Titel: Bericht des Hrn. A. Rieder über die doppeltwirkende Turbine der HHrn. André Köchlin und Comp., und über die Versuche mit dem Prony'schen Zaume, welche an einer dieser Turbinen zu Aspach-le-pont angestellt wurden.
Fundstelle: Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XXI., S. 127
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XXI. Bericht des Hrn. A. Rieder über die doppeltwirkende Turbine der HHrn. André Köchlin und Comp., und über die Versuche mit dem Prony'schen Zaume, welche an einer dieser Turbinen zu Aspach-le-pont angestellt wurden. Aus dem Bulletin de la Soc. industr. de Mulhouse, 1844, No. 38. Mit Abbildungen auf Tab. II.I. Rieder, über die doppeltwirkende Turbine der HHrn. Köchlin. Die neue Idee die Turbine auf einer beliebigen Höhe des Gefälles anzubringen, hat allgemein überrascht, und daraus, daß dieß ohne Nachtheil geschehen kann, gehen beträchtliche Vortheile in der Construction des Motors sowohl, als auch in der Anlage des Plazes, wo derselbe aufgestellt werden soll, hervor. Die HHrn. Köchlin und Comp. sagen in ihrer Abhandlung: „daß die Turbine an irgend einem Punkt in der Gefällhöhe angebracht, und die untere Wassersäule nach Willkür verlängert werden könne; doch solle sie nicht höher werden, als daß ihr der Druk der Atmosphäre noch das Gleichgewicht halten kann.“ Wir haben diese Frage, worauf die Neuheit des Systems der doppeltwirkenden Turbinen beruht, sorgfältig studirt. Betrachten wir zuerst, was geschieht, wenn die Turbine in einer Höhe aufgestellt ist, welche unter der Höhe einer Wassersäule liegt, die dem Druk der Atmosphäre das Gleichgewicht hält, welche sich also beibeiläufig 10,5 Meter über den Unterwasser-Spiegel erhebt. Wir sezen voraus, daß das Aufschlagwasser noch eine gehörige Höhe über dem Rade habe, und lezteres so construirt ist, daß das Maximum seines Wasserverbrauchs beständig von dem Aufschlagwasser-Canal geliefert werden kann. Denken wir uns nun die untere Röhre, da, wo sie verengert ist, oder wo sich die Turbine befindet, einen Augenblik hermetisch Verschlossen, so wird der Druk der Atmosphäre, die auf die Ausflußöffnung, welche sich unter dem Unterwasser befindet, wirkt, hinreichend seyn, der ganzen Wassersäule unterhalb der Turbine das Gleichgewicht zu halten. Läßt man nun das Wasser durch die Turbine strömen, so wird offenbar jedes Wassertheilchen, das durch die Turbine geht, mit einer Geschwindigkeit hindurchgedrängt werden, die der ganzen Gefällhöhe entspricht. Damit nun die Wirkung des Wasserrades vollständig sey, muß die Ausflußöffnung größer seyn als das Maximum der Oeffnung, welche die Turbine zum Durchgang des Wassers darbieten kann. Wollte man nun eine größere Fallhöhe benüzen als 10,5 Meter, und die Turbine über dieser Höhe anbringen, welcher der Druk der Atmosphäre noch das Gleichgewicht hält, was würde dann in der Abflußröhre, die sich unter der Turbine befindet, vorgehen? Der Wasserspiegel würde bis zu der Höhe A, Fig. 3b , sinken, wo dann das Wasser durch den Druk der Atmosphäre im Gleichgewicht erhalten würde, und es würde sich ein luftleerer Raum R unter der Turbine bilden, welcher mit der Toricelli'schen Leere im Barometer verglichen werden kann. Jedes Wassertheilchen, welches durch die Turbine geht, wird, bei obiger Annahme, sie mit einer Geschwindigkeit passiren, die dem Druk einer Atmosphäre entspricht, welcher gleich ist der Wassersäule AB, die unter der Turbine hängt. Die Geschwindigkeit wird aber noch durch die Wassersäule RC, welche unmittelbar auf die Turbine wirkt, vergrößert werden. Derjenige Theil des Gefälles RA, welcher sich zwischen der Turbine und der von der Atmosphäre getragenen Wassersäule befindet, würde für die Wirkung vollkommen verloren seyn und es wäre zu befürchten, daß das Wasser sehr schlecht auf das Rad wirkte, indem es sich zwischen den Schaufeln hindurch in den luftleeren Raum RA stürzte, welcher sich unter dem Rad befände. Dieß bestätigte auch ein sehr einfacher Versuch, dessen Resultat hier folgt: Eine Glasröhre Fig. 3c von ungefähr einem Meter Höhe hat oben eine trichterförmige Erweiterung, in welche ein conischer Zapfen R paßt, der mit einem kleinen Loch versehen ist. Indem man nun das untere Ende mit dem Finger zuhält und den Zapfen herausnimmt, füllt man die Röhre mit Queksilber, welches man in den Trichter gießt, bis derselbe ebenfalls voll ist; hierauf bringt man den Zapfen R an seinen Plaz und stekt das untere Ende der Glasröhre in ein Queksilberbad, worauf man den Finger entfernt. Man hat auf diese Weise einen wirklichen Barometer, und wäre das Queksilber gehörig von Luft und Feuchtigkeit befreit, so würde die Queksilbersäule, welche von dem Luftdruk getragen wird, eine Höhe von ungefähr 0,76 Meter (die Höhe einer Barometersäule) haben. Während der Versuch angestellt wurde, war der Barometerstand 0,75 Meter, das Queksilber in der Röhre stieg aber nur bis zu einer Höhe von 0,64 Meter. Der obere Theil der Röhre AR war also mit Wasserdämpfen und verdünnter Luft angefüllt. Durch die in dem Zapfen R angebrachte Oeffnung floß ein dünner Strahl Queksilber, welcher durch den luftverdünnten Raum fiel und die obere Fläche der Queksilbersäule bei dem Punkt A in eine leichte Oscillation versezte, ohne jedoch die Höhe dieser Säule merklich zu verändern. Hieraus schließen wir nun, daß bei dem neuen Turbinensystem für große Gefälle, welche die Höhe von 10,50 Meter übersteigen, die Turbine nicht höher gestellt werden soll, als man gewöhnlich Saugepumpen zu stellen pflegt; d.h. es soll vermieden werden, daß sich unter der Turbine ein luftleerer Raum bildet. Man wird jedoch sehr selten genöthigt seyn eine Turbine so hoch zu stellen, und in den meisten Fällen wird man dieselbe dem Spiegel des Aufschlagwassers sehr nahe legen können, woraus eine Menge Vortheile in der Construction derselben hervorgehen. Ein ziemlich bedeutender Uebelstand zeigt sich jedoch an dieser Art von Turbinen, wenn sie nämlich an gewissen Flüssen angelegt werden. Dieser Uebelstand besteht darin, daß sie nur dann mit dem Maximum des Nuzeffects gehen können, wenn ihnen die Wassermasse, für welche das Rad construirt ist, in ziemlich constanter Weise zugeführt wird. Es können nun zwei Fälle eintreten, wo die Wirkung des Rades geschwächt wird: Erstens derjenige, daß man Ueberfluß an Wasser hat oder weniger Kraft braucht. Für diesen Fall kann man sich der Schüze an der Ablaufröhre bedienen, die dadurch zur Regulirschüze wird, daß man weniger Wasser hindurchläßt. Es wäre interessant zu wissen, welchen Nuzeffect die Turbine zu liefern vermag, wenn ihr weniger Wasser zugeführt wird, als das Quantum, wofür sie berechnet ist. Wir bedauern, daß wir keine Versuche für diesen Fall anstellen konnten, in welchem nothwendig der Nuzeffect geringer ausfallen muß, als wenn das Wasser durch die Turbine strömen kann, ohne bei der Mündung der Regulirschüze, welche sich unter Wasser befindet, aufgehalten zu seyn. Zweitens der, daß Wassermangel eintritt, und dann ist es wesentlich, einen Motor zu haben, welcher bei der geringeren Wassermenge noch den größten Nuzeffect liefert. Die Leichtigkeit, mit welcher man die neue Turbine troken legen kann, und der günstige Umstand, daß dieselbe so nahe an dem Aufschlagwasser liegt, gestatten, daß man die Turbine schnell wechseln kann, was während des Verlaufes unserer Versuche in weniger als einer Stunde geschah. Dieses Auswechseln der Räder kann jedoch in gewissen Fällen zu nachtheiligen Verzögerungen Anlaß geben, oder selbst für große Räder sehr schmierig werden. Die HHrn. André Köchlin und Comp. sind jezt mit Versuchen beschäftigt, die den Zwek haben, die Oeffnungen oder Schaufeln des Rades so zu verengern, daß nach Belieben der Wasserbedarf für dasselbe Rad in kurzer Zeit verändert werden kann. Immer ist es jedoch erforderlich das Rad troken zu legen und gewisse Wechselstüke auf dasselbe zu befestigen. Die doppeltwirkende Turbine, an welcher die Versuche mittelst des Zaums in Beiseyn einer zahlreichen Commission, und der HHrn. Marozeau und Gressien von Wesserling angestellt wurden, wird durch den sehr veränderlichen Doller-Strom getrieben. Wasser war gerade im Ueberfluß vorhanden, und man machte zuerst die Versuche mit der großen Turbine, deren Hauptdimensionen folgende sind:       Aeußerer Durchmesser 0,800 Met.       Breite der Schaufeln 0,140 Met.       Schaufelanzahl 16. Querschnitt oder Oeffnung der Radschaufeln     0,29 Quadratmet. Oeffnung der Schüze an der Ablaufröhre 1 Met.   breit und 0,45 Met. hoch     0,45 Quadratmet. Diese Schüze war beständig ganz geöffnet und gestattete daher allem Wasser, welches durch die Turbine gelangen konnte, freien Abzug. Die mittlere verfügbare Fallhöhe war 2,72 Met. und die Anzahl der Umdrehungen des Rades zwischen 158 und 90. Alle mögliche Sorgfalt wurde auf das Abeichen des verbrauchten Wassers verwendet. Man hatte ungefähr 100 Meter unterhalb der Turbine im Abzugscanal eine provisorische Schüze angebracht, welche aus einer Bohle bestand, die an Pfählen befestigt und vollkommen dicht gemacht war. Die beiden Seiten des Canals bildeten Winkel von ungefähr 45°. Die Höhe des Wassers über dieser Schüze wurde an einer Stelle gemessen, wo die Abweichung des Wassers von der Horizontalen nicht mehr merklich war. Das Niveau des Wassers hinter der Schüze war tief genug gelegen, so daß man diese Schüze als vollständige Streichwuhr betrachten konnte. Man fing damit an, alle Schüzen des Gewerks zu schließen, um die Wassermasse zu bestimmen, welche über die Streichwuhr ging, und fand daß dieses Wasser im Mittel eine Höhe von 0,048 Meter hatte. Man wandte (nach Morin) die Formel Q = mLH√(2 . gH) an, und nahm als Coefficient m = 0,42 an. Da die Regulirschüze der Turbine beständig geöffnet war, so maß man für jeden Versuch die Höhe des Wassers über der Streichwuhr und bediente sich der oben stehenden Formel mit dem Coefficient m = 0,40. Die Differenz der beiden Wassermassen ergab für jeden Versuch den wirklichen Verbrauch der Turbine an. Wir verweisen endlich auf die II. Tabelle zurük, welche von allen Operationen, die gemacht und berechnet wurden, Rechenschaft gibt. Da die erste Reihe der Versuche von Nr. 1–9 einen kleineren Nuzeffect lieferte, als die Versuche, welche früher mit demselben Rade angestellt wurden, so haben wir uns versichert, daß der Gang der Turbine durch ein Streifen der Radschaufeln an den Leitcurven gehindert war, und diese Resultate können folglich nicht als genau betrachtet werden. Man wechselte nun die Räder und machte dieselben Versuche mit der kleinen Turbine. Diese kleine Wechselturbine hat einen äußeren Durchmesser von        0,800 Met. eine Schaufelbreite von        0,100 – eine Schaufelanzahl        18. Querschnitt oder Oeffnung der Schaufeln 0,22 Quadratmet. Oeffnung der Regulirschüze 0,45      – Die zweite Reihe der Versuche von Nr. 10–15 lieferte Resultate, die vollkommen mit denen übereinstimmen, welche die HHrn. Köchlin und Comp. bei ihren früheren Versuchen mit derselben Turbine gefunden hatten, und die in der I. Tabelle aufgeführt sind. Man erhielt als Nuzeffect des Rades zwischen 72 und 83 Proc., und merkwürdig ist, daß dieser Nuzeffect derselbe blieb, obgleich die Geschwindigkeit des Rades von 90 bis auf 168 Umdrehungen per Minute stieg, während der Wasserverbrauch nur zwischen 0,49 und 0,53 Kub. Met. variirte. Wir halten es für unnöthig, eine detaillirte Beschreibung des Prony'schen Zaumes mitzutheilen, welcher bei den Versuchen angewandt wurde; er schien uns sehr zwekmäßig construirt zu seyn, und da er beständig mit Seifenwasser benezt wurde, so machte er sehr wenig Schwankungen. Die HHrn. André Köchlin und Comp. machten eine Columne in ihrer Tabelle, worin sie den Nuzeffect der Turbine angeben, nachdem sie die Reibung der verschiedenen Theile, welche auf den Gang der Turbine Einfluß haben, bis zu der liegenden Achse, worauf sich der Zaum befand, abgezogen haben. Dieser lezteren wurde die Bewegung durch ein paar sehr leichte Winkelräder mitgetheilt. Wir enthalten uns jedes Urtheils über die Richtigkeit oder den Werth ihrer Rechnung, die nach den Daten von Morin gemacht wurde. Es wäre zu wünschen, daß die Proben mit dem Zaume allgemein eingeführt wurden, indem sie sich vorzüglich dadurch auszeichnen, daß sie den wirklichen Nuzeffect angeben. Es wird dann unnöthig Reibungen abzuziehen, die ein für allemal nicht vermieden werden können, und die Zwekmäßigkeit eines Motors wird dann auch darin bestehen, daß er so wenig als möglich Reibungen nothwendig macht. Die doppeltwirkende Turbine erfüllt diese Bedingungen. Sie ist einfach, leicht und hat gewöhnlich eine sehr große Geschwindigkeit. Eben so wenig können wir über die III. Tabelle urtheilen, welche die HHrn. Köchlin und Comp. ihrer Mittheilung beigelegt haben; sie enthält die Resultate mit einer Turbine nach demselben System, welche in Steinen (Großherzogthum Baden) kürzlich aufgestellt wurde; diese Resultate kommen denjenigen, welche wir bei unseren Versuchen erhielten, sehr nahe.