Titel: | Ueber die richtige Construction der Schrauben hinsichtlich der Feinheit ihrer Gewinde; von Karl Karmarsch. |
Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. LXXXVIII., S. 336 |
Download: | XML |
LXXXVIII.
Ueber die richtige Construction der Schrauben
hinsichtlich der Feinheit ihrer Gewinde; von Karl Karmarsch.Aus dem Artikel „Schrauben“ in
dem kuͤrzlich erschienenen XIII. Bande von Prechtl's technologischer
Encyklopaͤdie.
Karmarsch, über die richtige Construction der Schrauben
hinsichtlich der Feinheit ihrer Gewinde.
Unter dem Ausdruke: „Feinheit der Gewinde“ wird hier das Maaß
des einzelnen Schraubenganges seiner Breite nach (d. h. in der Längenrichtung der
Schraube), oder die Anzahl von Gängen, welche sich auf 1 Zoll Länge der Schraube
befindet, verstanden. Die erstere Ausdruksweise ist bei Schrauben mit sehr groben
Gängen, die leztere in den übrigen Fällen gebräuchlich. Die Breite oder Stärke der
Gänge muß in einem passenden Verhältnisse mit dem Durchmesser der Schraube stehen,
und sofern lezterer gegeben ist, hat man die Dimensionen des Gewindes darnach
einzurichten, so wie umgekehrt für eine vorgeschriebene Steigung (also Gangbreite)
des Gewindes man der Schraube einen damit harmonirenden Durchmesser geben muß. Von
dem Verhältnisse des Durchmessers (einschließlich der Gewinde) zur Steigung ist der
Neigungswinkel der Gänge abhängig. Dieser hat für
folgende Fälle die beigesezte Größe:
Textabbildung Bd. 091, S. 336
Bei einem Durchmesser;
Neigungswinkel.; 10mal so groß als die Steigung
Obwohl in den eben gedachten Beziehungen die Praktiker sehr oft sich keiner festen
Regeln bewußt sind, namentlich was die kleineren Arten von Schrauben betrifft, so
führt doch schon ein für richtiges Ebenmaaß geübtes Auge ziemlich auf den rechten
Weg; und wenn man eine große Anzahl guter Gewinde untersucht, so lassen die
Resultate davon die unbewußt beobachteten Regeln erkennen. Auf diese Weise haben
sich folgende als bewährt anzusehende Säze ergeben:
a) Bei eisernen Schrauben mit flachem und einfachem Gewinde macht man den
Durchmesser der Spindel (immer mit Einschluß der hohen Gänge verstanden) regelmäßig
3⅓ bis 4mal so groß als die Steigung, wonach sowohl die Breite des hohen
Ganges, als jene des vertieften der siebente oder achte Theil des Durchmessers ist.
Sehr selten findet ein kleineres oder größeres Verhältniß zwischen Steigung und
Durchmesser statt; und 1 : 3⅓ einerseits, so wie 1 : 4½ andererseits,
können als die äußersten Gränzen angesehen werden. In der Ausführung doppelter,
drei- und vierfacher Schrauben behält man die vorstehende Bestimmung der
Gangbreite bei (nämlich ⅛ bis 1/7 des Durchmessers); aber die Steigung des
Gewindes erhöht sich dabei natürlich auf die doppelte, dreifache, vierfache Größe.
Legt man ⅛ des Durchmessers als Breite des hohen (und eben so des vertieften)
Ganges zu Grunde, so ergibt sich
Fuͤr das
das verhaͤltniß der Steigung zum
Durchmesser
der Reigungswinkel.
Zweifache
Gewinde
1 : 2
—
9°
3′
dreifache
—
3 : 4
—
13°
26′
vierfache
—
1 : 1
—
17°
40′
Wird dagegen 1/7 des Durchmessers zur Gangbreite genommen, so findet man
Fuͤr das
das verhaͤltniß Steigung zum
Durchmesser
der Reigungswinkel.
Zweifache
Gewinde
4 : 7
—
10°
19′
dreifache
—
6 : 7
—
15°
16′
vierfache
—
8 : 7
—
20°
—
Kann nun der Reibungswinkel bei solchen Schrauben ungefähr
auf 9° angenommen werden, so ergibt sich, daß (in richtigem Verhältnisse der
Steigung gearbeitete) doppelte flache Schrauben theilweise und unvollkommen,
drei- und vierfache dagegen in ausgezeichneter Weise die Eigenschaft besizen
müssen, durch einen Gegendruk zurük zu springen, wie dieß dann die Erfahrung
allgemein bestätigt. Es läßt sich aus dem Obigen die einfache praktische Regel
ableiten, daß, um diese Eigenschaft einer Schraube zu ertheilen, man derselben
mehr als den halben Durchmesser zur Steigung geben
müsse.
b) Eiserne (überhaupt
metallene) Schrauben mit gewöhnlichen scharfen Gewinden
bieten hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Steigung und Durchmesser weit mehr
Mannichfaltigkeit dar, als jene mit flachen Gängen. Abgesehen von den Fällen, wo
beim Einschneiden von Gewinden an allerlei Geräthen (um Dekel und dergleichen
aufzuschrauben) die Umstände gewöhnlich nöthigen, bei großem Durchmesser ein feines
Gewinde anzuwenden, gilt im Allgemeinen die Regel: daß zwar das Gewinde desto feiner
zu machen sey, je kleiner der Durchmesser der Schraube ist, jedoch zur Ganghöhe ein
desto größerer Theil des Durchmessers genommen werde, je geringer der leztere ist.
Aus der Untersuchung einer großen Anzahl guter und schöner (schmiedeiserner und
stählerner) Schrauben sind die Resultate entnommen, welche hier zusammengestellt
folgen, und sich auf einfache Gewinde beziehen:
Durchmesser der Schrauben, Zoll.
Anzahl der
Gewindgaͤnge auf 1 Zoll Laͤnge.
Verhaͤltniß
der Steigung zum Durchmesser.
1/16
64
bis
80
1 : 4
bis
5
3/32
42
—
60
1 : 4
—
5⅔
⅛
36
—
48
1 : 4½
—
6
3/16
28
—
34
1 : 5¼
—
6⅜
¼
24
—
32
1 : 6
—
8
⅜
18
—
27
1 : 6¾
—
10⅛
½
14
—
20
1 : 7
—
10
⅝
12
—
16
1 : 7½
—
10
¾
10
—
12
1 :7½
—
9
7/8
8
—
10
1 : 7
—
8¾
1
8
1:8
Sollen dergleichen Schrauben mit mehrfachen Gewinden dargestellt werden, so bleibt
die Feinheit der einzelnen Gänge die nämliche, aber die Steigung wird in dem
nöthigen Verhältnisse vergrößert, d. h. doppelt so groß für eine zweifache, dreimal
so groß für eine dreifache Schraube etc. — Die in vorstehender Tabelle
enthaltenen Vorschriften, obwohl aus der vieljährigen Praxis vorzüglicher
Werkstätten abgeleitet, können doch nicht ganz uneingeschränkt als Gesez gelten;
denn in einzelnen Fällen kann man durch besondere Umstände veranlaßt werden, das
Gewinde einer Schraube feiner zu nehmen, als das regelmäßige Verhältniß zum
Durchmesser innerhalb der durch die Tabelle gestekten Gränzen gestattet. So finden
sich wohl ausnahmsweise Schrauben von 3/32 Zoll Dike mit 76 bis 80 Gängen auf 1 Zoll; solche
von ¼ oder ⅜ Zoll mit 40 bis 48 Gängen; von ¾ Zoll mit 16
Gängen u. s. w.; allein solche Abweichungen werden, gegen das Ganze gehalten, stets
selten seyn. Die kleinsten Schräubchen bei Uhrmacher-Arbeiten, mit Gängen,
von welchen 100 bis 120 nur den Raum eines Zolles einnehmen, können als die Gränze
hinsichtlich der Feinheit der Schraubengewinde angesehen werden.
Neuerlich hat in England Jos. Whitworth auf den Vortheil
aufmerksam gemacht, welcher aus der allgemeinen Annahme übereinstimmender
Schraubengewinde entstehen würde. Die außerordentliche Verschiedenheit der Gewinde
an den Schraubenbolzen etc., welche bei Dampfmaschinen und andern Maschinerien
vorkommen, wird besonders bei Reparaturen sehr fühlbar, und macht diese kostspielig
und oft ungenügend. Wären dagegen in allen mechanischen Werkstätten gleiche und
feststehende Verhältnisse zwischen dem Durchmesser und der Ganghöhe der Gewinde, so
wie übereinstimmende Formen der Schraubengänge eingeführt, so wird es an jedem Orte
leicht seyn, fehlende Schrauben genau in der erforderlichen Weise zu ersezen, ohne
daß man eine große Menge verschiedener Werkzeuge (Schneidbaken und Gewindebohrer)
anzuschaffen und vorräthig zu halten genöthigt wäre. Die Maschinenbauer Whitworth und Comp. wurden vor einigen Jahren veranlaßt,
ein System von Schraubengewinden aufzustellen und anzunehmen, welches dadurch zu
Stande gebracht wurde, daß man eine große Menge Schraubenbohrer aus den
vorzüglichsten Maschinen-Werkstätten Englands sammelte, die Ganghöhe ihrer
Gewinde mit den Durchmessern verglich, und aus den Mittelwerthen eine regelmäßige
Scale bildete. Die ¼, ½, und 1½zölligen Bolzen wurden besonders
ausgewählt und als die feststehenden Punkte der Scale angenommen, nach welchen man
die dazwischenfallenden Abstufungen bestimmte. Diese Scale wurde später bis auf 6
Zoll Durchmesser ausgedehnt, und ist folgende:
Durchmesser der Schrauben
Zoll.
Anzahl der
Gewindgaͤnge auf 1 Zoll Laͤnge.
Verhaͤltniß der
Steigung zum Durchmesser.
¼
20
1 : 5
5/16
18
1 : 5 5/8
3/8
16
1 : 6
7/16
14
1 : 6 1/8
Durchmesser der schrauben, Zoll.
Anzahl der Gewindgaͤnge auf 1 Zoll
Laͤnge.
Verhaͤltniß der Steigung zum
Durchmesser.
½
12
1 : 6
5/8
11
1 : 6 7/8
¾
10
1 : 7½
7/8
9
1 : 7 7/8
1
8
1 : 8
1 1/8
7
1 : 7 7/8
1¼
7
1 : 8¾
1 3/8
6
1 : 8¼
1½
6
1 : 9
1 3/8
5
1 : 8 1/8
1¾
5
1 : 8 ¾
1 7/8
4½
1 : 8 7/16
2
4½
1 : 9
2¼
4
1 : 9
2½
4
1 : 10
2 ¾
3½
1 : 9 5/8
3
3½
1 : 10½
3¼
3¼
1 : 10 9/16
3½
3¼
1 : 11 ⅜
3¾
3
1 : 11¼
4
3
1 : 12
4¼
2 7/8
1 : 12 7/32
4½
2 7/8
1 : 12 15/16
4¾
2¾
1 : 13 1/16
5
2 3/4
1 : 13¾
5¼
2⅝
1 : 13 25/32
5½
2⅝
1 : 14 7/16
5¾
2½
1 : 14⅜
6
2½
1 : 15
Diese Bestimmungen gelten sowohl für Gußeisen als für Schmiedeisen, und dieser
Umstand ist wahrscheinlich die Veranlassung gewesen, daß die Gewinde etwas gröber
gemacht worden sind, als sie im Allgemeinen für Schmiedeisen üblich sind (siehe die
vorhergehende Tabelle). Um eine Uebereinstimmung in der Gestalt der Gewinde zu
erlangen, ist durchgehends der Kantenwinkel = 55 Grad festgesezt worden. Das auf
diese Art zusammengestellte System von Schraubengewinden hat schon eine ziemlich
große Verbreitung gewonnen. An vielen Eisenbahnen und in mehreren der größten
mechanischen Werkstätten Englands ist es ausschließlich angenommen worden;
deßgleichen wurde es in dem königlichen Dock-Yard zu Woolwich und bei dem Baue der Dampfmaschinen
für die königliche Post-Dampfboot-Gesellschaft eingeführt.
c) Die eisernen Holzschrauben
mit weit aus einander liegenden scharfen Gewinden unterliegen wieder eigenen Regeln
in Betreff des Verhältnisses zwischen Durchmesser und Steigung. An ausgezeichnet
schönen Schrauben dieser Art hat sich beim Nachmessen Folgendes ergeben, wobei zu
bemerken ist, daß unter Durchmesser (wegen der etwas konischen Gestalt) der mittlere Durchmesser, einschließlich des Gewindes,
verstanden werden muß:
Durchmesser, Zoll.
Anzahl der Gaͤnge auf 1 Zoll.
Verhaͤltniß der Steigung zum
Durchmesser.
Tiefe der
Gewindgaͤnge, Zoll.
Verhaͤltniß der Gewindtiefe zum
Durchmesser.
Verhaͤltniß der Gewindtiefe zur
Steigung.
0,44
6¼
1 : 2,75
0,078
1 : 5,64
1 : 2,05
0,23
12
1 : 2,76
0,050
1 : 4 60
1 : 1,67
0,17
15
1 : 2,55
0,040
1 : 4,25
1 : 1,67
0,08
27
1 : 2,16
0,020
1 : 4
1 : 1,85
Man sieht hieraus, daß der Durchmesser 2 1/6, bis 2¾mal so groß ist, als die
Steigung, und daß dieses Verhältniß mit abweichender Dike der Schrauben kleiner
wird, eben so wie das Verhältniß zwischen der Tiefe des Gewindes und dem
Durchmesser, wonach das Verhältniß der Gewindtiefe zur Steigung nur geringe
Schwankungen darbietet.
d) Die dreiekigen Gewinde der hölzernen Schrauben erhalten regelmäßig eine Steigung (oder Gangbreite)
von solcher Größe, daß sie 3½ bis 4mal (selten 4½ oder gar 5mal) in
dem Durchmesser der Spindel, zu welchem das Gewinde eingerechnet wird, enthalten
ist. Nach guten Mustern kann die Regel aufgestellt werden, daß bei Schrauben unter
und bis zu 1 Zoll Dike die 3½ fache, und bei Schrauben von mehr als 1 Zoll
die 4 fache Steigung dem Durchmesser gleich gemacht wird. Mehrfache hölzerne
Schrauben bekommen Gänge von derselben Stärke, aber entsprechend größerer
Steigung.