Titel: Das neue Eisenbahnsystem des Marquis A. von Jouffroy.
Fundstelle: Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XCVI., S. 401
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XCVI. Das neue Eisenbahnsystem des Marquis A. von Jouffroy. Aus dem Technologiste. April 1844. S. 327. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Jouffroy's Eisenbahnsystem. In einer ausgezeichneten von Hrn. Germain Sarrut veröffentlichen Abhandlung über Eisenbahnen, welche mit gewandter Feder die verschiedenen bis auf den heutigen Tag ausgeführten Systeme der Locomotion kritisch beleuchtet, sezt der Verfasser die Vervollkommnungen auseinander, welche heutzutage in der Construction der Eisenbahnen wünschenswerth erscheinen, und geht sodann zur näheren Darstellung des von Hrn. Marquis v. Jouffroy verbesserten Systems über. Wir entnehmen dieser Abhandlung das, was zunächst auf die Erfindung des Hrn. von Jouffroy Bezug hat. Vervollkommnungen an der Eisenbahn. – Unserm System gemäß erhält die Bahn eine größere Spurweite, nämlich 2 Meter anstatt 1,5 Meter, ohne daß jedoch diese größere Breite ein größeres Terrain bedingte. Durch die neue Anordnung der Räder, wonach diese in einem Gehäuse im Inneren der Seite des Wagenkastens rotiren, überschreitet dieser nicht die Breite von 2,2 bis 2,4 Meter. Die Bahn enthält drei Schienenlinien. Die mittlere Schiene ist cannelirt oder gerieft und bildet die eigentliche Treibschiene. Die Schienen des gegenwärtig üblichen Systems können als Seitenschienen benüzt werden. Wir wünschten, daß man auf der inneren Seite dieser Schienen und längs der ganzen Bahnlinie zwei um einige Centimeter über die Schienenoberfläche hervorspringende Schuzhölzer (gardes en bois) anordnete, zur Verhütung des Abrollens der Convois. Wir bringen ein neues System gußeiserner Schienen in Vorschlag, welches schwerlich kostspieliger und doch weit dauerhafter und sicherer wäre, als das gewöhnliche System gewalzter Schienen. Die Schienen sollen, wie gewöhnlich auf Querschwellen, Längenbalken (longrines) u.s.w. ruhen, aber unter günstigeren Bedingungen, welche der Bahn eine größere Solidität sichern. Vervollkommnungen an der Locomotive. – Wir ersezen die beiden Treibräder durch ein einziges von großem Durchmesser (2 bis 2,5 Meter), das im Innern aus Kreissegmenten von hartem Holz besteht, die so angeordnet sind, daß die Fasern in der Richtung des Halbmessers des Treibrades laufen. Dieses Rad läuft auf der in der Richtung ihrer Breite gerieften eisernen oder gußeisernen Mittelschiene. Auch könnte das Treibrad mit einem eisernen cannelirten Reife versehen seyn und auf einer Centralschiene rollen, die aus Holzprismen bestünde, welche zwischen zwei Längenbalken angeordnet wären. Ein Rahmen, welcher die Cylinder und übrigen Theile des Mechanismus einschließt, wird von dem Treibrade getragen. Dieser Rahmen ist durch starke Scharniere mit einem zweiten verbunden, der den Dampfkessel trägt, und dieser wieder mit einem dritten, welcher den Tender enthält. Die Locomotive ruht demnach auf fünf Rädern, von denen das größte den Impuls von der Dampfmaschine erhält, und den ganzen Train mit sich zieht. Die vier andern Räder, welche den Kessel und Tender tragen, rotiren frei um ihre Achsen. Die Adhäsion der Peripherie des großen Rades auf der gerieften Centralschiene gestattet demselben, ohne zu gleiten, Rampen hinanzusteigen; sie dient zugleich dazu, an Abhängen die Geschwindigkeit zu mäßigen. Die Art, wie die drei Rahmen oder Wagengestelle mit einander verbunden sind, erlaubt denselben, Curven selbst von 10 Meter Halbmesser sich anzuschmiegen, ohne jene Gefahren befürchten zu müssen, welche bei dem gewöhnlichen System durch das Abgleiten und die Centrifugalkraft herbeigeführt werden. Die beiden Cylinder theilen die Bewegung mittelst Lenkstangen und Krummzapfen einer an der Vorderseite der Maschine angeordneten horizontalen Welle mit. An dieser Welle befinden sich zum Behuf der Transmission Räder von verschiedenen Durchmessern, welche die Bewegung abwechselnd der horizontalen Welle mittheilen. Die Transmission wird durch Vaucanson'sche Bandketten oder durch Laufriemen vermittelt, die um Räder von verschiedenen Durchmessern laufen, welche an der Achse dieses Rades befestigt sind. Die oben erwähnte horizontale Welle ist mit einem im Bereich des Conducteurs befindlichen Muff versehen, um bald das eine, bald das andere der Transmissionsräder in Eingriff zu bringen, und auf diese Weise, je nach Bedürfniß, die Geschwindigkeit des Treibrades verändern zu können, ohne deßhalb die Geschwindigkeit der Dampfkolben ermäßigen zu müssen. Vervollkommnungen an den Waggons. – Der Wagenkasten, und mithin auch sein Schwerpunkt, ist der Bahn näher gerükt. Die Räderachsen, der Schwerpunkt des Waggons und der Angriffspunkt der Zugkraft sind durch diese Tieferlegung des Wagenkastens und durch den größeren Durchmesser der Räder in eine und dieselbe horizontale Ebene gebracht. Diese Anordnung, welche die größten Winkel der Stabilität erzeugt, beseitigt jede dem Convoi schädliche Zerlegung der Kraft, und führt eben dadurch zum Maximum der Zugkraft. Die Wagen, welche die Curven zu durchlaufen haben, bestehen aus zwei Hälften, die durch zwei eine horizontale Drehung gestattende Scharniere mit einander vereinigt sind. Jeder dieser Halbwagen ruht auf zwei Rädern, die sich frei um ihre Achse drehen. Dieses Princip der Gliederung isolirt jedes Räderpaar und läßt ihm freies Spiel, wie bei einem zweirädrigen Cabriolet, das in den kleinsten Curven wendet. Vervollkommnungen im Transporte selbst. 1) Da die Räder der Locomotive und der Waggons beinahe zweimal so groß als bei dem gewöhnlichen System sind, so erhält man mit der gleichen Anzahl von Kolbenhuben eine ohne Vergleich größere Geschwindigkeit, und mit einem geringeren Aufwande an Dampf die gleiche Geschwindigkeit. 2) Zur Ersteigung der Rampen oder zum Behuf des Waarentransportes kann man durch Verminderung des Geschwindigkeits-verhältnisses zwischen dem Kolben und dem Rade dieselbe Quantität Dampfes bei verminderter Geschwindigkeit consumiren, d.h. dieselbe Kraft mit einer geringeren Geschwindigkeit erzielen. 3) Mit Hülfe der Adhäsion an der Centralschiene und eines mit großer Hebelkraft auf das Treibrad wirkenden Bremskranzes kann man beinahe augenbliklich die Locomotive anhalten und den Tender hemmen. Der Conducteur beherrscht vermittelst eines gegen die geriefte Centralschiene gedrükten schweren Hemmschuhs den ganzen Convoi und kann die Wagen nach Willkür hemmen. Außerdem läßt eine sehr einfache an jedem Wagen angebrachte mechanische Anordnung dem Convoi in seinem Normalzustande alle Freiheit; sobald aber durch irgend einen Umstand ein Stoß erfolgt, so wird die Erschütterung durch Federn unschädlich gemacht, welche unmittelbar auf Querstangen wirken, die in Gestalt von Bremsklözen stark gegen die Radfelgen drüken. 4) Die Locomotive ist mit allen nöthigen Apparaten versehen, um fremde Gegenstände aus der Bahn zu räumen. Anlegung der Bahn. – Es sind bis jezt mehrere Mittel vorgeschlagen worden, die Bahnschienen mit dem Boden in feste Verbindung zu bringen. Man hat die Schienenstühle befestigt, 1) auf steinernen Unterlagen; 2) auf hölzernen Querschwellen; 3) auf Längenbalken; 4) auf Mauern, die entweder in der Richtung der Bahn oder perpendiculär zu derselben gebaut sind und im leztern Falle die Querschwellen vertreten. Unter allen diesen Mitteln hat sich durch die Erfahrung als dasjenige, welches den Erschütterungen am besten widersteht und die sanfteste rollende Bewegung zuläßt, die Anwendung hölzerner Querschwellen oder flacher auf den nivellirten Boden gelegter Längenbalten erwiesen. In Frankreich hat man beinahe überall hölzerne Querschwellen von 18–24 Quadratcentimeter eingeführt. Die Schienenstühle sind aber an den äußersten Enden der Schwellen befestigt, so daß das Gewicht des Wagenzugs das Erdreich an diesen beiden Punkten einzudrüken strebt, was häufig Senkungen zur Folge hat, und die Nothwendigkeit auferlegt, den Theil des Erdreichs, worauf die äußeren Enden der Querschwellen liegen, öfters von neuem zu erhöhen. Die Stüzfläche jeder dieser Querschwellen beträgt überdieß durchschnittlich nur 50 Quadratdecimeter; sie liegen in Abständen von 80 Centimeter bis 1 Meter. Bei diesem System machen die Temperaturveränderungen, die durch die Spurkränze der Räder veranlaßen Seitenstöße, die Erzitterungen und Biegungen in Folge des raschen Darüberrollens der schweren Locomotive und der belasteten Waggons, nothwendiger Weise die Keile loker und erschüttern die Pflöke – eine Erfahrung, welche auf allen Eisenbahnen und namentlich auf solchen, die mit großer Geschwindigkeit befahren werden, sich bestätigt hat. Wählt man das System gußeiserner Schienen, dem wir den Vorzug geben, so kann man die Querschwellen in Abständen von 1 Meter 59 Centimeter legen, ausgenommen in Curven, wo sie etwas näher zusammengerükt werden; die Schwellen sind 0,30 Cent. breit und 0,15 Cent. hoch, und besizen eine Stüzfläche von 75 Quadratdecimeter; sie sind mit einer Rippe (côte ou nervure) versehen, welche die Bestimmung hat, dieselben unbiegsamer zu machen und die Centralschiene zu unterstüzen. Bei dieser Anordnung wirkt das größte Gewicht des Wagenzugs, nämlich das der Locomotive auf die Mitte der Querschwelle. Der Druk vertheilt sich daher auf die ganze Oberfläche – ein Umstand, welcher unserem System doppelt so viele Stüzpunkte gibt, als das gegenwärtige System darbietet. Fig. 3 stellt diese Bahnconstruction im senkrechten Durchschnitte dar. T ist die Querschwelle, N die erwähnte Rippe; R die geriefte Centralschiene; r, r sind die gußeisernen Seitenschienen. Die Verbindung der lezteren wird mit Hülfe von Doppelkeilen bewerkstelligt, die in Oeffnungen zwischen den Hervorragungen der Schienenstühle und den an den Schienenenden reservirten massiven Theilen getrieben werden. Will man indessen bei den Schienen aus gewalztem Eisen stehen bleiben, so legt man über die Querschwellen einen Längenbalken, welcher mit seiner unteren Fläche auf dem Boden ruht. Dieser Längenbalken trägt die Centralschiene. Auf den äußeren Enden der Querschwellen sind zwei andere Längenbalken mit Schuzhölzern angeordnet. Diese Längenverbindung besteht 1) aus einem 0,15 Cent. im Geviert haltenden Tannenbalken; 2) aus einer Einfassung von Eichenholz, welche den schüzenden Vorsprung bildet und auf das Tannenholz genagelt ist. Zur Aufnahme der Längenbalken sind die Querschwellen bis zur Hälfte eingeschnitten. Die Schuzbalken liegen an den Enden der Querschwellen in Einschnitten von 2–3 Cent. Tiefe, und werden durch Pflöke befestigt. Fig. 4 stellt diese Construction mit gewalzten Schienen für Wagen mit Rädern ohne Spurkränze im senkrechten Querschnitte dar. L ist der Längenbalken, worauf die Centralschiene R ruht; r, r sind gewalzte Schienen, welche nach der gewöhnlichen Methode in Schienenstühlen liegen; G, G Längenbalken mit Schuzplatten. Zwei von unsern drei gußeisernen Schienen besizen hervorstehende Leisten, die dritte ist flach. Ihr Gesammtgewicht beträgt, mit Einschluß der Schienenstühle, 180,000 Kilogr. per Kilometer; die gußeisernen Schienenstühle wiegen 1500 Kilogramme. Für die Längenbalken und Querschwellen braucht man 120 Stères Holz. Man sieht, daß die Kosten unserer Construction mit gußeisernen Schienen ungefähr dieselben sind, wie bei gewöhnlichen Eisenbahnen mit zwei Schienen, nämlich 45,000–50,000 Frcs. per Kilometer. Für den zweiten Fall, nämlich bei Anwendung gewalzter Schienen, würden die Kosten des neuen Systems in dem Verhältniß von 100 zu 125 vermehrt werden, wiewohl sich dieser Mehrbetrag durch gewisse Ersparnisse im Ankauf des Terrains, in der Construction, im Betrieb und der Unterhaltung der Bahn reichlich ausgleichen würde. Da bei dem gewöhnlichen System das Gewicht der Locomotiven 13,000–15,000 Kil. beträgt, so haben die Schienen unter dem Druk jedes Treibrades ein Gewicht von ungefähr 6000 Kil. zu tragen, weßhalb man diesen Schienen eine Dimension geben muß, die einem Gewichte von 35 Kil. auf den Meter entspricht. Bei unserem System dagegen haben die Seitenschienen nur die Waggons zu tragen, also durch jedes Rad höchstens 1000–12,000 Kilogr. Diesem gemäß können wir das Gewicht der Schienen wenigstens um 15 Kil. per Meter reduciren. Wir geben ihnen indessen 20 Kil. in der Ueberzeugung, daß eine hohe Tragkraft, insbesondere im vorliegenden Falle, eine Hauptbedingung der Dauerhaftigkeit und Oekonomie der Eisenbahnanlage sey. Die Spurweite der Schienen beträgt 2 Meter; der Zwischenraum zwischen beiden Bahnen 1,5 Meter und die Breite der Fußwege 1 Meter. Dieß macht für eine doppelte Bahn im Ganzen 7,5 Meter — eine Breite gleich derjenigen, die bei allen unseren Bahnen eingeführt ist. Die Locomotive, welche Fig. 5 in der Seitenansicht, Fig. 6 im Grundriß und Fig. 7 in der vordern Ansicht dargestellt ist, besteht, wie oben bereits bemerkt wurde, aus drei ähnlichen Rahmen oder Gestellen C, C', C'' die bei a und a' durch Scharniere dergestalt mit einander verbunden sind, daß sie ein in verticalem Sinne biegsames, den Eisenbahncurven sich anschmiegendes System bilden. Die eigentliche Locomotive ruht auf den beiden vorderen Gestellen C, C' Das erste Gestell enthält die Cylinder, den Kaltwasserbehälter und den ganzen Bewegungsmechanismus; das zweite Gestell C, welches den Dampfkessel, die Warmwasserbehälter und den Feuerkasten trägt, ruht auf zwei Rädern, die sich frei um eine mit Federn versehene Achse drehen; das dritte Gestell 0'' endlich enthält den Kohlentender. Bei dieser Anordnung kann das Rad R, welches die Centralschiene mit seiner Rinne umfaßt, weder zur Rechten noch zur Linken sich neigen, noch die Verticalebene verlassen, ohne vermittelst des Scharniers a das eine oder das andere der Räder C' zu heben; und da diese Räder mit dem bedeutenden Gewichte des Dampfkessels, des Feuerlastens und der Reservoirs belastet sind, so ist die Stabilität des Apparates gesichert. Da ferner die untere Fläche des Rahmens der Locomotive dem Boden der Bahn bis auf 10 oder 12 Centim. genähert ist, so können die Ränder, welche die Kehle des Treibrades bilden, unmöglich sich über die Oberfläche der Centralschiene erheben, ohne daß sich die entsprechende Seite der Locomotive vorher auf den Boden stüzt. Der Apparat könnte also im Falle einer solchen Neigung nicht aus der Bahn treten, ohne sich ganz zu erheben – ein Umstand, welcher das Abrollen in gewisser Hinsicht unmöglich macht. Es bleibt uns nur noch übrig, die außerordentliche Einfachheit dieser Locomotivgattung und ihre Wirkungsweise zu zeigen. Der Dampf gelangt aus dem Dampfkessel durch eine in der Verlängerung der Scharnierachse a befindliche bewegliche Büchse in die Cylinder; von da tritt er wieder durch Abtheilungen derselben Büchse in den Kamin. Die Kolbenstangen wirken auf zwei an den Enden einer Welle rechtwinkelig zu einander angeordnete Krummzapfen. Diese Welle theilt die Rotation dem großen Rade vermittelst endloser Ketten oder Zahnräder mit, so daß man auf jeden Umgang des Rades nach Belieben zwei, drei oder vier Dampfvolumina verwenden, d.h. zwei, drei oder vier Kolbenhube geben kann. Dieser Umstand gestattet, wie bereits oben bemerkt wurde, die Dampfconsumtion nach den ungleichen Bedürfnissen einer Bahn zu reguliren. Die neue Locomotive ist einerseits viel leichter als die gewöhnliche, andererseits ist ihr Gewicht auf eine größere Länge vertheilt. Diese Anordnung allein liefert eine Garantie gegen alle Unfälle in Folge von Stößen bei großen Geschwindigkeiten. Bei dem gewöhnlichen System wiegt die Locomotive 13, 15–18,000 Kil., und der größere Theil dieses Gewichts ruht auf zwei Rädern von geringem Durchmesser; die Treibräder tragen jedes beinahe 8000 Kilogr.; die Länge der Locomotive beträgt ungefähr 5 Meter. Unsere auf 5 Räder vertheilte Locomotive dagegen nimmt mit dem Tender eine Länge von 12 Meter ein; das Treibrad trägt nur 4000 Kilogramme, und jedes der vier andern Räder ist höchstens mit 1500 Kil. belastet; auch ist die Bahn breiter. Demnach sind bei dem gewöhnlichen System 18,000 Kil. auf ungefähr 7 Meter Bahnoberfläche vertheilt, während bei unserem System 10,000 Kil. durch eine Bahnfläche von 24 Meter unterstüzt sind. Da bei der gewöhnlichen Methode die Locomotive unabhängig von dem Tender arbeitet, während die drei Theile unserer Locomotive ein in verticalem Sinne untheilbares Ganze bilden, so wird der Vortheil des neuen Systems hinsichtlich der Abnüzung der Bahn und des Effectes der bewegten Masse bei großen Geschwindigkeiten das Verhältniß von 18/7 zu 10/24 oder von 6 zu 1 weit übersteigen. Die Waggons. – Fig. 8 liefert die Seitenansicht, Fig. 9 die vordere Ansicht und Fig. 10 den horizontalen Durchschnitt eines unserer Waggons. Der Wagen besteht, wie bereits oben angeführt wurde, aus zwei Kasten, welche durch zwei Scharniere mit einander verbunden sind. In horizontalem Sinne gestatten diese Scharniere beiden Theilen des Wagens freies Spiel, in verticalem Sinne dagegen erscheinen beide Theile starr und fest verbunden, wie wenn der Wagen nur aus einem Theile bestünde. Die Wagenräder drehen sich frei um ihre Achsen. Ihr Durchmesser kann doppelt so groß, wie bei gewöhnlichen Eisenbahnwagen seyn, weil sie außerhalb der Wagen liegen. Bei dieser Anordnung fällt, wenn jeder Wagen mit 32 Personen beladen ist, der Schwerpunkt in der Höhe der Radachse in die Achse des Scharniers, so daß der Aufhängepunkt, der Angriffspunkt des Zugs und der Schwerpunkt in eine und dieselbe Horizontalebene zu liegen kommen. Die Vortheile dieser Anordnung sind einleuchtend, nämlich: 1) die Tieferlegung des Schwerpunktes ertheilt dem Wagen eine größere Stabilität; 2) er kann nicht umstürzen, selbst wenn eine Achse brechen oder Räder abstiegen sollten, weil er in diesem Fall sogleich auf dem Boden aufliegen würde, von dem er nur durch einen Raum von 12–15 Cent. getrennt ist; 3) er schmiegt sich, da die Räder frei rotiren, ohne Reibung allen Curven an; 4) die unangenehme und gefährliche schwankende Bewegung ist endlich beseitigt, indem die horizontalen Schwingungen nie das Gewicht vom einen Rade auf das andere überzutragen streben. Wir haben nun nur noch die Beschreibung des Sicherheitsapparats beizufügen. An jedem Ende des Waggons geht durch die Mitte des Gestells und in der Höhe der Achse eine Eisenstange, welche die Fähigkeit besizt, einige Centimeter einwärts sich zu bewegen und an dieser Stelle eine doppelte Schraubenmutter trägt, die dem Zug als Stüzpunkt dient. An ihrem anderen Ende enthält diese Stange eine Hälfte des Scharniers, welches vermittelst eines Bolzens mit der Stange des nächsten Wagens articulirt. Dieser Bolzen läßt sich mit Hülfe eines im Bereiche des Conducteurs befindlichen Hebels leicht herausziehen. Die Stangen sind mit einer Doppelfeder und einem Hebel verbunden, welcher zwei den Bremskränzen der Räder entsprechende Stangen in Thätigkeit sezt. Die Wirkung dieses Apparats ist nun folgende. Der Conducteur kann vermittelst Hebelwerks und Zugstangen die Wagen einzeln oder alle zusammen hemmen, er ist auch im Stande augenbliklich jeden Wagen oder sämmtliche Wagen von der Locomotive loszumachen. Wenn bei einem plözlichen Unfall die Hand des Conducteurs unzureichend wird, so functioniren die Apparate selbstthätig. Kein Wagen kann sich auf den vorhergehenden stürzen, ohne daß die Doppelfedern sich biegen, und in diesem Falle drüken die Hebel die Bremskränze gewaltsam gegen die Räder, so daß der Stoß selbst, welcher bei dem System isolirter oder nur mittelst Ketten vereinigter Wagen so gefährlich ist, hier als Mittel der Hemmung wirkt. Der lezte Wagen jedes Convoi's enthält einen gußeisernen mit Holz bekleideten Rahmen, der nach der gerieften Schiene hinabgeht und sich nöthigenfalls mit dem ganzen Gewicht des Wagens gegen dieselbe stemmt. Dieser Hemmapparat, der mächtigste von allen, ist in dem Bereich des auf dem lezten Waggon placirten Conducteurs, und bürgt insbesondere an bedeutenden Abhängen für die Sicherheit des Convoi's.Nach Zeitungsberichten hat der Marquis v. Jouffroy in der Rue de l'Ouest nahe dem Luxembourg eine kleine Bahn und Locomotive nach seinem neuen System, beide in dem Maaßstabe des Fünftheils der wirklichen Größe erbaut, und seit einer Reihe von Monaten jeden Sonntag öffentliche Versuche angestellt. Dieses System scheint wirklich den größten Theil der Vortheile zu gewähren, die sich wünschen lassen in Bezug auf Sicherheit, Ueberwindung von Steigungen bis zu 40 Millimeter, von Krümmungen bis zu 10 Meter, Bekämpfung der bei Krümmungen so gefährlich wirkenden Centrifugalkraft, Verhinderung des gewaltsamen Zusammenstoßes der Wagen, Möglichkeit augenbliklicher Lostrennung derselben, wie augenbliklicher Stillstehung der Locomotive, vorzüglich aber in Bezug auf die Möglichkeit die Geschwindigkeit des Laufes zu vermindern, ohne zugleich die Kraft der Maschine zu vermindern etc. Dabei gewahrt das neue System noch den Vortheil, daß jedenfalls die Kosten nicht vermehrt, sondern eher noch verringert werden, und daß die jezt bestehende Bahneinrichtung sich dem neuen Systeme gemäß leicht umwandeln läßt. Der Erfinder hat jezt sein System der Regierung und den Kammern vorgelegt und verlangt ein Stük Boden auf den äußeren Boulevards oder längs und innerhalb der Ringmauer, um auf eigene Kosten und Gefahr eine größere Bahn von einigen Kilometern Länge mit der dazu gehörigen Locomotive und fünf Waggons zu bauen und so die Ausführbarkeit auch im Großen zu beweisen. A. d. R.

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