man weiß, der
Erfinder hat seine erste Vorschrift bedeutend modificirt), überzeugt man sich
ferner, daß ein durchaus kreisförmiges Schleifen nicht unerläßlich ist, benuzt man
endlich im Anfange mit Filz bespannte Klözchen, so spart man Zeit und Mühe, die
Platte muß dennoch fein polirt, metallisch rein erscheinen, und die kräftigsten
saubersten Bilder liefern.
Beim Jodiren hatte man ehedem große Furcht vor jedem Lichtstrahl; ich erinnere mich
des spaßhaften Verschließens aller Fensterladen und Fugen, als 1839 die ersten
Versuche mit dem Apparat nach Anleitung des Erfinders gemacht wurden. Man ging in
die Keller und andere finstere Räume, um das Licht abzuhalten. Auch jezt ist wohl
mancher viel zu ängstlich beim Jodiren; dieser Proceß ist jedoch sehr wichtig, er
darf und muß zur erforderlichen Beaufsichtigung bei gewöhnlichem Tageslicht
angestellt werden; bei mir geschieht es am hellen Fenster, und nie habe ich dadurch
die Platte verdorben.
Ich darf hiebei an die von Hrn. Fizeau aufgestellte
Theorie erinnern, wonach ein gewisses Maaß von Lichteindruk, den die Platte
empfängt, ehe sie in die Camera kommt, dazu beitragen soll, die empfindliche Schicht
des Silberjodids so weit vorzubereiten, sie so zu modificiren, daß späterhin ein
schwacher Lichteindruk, der sonst vielleicht auf dem Bilde nicht zur Erscheinung
gekommen wäre, nun dennoch seine Wirkung thäte; oder mit anderen Worten: das Bild
würde auf diese Weise mehr Details zeigen.
Was die Queksilberkasten betrifft, so sieht man dieselben stets oben oder doch
innerhalb mit einer schrägen Fläche sorgfältig in den Neigungswinkel von 45°
gestellt. Vorn am Kasten befindet sich auch ein Fensterchen, um nachsehen zu können,
ob auch das Bild dießmal glüklich zur Welt kommen oder ausbleiben möchte. —
Wenn man die ganze Schrägung abnimmt, die Platte horizontal anbringt, so spart man
den Raum der spizen verlängerten Seite des Kastens, man spart ein Fenster, welches
beim eifrigen Nachsehen vielfach Anlaß gegeben, daß fremdes Licht auf die Platte
gefallen und einen Schleier auf dem Bilde erzeugt hat. Auch kann man fest darauf rechnen, daß bei
Beachtung der nöthigen Bedingungen das Bild nie fehlen und bei horizontaler Lage der
Platte durchaus eben so schön ausfallen wird.
Die Fabel von der Nothwendigkeit eines Neigungswinkels von 45° war dazu
bestimmt, den Eindruk des Zauberhaften der neuen Erfindung zu vermehren; sie hat
lange genug ihre Geltung behalten, wir wollen nun abwarten, ob die neue französische
Entdekung des limon atmosphérique einen ähnlichen Spuk
verursachen und die Photographen veranlassen möchte, ihre Objective und fertig
gepuzte Platten fleißig abzukochen.
Ueber die merkwürdige Erscheinung, daß manche Objective kein scharfes Lichtbild
erzeugen, wenn die Platte genau in den richtigen Focus eingestellt wird, findet sich
so viel ich weiß nirgend etwas erwähnt. Die Thatsache steht jedoch fest, die
Entfernung der Platte vom Objectiv muß sehr häufig, zumal bei der Aufnahme sehr
naher Gegenstände vergrößert werden. Es gibt Fälle, wo diese Differenz sogar bis auf
3″′ gehen kann, und dieß ist ohne Zweifel eben so wichtig für die
Theorie wie für die Praxis.
Ich habe vor einigen Monaten die Wirkung des prismatischen Sonnenspectrums und seiner
verschiedenen Strahlen auf jodirte Platten untersucht und gefunden, daß eine
bedeutende Wirkung selbst über die Gränze des rothen Strahls, also des sichtbaren
Bildes hinaus, stattfand. Es gibt daher Strahlen, die unsichtbar, jedoch nach
denselben Gesezen gebrochen werden, als die Lichtstrahlen. Durch Herschels Versuche sind uns ihre Lage und ihre
Eigenschaften bekannt; es sind die thermischen Strahlen, welche, da sie die
geringste Brechung hinter einem Prisma, folglich auch hinter einer Glaslinse
erfahren, auch am weitesten davon entfernt ihren Brennpunkt bilden. Nach der Natur
des brechenden Mittels ist ihre Lage verschieden, zuweilen fällt sie mit dem gelben
und rothen Strahl zusammen oder über ihre Gränze hinaus. — Hr. Arago hat vor kurzem den Ausspruch gethan, daß bei dem
Vorgange in der Camera den Lichtstrahlen nicht ausschließlich die merkwürdige
Veränderung des Jodsilbers, wodurch es fähig wird Queksilberdämpfe zu condensiren,
zugeschrieben werden könne. — Auf diese Voraussezung gestüzt und in der
Meinung, daß die thermischen Strahlen einen entschiedenen Einfluß und Antheil beim
Entstehen des Bildes äußern, findet es seine natürliche Erklärung, warum die vorhin
erwähnte nothwendige Differenz sich vermindert, wenn man entfernter liegende
Gegenstände aufnehmen will. — Angenommen, die Glaslinse, das Objectiv wäre
nicht achromatisch, so würden die verschiedenen Farbenbilder eines strahlenden
Objects am weitesten hinter der Linse, aber auch zugleich gegenseitig am meisten
auseinandergerükt liegen, wenn das Object in geringer Entfernung vor der Linse
steht. — Es kann da der Fall eintreten, daß der violette Strahl noch ein Bild
erzeugt, während die rochen und thermischen Strahlen parallel und in unendliche
Weite gebrochen worden. Je weiter dagegen das Object entfernt liegt, desto näher
fällt der Brennpunkt hinter dem Glase, desto enger folgen sich die verschiedenen
Farbenbilder und daher auch das thermische Bild dem lezten roth gefärbten. —
Dieß Verhältniß kann auch dann nicht abgeändert seyn, wenn wie gewöhnlich
achromatische Linsen angewandt werden. — Zur Anstellung des Versuchs, ein
Sonnenspectrum auf eine empfindliche Platte zu leiten, gebrauche man die Vorsicht,
ein reines Prisma anzuwenden, die Platte recht gleichförmig zu jodiren, für
Abhaltung fremden Lichtes und unwandelbare Lage des Farbenbildes für die Dauer des
Versuchs Sorge zu tragen. Ich habe wegen beschränkter Zeit die Prüfung nicht
wiederholen und dahin gelangen können, die eine Hälfte desjenigen Raumes, wohin die
thermischen Strahlen fallen, mit einem absorbirenden Mittel, z. B. einer gut
geschliffenen Steinsalzplatte, zu bedeken; ich zweifle nicht, daß solche
Untersuchung wohl zu genaueren Resultaten führen würde, ob der thermische Strahl
beim Daguerre'schen Versuche von solchem Einfluß ist, wie aus mehrfachen Gründen
vermuthet werden darf.
Der Wechsel in der Beleuchtung und der Lichtstärke ist fast das einzige, welches, da
es nur der ungefähren Schäzung unterliegt, der Daguerreotypie diejenige Sicherheit
raubt, wodurch sie stets gleich bleibende Resultate erzielen würde. Die Photometrie
liegt noch sehr im Argen; gewiß würde ein Instrument, was genaue Auskunft über den
Grad der Lichtstärke gäbe, den Physikern höchst willkommen seyn. Auch die
Photographen versprechen sich viel davon, doch glaube ich wohl mit Unrecht; denn die
Lichtstärke ist es nicht allein, wodurch das Bild gefördert wird; es ist neben
derselben auch die Färbung des Lichts, welches nun einmal nicht aus homogenen
Strahlen besteht; die chemische Wirkung die den verschiedenen Farben, von denen
einmal diese, ein anderesmal jene im Tageslicht vorwaltet, wonach der Maaßstab für
die Dauer des Eindruks in der Camera gestellt werden müßte.
Berlin, im August 1843.