Titel: Einige Beobachtungen über die Bewegung der Locomotive und Eisenbahnwagen auf gerader Streke und in Curven, angestellt auf der Taunus-Eisenbahn, nebst Bemerkungen dazu; von Dr. Adolph Poppe jun.
Autor: Dr. Adolph Poppe [GND]
Fundstelle: Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XXX., S. 169
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XXX. Einige Beobachtungen über die Bewegung der Locomotive und Eisenbahnwagen auf gerader Streke und in Curven, angestellt auf der Taunus-Eisenbahn, nebst Bemerkungen dazu; von Dr. Adolph Poppe jun. Poppe, über die Bewegung der Locomotive und Wagen auf Eisenbahnen. Allgemeine technische Verhältnisse der Taunus-Eisenbahn. Ehe ich zu dem eigentlichen Gegenstande dieser Abhandlung übergehe, dürften einige technische Notizen über die Taunus-EisenbahnIhrem wesentlichen Inhalte nach dem von einem Techniker der Taunus-Eisenbahn verfaßten Taunus-Eisenbahn-Almanach fürs Jahr 1844/45 entnommen. hier am Orte seyn. Die Länge dieser unter der Oberleitung des Ingenieurs P. Denis erbauten und im Frühjahr 1840 vollendeten Bahn beträgt 43400 Meter oder 5,86 geogr. Meilen. Die Anlage im Thale des Mains und dem des Salzbaches wurde durch die Beschaffenheit des Bodens sehr begünstigt; außer dem Damm und der 15 Bogen haltenden Ueberbrükung der Nidda bei Höchst, so wie den Brüken und Brükenköpfen in den Festungswerken zu Castel waren fast gar keine Kunstarbeiten nöthig. Die Steigungen auf der Bahn gehören zu den vortheilhaftesten; die stärkste beträgt nur auf eine kurze Streke 1/275 Eben so sind die Krümmungen, auf die ich unten zurükkommen werde, nicht ungünstig. Die Bahn ist bis jezt nur einspurig, mit Ausweichpläzen auf allen Stationen, mit Ausnahme von Flörsheim; doch sind die Dammkörper und die Brüken zwischen Castel und Frankfurt für eine doppelte Bahn eingerichtet. Für den Oberbau hat man doppelte Stuhlschienen zum Umlegen angewendet, welche mit hölzernen, auf der äußeren Seite eingetriebenen Keilen in den Stühlen befestigt sind. Die Schienenstühle haben auf ebenem Terrain und in den Einschnitten der Bahn Steinblöke, und da wo Aufschüttungen vorhanden sind, hölzerne Querschwellen zur Unterlage. Die Schienen sind 15 1/2 engl. Fuß lang und wiegen 61 Pfd. per Yard. Die Stühle an den Stoßfugen wiegen 21 1/2 Pfd., die Zwischenstühle 18 1/2 Pfd. Die Spurweite der Bahn beträgt 1,5 Meter = 4 Fuß 6 7/8 Zoll rhein. = 4 Fuß 8 1/2 Zoll engl. Die Bahn ist in ihrer ganze Länge seit April 1840 in Betrieb. Von Castel nach Frankfurt und von Frankfurt nach Castel gehen die Züge gewöhnlich zu gleicher Zeit ab, so daß dieselben auf dem halben Wege, der Wasserstation Hattersheim, wo eine große Ausweichstelle sich befindet, sich begegnen, resp. einander erwarten. Die 1500 Meter lange Zweigbahn nach Bibrich wird durch Pferde betrieben. Die Transportmittel der Taunus-Eisenbahn bestehen gegenwärtig in 12 Locomotiven und 132 Wagen; 8 der ersteren sind von Robert Stephenson in New-Castle, 2 von Sharp Roberts in Manchester, 1 von John Cockerill in Seraing und 1 von Jacoby Haniel und Huysen in Sterkrad gebaut. Folgendes ist die Uebersicht der Distanzen zwischen den Stationen von Frankfurt bis Wiesbaden und des Zeitraums, in welchem die Züge dieselben zurükzulegen haben. Von  Frankfurt bis  Höchst     8950 Meter in     16 Min.   –    Höchst  –   Hattersheim 6050    – 11  –   –    Hattersheim  –   Flörsheim 5566    – 12  –   –    Flörsheim  –   Hochheim 6800    – 13  –   –    Hochheim  –   Castel 5800    – 10  –   –    Castel  –   Wiesbaden 8800    – 17  – Aus dieser Angabe ergibt sich eine mittlere Geschwindigkeit von 5 1/2 geogr. Meilen per Stunde. Es ist jedoch auf der Streke von Frankfurt nach Castel eine mindere Geschwindigkeit der Fahrt von 6 Minuten und auf die Streke von Castel nach Wiesbaden eine mindere Geschwindigkeit von 2 Minuten gestattet. Was den dermaligen Zustand der Taunus-Eisenbahn anbelangt, so wird derselbe von allen Sachverständigen als musterhaft bezeichnet. Der ganze Bau hat sich bei einem fünfjährigen äußerst lebhaften Betriebe als durchaus solid bewährt, und einer umsichtigen und sorgfältigen Ueberwachung der Bahn hat es das Publicum zu verdanken, daß innerhalb 5 Jahren bei einer Beförderung von ungefähr 4 Millionen Menschen kein einziger Unfall, welcher das Opfer eines Menschenlebens gefordert hätte, sich ereignet hat. Die Schienen liegen längs der ganzen Bahnlinie, insbesondere an den Stoßfugen, worauf ich besonders achtete, correct. Dieser sorgfältigen Schienenlage, so wie der Aufmerksamkeit, womit der Zustand der Räder stets beobachtet wird, um dieselben, wenn die Abnuzung einen gewissen Grad erreicht und die Conicität der Kränze sich vermindert hat, frisch abzudrehen oder durch neue zu ersezen, ist es wohl zum großen Theil zuzuschreiben, daß jene allerdings nie vollständig zu vermeidenden Seitenschwankungen der Eisenbahnwagen, welche bei mehreren andern Bahnen zu mancherlei tadelnden Bemerkungen Anlaß gegeben haben, auf der Taunus-Eisenbahn keineswegs in einem lästigen Grade stattfinden, und daß die Bewegung auch in der lezten Wagenclasse, ungeachtet der Beibehaltung des Systemes kurzer Federn, in Vergleich mit einigen andern Eisenbahnen, verhältnißmäßig sanft erscheint. Diese Bemerkung führt mich nun zum eigentlichen Gegenstande. I. Conische Felgenkränze. Wenn auch früher einzelne Stimmen gegen die Einführung conischer Räder auf Eisenbahnen, insbesondere auf solchen, wo die gerade Streke vorherrschend ist, sich erhoben haben, so sind doch die jezigen Techniker über den Zwek und den die einzelnen Nachtheile weit überwiegenden Nuzen derselben, selbst auf gerader Streke, im Allgemeinen einverstanden. Dieser Nuzen aber besteht – ich erlaube mir auf diesen öfters beleuchteten Gegenstand noch einmal zurükzukommen – 1) in der durch die Centrifugalkraft hervorgerufenen Selbstadjustirung der Räder nach der Verschiedenheit der äußeren und inneren Schienen in Bahncurven, wodurch das so nachtheilige Schleifen der einzelnen Räderpaare in Folge ihrer starren Verbindung aufgehoben oder wenigstens gemäßigt wird; 2) in der durch diese Adjustirung erlangten Tendenz des Wagengewichtes, der Centrifugalkraft in Curven entgegenzuwirken. Indem nämlich die Centrifugalkraft den Wagen nach der äußeren Seite hinzieht, kommt das Rad an dieser Seite auf eine Kranzperipherie von größerem Durchmesser zu rollen, wodurch der Wagen eine etwas geneigte, der Centrifugalkraft selbst wieder entgegenwirkende Lage erlangt; 3) darin, daß auf gerader Streke die Räder durch ihre conische Peripherie mehr in ihre mittlere Lage gewiesen werden, wodurch jenes nachtheilige Anstreifen der Spurkränze bald zur rechten, bald zur linken Seite, welches bei Annahme cylindrischer Radfelgen wegen des unerläßlichen Spielraums zwischen den Schienen stattfinden müßte, jedenfalls gemildert und die Gefahr des Abspringens von den Schienen vermindert wird. In neuerer Zeit gibt man auch häufig den Locomotiv-Treibrädern, die sonst immer cylindrisch abgedreht wurden, conische Felgenkränze. Diese Maaßregel läßt folgenden Einwurf zu. Man denke sich die vorderen und hinteren Räder einer sechsräderigen Locomotive in einer Curve durch die Centrifugalkraft etwas zur Seite gerükt, und nun auf den der Differenz der Halbmesser der äußeren und inneren Bahnschiene entsprechenden Peripherien rollend, so werden, da die Schiene zwischen den Berührungspunkten der Vorder- und Hinterräder einen Bogen bildet, die Treibräder nicht in demselben Maaße zur Seite gerükt seyn; diese Seitenverschiebung der Treibräder wird um so geringer ausfallen, je schärfer die Curve ist; ja es kann der Fall eintreten, daß während die Vorder- und Hinterräder mit ihren Spurkränzen der Schienenkante ganz nahe gekommen sind und auf einer der Curve angemessenen größeren Peripherie rollen, das Treibrad an der äußeren Schiene auf einer kleineren und an der inneren Schiene auf einer größeren Peripherie als der mittleren rollt, während doch das Umgekehrte der Fall seyn sollte. Untersucht man indessen die Sache näher, so stellt sich dieser Einwurf nur bei Curven von außergewöhnlich kleinem Halbmesser als erheblich dar. II. Die Höherlegung der äußeren Bahnschiene in Curven. Durch die Conicität der Radfelgen erhalten, wie bemerkt, die Wagen in Curven unter dem Einflusse der Fliehkraft eine etwas geneigte Lage, in deren Folge die nun ins Leben tretende Schwerkraft der Centrifugalkraft entgegenwirkt. Der Theorie zufolge, und nach der Annahme einzelner Techniker, stellt sich bei Curven von gewöhnlichem Halbmesser diese Conicität als genügend heraus, um das Anstreifen der Spurkränze an den Schienen zu verhüten, und eine Erhebung der äußeren Bahnschiene erscheint als überflüssig. So berechnet de Pambour den kleinsten Krümmungshalbmesser, unter welchem eine Bahncurve ohne Erhöhung der äußeren Schiene befahren werden kann, ohne daß die Spurkränze an den Schienenkanten anstreifen, zu 592 Fuß und nimmt der größeren Sicherheit wegen 1000 Fuß an. Erst für Krümmungen von weniger als 1000 Fuß Halbmesser stellt er eine Formel her, wonach die Höherlegung der äußeren Bahnschiene für gewisse Geschwindigkeiten zu berechnen ist. Allein wie ungeheuer die Erfahrung in diesem Punkte von der aufgestellten Theorie abweicht, davon habe ich mich durch den Augenschein lebhaft überzeugt. Curven von mehr als 11000 Fuß Halbmesser zeigten sich an der äußeren Schiene durch das Anstreifen der Spurkränze bedeutend abgenüzt, obgleich diese Schienen über die inneren mehr erhöht waren, als sie nach de Pambour's Angabe bei 900 Fuß Halbmesser hätten erhöht seyn sollen. Die Taunus-Eisenbahn besizt 16 mit verschiedenen Halbmessern beschriebene Curven, deren Länge ungefähr 1/3, der Gesammtlänge der Bahn ausmacht. Hinsichtlich der Krümmungshalbmesser bietet die Hauptbahn günstige Verhältnisse dar, indem die Halbmesser der Mehrzahl dieser Curven 2000 Meter übersteigen. Obgleich beinahe in allen Curven die äußeren Bahnschienen höher gelegt sind als die inneren, so sind doch die Wirkungen der Centrifugalkraft an denselben deutlich sichtbar. Folgende Tabelle enthält die Angabe der verschiedenen Curven, ihre Länge, ihren Krümmungshalbmesser und die Erhöhung der äußeren Bahnschiene in französischem und rheinischem Maaße. Die Spurbreite der Hauptbahn ist in sämmtlichen Curven der Hauptbahn um 1 Centimeter = 4,59 rheinl. Linien, in den Biebricher Curven um 2 Centimeter = 9,18 Linien erweitert. Bezeichnung der Curven. Längeder Curven. Halbmesser. Erhöhungder äußerenBahnschiene. Meter. Rheinl.Fuß. Meter. Rheinl.Fuß. Meter. Rheinl.Linien.   1 Zwischen Höchst u. Hattersheim 2280 7250,4 2648 8420,6 0,01   4,59   2     –       Flörsheim u. Hochheim 2341,1 7443,7 3682,4 11710 0,01   4,59   3     –            dito      –        – 1353,7 4304,7 2140,7 0,01   4,59   4     –            dito      –        –   605 1923,9 2027 0,01   4,59   5     –            dito      –        –   599,8 1907,5 5714,3 18171,4 0   0   6     –       Hochheim und Castel 1071,7 3408 3300 0,01 4,59   7     –             dito      –        –   771,7 2422   742,1 2360,1 0,02   9,18   8     –       Castel u. Wiesbaden   369,5   700   700 2226 0,02   9,18   9     –            dito      –        – 1048 3332,6 2500 7954,0 0,01   4,59 10     –            dito               1496 4757,2 2000 3360,0 0,01   4,59 11     –            dito               1198 3809,6 2000 3360,0 0,01   4,59 12     –            dito                 921 2828,7 1800 5724,0 0,01   4,59 13     –            ditto                270   858,6 1700 5406,0 0,01   4,59 14     –            dito                 270   858,6 1700 5406,0 0,01   4,59 1516 Biebricher Curven   120   381,6   100   318,0 0,03 13,77 Alle diese Curven, die Biebricher ausgenommen, werden mit einer Geschwindigkeit von circa 4 1/2 geogr. Meilen befahren. Zur Vergleichung lasse ich hier die von de Pambour für dieselbe Geschwindigkeit, nämlich 20 engl. Meilen berechnete Tabelle folgen. Halbmesser der Curven. Erhöhungder äußern Bahnschiene. Engl. Fuß. Rheinl. Fuß. Engl. Linien. Rheinl. Linien. 1000 971        0       0  900   873,9   1,92   1,86  800   776,8   4,44   4,30  700   679,7   7,56   7,33  600   582,6 11,76 11,40  500   485,5 17,64 17,11 Vergleicht man die Höherlegung der äußeren Bahnschiene nach dieser Tabelle mit den in der vorhergehenden Tabelle angegebenen Werthen, so wird man den auffallenden Unterschied zwischen diesen auf theoretische Berechnungen gegründeten Angaben und jener praktisch ausgeführten Höherlegung bemerken. Während nach de Pambour die äußere Schiene in einer Curve von 874' Halbmesser nur 1,86 Linien höher als die innere gelegt werden soll, um dem Einflusse der Fliehkraft zu begegnen; beträgt diese Höherlegung auf der Taunus-Eisenbahn bei einer Curve von 11710', d.h. einem 13 1/2mal so großen Halbmesser 4,59 Linien oder mehr als das Doppelte; und dessen ungeachtet zeigt sich diese ausgeführte Erhöhung, wie unten näher nachgewiesen werden soll, noch nicht einmal genügend. III. Abnüzung der Schienen in Curven. Die Abnüzung der Schienenkanten durch das Anschlagen und Anstreifen der Spurkränze ist zwar in Curven von gewöhnlichen Halbmessern an und für sich von keiner großen Bedeutung, doch schien mir eine nähere Untersuchung derselben insofern nicht unwichtig, als sie einen Maaßstab zur Beurtheilung der Wirksamkeit jener Höherlegung der äußeren Bahnschiene abgibt. Ich untersuchte demnach in dieser Hinsicht den Zustand der Schienen in den bemerkenswerthesten Curven. Die Höchster Curve (8420' Halbmesser) beginnt dicht hinter der Station Höchst und erstrekt sich in einer Länge von 7250 Fuß gegen Hattersheim hin. Auf dieser ganzen Länge, insbesondere in ihrer zweiten Hälfte, wo die von Höchst abgehenden Züge bereits ihre volle Geschwindigkeit erreicht haben, und die von Hattersheim herkommenden Züge noch mit unverminderter Geschwindigkeit sich bewegen, zeigt sich die äußere Bahnschiene, ungeachtet ihrer um 1 Centimeter = 4,59 Linien erhöhten Lage durch die Spurkränze der Räder an ihrer Kante auffallend abgerieben, so zu sagen polirt, während die inneren Schienen an ihren Kanten kaum eine Spur von Abnuzung zeigen. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich bei der noch flacheren Curve zwischen Flörsheim und Hochheim (11710' Halbmesser), so wie bei allen andern Curven der Taunus-Bahn. Zwischen Mainz und Wiesbaden führt rechtwinkelig zur Hauptbahn eine durch Pferde betriebene 1500 Meter lange Zweigbahn nach Biebrich. An der Vereinigungsstelle spaltet sich diese Bahn in zwei rechts und links in die Hauptbahn übergehende Curven von 100 Meter Halbmesser. Ehe der Hauptzug an der Curve ankommt, werden die hintersten nach Biebrich bestimmten Wagen im vollen Laufe ausgehängt. Der zwischen diesen Wagen und dem Hauptzuge allmählich zunehmende Zwischenraum gestattet dem Bahnwärter das an der Uebergangsstelle dieser Curve befindliche Excentricum zu drehen, sobald der Zug diese Stelle passirt hat. Die gleich darauf heranrollenden ausgehängten Wagen werden dadurch in die Biebricher Curve gewiesen, in die sie vermöge ihres erlangten Bewegungsmomentes immer noch mit einer Geschwindigkeit von circa 3 Meilen in der Stunde einlaufen. Obgleich nun die äußere Schiene an dieser Curve um 3 Centimeter = 13 77/100 Linien höher als die innere liegt, so ist doch ihre Kante nach einem vierjährigen Betriebe durch die anlaufenden Spurkränze der Räder dergestalt abgeschliffen, daß der Querschnitt der Schienen seine Gestalt sichtbar verändert hat. Ich fand die Breite der oberen Fläche der Schiene durch diese Abnuzung um 1/4 Centimeter = 1,15 Linien vermindert. Erwägt man, daß die Erhöhung der äußeren Bahnschiene in Krümmungen den Zwek hat, durch die in Wirksamkeit tretende Schwerkraft den nachtheiligen Einfluß der Centrifugalkraft zu neutralisiren, d.h. das Anstreifen der Spurkränze längs der äußeren Schiene möglichst zu verhindern und den dadurch erzeugten Reibungswiderstand und Verlust an mechanischer Arbeit auf ein Minimum zu reduciren, so wird man nach Darlegung der obigen Thatsachen erkennen, daß dieser Zwek in den angeführten Fällen nicht erreicht ist. Denn aus jener einseitigen Abnuzung der Schienen läßt sich nicht nur auf eine entsprechende Abnuzung der Spurkränze und einen bedeutenden Verlust an mechanischer Arbeit, sondern auch auf eine noch nicht genügend reducirte Gefahr des Ablaufens von den Schienen schließen. Die Erhöhung der äußeren Bahnschiene um 1 Centimeter erscheint demnach in Curven, wie die Höchster, von 2648 Meter Halbmesser, die mit einer Geschwindigkeit von 4 bis 4 1/2 geogr. Meilen per Stunde befahren werden, in der Praxi's noch ungenügend, obgleich sie das von der Theorie vorgeschriebene Maaß bereits bedeutend überschreitet. Der richtige Grad der Erhöhung wird, wie sich schließen läßt, dann stattfinden, wenn die Abnuzung der Schienenkanten durch die Spurkränze der Räder auf die innere und äußere Schiene gleichmäßig vertheilt erscheint, und dieser Umstand läßt sich nicht vorausberechnen, sondern nur auf dem Wege der Erfahrung ermitteln. So viel aber ist gewiß daß, so lange in einer Curve, wie dieß bei sämmtlichen Curven der Taunus-Eisenbahn der Fall ist, nach mehrjährigem Betriebe nur die äußere Schiene von den Spurkränzen angegriffen erscheint, dieses als ein Zeichen angesehen werden darf, daß die äußeren Schienen noch nicht hoch genug liegen. Es dürfte daher bei der Taunus-Eisenbahn eine weitere Erhöhung der äußeren Schiene in sämmtlichen Curven um so rathsamer erscheinen, als diese einen nicht unbedeutenden Theil der Gesammtstreke ausmachen. IV. Beobachtungen über die Bewegung der Locomotive und Eisenbahnwagen auf gerader Streke und in Curven. Es ist bekannt, daß jeder einzelne Wagen eines Convoi's während der Bewegung in gerader Bahnstreke keineswegs eine vollkommen gerade Linie, sondern in Folge gewisser Seitenbewegungen, welche der unvermeidliche Spielraum der Spurkränze zwischen den Schienen zuläßt, eine mehr oder weniger gestrekte Schlangenlinie beschreibt. Es ist zwar bis jezt noch nicht gelungen, alle Elemente, welche auf die Erzeugung dieser nachtheiligen Bewegung Einfluß haben, mit Bestimmtheit zu bezeichnen, doch wurde dieser Gegenstand in neuerer Zeit durch Hrn. v. Malinowsky in einer in den Berliner Blättern für Gewerbe, Industrie und Handel enthaltenen Abhandlung „über das Flottiren der Eisenbahnfahrzeuge“ gründlich erörtert. Hr. v. M. führt in dieser Abhandlung eine Reihe von Umständen an, welche als die wahrscheinlichen Ursachen jener Seitenbewegungen zu betrachten sind, und macht mit Recht auf die bedeutende Reibung und die Kosten aufmerksam, die aus derselben für den Betrieb und die Unterhaltung der Bahn entstehen. Unter allen bisher angeführten Elementen, welche auf die erwähnten Seitenschwankungen Einfluß haben können, hat sich nach von mir angestellten unten mitgetheilten Beobachtungen der Zustand der Bahn, insbesondere die mehr oder minder correcte Lage der Schienen, als das Wichtigste dargestellt. In der That bemerkt man auch, daß die seitlichen Schwankungen nicht auf allen Bahnen in gleichem Grade stattfinden, sondern daß die Bewegung auf gut unterhaltenen Bahnen unter gleichen übrigen Umständen eine weit ruhigere und gestrektere ist, als auf minder sorgfältig überwachten und unterhaltenen Bahnen. Jedenfalls scheinen die Oscillationen, indem sie, wenn nicht etwa Seitenwinde den Zug beharrlich nach einer Seite drüken, im Allgemeinen in gleichem Maaße zur Linken wie zur Rechten erfolgen, das Resultat solcher Ursachen zu seyn, welche ihren Einfluß im Durchschnitt eben so nach der einen wie nach der andern Seite äußern. Ich glaube daher nicht, daß z.B. ungleiche Räderdurchmesser, Befestigung der Zughaken außerhalb der Centrallinie, wenn solche Fehler vorkommen sollten, eine besondere Neigung zu Oscillationen hervorzurufen geeignet sind, indem diese Ursachen eine einseitige Wirkung zur Folge haben, und dem Wagen eher eine etwas gespannte Lage zwischen den Schienen ertheilen. Angenommen nun, es wäre möglich, alle Unregelmäßigkeiten in der Lage der Schienen und in der Construction und Verbindung der Wagen, welche auf die Bewegung Einfluß haben können, zu beseitigen, so bliebe doch noch eine wichtige Ursache jener Schwankungen übrig, welche man bis jezt noch nicht beachtet zu haben scheint, nämlich die eigenthümliche Bewegung der Locomotive in Folge der unvortheilhaften Lage des Schwerpunkts. Ehe ich jedoch über diesen Punkt meine Ansicht näher ausspreche, will ich die mit demselben im Zusammenhang stehenden Beobachtungen über die Bewegung der Locomotive und Waggons mittheilen. Die erste Beobachtung bezog sich auf die sechsräderige Locomotive „Main“ von Sharp Roberts und Comp. in Manchester. Diese Maschine besizt 14zöllige Cylinder und 5'9'' im Durchmesser haltende Treibräder mit Gegengewichten. Die Felgenkränze waren unter Beobachtung einer Conicität von 1 : 7 neu abgedreht. Ich hatte meinen Standpunkt auf dem Tender so gewählt, daß ich durch die zwischen der Locomotive und dem Tender befindliche Spalte die hinteren Locomotivräder gewissermaßen in horizontaler Projection betrachten konnte. Das Wetter war windstill. Die Räder oscillirten auf gerader Streke und bei 4 1/2 Meilen Geschwindigkeit fortwährend von einer Seite zur andern, und zwar so, daß der Spurkranz eines jeden Rades innerhalb 1 Minute im Durchschnitt 24mal mit der Schiene in reibende Berührung kam; er streifte daher bei obiger Geschwindigkeit zu beiden Seiten der Bahn auf je 74 Fuß Länge einmal an. Während ihrer fortschreitenden Bewegung oscillirte die Locomotive um eine, wie es schien, durch die Mitte der Kurbelachse gehende imaginäre Verticalachse, so daß immer gleichzeitig der Spurkranz des rechten Hinterrades und der des rechten Vorderrades, dann der Spurkranz des linken Hinterrades und der des rechten Vorderrades gegen die Schiene anlief. Diese Seitenschwankungen theilten sich augenscheinlich dem Tender mit und pflanzten sich auf die nächsten Waggons fort. Wiederholte Beobachtungen an derselben Locomotive, so wie an andern Locomotiven ähnlicher Bauart, lieferten das gleiche Resultat. Beim Einfahren in Curven verminderten sich diese Schwankungen zusehends und hörten beinahe ganz auf; der Zug nahm eine ruhigere stabilere Bewegung an. Die Spurkränze näherten sich, dem Einflusse der Fliehkraft nachgebend, der äußeren Schiene und kamen mit derselben in reibende und dauerndere Berührung, als dieß auf gerader Bahn der Fall gewesen war, wo die Spurkränze, nach erfolgtem Anschlagen auf der einen Seite, immer rasch wieder nach der andern Seite zurükgeworfen wurden. Um nun auch die Bewegung der Waggonsräder unmittelbar beobachten zu können und insbesondere darüber Gewißheit zu erhalten, ob die Seitenschwankungen von der Locomotive unabhängig, sich gleichmäßig durch den ganzen Train erstreken, oder ob und in welchem Grade dieselben von den Schwankungen der Locomotive abhängen und mit der Entfernung von derselben sich vermindern oder ganz aufhören, wurde an den lezten Waggon des aus 16 Wagen bestehenden Zuges ein leerer Transportwagen angehängt. Von der Plattform des lezteren aus beobachtete ich das hintere Räderpaar des vorhergehenden mit einer mittleren Belastung versehenen Wagens, während Hr. Maschinenmeister Heusinger die hinteren Räder des Transportwagens selbst im Auge behielt. Die Bewegung dieser beiden Wagen zeigte sich auf gerader Streke von derjenigen der Locomotive und der zunächst hinter der Locomotive befindlichen Wagen wesentlich verschieden. Jene Seitenbewegungen der Räder waren nicht zu bemerken; die Räder rollten beinahe fortwährend auf ihrem normalen Halbmesser und hielten die Mitte der Bahn, d.h. die Spurkränze blieben auf beiden Seiten ungefähr 1/2 Zoll von der Schienenkante entfernt. Wenn aber der Spurkranz des einen Rades der Schiene sich näherte oder gar mit derselben in Berührung kam, so geschah dieses jedesmal an einer Stelle, wo die Bahn wahrscheinlich auf der einen Seite sich etwas gesenkt hatte. Denn immer zeigte sich an der Stelle, wo der Spurkranz gegen die Schiene anlief, ein glänzender von der Abnüzung herrührender Streifen, welcher von den übrigen unabgenüzten Stellen der Schienenleitung deutlich abstach, was zu dem Schlusse berechtigte, daß an solchen Stellen die Bahnschiene sich gesenkt, oder vielleicht auch die Spurbreite der Bahn sich verändert hatte. In der Höchster Curve näherten sich die Spurkränze der äußeren Schiene und streiften bei 4 bis 4 1/2 Meilen Geschwindigkeit, wenn auch nicht beharrlich, doch öfters mehrere Secunden lang, d.h. auf die Länge mehrerer Schienen an, während die inneren Schienen von den Spurkränzen ganz verschont blieben. Aus diesen beobachteten Thatsachen ergeben sich nachstehende Folgerungen. Der Nuzen der conischen Form der Radkränze in Anwendung auf Eisenbahnwagen bestätigt sich auch auf gerader Streke durch obige Beobachtungen vollkommen, indem sie die Räder, so lange nicht äußere Einflüsse oder anderweitige Nebenumstände, z.B. Seitenwinde, Bahnsenkungen, Fehler in der Räderconstruction, störend einwirken, stets in ihrer normalen Lage, d.h. in der Mitte der Bahn erhalten und das Anstreifen der Spurkränze an den Schienenkanten in der That auf eine befriedigende Weise verhüten. Die innerhalb des bekannten Spielraums von 1 Zoll erfolgenden Seitenbewegungen des Wagenzugs erstreken sich hauptsächlich auf die zunächst hinter der Locomotive befindlichen Wagen, denen die Locomotive selbst ihre Schwankungen mittheilt. Könnten daher die Oscillationen der Locomotive beseitigt werden, so wäre damit auch eine ruhigere gestrektere Bewegung des Wagenzugs überhaupt erzielt. Die Conicität der Radfelgen schüzt eine sechsräderige nach Stephenson'schen Principien gebaute Locomotive, auch wenn alle obgenannten äußeren Einflüsse und Abnormitäten beseitigt wären, auf gerader Streke gegen die Hin- und Herschwankungen nicht; sie veranlaßt vielmehr längs der geraden Bahnstreke einen erhöhten Reibungswiderstand, indem das vordere und hintere Räderpaar nie constant auf seiner normalen Peripherie, sondern auf Peripherien von beständig wechselnden Halbmessern rollt, und zwar in der Art, daß bei einer Geschwindigkeit von 4–5 Meilen per Stunde jedes Rad innerhalb 1 Minute ungefähr 24mal auf seiner größten und 24mal auf seiner kleinsten Peripherie rollt. hieraus folgt, daß die Bewegung der Locomotivräder streng genommen keine rollende, sondern vielmehr eine schleifende genannt zu werden verdient; und bei dem großen Gewicht der Maschine ist es nicht zu verwundern, wenn die Räder derselben nach einem Betrieb von zwei Monaten an ihrem Umfang dergestalt abgelaufen oder vielmehr abgeschlissen und der cylindrischen Form nahe gebracht sind, daß sie frisch abgedreht werden müssen. Aus den obigen Beobachtungen geht hervor, daß eine Hauptursache jener nachtheiligen Seitenbewegungen der Eisenbahnwagen in der eigenthümlichen oscillirenden Bewegung der Locomotive begründet sey. Die Locomotive theilt nämlich ihre Seitenschwankungen zunächst dem Tender mit und dieser überträgt sie auf den benachbarten Wagen, von wo aus sie sich, immer schwächer werdend, auf die folgenden Wagen fortpflanzen, bis sie ganz aufhören. Lezteres wird freilich nur dann der Fall seyn, wenn die Schienenlage selbst in gutem Zustand ist und keine zufälligen Umstände, z.B. Windstöße, nachtheilig influiren. V. Ursache der hin und her oscillirenden Bewegung der Locomotive. Man möchte versucht seyn, den Grund jener Oscillationen der Locomotive in der Wirkung der Flügelstangen auf die Krummzapfen und der daraus entspringenden Hebelwirkung auf die Krummzapfenwelle zu suchen, indem, während die eine Flügelstange durch den todten Punkt geht, die andere ihren vollen Druk ausübt. Allein bei dem raschen Kolbenspiel folgen diese Wirkungen zu schnell auf einander, um in eben so rascher Folge eine abwechselnde seitliche Bewegung der schweren Masse bewirken zu können; denn ehe die Masse Zeit hat, dem Druk der rechten Flügelstange nach der linken Seite hin nachzugeben, kommt ihr bereits der Druk der linken Flügelstange, der sie nach der rechten Seite hinzudrehen strebt, entgegen; auch stimmt die Anzahl der beobachteten Oscillationen mit der Anzahl der in derselben Zeit erfolgenden Kolbenspiele oder Drükungen der Flügelstangen keineswegs überein, sondern sie ist viel geringer. Der wahre Grund der in Rede stehenden Erscheinung dürfte eher in der unvortheilhaften Lage des Schwerpunkts der Masse zu suchen seyn. Ich will mich hierüber näher erklären. Man sagt, eine Kraft wirke ziehend auf einen Körper, wenn ihr Angriffspunkt vor dem Schwerpunkt, und schiebend, wenn ihr Angriffspunkt hinter dem Schwerpunkt des Körpers liegt. Denkt man sich nun einen Wagen auf einer glatten Unterlage gezogen, so nimmt die Bewegung gewissermaßen einen stabilen Charakter an, d.h. der Wagen wird, sobald einmal der Schwerpunkt in der Richtungslinie der Zugkraft liegt, ohne seine Lage zu verändern, dieser Zugkraft folgen; wird aber der Wagen geschoben, so muß sich der Schwerpunkt, sobald derselbe um ein Minimum aus der Richtungslinie der Kraft gekommen ist, um den Angriffspunkt drehen und zwar so lange, bis er hinter diesen und in eine Linie mit demselben und der Richtungslinie der Kraft zu liegen kommt. Ein dem lezteren analoger Fall findet nun bei einer Locomotive gewöhnlicher Stephenson'scher Construction statt, bei welcher der Schwerpunkt 60 Centimeter bis 1 Meter oder ungefähr 2,2 rhein. Fuß vor der Kurbelachse liegt, und bei der man sich den Angriffspunkt der Kraft in der Mitte zwischen beiden Kurbeln in der Kurbelachse liegend denken mag, mit dem Unterschied, daß die Conicität der Räder, oder da diese in der Regel nicht hinreicht, das Anschlagen der Spurkränze der Vorderräder an der Bahnschiene der erwähnten Drehung eine Gränze sezt. Die Masse wird nun auf der einen Seite zurükgeworfen, der Schwerpunkt überschreitet die centrale Lage und strebt nach der entgegengesezten Seite um den Angriffspunkt sich zu drehen, bis er durch das Anschlagen des Spurkranzes auf dieser Seite angehalten wird u.s.w. Demnach ist bei sechsräderigen Locomotiven gewöhnlicher Construction die Lage des Schwerpunkts vor der Kurbelachse die Hauptursache ihrer oscillirenden Seitenbewegungen und aller daraus entspringenden Nachtheile. Die bemerkenswerthesten dieser Nachtheile aber sind: 1) ein beständiges Anschlagen der Spurkränze gegen die Bahnschienen, ungeachtet der conischen Gestalt der Felgenkränze. Die Spurkränze, insbesondere die der Vorderräder, verlieren daher da wo sie in den Conus des Rades übergehen, bald ihre Rundung und schleifen sich aus, wodurch die Seitenschwankungen wegen des zunehmenden Spielraums immer größer, nachtheiliger und gefährlicher werden, bis man sich genöthigt sieht nach mehrmaligem Abdrehen der Spurkränze ein neues Räderpaar einzusezen; 2) erhöhte Gefahr des Austretens aus den Schienen; 3) beschleunigte Abnüzung der Radkränze, indem sie durch die Seitenbewegungen unaufhörlich auf Peripherien von verschiedenen Halbmessern getrieben werden; 4) Schwächung der Achsen durch die Erschütterungen, denen sie durch das Anschlagen und Anstreifen der Spurkränze an den Bahnschienen ausgesezt sind; 5) Fortpflanzung der Seitenschwankungen auf die nachfolgenden Wagen; 6) ein wahrscheinlich nicht unbedeutender Kraftverlust. Alle diese Nachtheile würden theils ganz verschwinden, theils bedeutend vermindert werden, wenn der Schwerpunkt der Masse oder was dasselbe ist, das Uebergewicht der Maschine hinter der Kurbelachse anstatt vor derselben liegen würde. Dieses ist ein sehr wichtiger Punkt, dem die Erbauer von Locomotiven besondere Aufmerksamkeit schenken sollten; denn er steht nicht nur mit der Abnüzung der Betriebsmittel, sondern auch mit der Sicherheit des Transports in einem wesentlichen Zusammenhange.