Titel: Ueber die Fabrication des Runkelrübenzukers; von Payen.
Fundstelle: Band 92, Jahrgang 1844, Nr. LXXVI., S. 293
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LXXVI. Ueber die Fabrication des Runkelruͤbenzukers; von Payen. Aus den Comptes rendus, April 1844. Nr. 16. Payen, über die Fabrication des Runkelrübenzukers. Meine Stellung als Professor der angewandten Chemie macht es mir zur Pflicht die unsere großen Industriezweige betreffenden theoretischen und praktischen Fragen öffentlich zu erörtern; jedes Jahr bestrebe ich mich, entweder an der Centralschule oder am Conservatorium der Künste und Gewerbe die Fortschritte unserer Fabrikanten geziemend zu würdigen. Wenn die im heurigen Jahre von mir ausgesprochene Ansicht über den gegenwärtigen Standpunkt und die Zukunft unserer inländischen Zukerfabriken und jene der Colonien für mich einigen Werth hat, so ist dieß, weil sie mit der Ansicht unserer geschiktesten Fabrikanten übereinstimmt. Die interessante Mittheilung des Hrn. Dumas über diesen wichtigen und schwierigen Gegenstand führt auf Erörterungen, welche mir obliegen und wie ich hoffe, gestattet seyn werden. Ich will es also sogleich aussprechen, daß die genialen Beobachtungen Schützenbach's über die Krystallisation, wenn sie auch das Deken mit Zukersyrup als etwas Neues einführen und eine Erfindung begründen würden, wenn sie sogar so viel weißen und reinen Zuker gewinnen ließen, als man nach dem bisherigen Verfahren Rohzuker erhielt, was mir aber zweifelhaft scheint, daß diese Beobachtungen, sage ich, – welche ohne Zweifel auf die von Thenard ausgegangene Idee gesättigte Zukerlösungen anzuwenden und auf das Dek- und Krystallisirverfahren von Crespel-Delisse zurükzuführen sind, – wie es mir scheint, mit keiner der durch die französische Industrie in der Gewinnung des inländischen Zukers und in der Fabrication auf den Colonien eingeführten Erfindungen in Vergleich zu bringen sind, welchen Erfindungen man verdankt: 1) die Knochenkohle, 2) die gekörnte Kohle, 3) die Wiederbelebung derselben, 4) die doppeltwirkende Concentration im luftleeren Raume, 5) das Formen des gekörnten Zukers; ich glaube mich hierin auf Hrn. Dumas selbst berufen zu dürfen. Mittelst dieser Erfindungen und ihrer neuen Vervollkommnungen, mittelst des gegenwärtigen Krystallisirverfahrens und Dekens mit Zukersyrup, kann und muß man krystallisirten Zuker in weißem und reinem Zustande erhalten; hiemit schloß ich auch einen Bericht, welchen ich über das Verfahren des Hrn. Perraud Polytechn. Journal Bd. LXXXVI S. 314. erstattete, und der nach dessen Methode in Hüten erhaltene Zuker brauchte unter keinen Umständen mit 10 Proc. Melasse versezt zu werden, wie dieß dem Zuker des Hrn. Schützenbach begegnete. Hr. Schützenbach kann also, wie mich dünkt, keineswegs den größten Theil der Verbesserungen in der Ausziehung des Zukers für sich vindiciren; wir werden vielmehr mit der Zeit erfahren, ob er mit gutem Rechte nur die Ehre einer wirklichen und nüzlichen Erfindung in Anspruch nehmen darf, mit der Zeit nämlich, welche gar oft über zu glänzende Hoffnungen Recht spricht. Drei sehr beachtenswerthe Beispiele werden hier am Plaze seyn. Zehn volle Jahre verflossen mit Versuchen und Verbesserungen des Macerationsverfahrens und am Ende jeder Campagne war sein berühmter Erfinder von den Vorzügen eines Verfahrens, welches 95 Proc. des Runkelrübensaftes zu liefern vermochte, nur um so fester überzeugt; dessenungeachtet zweifelten die Berichterstatter der Soc. d'Encouragement über die Preisbewerbungen noch immer.Polytechn. Journal Bd. LXXXV S. 219. Heutzutage aber ist kein Zweifel mehr möglich, denn dieses Verfahren verschwand seit dem vorigen Jahre aus allen Fabriken, die es eingeführt hatten. Einer der sinnreichsten und empfohlensten Apparate, welcher, stetig fortwirkend, ohne Beihülfe der Wärme und der Presse, durch bloßes Auswaschen 90 Proc. vom Safte des Rübenbreies lieferte, verschwand wieder, nachdem er die Kosten der Etablissements, die sich seiner bedienten, vermehrt und das Product vermindert hatte. Nicht so langer Zeit, aber schwererer Opfer bedurfte es, um das Schützenbach'sche Verfahren der Austroknung der Rüben, in Frankreich als unpraktisch zu erkennen, welches doch noch weit mehr versprach als sein gegenwärtiges Krystallisirverfahren. Noch zwanzig andere kühne Ideen könnte ich hier in Anregung bringen, welche wenigstens von ihren Erfindern auf ihre eigne Gefahr und Kosten unternommen wurden; allein ich habe genug gesagt, um meine Mahnungen und den Rath, welchen ich gegeben, zu rechtfertigen, vorsichtig zuzuwarten, wenn auch nur, um sich zu überzeugen, ob man nicht schon im Besiz des Aequivalents für die dargebotene Erfindung sey. Schließlich erlaube ich mir die Bedingungen eines guten Erfolgs bei der Rübenzukerfabrication mitzutheilen, welche ich für die wesentlichsten halte: 1) Wechselwirthschaft beim Anbau und Verwendung der abgepreßten Rükstände in der Art, daß 1000 Kilogr. Saft nicht über 12–13 Francs zu stehen kommen; 2) um die Hälfte langsamerer Gang des Mechanismus, welcher die Klöze in Bewegung sezt, wodurch die Rüben gegen die Trommel der Reibmaschine vorgeschoben werden und Vermehrung der Anzahl der Sägeblätter, um das Gewebe der Rüben in derselben Zeit besser zu zertheilen; 3) mehr stufenweises und stärkeres Auspressen, indem man eine größere Anzahl hydraulischer Pressen anwendet; 4) Anwendung größerer Quantitäten gekörnter Kohle mittelst Filter von dreimal größerm Inhalt. 5) Anwendung der Apparate von Degrand, Derosne und Cail, wodurch es möglich wird, die Temperatur beim Abdampfen wegen des vollkommneren Vacuums noch zu vermindern; 6) Wiederbelebung der gekörnten Kohle durch das jezige verbesserte Verfahren; 7) Krystallisation des Zukers, woraus der Deksyrup bereitet wird, nach den besten bekannten Verfahrungsweisen oder den von Hrn. Schützenbach erfundenen Modificationen; 8) regelmäßiges Deken mit Zukersyrup in den Schützenbach'schen Kästen, oder in den Dumont'schen Filtern; 9) Formen der vollkommen gereinigten Krystalle. –––––––––– Hr. Dumas, den Zwek der von Hrn. Payen gemachten Bemerkungen nicht einsehend, beschränkt sich darauf zu bemerken, daß die Fabrikanten zu Valenciennes dessen Wünschen zuvorgekommen seyen, denn 1) sey ihre Geschiklichkeit als Akerbauer und Landwirthe bekannt; 2) haben sie schon seit langer Zeit die Geschwindigkeit der Reibmaschinen um die Hälfte vermindert und die Zahl der Sägeblätter verdoppelt, wodurch sie einen viel feiner zertheilten Brei erhalten; 3) pressen sie besser aus und zwar unter Zusaz von Wasser, wie ich es ihnen anrieth, und mit sehr gutem Erfolge; 4) sind ihre Kohlenfilter jezt 3 Meter hoch, welche Höhe wohl nicht mehr überschritten werden kann; 5) benuzen sie die Apparate von Degrand, Derosne und Cail in ihrer ganzen Vervollkommnung; 6) beleben sie ihre Kohle wieder in neu eingeführten, stetig wirkenden, und als die besten anerkannten Oefen. Kurz, sie treiben es schon lange, wie Hr. Payen es ihnen jezt anräth, hinsichtlich der Operationen, welche den Runkelrübensaft auf 30° des Aräometers bringen. Ich brauchte, fährt Dumas fort, aller dieser übrigens wohl bekannten Operationen nicht zu erwähnen, weil Hr. Schützenbach den Rübensaft von 30° anwendet, um ihn seinem neuen Krystallisir- und Dekverfahren zu unterwerfen. Sein Verfahren beruht übrigens auf einem neuen wissenschaftlichen Princip; die Bemerkungen des Hrn. Payen haben in meiner Ueberzeugung nichts geändert.