Titel: Ueber die Meyer'schen Locomotiven und ihre Leistungen in Oesterreich und Frankreich; von Amédée Demarteau, Architekten und Ingenieur in Wien.
Fundstelle: Band 92, Jahrgang 1844, Nr. LVIII., S. 226
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LVIII. Ueber die Meyer'schen Locomotiven und ihre Leistungen in Oesterreich und Frankreich; von Amédée Demarteau, Architekten und Ingenieur in Wien. Die Meyer'schen Locomotiven und ihre Leistungen in Oesterreich und Frankreich. Es sind kaum zwei Jahrzehnte verflossen, seitdem die ersten Eisenbahnen von einiger Bedeutung erbaut worden sind, und die Fortschritte, welche im Eisenbahnbaue, namentlich aber im Baue der Locomotiven waͤhrend dieser Zeit gemacht wurden, sind so groß, daß dasjenige, welches damals fuͤr das non plus ultra der Vollkommenheit und daher fuͤr kaum ausfuͤhrbar gehalten wurde, gegenwaͤrtig als vollkommen erreicht dasteht. – Damals leisteten die Locomotiven auf einer ganz ebenen Bahn, bei einem verhaͤltnißmaͤßig sehr bedeutenden Brennmaterialverbrauch, nur halb so viel als jezt, wo sie bedeutende Steigungen uͤberwinden und die Haͤlfte des Brennmaterials verbrauchen, um eine doppelt so große Last, bei sonst gleicher Geschwindigkeit, zu ziehen. Der Grund, warum in so kurzer Zeit so viel geleistet wurde, laͤßt sich aus dem Standpunkte, den die Eisenbahnen vor zwanzig Jahren in technischer und staatswirthschaftlicher Hinsicht einnahmen, leicht abstrahiren. – Das Ueberwinden von Rampen von noch so geringer Steigung mittelst Locomotiven bot bei dem damaligen Stande des Wissens in dem Dampfmaschinenbaue sowohl in praktischer als in theoretischer Hinsicht solche Schwierigkeiten dar, daß, wenn zwischen verschiedenen in Vorschlag gebrachten Tracen fuͤr Eisenbahnen zu Wahlen war, gewiß jene als die vollkommenste und allein ausfuͤhrbare erkannt wurde, welche durchaus ein gleiches Niveau hatte, wenn sie selbst auch in Hinsicht des Verkehres weniger guͤnstige Resultate als die andern versprach. Die verhaͤltnißmaͤßig unbedeutende Laͤnge der Bahnen, welche ausgefuͤhrt wurden, so wie die geringe Wichtigkeit, die man ihnen, namentlich auf dem Continent, einraͤumte, wies ihnen eine untergeordnete Stelle unter den Mitteln an, welche dem Menschen zu Gebote stehen, um den Verkehr zu erleichtern. – Eisenbahnen wurden bloß im Allgemeinen fuͤr den Transport bedeutender Lasten und Waarenvorraͤthe auf kuͤrzere Streken, nicht aber fuͤr die Personenfrequenz gebaut, und es war daher fuͤr den Locomotivenbauer genuͤgend, daß er ein- fuͤr allemal wisse, fuͤr welche Lasten er seine Dampfwagen construiren sollte, und er kam nie oder selten in die Lage, mit einer und derselben Locomotive dieselbe Last unter verschiedenen Betriebsverhaͤltnissen weiter zu bewegen. – Wie die Eisenbahnen aber in der Meinung der Regierungen und des Publikums im Allgemeinen den Rang einzunehmen anfingen, welcher ihnen gebuͤhrte und als das einzige und wirksamste Mittel erkannt wurden, den Verkehr zu befoͤrdern und neue Handelsverbindungen anzuknuͤpfen, so wurde man gezwungen laͤngere Bahnen anzulegen und es ward nicht mehr moͤglich, die Steigungen bei deren Anlage zu beseitigen und somit uͤberall guͤnstige und gleiche Niveauverhaͤltnisse bei deren Tracirung zu erzielen. – Die Aufgabe war nun auf einmal eine andere und es wurden groͤßere Anforderungen an die Locomotiven gemacht, denen sie auch wirklich entsprachen, indem sie bedeutende Steigungen uͤberwanden. – Dieser Vortheil mußte aber durch einen groͤßeren Verbrauch an Brennmaterial erkauft werden, indem die Maschinen fuͤr die unguͤnstigsten Betriebsverhaͤltnisse berechnet werden mußten; und die Folge davon war, daß ein Theil ihrer Kraft unbenuͤzt verloren ging, dort, wo sich auf derselben Bahn guͤnstiger stellten. Um diesem wesentlichen Gebrechen abzuhelfen, bemuͤhten sich nun die Locomotivenbauer eine Vorrichtung zu erfinden, mittelst welcher es moͤglich ist, den Verbrauch des Dampfes und mithin dessen Erzeugung, von welchem wieder der groͤßere oder mindere Brennmaterialverbrauch abhaͤngt, den Betriebsverhaͤltnissen anzupassen, und die Expansionsfaͤhigkeit des Dampfes, oder die Eigenschaft, welche der Dampf besizt, daß eine gleiche Menge desselben bei einer gewissen Temperatur im geschlossenen Raum an Volumen zunimmt, gab ihnen ein geeignetes Mittel an die Hand, um dort, wo die Arbeit der Maschine nicht so groß seyn duͤrfte, den Kolben in seinem Laufe zu treiben, ohne darum eine eben so große Menge Dampfes in den Cylinder einzulassen, als es der Fall ist, wenn die Maschine ihre ganze Kraft aufbieten muß. Die ganze Frage war also darauf zuruͤkgefuͤhrt, daß man mittelst einer an der Maschine angebrachten Vorrichtung den Cylinder auf laͤngere oder kuͤrzere Zeit gaͤnzlich absperrte, und so den Eintritt des Dampfes in denselben waͤhrend eines groͤßeren oder geringeren Theils des Kolbenlaufes verhinderte. Daß der Zwek dadurch vollkommen erreicht werden mußte, leuchtet von selbst ein, indem der Dampf, welcher sich im Cylinder ausgedehnt hat, eine viel geringere Geschwindigkeit bei feinem Entweichen in den Kamin annimmt, als jene, die er erlangt haben wuͤrde, wenn er, wie bei den Maschinen ohne Expansion, in den Cylinder eingestroͤmt waͤre und mit immer gleicher Kraft auf den Kolben gewirkt haͤtte. Der Grund des Brennmaterialersparnisses ist also: 1) in dem Umstand zu suchen, daß man weniger Dampf zu erzeugen braucht und 2) daß der Luftzug im Kamine geschwaͤcht wird. Es gibt zweierlei Vorrichtungen, um die Expansionsfaͤhigkeit des Dampfes zu benuͤzen. – Sobald bei einer Maschine das Einstroͤmen des Dampfes in den Cylinder immer in einem bestimmten unverruͤkbaren Punkte desselben waͤhrend des Kolbenlaufes gehemmt wird, so ist die Expansion des Dampfes unter allen Verhaͤltnissen gleich, und man sagt, die Maschine arbeite mit (constanter) gleichbleibender oder Der Expansion; sobald aber das Einstroͤmen des Dampfes in den Cylinder nach Maßgabe des groͤßeren oder geringeren Widerstandes, den die Maschine zu uͤberwinden hat, spaͤter oder fruͤher gehemmt wird, wodurch also der Dampf im ersten Falle weniger, im zweiten aber mehr Expandirt, so arbeitet die Maschine mit (variabler) veraͤnderlicher Expansion. Durch das eben Gesagte erscheint nun die Benuͤzung der veraͤnderlichen Expansion namentlich dort von hoher Wichtigkeit, wo die Terrainverhaͤltnisse und auf den Verkehr Bezug habende Ruͤksichten die Anlage einer Bahn bedingen, wo bedeutende Kruͤmmungen und Steigungen zu uͤberwinden sind. Eine Parallele zwischen beiden Arten, die Expansion zu benuͤzen, ziehen wollen, wuͤrde hier zu weit fuͤhren. – Uebrigens behandelt der Vortrag, den Hr. Wilhelm Engerth, Supplent am k. k. polytechnischen Institute in Wien, im Februar dieses Jahres vor dem niederoͤsterreichischen Gewerbvereine hielt (man vergl. unten S. 234), diesen Gegenstand vollkommen erschoͤpfend und buͤndig. – Der Verfasser dieser Zeilen glaubt aber, daß es bei dem allgemeinen Interesse, welches alles dasjenige, was auf Eisenbahnen Bezug hat, erwekt, Passend waͤre dem groͤßeren Publicum dasjenige mitzutheilen, was ihm uͤber die neueren Leistungen der mit Benuͤzung der veraͤnderlichen Expansion erbauten Locomotiven bekannt geworden ist, besonders da die Berichte, die ihm vorliegen, die von Hrn. Meyer aus Muͤlhausen mit veraͤnderlicher Expansion erbauten Dampfwagen „Mulhouse“ betrifft, wovon einer auf der Versailler Bahn (linkes Ufer) bei Paris, der andere auf der Nordbahn bei Wien, mit gleich guͤnstigem Erfolge functionirt hat. – Da der Name des Hrn. Meyer aber durch die guͤnstigen Resultate, welche er durch die Anwendung seiner hoͤchst rationellen Vorrichtung fuͤr die Benuͤzung der variablen Expansion bei Locomotiven erzielt hat, bereits allgemein bekannt geworden ist, und da außer ihm noch einige ausgezeichnete Ingenieurs, als Hr. Cabry, Egels, Stephenson etc, ebenfalls Vorrichtungen zur Benuͤzung der variablen Expansion erfunden haben, so werden hier einige Daten uͤber den Zeitpunkt, wo er seine ersten Versuche mit der konstanten sowohl als mit der variablen Expansion machte, nicht uͤberfluͤssig seyn. – Bei stehenden Dampfmaschinen wendete er vor acht Jahren zum erstenmale sowohl die konstante als die veraͤnderliche Expansion an (die leztere Vorrichtung regulirte sich vollkommen von selbst und ist gegenwaͤrtig in ganz Europa verbreitet). Alle seine Maschinen arbeiten ohne Valve oder Hahnregulirung, welche bestaͤndig offen ist – Er fuͤhrte bereits vor 2 Jahren die veraͤnderliche Expansion bei den Locomotiven ein, denn schon im Mai 1842 war die Locomotive „l'Espérance“, welche die erste ist, die mit veraͤnderlicher Expansion arbeitete, in seiner Werkstaͤtte vollendet – sie kam im Julius auf die Bahn, wurde im Oktober desselben Jahres probirt und das Gesuch wegen Bestellung dieser Maschine war ungefaͤhr 18 Monate fruͤher eingereicht worden. Nachdem nun diese Daten vorausgeschikt worden sind, so koͤnnen wir ungehindert auf die Resultate uͤbergehen, welche Hr. Meyer mit feinen Locomotiven erzielte. Einer der Berichte, aus welchem hier ein Auszug mitgetheilt wird, ist von Hrn. Pétiet, dem ruͤhmlich bekannten Oberingenieur der Versailler Bahn (linkes Ufer), der ohne Zweifel allen Sachkundigen durch das von ihm in Gemeinschaft mit Hrn. Flachat herausgegebene Werk uͤber Locomotiven bekannt ist. Die Bahn von Paris nach Versailles (linkes Ufer) besteht aus einer continuirlich aufsteigenden Rampe mit haͤufigen Kruͤmmungen, deren Steigung 1/250, und deren Laͤnge 17 Kilometer, oder nahe an 2 1/4 deutsche Meilen (ein Kilometer à 527 Wiener Klafter berechnet) betraͤgt. – Diese Bahn ist also aͤußerst unguͤnstig in Beziehung auf den Brennmaterialverbrauch. Die Trains gehen alle Stunden ab, was mittelst vier Maschinen geschieht; eine derselben bleibt in Versailles als Reservemaschine stehen; jede von den drei andern macht eine Fahrt hin und her in 3 Stunden Zeit Jede Maschine macht im Sommer fuͤnf vollstaͤndige Fahrten, oder in Summa einen Weg von 22,04 deutschen Meilen per Tag, im Winter aber bloß vier Fahrten, oder 15,419 deutsche Meilen. – Die Maschinen, welche auf dieser Bahn verwendet werden, sind 12 an der Zahl, darunter eine von Stephenson mit 15zolligem Cylinder, nach einem aͤltern Modell erbaut; 5 von Sharps Roberts mit 13zoͤlligen Cylindern, 2 franzoͤsische Maschinen ebenfalls mit 13zoͤlligen Cylindern aus der in Creussot sich befindenden Maschinenwerkstaͤtte; 4 englische Maschinen von Hawthorn mit 11 und 12zoͤlligen Cylindern. – Diese Maschinen, im Jahr 1840 erkauft, sind von neuerer Construction und durch Hrn. Pétiet fuͤr die Benuͤzung der Expansion mittelst Oberlapp und Voreilen der Dampfschieber eingerichtet worden, wodurch schon eine bedeutende Brennmaterialersparniß erzielt wird. Das Ebengesagte beweist hinlaͤnglich, daß die Meyer'sche Locomotive, deren Leistungen in Bezug auf Brennmaterialverbrauch durch laͤngere Zeit mit jenen der obenerwaͤhnten Maschinen verglichen wurde, mit Maschinen, welche schon in dieser Hinsicht Vorzuͤgliches leisteten, in die Schranken treten mußte. Zwei Maaßregeln aber, welche Hr. Pétiet beim Betriebe dieser Bahn einfuͤhrte, trugen noch wesentlich dazu bei, den relativen Brennmaterialverbrauch obiger Maschinen bedeutend zu vermindern. – Seit dem Monat Junius 1842 hat naͤmlich auf sein Anrathen die Direktion der Versailler Bahn gesucht, die Lokomotivfuͤhrer dahin zu vermoͤgen, den Verbrauch von Brennmaterial so viel es in ihrer Macht steht zu verringern, indem man ihnen die bestimmten Procente von derjenigen Summe als Praͤmie uͤberlaͤßt, welche sie im Vergleiche mit dem fruͤheren Verbrauche ersparen. – Vom Monat November 1842 an wurden ferner die Maschinen, welche im Dienste sind, die ganze Nacht hindurch im Dampfe erhalten, indem es erwiesen wurde, daß sich ein Vortheil herausstellte, wenn man das Feuer waͤhrend der Nacht nicht ausgehen laͤßt und es nur dann herausnimmt, wenn die Maschinen in die Remisen kommen, was alle 7 bis 8 Tage geschieht. Unter dem Einflusse dieser verschiedenen Maaßregeln hat sich denn bei dieser Bahn eine sehr bedeutende Brennmaterialersparniß herausgestellt, wie man es aus der weiter unten angefuͤhrten Tabelle leicht entnehmen kann. – Die darin angefuͤhrten Zahlen geben den Totalverbrauch des Brennmaterials an, welches nothwendig war, um die Maschinen waͤhrend der Nacht zu heizen, um die Reservemaschinen jederzeit zur Dienstleistung bereit zu halten und um die Maschinen, wie sie aus den Remisen kommen, vorzuheizen. Die Kohks, welche verwendet werden, sind von einer mittelmaͤßigen Qualitaͤt. Vergleichungs-Tabelledes jeweiligen Brennmaterialverbrauches auf der Versailler Bahn (linkes Ufer) vom Oktober 1840 bis Ende 1843. Textabbildung Bd. 92, S. 229 Im Jahre; Waͤhrend 3 Monate; Totalsumme der in dieser Zeit zuruͤkgelegten Meilen; Brennmaterial-Verbrauch; Im Durchschn. p. oͤsterr. Meile in Centnern Diese Uebersichtstabelle, welche mit Huͤlfe von Daten, die sich aus dem wirklichen Betriebe ergaben, entworfen wurde, beweist, was eine sorgfaͤltige Instandhaltung und die rationelle Verbesserung der Maschinen, namentlich die Einfuͤhrung der Expansion (der constanten) verbunden mit andern zwekmaͤßigen Maaßregeln beim Betriebe, bei denen der Maschinist betheiligt ist, nuͤzen koͤnnen. Hr. Pétiet sagt auch, indem er die Leistungen der Locomotive „Mulhouse“ bespricht, daß diese Maschine auf der Bahn eben so verwendet wurde wie die andern; sie diente waͤhrend der Woche zur Weiterbefoͤrderung kleiner Wagenzuͤge, am Sonntage aber wurden deren schwerere eingehaͤngt, ohne daß man darum, wie es bei den andern Maschinen der Fall war, ihre ganze Kraft in Anspruch nehmen mußte. Die naͤchstfolgende Tabelle gibt eine Uebersicht der Leistungen dieser Locomotive waͤhrend den Monaten September und Oktober 1843, verglichen mit denen der eingangserwaͤhnten Maschinen. – Der Mehrverbrauch an Kohks wegen der Reservemaschinen, dem Heizen der Maschinen waͤhrend der Nacht und dem Vorheizen einer jeden Locomotive wie sie aus den Remisen kommt, wurde auf alle Maschinen, also auch auf die Meyer'sche, nach Maaßgabe der Anzahl Meilen vertheilt, welche eine jede zuruͤklegte. Uebersichts-Tabellewelche den relativen Brennmaterialverbrauch bei Anwendung der veraͤnderlichen Expansion, verglichen mit der fixen Expansion, ausweist. September und Oktober Totalverbrauch    an Kohks  ZuruͤkgelegterWeg in Summa   Durchschnitt desBrennmaterials per    oͤsterr. Meile     Centner.      Meilen.        Centner Alle Maschine zusammen     4651,06    4269,036         1,0894 Abzuziehen die Maschine „Mulhouse“    (Meyer'sches System)       622,86      722,661         0,8604 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Beibt fuͤr die Maschine der Bahn     4028,20    3546,377         1,1382 Die Maschine „Mulhouse“ hat also waͤhrend den Monaten September und Oktober 1843, wie man es aus obiger Uebersicht entnehmen kann, eine Ersparung von 0,2777 Wiener Centner Kohks per deutsche Meile im Vergleiche mit der Gesammtzahl der Versailler Maschinen, also beinahe 5 Proc. des gewoͤhnlichen Bedarfs erzwekt. – Will man aber den relativen Brennmaterialverbrauch bei Anwendung des neuen Systems berechnen, wenn die Maschinen im Dienste sind, so muͤssen fuͤr die Reservemaschine, das Heizen der Maschine waͤhrend der Nacht und das Vorheizen derselben per deutsche Mette nahe an 0,2373 Cntr. (1 3/4 Kilogr. per Kilometer) von obiger Zahl per 1,1382 Cntr. abgezogen werden, wodurch es sich ergibt, daß die Maschinen des linken Ufers im Durchschnitte an 0,9009 Cntr. Kohks per deutsche Meile verbrauchten, waͤhrend die Maschine „Mulhouse“ bloß 0,6231 Cntr. fuͤr dieselbe Streke waͤhrend dem Dienste auf der Bahn verbrannte; uͤber 31 Proc. oder beinahe ein Drittel des sonstigen Brennmaterial – Verbrauchs waͤre folglich die Ersparung, welche mit der Locomotive „Mulhouse“ und mithin mit der veraͤnderlichen Expansion verglichen mit der constanten erzielt wurde. Hr. Pétiet schließt seinen Bericht, indem er sagt: „man kann nach einer genauen Pruͤfung der obenerwaͤhnten Zahlen wohl nichts anders thun, als diese wesentliche Ersparniß an Brennstoff der Anwendung der veraͤnderlichen Expansion zuschreiben, welche es allein moͤglich macht, die Kraft der Maschinen, je nachdem die Hindernisse, welche sie zu uͤberwinden hat, groͤßer oder geringer sind, zu vermehren oder zu vermindern. – Die Maschine „Mulhouse“ mit ihren Cylindern von 15 engl. Zollen im Durchmesser muß bei einer geringen Belastung ich Vergleiche mit Maschinen mit 13zoͤlligen Cylindern im Nachtheile seyn, wenn sie wie diese mit der gewoͤhnlichen fixen Expansion eingerichtet waͤre. – Mittelst der veraͤnderlichen Expansion aber hat die Maschine „Mulhouse“ diesen Nachtheil aufgewogen, und hat uͤberdieß eine sehr bedeutende Ersparung im Verbrauche des Brennmaterials erzwekt. Diese Verbesserung erscheint daher von hoher Wichtigkeit, namentlich noch aus dem Grunde, weil sie die Eisenbahndirection in den Stand sezt, im Allgemeinen sehr starke Maschinen anzuwenden, mit welchen es moͤglich wird jeder Witterung Troz zu bieten, bedeutende Steigungen bei einer groͤßern Belastung zu ersteigen, weil die Kraftaͤußerung derselben, je nachdem sie einen groͤßern oder geringern Widerstand uͤberwinden muͤssen, vermehrt oder vermindert werden kann.“ Hr. Pétiet aͤußert sich ebenfalls sehr guͤnstig uͤber die verschiedenen sehr zwekmaͤßigen sonstigen Verbesserungen, welche Hr. Meyer beim Baue seiner Locomotiven eingefuͤhrt hat, welche alle sehr kraͤftig und dauerhaft gebaut sind. Da es nun eine Meyer'sche Maschine war (ebenfalls mit dem Namen „Mulhouse“), welche in Wien auf der Nordbahn probirt wurde, so braucht der Artikel in der Frankfurter Oberpostamts-Zeitung vom 9. Nov. 1843, wo es heißt, „daß in Folge des Versuches, welcher mit einer Expansions-Locomotive der HHrn. Meyer und Comp. aus Muͤlhausen gemacht worden ist, sich wohl eine Ersparniß an Brennstoff, aber eine mindere Zugkraft ergab“, keine andere Widerlegung als die, welche in obigen Zeilen enthalten ist. – Uebrigens fand der Schluß der Versuche auf der Nordbahn erst am 14. November statt, woraus von selbst einleuchtet, daß deren Ergebniß am 9. November noch nicht bekannt seyn konnte, und sich daher die Correspondenznachrichten in der Frankfurter Oberpostamts-Zeitung vom 9. Nov. nur auf Vermuthungen gruͤndeten. Die Zahlen und die Thatsachen, welche weiter oben angefuͤhrt worden sind, so wie der Name des Hrn. Pétiet werden wohl genuͤgend seyn, um jeden Zweifel in Bezug auf die praktische Anwendbarkeit der variablen Expansion im Allgemeinen, namentlich aber der von Hrn. Meyer erfundenen Expansionsvorrichtung (détente variable) zu beseitigen. Diese Resultate haben so sehr die Aufmerksamkeit der franzoͤsischen Regierung auf die Meyer'schen Locomotiven gezogen, daß dieselbe eine permanente Commission ernannt hat, welche die Versuche durch eine laͤngere Zeit nach einem sehr großen Maßgabe fortsezt. Diese Versuche fallen, wie wir aus sicherer Quelle vernehmen, aͤußerst guͤnstig fuͤr die Meyer'schen Locomotiven aus, und wir werden nicht saͤumen, daruͤber zu seiner Zeit zu berichten, besonders da es ebenfalls heißt, daß es Hrn. Meyer gelungen sey, seine Vorrichtungen fuͤr die Anwendung der variablen Expansion bedeutend zu vereinfachen, und sie in ihrem Effecte noch mehr zu vervollkommnen. Die Meyer'sche Maschine, welche auf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn versucht worden ist, hat, obgleich die Probezeit bloß vom 31. Oktober bis 14. Nov. 1843 inclusive dauerte, und sie mit Holz, fuͤr welches Brennmaterial sie eigentlich nicht berechnet war, statt mit Kohks geheizt wurde, eben so guͤnstige Resultate, als die auf der Versailler Bahn erhaltenen, geliefert. – Sie fuhr am 31. Oktober bis 6. Nov. incl. mit Expansion, vom 7. Nov. bis 14. Novbr. incl. ohne Expansion. Folgende Zusammenstellung der Zahlen, welche uns uͤber diese Versuche vorliegen, gibt einen Ueberblik der erlangten Resultate. Textabbildung Bd. 92, S. 232 Durch 7 Tage; Hinfahrt; Summe der Angehaͤngten Wagen; Ruͤkfahrt; Anzahl der zuruͤkgelegten Meilen; Brennmaterialverbrauch; Reducirt auf lauter weiches Holz; Im Durchschn. per oͤsterr. Meile; Mit Expansion; Ohne Expansion Aus der lezten Rubrik ersieht man nun, daß der Brennmaterialverbrauch mit Anwendung der Expansion sich zu jenem ohne Expansion verhalt, wie 0,106 zu 0,155, oder annaͤhernd wie 10 zu 15, oder 2 zu 3, woraus sich dann deutlich ergibt, daß hier ebenfalls eine Ersparung von 33 Proc. durch die Anwendung der veraͤnderlichen Expansion stattgefunden hat. Uebrigens ist noch außer dem erwaͤhnten Resultate mit der veraͤnderlichen Expansion die Durchschnittszahl, welche den Brennmaterialverbrauch fuͤr den Dienst der Maschine ohne Benuͤzung der Expansion ausweist, hoͤchst merkwuͤrdig, und fuͤr die Meyer'schen Lokomotiven im Allgemeinen sehr anempfehlend, besonders wenn man bedenkt, daß jede neue Maschine im Anfange ihres Dienstes, in den ersten vierzehn Tagen, 10 bis 20, ja oft 25 Proc. mehr consumirt, als nachdem dieselbe wenigstens sechs Monate functionirt hat, und daß der durchschnittliche Brennmaterialverbrauch der Locomotiven bei guter Fuͤhrung und Erhaltung derselben im Allgemeinen mit 1/5 Klafter 36zoͤlliges weiches Holz berechnet wird. – Die Meyer'sche Locomotive verbrauchte bloß etwas uͤber 3/20 Klafter 36zoͤlliges weiches Holz per Meile woraus sich ergibt, daß sie durch ihre bessere Construction allein, gleich im Anfange ihres Dienstes ohne Benuͤzung der Expansion per Meile 1/20 Klafter verglichen mit dem gewoͤhnlichen Brennmaterialverbrauche von 4/20 Klafter per Meile ersparte. Diese Resultate koͤnnen als verlaͤßlich angesehen werden, da die Verhaͤltnisse, unter welchen die Fahrten mit der Expansion gemacht wurden, beinahe dieselben waren, naͤmlich: im Durchschnitte beinahe gleiche Last, dieselbe Entfernung hin und zuruͤk auf derselben Bahn, dieselben Lokomotivfuͤhrer, eine gleiche Witterung etc. etc. Endlich sind die vorzuͤglichen Leistungen der Meyer'schen Locomotiven auf den Elsaßer Bahnen schon seit 18 Monaten bekannt, und vor Kurzem hat der ruͤhmlichst bekannte Muͤlhauser Industrieverein einen aͤußerst guͤnstigen Bericht uͤber Meyer's Verbesserungen an den Locomotiven und den fixen Maschinen uͤberhaupt bekannt gemacht, welcher uns im Druke vorliegt. Es geht aus demselben hervor, daß die meisten Maschinen dieser Bahn nach und nach mit aͤhnlichen Verbesserungen so weit es moͤglich war, versehen worden sind, und daß dadurch eine ungeheure Ersparniß beim totalen Brennmaterial-Verbrauch erreicht wurde, was ebenfalls als ein schlagender Beweis gelten muß, wie sehr sich die Anwendung der Expansion variable im Allgemeinen, namentlich aber die Meyer'sche Vorrichtung zur Benuͤzung derselben bei dem Betriebe und einer laͤngern praktischen Anwendung bewaͤhrt. (Archiv fuͤr Eisenbahnen, 1844, Nr. 5.)