Titel: Bericht des Hrn. Herpin über die sogenannte Blattmalerei des Hrn. Hussenot, Professors an der Malerschule zu Metz.
Fundstelle: Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XXIX., S. 128
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XXIX. Bericht des Hrn. Herpin uͤber die sogenannte Blattmalerei des Hrn. Hussenot, Professors an der Malerschule zu Metz. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Jan. 1845, S. 23. Ueber Hussenot's sogenannte Blattmalerei. Die zum Verzieren und Decoriren der Paläste und öffentlichen Gebäude dienenden Fresko- und Oehlgemälde bieten dem Künstler nicht nur hinsichtlich der Composition, sondern auch der rein materiellen Ausführung große Schwierigkeiten dar. Wie oft z.B. und welche lange Reihe von Jahren hindurch mußten die berühmtesten Meister, Raphael und Michael Angelo in der Peterskirche und im Vatican, le Brun zu Versailles und in der Invalidenkirche, Gros, Gerard Couderc und Alaux im Pantheon und der Madelaine sich bis zur Deke dieser Gebäude begeben, diese ewigen Treppen, diese langen Leitern hinaufklettern, auf Gerüste steigen, um unter diesen Gewölben, an diesen Mauern ihre Meisterwerke auszuführen. Was litten sie durch die gezwungene und ermüdende Stellung, welche das Malen der Plafonds erfordert. Wie mußte endlich die mühsame und langwierige Arbeit unter diesen eisigen Gewölben, an diesen kalten und feuchten Mauern ihre Gesundheit ruiniren und das Leben der größten Künstler verkürzen! Diesen großen Uebelständen und ernstlichen Schwierigkeiten hoffte Hr. Hussenot durch das von ihm erfundene Verfahren in bedeutendem Maaße abzuhelfen. Es gewährt nämlich dem Künstler die Möglichkeit die Bilder und Gemälde, sey es in Oehl, Wachs oder Firniß, welche die Mauern oder Deken der Gebäude zieren sollen, in seinem Atelier vorzubereiten und sogar vollkommen auszuführen, und sie dann ganz fertig auf die für sie bestimmten Mauern zu übertragen und so dauerhaft darauf zu befestigen, als wäre das Gemälde auf sie selbst gemalt worden. Diese Operation, welche mit dem Aufziehen auf frische Leinwand (rentoilage) sehr verwandt ist, geschieht auf folgende Weise. Man spannt eine Leinwand von gehöriger Stärke auf einen Rahmen, überzieht sie mit in kaltem Wasser leicht löslichem Leimgrund, trägt mehrere Schichten eines Anstrichs von troknendem Oehle und Bleiweiß auf, wie gewöhnlich, und malt hierauf das Bild. Wenn dasselbe fertig und halb troken ist, überzieht man es mit einer Schicht Leimfarbe, welche man mit einer weitgewobenen Leinwand bedekt, so daß das Bild sich zwischen zwei Leinwanden eingeschlossen befindet. Wird nun die erste Leinwand, welche die Rükwand des Gemäldes bildet, mit einem feuchten Schwamm sanft überfahren, so wird sie dadurch abgelöst und kann ganz leicht weggenommen werden; das Bild ist sodann durch die vordere Leinwand zusammengehalten und bedekt. Soll nun das Bild auf eine Mauer befestigt werden, so braucht diese nur mit einer oder mehreren Schichten eines gewöhnlichen Oehlanstrichs überzogen werden und, während derselbe noch frisch ist, legt man das Bild mit der Seite auf, auf welcher sich die erste Leinwand befand. Um Luftblasen, welche sich ebenfalls dazwischensezten, auszutreiben, fährt man mit der flachen Hand über die Oberfläche. Die Anstrichschichte dient als Leim- und anderer Grund; hierauf nimmt man die zweite Leinwand hinweg, welche das Bild bedekt, was durch Befeuchten, wie früher bei der ersten Leinwand geschieht. Die Farbe des Bildes und diejenige der Mauer bilden bald einen einzigen Körper, welcher durch das Austroknen eine sehr große Festigkeit erlangt. Es wird sodann wie gewöhnlich gefirnißt. Was dem Hussenot'schen Verfahren seinen größten Werth gibt, ist der Umstand, daß kein fremdartiger Körper, weder Leim, noch Leinwand zwischen die Farbenschichten und die Mauer zu liegen kommt; es ist nichts anderes vorhanden, als die aufeinanderfolgenden und übereinanderliegenden Oehlfarbenschichten. Das Gemälde, welches durch die beiden Leinwanden beschüzt wird, die es in sich schließen und auf beiden Seiten bedeken, ist vor jeder Beschädigung verwahrt; es ist sehr biegsam, kann daher zusammengerollt und überall hin transportirt, sodann auf Mauern oder Holzbekleidung eben so leicht aufgelegt werden wie Tapeten. Da die Farben des Hrn. Hussenot aus lauter Substanzen bestehen, wie man sie bei der gewöhnlichen Oehlmalerei benuzt, so sind seine Gemälde eben so dauerhaft und haltbar. Die königliche Akademie zu Metz bezeugte, daß eine nach dem Verfahren des Hrn. Hussenot ausgeführte Inschrift auf einer dem Regen und der Sonne sehr ausgesezten Mauer sich mehrere Jahre vollkommen erhalten hat, und man nur mittelst des Schabeisens etwas von der Farbe dieser Inschrift loszumachen vermochte. Hrn. Hussenot's Blattmalerei läßt sich gleich gut auf Stein, auf Gyps, auf Holz und Metallen auftragen, ganz so wie die gewöhnliche. Sein Anstrich nimmt auch gerade so wie Papier, Letterndruk, Steindruk und selbst Kupferdruk auf. Hr. Hussenot legte uns Landkarten, Pläne und Lithographien vor, welche auf solchen Anstrich abgedrukt und dann auf Stein fixirt wurden. Es gestattet dieß wichtige und nüzliche Anwendung in Schulen und andern öffentlichen oder Privatanstalten, so wie zu Inschriften, Verordnungen, welche der Witterung ausgesezt werden und deren häufige Erneuerung kostspielig wäre. Man erhält auch broschirte Seidenzeuge nachahmende Tapeten, wenn man diese Zeuge mit troknen Farbenanstrich-Blättern belegt, durch eine Presse oder ein Walzwerk nimmt. Vom künstlerischen Gesichtspunkt aus betrachtet, wurden gegen das Hussenot'sche Verfahren jedoch erhebliche Einwürfe von Seite der competentesten Personen gemacht, welche wir auch keineswegs zu entkräften gedenken. Hätte denn der Künstler, welcher mit den großen und schönen Gemälden an der Kuppel des Pantheons oder der Invalidenkirche beauftragt war, dieselben in seinem Atelier ausführen und dabei die Reflexe und verschiedenen Lichtintensitäten, die Töne der Umgebung, die Dimensionen der Gegenstände berüksichtigen, die Wirkung seiner Gemälde, welche von großer Entfernung aus und von unten nach oben beschaut werden, richtig beurtheilen, endlich allen durch die Natur des Monuments auferlegten künstlerischen Bedingungen genügen können? Wir glauben durchaus nicht. Auch würde die Ausführung der bemalten Blätter im Atelier und ihre Anpassung an der geeigneten Stelle oft bedeutende materielle Schwierigkeiten darbieten. Nichtsdestoweniger glauben wir, wären die größten Künstler glüklich gewesen, wenn ihnen das Hussenot'sche Verfahren zu Gebote gestanden hätte, und hätten es in gewissen Fällen benuzt, entweder zur Ausführung mancher Details, besonders in Figuren, oder um unvorhergesehene Hindernisse zu überwinden oder gewisse Schwierigkeiten zu besiegen. Das in Rede stehende Verfahren ist unstreitig besser als ein anderes (marouflage genannt), welches darin besteht, die Leinwand mit dem Gemälde mittelst Leims und Nägel an Plafonds zu befestigen; nach kurzer Zeit schon löst sich dieselbe ab, wirft Falten, das Bild wird aufgetrieben und fällt endlich ab. Durch seine allgemeinere und industrielle Anwendbarkeit wird aber das Hussenot'sche Verfahren besonders schäzenswerth. In ein paar Tagen, in einigen Stunden kann man die zuvor hergerichtete Decoration eines Ladens, eines Zimmers, eines Gasthofs anbringen. So konnte Hr. Hussenot in einer einzigen Nacht die Auslage eines Ladens metamorphosiren und mit einem Arabesken gemälde mit Figuren, Grau in Grau-Malereien, und Relief-Goldverzierungen decoriren. Durch diese schnelle Ausführung ist man im Stande den Aufenthalt der Arbeiter in einem bewohnten Haus abzukürzen, um die zeitweise Unbrauchbarkeit von Zimmern, Läden, selbst Schauspielhäusern, zu vermeiden. Andererseits verbreitet diese Art von auf der Oberfläche schon trokener Malerei nur einen schwachen Geruch, welcher folglich bei dem Aufziehen auf die bestimmte Stelle sehr erträglich ist. Reiche Personen in der Provinz könnten mittelst des neuen Verfahrens ihre Salons mit in Paris oder Rom ausgeführten Fresken von den ersten Künstlern decoriren, welche sich um keinen Preis aus dem Kreis ihrer Arbeiten und Geschäfte wegbegeben wollten. Endlich könnten Decorationsmaler mittelst dieses Verfahrens die Winterszeit benüzen, welche sonst gewöhnlich für sie verloren geht, um Füllungen und verschiedene Verzierungen vorzubereiten, die dann später aufgezogen würden.