Titel: | Bain's elektromagnetischer Telegraph. |
Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. XXVIII., S. 106 |
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XXVIII.
Bain's elektromagnetischer Telegraph.
Aus dem Civil Engineer and Architects' Journal. Sept.
1843, S. 300.
Mit einer Abbildung auf Tab. II.
Bain's elektromagnetischer Telegraph.
Als Oerstedt im Jahr 1819 die Entdekung machte, daß ein
über eine freischwebende Magnetnadel geleiteter galvanischer Strom dieselbe
augenbliklich in eine Lage quer zur Richtung des Stromes ablenkt, lag der Gedanke
nahe, mehrere Leitungsdrähte und Magnetnadeln anzuwenden und ihre Ablenkungen durch
den galvanischen Strom zu verständlichen telegraphischen Zeichen zu combiniren. In
dem ersten Stadium der Erfindung schlug man vor, so viele Magnetnadeln, als das
Alphabet Buchstaben hat, aufzuhängen und jede derselben durch einen besondern Draht
mit den Polen einer Volta'schen Batterie in Verbindung zu sezen. An jede Nadel wurde
ein kleiner Schirm befestigt, welcher, wenn der elektrische Strom nicht durch den
mit ihm verbundenen Draht ging, einen Buchstaben oder ein Zeichen verdekte. Eine
Reihe Tasten, ähnlich der Claviatur eines Pianoforte war angeordnet, von denen jede
mit einem der Drähte der Batterie in Verbindung stand und auf der Tafte war der
Buchstabe verzeichnet, welcher dem durch den Schirm der ihr zugehörigen Nadel
verdekten Buchstaben entsprach. Durch Berührung einer dieser Tasten wurde die
metallische Verbindung hergestellt, worauf der über die Magnetnadel hinweggehende
galvanische Strom dieselbe ablenkte und den darunter befindlichen Buchstaben
sichtbar machte. Auf diese Weise konnte zwischen zwei entfernten Stationen eine
telegraphische Correspondenz ins Werk gesezt werden, und da die Transmission der
Elektricität keine bemerkbare Zeit in Anspruch nimmt, so fand die Ablenkung der
Magnetnadel an der entfernten Station fast in demselben Augenblike statt, wo durch
die Berührung der correspondirenden Taste der galvanische Kreislauf eingeleitet
wurde. Diese Anwendung der Elektricität als ein telegraphisches Communicationsmittel
schien im Principe die sanguinischsten Erwartungen zu erfüllen, in der Wirklichkeit
aber zeigten sich allerlei Schwierigkeiten. Die Anzahl der Leitungsdrähte, die
vollkommene Isolirung jedes einzelnen und die Kostspieligkeit der ganzen Anordnung
legten der praktischen Ausführung ein Hinderniß in den Weg.
Nachdem die Richtigkeit des Princips außer Zweifel gesezt war, suchte man dasselbe
anwendbar zu machen, indem man die Nadeln so anordnete, daß je zwei derselben
zugleich wirken konnten, wodurch mit einer geringeren Anzahl von Leitungsdrähten eine
größere Anzahl Signale ausführbar war. Ein elektrischer Telegraph dieser Art wurde
im Jahr 1840 von den HHrn. Cooke und Wheatstone an der Great-Western-Eisenbahn
auf eine Entfernung von 20 Meilen ausgeführt. Bei diesem Telegraphen kamen fünf
Nadeln in Anwendung; sie waren auf einem Zifferblatte angeordnet, welches die
Buchstaben des Alphabets enthielt, so daß jedesmal zwei Nadeln auf den zu
signalisirenden Buchstaben zeigen. In Folge weiterer Verbesserungen wurde der
Erdboden für den rükkehrenden Strom benüzt, und durch andere Vorkehrungen wurde man
in den Stand gesezt, alle Signale mit drei Drähten herzustellen. War dieß schon ein
großer Fortschritt in der elektrischen Telegraphie, so wurde dieselbe innerhalb der
lezten zwei Jahre zu einer solchen Vollendung gebracht, daß mit Hülfe eines einzigen
Drahtes und ohne Volta'sche Batterie jedes Signal
zwischen entfernten Orten nicht nur transmittirt, sondern auch gleichzeitig auf
beiden Stationen gedrukt werden konnte. Zwei Männer sind
es, welche auf die Ehre der Erfindung des elektromagnetischen Druktelegraphen
Anspruch machen, Professor Wheatstone und Hr. Bain, ein Uhrmacher aus Schottland. Bain's Telegraph hat dem Wheatston'schen
gegenüber den Vortheil, daß er nur die aus der Feuchtigkeit der Erde hergeleitete
natürliche Elektricität als elektrisches Agens erfordert.
Es wurde nämlich vor einigen Jahren die Beobachtung gemacht, daß man durch Verbindung
verschiedener metallischer Adern einen merkbaren Grad der Elektricität entwikeln
kann, und Hr. Bain hat ferner entdekt, daß wenn man
Zink- und Kupferplatten in die Erde einsezt und dieselben durch einen
isolirten Draht mit einander verbindet, ein constanter elektrischer Strom entsteht,
welcher hinreicht, den Telegraphen seiner Construction in Wirksamkeit zu sezen. Wir
gehen nun zur Erklärung dieses selbstthätigen Telegraphen über, und ohne eine
Ansicht in Betreff der comparativen Vorzüge beider mit einander concurrirender
elektro-magnetischer Druktelegraphen auszusprechen, werden wir darlegen, daß
wenigstens Bain's Telegraph von großem Scharfsinn zeugt
und in den wichtigsten Fällen einer ausgedehnten Anwendung fähig ist.
Fig. 28 stellt
den Apparat in allen seinen Theilen dar, wie er an beiden mit einander
correspondirenden Stationen anzuordnen ist. F ist ein
Federhaus, welches ein Räderwerk G, H, I in Thätigkeit
sezt; lezteres sezt die Kugeln des Regulators K in
Umschwung und dreht den Zeiger B des Zifferblattes A, B, C, auf welchem die nöthigen Buchstaben und Zeichen
eingravirt sind. Die Bewegung der Räder wird durch den Arm E
gehemmt, der gegen den an der Welle des Rades I
befestigten Hebel anschlägt. Um den Mechanismus in Bewegung zu sezen, ist es nöthig
den Aufhälter E von dem Hebel los zu machen, und dieses
geschieht durch den elektrischen Strom auf folgende Weise. A2 ist ein um ein leichtes, hohles,
freihängendes Holzgestell gewikelter Draht; B2 ein starker dauernder Magnet, welcher innerhalb
der Drahtwindungen befestigt ist und C2, C2 Durchschnitte ähnlicher Magnete. D2 ist eine
Spiralfeder, welche mit der unter der Erde befindlichen Elektricitätsquelle
verbunden ist und die Windung frei sich bewegen läßt, wenn der galvanische Strom
durch dieselbe zieht, aber in ihre ursprüngliche Lage zurükbringt, wenn der
elektrische Kreislauf unterbrochen wird. Die Eigenthümlichkeit dieser Anordnung
besteht darin, daß der Multiplicatordraht anstatt des Magnets abgelenkt wird,
wodurch die ablenkende Kraft eine energischere Wirkung erhält. Der metallene Zeiger
ist mit der ablenkenden Windung verbunden, von dem Zifferblatte selbst jedoch
isolirt. Das leztere steht mit dem zwischen den beiden Stationen gespannten Drahte,
welcher zur Vollendung des galvanischen Kreislaufs dient, in metallischer
Verbindung. Wenn in irgend eines der auf dem Zifferblatte markirten Löcher ein
Metallstift eingestekt wird, so wird der Zeiger durch denselben angehalten und die
metallische Communication auf diese Weise hergestellt. Die durch den
Multiplicatordraht strömende Elektricität lenkt denselben in die dargestellte Lage
ab, während seine natürliche Lage, in die ihn die Feder D zu bringen strebt, in der Richtung des Pfeiles aufwärts geneigt ist.
Wird der Metallstift herausgenommen und der galvanische Strom auf diese Weise
unterbrochen, so führt die Feder das Ende des Multiplicatordrahtes aufwärts, wodurch
der Arm E den Hebel verläßt, das Räderwerk in Bewegung
kommt und so lange in Gang bleibt, bis der elektrische Kreislauf durch Einsteken des
Metallstiftes in das Zifferblatt wieder erneuert wird. Das an der Welle des Rades
H befindliche Typenrad L
ist so adjustirt, daß wenn der erwähnte Zeiger an irgend einem Buchstaben angehalten
wird, ein entsprechender Buchstabe dem kleinen Cylinder M gegenüber zu stehen kommt, auf welchem das zur Aufnahme der gedrukten
Mittheilungen dienliche Papier befestigt ist. Durch die Umdrehungen der Räder
fliegen die Kugeln des Regulators aus einander, erheben dadurch ein Ende des Hebels
V und drüken das andere nieder, so daß der Arm t entweichen kann; die Rotation der Welle wird jedoch
beständig durch die Berührung mit dem zweiten Arm u
verhindert. Wenn der elektrische Kreislauf durch das Aufhalten des dem Signal
gegenüberstehenden Zeigers mit dem Metallstift wieder hergestellt ist, so wird der
Multiplicatordraht A2
wieder in seine
ursprüngliche Lage abgelenkt und der Mechanismus durch den Arm E gehemmt. Die Kugeln des Regulators fallen unmittelbar
darauf zusammen, drüken das Ende des Hebels V nieder und
machen ihn dadurch von dem zweiten Arm u frei, worauf
die Kurbelspindel S, welche von einem zweiten Federhaus
N aus bewegt wird, ihre Umdrehung vollenden kann.
Die Bewegung der Kurbel drükt die Letter gegen den Signalcylinder, und da ein mit
Drukerschwärze gesättigtes Stük Band zwischen der Letter und dem Papier angeordnet
ist, so drükt sich die Letter deutlich auf dem Papier ab. In demselben Augenblike
fällt eine an einen Arm des Hebels y befestigte Feder
z in einen Zahn des an der Spindel des langen
Getriebes b befindlichen Sperrrädchens a; das Getriebe b greift in
das Cylinderrad, so daß, wenn die Kurbel in ihre frühere Lage wieder zurükkehrt, der
Signalcylinder weit genug gedreht wird, um den zum Druk eines neuen Buchstabens
nöthigen Raum darzubieten. Die Bewegung des Signalcylinders ist eine
schraubenförmige, so daß, während er allmählich steigt, die Lettern in einer
Schraubenlinie auf seine Oberfläche gedrukt werden. Da die beiden an den entfernten
Stationen aufgestellten Apparate in allen Theilen einander gleich sind und durch den
galvanischen Strom gleichzeitig in Bewegung gesezt werden, so stehen die Zeiger auf
den Zifferblättern immer an demselben Zeichen still, und dieses Zeichen wird
beiderseits gleichzeitig abgedrukt.
Die Kosten eines elektromagnetischen Druktelegraphen dieser Art übersteigen nicht 40
Pfd. per Meile. Er ist ohne Zweifel noch weiterer
Vereinfachung fähig; nehmen wir ihn aber auch in seinem gegenwärtigen Zustande, so
ist er einer ausgedehnten Anwendung fähig, nicht nur hinsichtlich der Transmission
der Depeschen von den Häfen und Hauptmanufactur-Districten nach dem Size der
Regierung, sondern auch als Erleichterungsmittel der kaufmännischen Correspondenz.
In die Reihe der Verbesserungen, deren der elektromagnetische Telegraph
wahrscheinlich noch fähig ist, gehört, wie wir vernehmen, auch die, daß das Rad der
Locomotive bei seiner Bewegung längs der Schiene seinen Lauf auf dem Signalcylinder
des Druktelegraphen verzeichnen soll, so daß die örtliche Lage eines jeden
Wagenzuges oder mehrerer Wagenzüge auf einer ausgedehnten Eisenbahn auf den ersten
Blik erkannt werden kann, indem jeder Train seinen Lauf auf der telegraphischen
Karte jeder Station aufzeichnet.