Titel: | Studien über Dampfmaschinen und Untersuchungen über das Trägheitsmoment, welches dem Schwungrad verschiedener Dampfmaschinen-Systeme zu geben ist; von Arthur Morin. |
Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. LXIV., S. 249 |
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LXIV.
Studien uͤber Dampfmaschinen und
Untersuchungen uͤber das Traͤgheitsmoment, welches dem Schwungrad
verschiedener Dampfmaschinen-Systeme zu geben ist; von Arthur Morin.
Aus den Comptes rendus, Okt. 1843, Bd. XVII. S.
857.
Morin, Studien über Dampfmaschinen.
Die Studien, von denen ich dem Urtheile der Akademie einige Fragmente vorlege, sind
in vier Abtheilungen getheilt. In der ersten zeige ich durch die Untersuchung und
Aufnahme der Spannungscurven, welche ich mit dem Watt'schen Indicator zu Indret und Toulon und demjenigen Indicator erhielt,
den ich an einzelnen Maschinen zu Amiens und Paris construiren ließ:
1) daß ungeachtet der verschiedenen Methoden, die Bewegung den bei gut eingerichteten
Maschinen eingeführten Vertheilungsventilen mitzutheilen, der Druk in dem Cylinder
während des Dampfzutritts doch merkbar constant ist, und daß zur Constanterhaltung
dieses Drukes vom Beginn des Kolbenhubs an es hinreichend und nöthig ist, den Dampf
ein wenig früher zuzulassen;
2) daß bei Maschinen von gutem Verhältniß, d. h. bei solchen, deren Mündungen, Röhren
u. s. w. einen Durchschnitt besizen, dessen Flächeninhalt bei Niederdrukmaschinen
ungefähr 1/25 der Kolbenfläche und bei Hochdrukmaschinen 1/18 bis 1/20 oder selbst
noch weniger beträgt, wenn diese Maschinen mit vollständig geöffneten Dampfcanälen
und mit einer Kolbengeschwindigkeit zwischen 0,m80
und 1,m50 in der Secunde arbeiten, daß also bei
solchen Maschinen der Dampfdruk in dem Cylinder von demjenigen im Dampfkessel nur
wenig verschieden ist;
3) daß es von großer Wichtigkeit ist, durch eine geeignete Regulirung der
Schieberventile die Dampfemission etwas früher eintreten zu lassen, um vom Beginn
des Kolbenhubes an den Widerstand des Dampfdruks zu vermindern. Auf diese
Nothwendigkeit hatten schon längst Hr. Rösch und andere
Ingenieure aufmerksam gemacht; auch nimmt man gegenwärtig im allgemeinen bei gut
eingerichteten Maschinen darauf Rüksicht;
4) daß bei den Expansionen, wie sie gewöhnlich bei Dampfmaschinen in Anwendung
kommen, welche das Verhältniß 1/6 selten überschreiten, ja selten erreichen, die
nach dem Mariotte'schen Geseze berechnete Arbeit der Expansion
die wirkliche Arbeit im allgemeinen ein wenig, aber auch nur um eine sehr geringe
Größe übersteigt, während das Mariotte'sche Gesez bei
sehr verlängerten Expansionen etwas schwächere Resultate als die der Erfahrung
liefert. Was die andern hinsichtlich der verlängerten Expansionen vorgeschlagenen
Regeln betrifft, so entfernen sie sich von den effectiven Spannungen noch weit mehr
als das Mariotte'sche Gesez.
Die zweite Abtheilung behandelt die Anwendung der Theorie der Bewegung von
Flüssigkeiten in Leitungsröhren auf die Circulation des Dampfes durch Röhren, Canäle
und Mündungen, mit Berüksichtigung sämmtlicher Verluste an lebendiger Kraft, welche
derselbe durch Verengerungen und Erweiterungen erfährt, so wie auch der durch den
Widerstand der Wände consumirten Arbeit.
Die Anwendung auf verschiedene Fälle in Vergleich mit den directen Resultaten der
Erfahrung zeigt daß die Formeln den Nuzeffect mit einer für die Praxis genügenden
Genauigkeit darstellen.
In der dritten Abtheilung zeigt die Discussion einer großen Anzahl von Versuchen,
welche durch die Société industrielle de Mulhouse
angeordnet wurden, daß die im Jahr 1826 von Hrn. Poncelet
aufgestellten und durch die eingeschalteten Correctionscoefficienten modificirten
Formeln mit aller erforderlichen Genauigkeit die beobachteten Nuzeffecte
repräsentiren.
In der vierten Abtheilung endlich zeigt die Discussion der von den Maschinenbauern
befolgten Regeln, daß diese Regeln mit den Formeln übereinstimmen, welche durch
einen für jede Maschinengattung constanten Coefficienten modificirt sind. Es folgt
aus diesen Untersuchungen, daß durch directe Beobachtung, durch die Theorie der
Bewegung von Flüssigkeiten, durch die empirischen Resultate mit dem dynamometrischen
Zaum, und durch die Discussion der von den Maschinenbauern angenommenen Verhältnisse
die Grundlagen der citirten Formeln so wie ihre Anwendung mit Hülfe der constanten
Coefficienten hinreichend gerechtfertigt sind, und daß kein Grund vorhanden ist,
diesen einfachen und leicht anzuwendenden Regeln andere Methoden zu substituiren,
welche die Beobachtung von gegebenen Größen erfordern, die sich sehr schwer mit
Genauigkeit direct bestimmen lassen.
Diesen Studien über die Wirkung des Dampfs in stationären Dampfmaschinen, welche ich
sobald es mir möglich wird auch auf Locomotiven ausdehnen werde, füge ich eine
Abhandlung über die Verhältnisse bei, die sich für die Schwungräder aller Systeme
von Dampfmaschinen am besten eignen. Das Problem, dessen Lösung ich mir zur Aufgabe
gemacht habe, ist folgendes:
Es sey eine Dampfmaschine nach beliebigem System gegeben, mit oder ohne Expansion,
mit oder ohne Condensation, Hoch- oder Niederdruk, und ihre Kraft, in
Pferdekräften ausgedrükt, bekannt. Es soll das Trägheitsmoment gefunden werden,
welches man dem an der Krummzapfenwelle befestigten Schwungrade geben muß, damit die
Winkelgeschwindigkeit dieser Welle sich in Folge der Aenderungen der Thätigkeit des
Dampfes und des Spiels der Maschinentheile nicht mehr als um einen gegebenen Bruch
von ihrem mittleren Werthe entferne. Die Lösung der Aufgabe darf übrigens mit Hülfe
des Lineals und Cirkels und der bekannten Methoden der Quadratur oder mit Hülfe des
Planimeters bewerkstelligt werden.
Ich liefere die Auflösung dieses Problems für alle im Gebrauch befindlichen Systeme
stationärer Dampfmaschinen mit doppelten oder dreifachen Krummzapfen. Da die in
dieser Abhandlung entwikelten Lösungen zahlreiche Quadraturen erforderten, so
bediente ich mich hiezu eines nach meiner Angabe modificirten conischen hölzernen
Planimeters. Die Vergleichung der mit diesem bequemen Instrumente erhaltenen
Resultate mit den gewöhnlichen Methoden der Quadratur bestätigte von neuem die
Vorzüge desselben hinsichtlich seiner Genauigkeit und läßt hoffen, daß dasselbe in
der Folge mit Sicherheit auf die Quadratur der durch krumme Linien begränzten
Flächen angewendet werden könne.