Titel: | Ueber einen ungewöhnlichen Molecular-Zustand der Messing-Legirung; von Robert Mallet. |
Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. XXX., S. 116 |
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XXX.
Ueber einen ungewoͤhnlichen
Molecular-Zustand der Messing-Legirung; von Robert Mallet.
Aus dem Philosophical Magazine, August 1843, S.
141.
Mallet, über einen ungewöhnlichen Molecular-Zustand der
Messinglegirung.
Bei keinem Metall wurde bisher noch eine Neigung zum Dimorphismus bemerkt; um so
auffallender ist Hrn. Mallet's Mittheilung an die Royal Irish Academy über das Vorkommen einer
Kupferlegirung in zweierlei Zuständen, die sich in ihren physischen Eigenschaften
gänzlich von einander unterscheiden, während sie in ihrer chemischen Constitution
ganz identisch sind. Erwähnte Legirung war ursprünglich eine Art Messing und die
davon vorgelegte Probe ein Stük eines der messingenen Anwellen oder Lager, in
welchen die Hauptwelle einer großen Dampfmaschine umlief.
Das Lager einer solchen Welle besteht bekanntlich aus einem horizontalen hohlen
Cylinder, in der Regel von Messing, dessen beide Hälften zusammengeschraubt werden;
seine innere Fläche ist fein polirt und trägt die ebenfalls polirte Welle während
ihrer Drehung. Die Höhlung des Messings wird ganz ausgefüllt von der gußeisernen
Welle, welche in diesem Falle 9 Zoll im Durchmesser hatte.
Troz der Politur der beiden Flächen und des Schmierens mit Oehl wird doch durch die
schnelle Drehung der Welle in dem messingenen Lager und durch zu starken oder
unregelmäßigen Druk die Temperatur oft stark erhöht und Messing abgeschabt. Seine
Theilchen haben keine Cohärenz mehr und gleichen sehr dem Bronzepulver der
Anstreicher.
Doch kam dem Verfasser kürzlich einmal der Fall vor, daß die abgeschabten
Messingtheilchen durch mehrstündige Bewegung der Welle sich, wo die beiden
Halbcylinder des Lagers zusammenstoßen, in einer Höhlung zusammengesezt hatten und
wieder zur cohärenten Masse wurden; sie hatten nun ganz das Ansehen eines
eingegossenen Stüks Messing. Bei genauerer Prüfung aber zeigte sich die Masse in
ihren Eigenschaften sehr verschieden vom Messing, aus welchem sie sich gebildet
hatte.
Die so bei einer den Siedepunkt niemals erreichenden Temperatur durch Vereinigung von
einzelnen Theilchen gebildete Masse, von welcher ein Stük vorgelegt wurde, hatte an
der Seite, wo sie mit der Welle in Berührung war, den Metallglanz des ursprünglichen
Messings; die
andere Oberfläche hatte den Eindruk von der Höhlung angenommen, in welcher die Masse
gefunden wurde. Sie war hart, cohärent und konnte wie gewöhnliches Messing gefeilt
und polirt werden; dabei war sie aber ganz spröde und auf
dem Bruch, statt halbkrystallinisches Gefüge und Metallglanz zu zeigen, beinahe schwarz, feinkörnig erdig und
ohne allen Metallglanz. Mit der Lupe wurden einige
äußerst kleine Höhlungen durch die ganze Masse hindurch entdekt; dieselbe ist wie
gesagt durchaus erdig schwarz, gefeilt oder gestrichen aber metallisch glänzend.
Von der Bildung solcher fester Aggregate ohne Schmelzung, Schweißung, oder Erweichung
mittelst eines Lösungsmittels, gibt es nur wenige Beispiele; das merkwürdigste ist
die von Pouillet beobachtete allmähliche aber vollkommene
Anhaftung zweier reinen Spiegelgläser, wenn man sie geraume Zeit auf einander liegen
läßt; so sollen auch reine Blei- oder Zinnplatten, nachdem sie in kaltem
Zustande stark zusammengepreßt wurden, dann einer großen Kraft bedürfen, um von
einander getrennt zu werden.
Folgendes sind die Resultate der von dem Verf. angestellten vergleichenden
Untersuchung des von ihm sogenannten normalen und anomalen Messings.
Das normale Messing ist von glänzend goldgelber Farbe, halbkrystallinischem Gefüge
und von großer Zähigkeit; seine Cohäsionskraft beträgt 21,8 Tonnen per Quadratzoll, was die durchschnittliche Stärke aller
Kupfer-Zink- und Kupfer-Zinnlegirungen übertrifft, wie sie aus
des Verfassers früheren UntersuchungenPolytechn, Journal Bd. LXXXV S. 377. hervorgehen.
Die Cohäsionskraft des anomalen Messings ist nur = 1,43 Tonnen per Quadratzoll oder circa
1/15 der obigen.
Das spec. Gewicht des normalen ist = 8,600; das des anomalen = 7,581.
Die Analyse beider ergab übereinstimmend:
Kupfer
83,523
Zinn
8,833
Zink
7,510
Blei
0,024
Verlust
0,110
–––––––
100,000.
Vereinigt man den kleinen Bleigehalt mit dem Zinn und dividirt mit den Atomgewichten,
so ergibt sich seine atomistische Constitution folgendermaßen:
Kupfer
=
26,3
Atom.
Zink
=
2,3
—
Zinn
=
1,5
—
Diese Legirung hat demnach keine definitive Zusammensezung, sondern dieselbe gleicht
vielmehr jener der im Handel vorkommenden Legirung.
Beide Legirungen leiten gleich gut die Elektricität. Die spec. Wärme des normalen
Messings, die des Wassers als Einheit angenommen, ist = 0,0879, die des anomalen =
0,0848.
Das normale Messing ist hämmerbar, biegsam, strekbar und läßt sich walzen. Das
anomale hat alle diese Eigenschaften durchaus nicht.
Das normale Messing amalgamirt sich leicht mit Queksilber bei gewöhnlicher
Temperatur, das anomale noch nicht bei 400° F. (164° R.)
Erhizt man die anomale Legirung bis zum anfangenden Rothglühen, so zeigt sich eine
kleine Spur Wasser und verbrannter organischer Substanz, wahrscheinlich von
anhängendem Oehl herrührend; sie erleidet übrigens keine Veränderung, außer daß sie
an Dichtigkeit etwas zunimmt. Die normale Legirung eben so behandelt, verändert sich
gar nicht. Auf Kohle vor dem Löthrohr behandelt, schmilzt leztere auf einmal zu
einem Kügelchen; die anomale hingegen schwillt zu mehr als dem doppelten Volum an,
wenn sie hellrothglühend wird; sie glüht dann fort oder geht von selbst in
Weißglühhize über, wie das Chromoxyd; dann fällt sie augenbliklich auf weniger als
ihr ursprüngliches Volum zusammen und wird zur flüssigen Perle, welche abgekühlt
sich in keiner Hinsicht mehr von der ursprünglichen Legirung unterscheidet.
Die anomale Legirung gibt beim Pulvern im Agatmörser ein schwarzes Pulver ohne alles metallische Ansehen; auch ihre Feilspäne sind
schwarz, während die der normalen von derselben Feile
den gewöhnlichen Metallglanz besizen. Diese Thatsachen in Verbindung mit dem erdigen
Bruch (s. oben) erinnern uns an Brewster's Beobachtungen
hinsichtlich eines Stükes Rauchtopas, dessen Bruch vollkommen schwarz und beim
durchfallenden Licht doch ganz durchsichtig war und dessen Schwärze, wie er fand,
daher rührte, daß die Bruchflächen aus einem Flaum kurzer, dünner Fäserchen eines
durchsichtigen und farblosen Quarzes bestanden, deren Durchmesser so klein war
(nicht über ⅓ von 1 Milliontheil eines Zolls), daß sie nicht einen einzigen
Strahl des stärksten Lichtes reflectiren konnten. Brewster sagte damals schon, daß man noch öfter Quarze und andere
Mineralien finden werde, welche diese Erscheinung zeigen; diese Boraussage scheint
sich durch den vorliegenden Fall zu erfüllen, indem die dunkle Farbe des Bruchs und
des Feilstaubs der in Rede stehenden Legirung von der außerordentlichen Feinheit
ihrer Theilchen herrührt. Ihre ins Bräunliche stechende Farbe rührt von der Zurükwerfung etwas rothen
Lichtes her.Professor Lloyd machte auf die Analogie des
Pulvers etc. dieser anomalen Legirung mit dem Platinmohr und jenen Pulvern,
welche durch die Reduction anderer Metalle mittelst Wasserstoff erhalten
werden, aufmerksam. Diese alle aber sind nicht cohaͤrent, was den
vorliegenden Fall so eigenthuͤmlich macht. Der Glanz und
die Reflexionskraft des anomalen Messings sind nicht so groß wie die des normalen,
aber dennoch merkwürdig.
Die Umstände, unter welchen diese Legirung sich aggregirt, sind äußerst feine
Zertheilung des Metalls, großer Druk und beinahe gänzliche Ausschließung der Luft.
Auch die große elektrische Erregung kann mitgewirkt haben, welche in Verbindung mit
dem inducirten Magnetismus bei der Bewegung schwerer Maschinen stets vorhanden ist.
Durch Zusammenwirken aller dieser Umstände hofft der Verf. künstlich solche dimorphe
Zustände anderer Metalle oder ihrer bestimmten
Verbindungen herbeiführen zu können.
Ein einziger Körper hat nach dem Verf. mit dieser anomalen Legirung Aehnlichkeit,
nämlich der Indigo, welcher, wie bekannt, fein erdigen Bruch von der gewöhnlichen
blauen Farbe hat, aber beim Reiben kupferig wird oder Metallglanz annimmt.