Titel: Bericht des Hrn. Theodor Olivier über die abgegliederten und gekuppelten Wagen des Hrn. Dufour.
Fundstelle: Band 93, Jahrgang 1844, Nr. LXIX., S. 247
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LXIX. Bericht des Hrn. Theodor Olivier uͤber die abgegliederten und gekuppelten Wagen des Hrn. Dufour. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement. Mai 1844, S. 213. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Olivier, über die abgegliederte und gekuppelte Wagen des Hrn. Dufour. Hr. Dufour, Director der Messageries Toulouse et Comp., wendet seit einiger Zeit ein neues System von abgegliederten Wagen an, um die Reisenden und ihr Gepäk nach Meaux, Sezanne, Péronne und andern Ortschaften in der Nähe von Paris zu befördern. Dieses System besteht aus zwei Wagen, welche aneinander angehängt sind. Der zweite Wagen ist mit dem ersten durch eine sehr kurze Deichsel verbunden, deren Ende mit einem Ringe versehen ist, durch welchen ein Reibnagel geht, der hinten am ersten Wagen sich befindet, so daß die vier Räderpaare der beiden Wagen paarweise mit einander verbunden sind, wie dieß bei den zwei Räderpaaren eines einzigen Wagens der Fall ist. Die Vortheile dieses Systems sind bedeutend. Der erste Wagen ist für die Reisenden bestimmt, der zweite hingegen für das Gepäk. Da das Imperiale des für Reisende bestimmten Wagens frei bleiben kann, oder doch wenigstens nur mit leichten Gegenständen beladen zu werden braucht, so wird der Wagen dem Umfallen viel weniger ausgesezt seyn, und Unglüksfälle, welche aus der zu hohen Lage des Schwerpunktes im Wagen hervorgehen, werden vermieden. Da der Gepäkwagen mit dem Personenwagen verbunden ist, so wird man nie mehr in den unangenehmen Fall kommen, auf sein Gepäk warten zu müssen, wie sich dieß oft ereignet, wenn dasselbe in einem besonders bespannten Wagen transportirt wird. Die Straßen werden weniger verdorben werden, da die Last auf acht Räder vertheilt ist; denn obgleich die Last zweier gekuppelter Wagen größer ist, als die eines einzigen, so kann sie doch nicht der Summe der Last von zwei besonderen Wagen gleich kommen, weil die gekuppelten Wagen durch fünf oder sechs Pferde gezogen werden müssen, während man acht oder zehn Pferde nimmt, um zwei getrennte Wagen zu transportiren. Vergleicht man die Resultate, welche man mit den gekuppelten Wagen erhielt, mit denen, welche man mit den einzelnen oder getrennten Wagen erhielt, so findet man daß, während der Wagendienst mit einer Geschwindigkeit von 10,000 Meter per Stunde gehörig von Statten geht, man durch die Anwendung gekuppelter Wagen 102–140 Kilogramme für die Belastung jedes Pferdes gewinnt. (Man vergleiche die unten folgende Tabelle.) Seit der Anwendung dieses neuen Systemes ist die Gesellschaft Toulouse niemals in den Fall gekommen, die (französischen) Verordnungen, bezüglich der Wagenbelastung, übertreten zu müssen. Sie hat nicht nöthig, ihre Wagen wiegen zu lassen, und vermeidet deßhalb jeden Aufenthalt, der aus dem öftern Wiegen hervorgeht. Jeder der beiden Wagen hat seinen eigenen Conducteur, und ist mit einer Vorrichtung zum Sperren der Räder versehen, so daß beim Hinabfahren über Anhöhen Unglüksfälle weniger zu befürchten sind, wenn zwei Wagen zusammengekuppelt und beide gesperrt sind, als bei zwei Wagen, wovon jeder seine eigene Bespannung hat. Nach den Versuchen des Hrn. Dufour konnte man beim Hinabfahren über Anhöhen die beiden gekuppelten Wagen beinahe augenbliklich dadurch anhalten, daß man die Bremsen stark anzog. Unter den Vortheilen, welche dieses neue System darbietet, müssen wir noch auf folgende aufmerksam machen: da seine Anwendung gestattet, mit der gleichen Anzahl von Pferden eine größere Anzahl Reisender ohne Erhöhung des Preises zu transportiren, so ist es für die Unternehmer von Stellwagen sehr vortheilhaft, weil sie an einen Ort und per Tag eine größere Anzahl Reisender zu befördern im Stande sind, was man nach dem alten Systeme und mit getrennten Wagen nicht konnte, ohne entweder größere Kosten zu haben, welche nach und nach die Unternehmer zu Grunde richten würden, oder die Fahrtaxe zu erhöhen. Ein zweiter Vortheil, welcher aus den gekuppelten Wagen hervorgeht, ist der, daß man die beiden Wagen sehr leicht von einander trennen und dann jeden Wagen für sich gebrauchen kann, indem man die kurze Deichsel des zweiten Wagens durch eine gewöhnliche ersezt, wenn man bei einer Zweigstraße angelangt ist, so daß auf diese Weise die Reisenden nach verschiedenen Bestimmungsorten gebracht werden können, ohne daß sie durch das Wechseln der Wagen aufgehalten wären. Hr. Dufour hat dieses Verfahren bereits in Anwendung gebracht. Die Vortheile, welche aus dem neuen Systeme der gekuppelten Wagen hervorgehen, sind also unläugbar. Sowohl die Sicherheit für die Reisenden, als auch die Ersparung für den Unternehmer ist größer; es kann täglich eine größere Anzahl Reisender befördert werden, die Straßen werden weniger verdorben und das Wiegen der Wagen wird vermieden. Auch ist leicht einzusehen, daß Unglüksfälle nur dadurch entstehen könnten, daß der zweite Wagen von dem ersten nicht geleitet würde, und daß er also nicht der Spur folgte, welche von dem ersten Wagen zurükblieb. Wäre dieß auch der Fall, so hätte es auf den großen Landstraßen nichts zu bedeuten, und die Administration würde die Anwendung dieses Systems auf den großen Landstraßen unter der Bedingung erlauben können, daß die Conducteure beide Wagen besonders bespannen würden, sobald sie in eine Stadt kommen. Wir sagten so eben, daß das Ablaufen des zweiten Wagens auf den Landstraßen nichts zu bedeuten hätte; derselbe würde nämlich immer mehr rechts gehen als der erste, weil alle Wagen sich rechts ausweichen müssen und ein Versperren der Straßen wäre also niemals zu befürchten. Der erwähnte Uebelstand existirt aber in der That nicht; denn die beiden Wagen folgen einander und durchlaufen dieselbe Spur, gerade so wie zwei Wagen, von denen jeder besonders bespannt ist und welche hinter einander fahren. Die Versuche, welche im Beiseyn einer Commission von Sachverständigen gemacht wurden, lassen darüber gar keinen Zweifel. Zwei gekuppelte und mit fünf Pferden bespannte Wagen wendeten mit der größten Leichtigkeit in dem Hofe des Gasthofes zur zinnernen Schüssel (Rue St. Martin) um. Außerdem wurde die Straße von Paris nach Saint-Denis befahren, indem man abwechslungsweise bald auf die rechte, bald auf die linke Seite der Straße fuhr, und so die Chaussée unter mehr oder weniger spizen Winkeln überschritt. Es wurde umgewendet und im Achter (Sförmig) gefahren, und diese Versuche ließen durchaus keine Unregelmäßigkeiten im Gange des zweiten Wagens bemerken. Wir haben noch zu bemerken, daß bei mäßig starken Abhängen zu der Zeit wo Glatteis ist, gewöhnliche vierräderige Wagen leicht von ihrer Spur abrutschen, d.h. der Hinterwagen folgt nicht mehr der Spur des Vorderwagens, rutscht also entweder zur Rechten oder Linken, und dieß um so mehr, je schwerer der Hinterwagen beladen ist. Dieß findet man gewöhnlich bei den Postwagen. Sehr wahrscheinlich wird dieß unter gleichen Umständen bei dem Systeme von gekuppelten Wagen noch leichter der Fall seyn, und hieraus könnte für die Reisenden, welche mit diesem Systeme befördert werden, eine größere Gefahr hervorgehen, als wenn sie in einem einzelnen Wagen gefahren werden. In diesem Falle würde doppelte Aufmerksamkeit von Seite der Conducteure vonnöthen seyn. Außer den oben beschriebenen Versuchen hat Hr. Dufour auf Verlangen einen Versuch mit drei gekuppelten Wagen gemacht, und dieser gelang eben so gut wie diejenigen mit zwei Wagen. Die drei Wagen lenkten einander auf eine merkwürdig genaue Weise. Beschreibung der abgegliederten und gekuppelten Wagen. Fig. 1 Wagenzug, welcher aus einem Wagen für 31 Passagiere und einem Wagen für das Gepäk besteht. Fig. 2 Grundriß desselben nach Abnahme des Obertheiles, so daß man die Size für die Reisenden sehen kann. Fig. 3 Wagenzug, welcher aus einem Wagen mit Coupé und Rotunde für 16 und aus einem Omnibus für 15 Passagiere besteht. Fig. 4 Gestelle dieser beiden Wagen in der schrägen Lage, wie sie einander leiten. Fig. 5 Grundriß eines Zuges aus drei Wagen in ähnlicher Stellung. Fig. 6 Grundriß und Aufriß der Deichsel für den zweiten Wagen. Es ist daraus zu ersehen, auf welche Weise derselbe an das Hintergestell des vorhergehenden Wagens befestigt ist. Fig. 7 Grund- und Aufriß einer ähnlichen Vorrichtung für denselben Wagen. Dieselben Buchstaben bezeichnen in allen Ansichten denselben Gegenstand. A Personenwagen des ersten Wagenzuges. B Gepäkwagen für die Reisenden. C Personenwagen des zweiten Zuges für 16 Personen. D angehängter Omnibus. E Gestell dieses Personenwagens. F Gestell des Omnibus. G, G, G drei mit einander verbundene Wagen. Der erste davon kann mehr Reisende aufnehmen als die beiden folgenden. H kurze Deichsel, welche an das Vordergestell I des zweiten Wagens befestigt ist. Sie endigt mit einem Haken a, welcher in das Auge b des Stükes J eingreift. Das Stük J ist an das Hintergestell des ersten Wagens befestigt und der Haken a durch einen Keil c in dem Auge von J festgehalten. d eiserne Bügel, welche das hintere Ende der Deichsel mit dem vorderen Wagengestell verbinden. K ähnliche Deichsel, deren Ende sich um einen Zapfen e dreht; sie ruht auf einem Bügel f. g Bremsen an jedem Wagen. Vergleichende Tabelle über die Resultate, welche mit einzelnen und mit gekuppelten Wagen erhalten wurden. Textabbildung Bd. 93, S. 252 Dienst zwischen Paris und; Beschaffenheit der Straße; Geschwindigkeit per Stunde; Mittlerer Durchschnitt des täglich von jedem Pferde durchlaufenen Weges; Früherer Dienst; Gewicht; des leeren einzelnen Wagens; der Reisenden, d. Conducteurs und Postillons; des Gepäks der Reisenden; der versandten Güter; zusammen; Neuerer Dienst; Gewicht; des ersten leeren Wagens; des leeren Pakwagens; der Reisenden, d. Conducteurs und Postillons; des Gepäks; der versandten Waaren auf den Pakwagen; zusammen; Zahl der angespannten Pferde; Belastung für jedes Pferd; Meaux; Cezanne (Marne); Peronne (Somme); Pflaster; Schlechter Kies (a) 31 Reisende, 1 Conducteur und 1 Postillon, im Ganzen 33 Personen, wovon jede im Durchschnitt 70 Kilogr. wiegt. (b) Da der gesezliche Tarif nicht erlaubt., das Totalgewicht von 4700 Kilogr. zu überschreiten (nämlich bei einer Felgenbreite von 1 Decimet.), so verfiele man für das Gewicht über 90 Kilogr. Gepäk oder Waaren in Geldstrafe. (c) 35 Reisende, 1 Conducteur und 1 Postillon, zusammen 37 Personen vom Durchschnittsgewicht 70 Kilogr. (d) Jeder Reisende kann 20 Kilogr. Gepäk mitnehmen, also für 35 Reisende 700 Kilogr. (e) Diese Columne drükt das wirkliche mittlere Gewicht der Waaren aus. Sollten jedoch viele größere Päke aufgegeben werden, so kann die Administration sie annehmen, da sie schon aus Erfahrung weiß, daß sie mit ihrem Gespann von 6 Pferden regelmäßig die vom Geseze erlaubte Summe von 4700 Kilogr. für den ersten Wagen, und 2200 Kil. für den zweiten befördern kann. (f) Bei der Anwendung von gekuppelten Wagen kann man die Belastung jedes einzelnen Pferdes um 140 Kilogr. erhöhen. (g) ddo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . um 102    – Versuche, welche mit den gekuppelten Wagen am 17. März 1844 angestellt wurden. Befahren des Abhanges von Trocadéro gegenüber der Jena-Brüke im Trab, und indem man den Krümmungen der Straße folgte. 1) Krümmung auf der höchsten Stelle des Berges; 2) Krümmung in der Mitte desselben; 3) Krümmung am Fuße desselben. Jede Krümmung umfaßt einen rechten Winkel. Die Curve, welche die beiden Schenkel des rechten Winkels verbindet, hat, von der Mitte der Straße aus gemessen, ungefähr 6 Meter Radius. Bei allen Versuchen fand man, daß die größte Entfernung zwischen den Spuren, welche die Räder des vordern Wagens zurükließen und denjenigen der Räder des hintern Wagens beim Durchfahren der Curven höchstens 1 Decimeter betrug. Zuerst ließ man die gekuppelten Wagen zwischen der Mittellinie der Straße und dem Mittelpunkte der Curve fahren, so daß die Räder der einen Seite auf dem Ende der Straße liefen, welches dem Curvenmittelpunkte zunächst lag. Weil aber auf diese Weise das Abgleiten des hinteren Wagens weniger stattfindet, so wurden die Versuche geschärft. Man ließ die Wagen nun auf der anderen Seite der Straße fahren; aber auch hier entfernten sich die Spuren des hinteren Wagens nur um einige Centimeter von denen des vorderen Wagens. Vor diesen Versuchen streute man weiche Pflanzenabfälle auf die Straße, um desto sicherer die Spuren der Räder zu erkennen. Nach den so eben beschriebenen Versuchen erneuerte man früher angestellte. Nahe bei der Jena-Brüke, außerhalb des Marsfeldes, kam der Wagenzug auf sehr kothigen Grund, welcher tief durch Wasser erweicht war und von da fuhr man schräg auf die Chaussee, welche sich längs des Marsfeldes auf der Seite von Gros-Caillou hinzieht. Auch dieser Uebergang ließ sich sehr leicht ausführen. Die Spuren der Räder des hinteren Wagens waren nur sehr wenig von denen des vorderen entfernt, was der schwärzliche Kothstreifen auf dem Pflaster deutlich anzeigte. Die Breite dieses Streifens betrug nur 2 Decimeter auf eine Entfernung von weniger als 2 Meter von dem Anfange des Ueberganges aus dem Koth auf das Pflaster gerechnet. In einiger Entfernung von da fuhr man mit demselben Erfolge wieder von dem Pflaster auf die Kothstraße, und von da wieder zurük, und zwar an einer Stelle, wo diese in sehr schlechtem Zustande und durch das stehende Wasser ausgespült war. Aehnliche Versuche wurden an verschiedenen andern Stellen der Umgegend des Marsfeldes und der Gemeinde Vaugirard angestellt, wo gerade der ungepflasterte Weg häufige und tiefe Unebenheiten darbot.

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