Titel: Ueber Unterscheidung der verschiedenen Oehle und den Oleometer des Hrn. Lefebvre; Auszug eines von Hrn. Girardin erstatteten Berichts.
Fundstelle: Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LIV., S. 226
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LIV. Ueber Unterscheidung der verschiedenen Oehle und den Oleometer des Hrn. Lefebvre; Auszug eines von Hrn. Girardin erstatteten Berichts. Aus dem Journal de Pharmacie, Febr. 1845, S. 123. Girardin, über Unterscheidung der verschiedenen Oehle und den Oleometer des Hrn. Lefebvre. Da die specifischen Gewichte der verschiedenen Oehle noch nicht mit Genauigkeit bestimmt sind, indem die Angaben in den Lehrbüchern der Chemie oft sehr von einander abweichen, so stellte Hr. Lefebvre seine Versuche nur mit solchen Oehlen an, welche er selbst bereitet hatte und von deren Reinheit er folglich überzeugt seyn konnte. Mit hülfe des Hrn. Apothekers Bénard zu Amiens verschaffte er sich reine Samenkörner von allen Oehlgewächsen, sowohl des Nordens als des Südens, so daß er im Jahre 1841 die ganze Reihe der im Handel vorkommenden Oehle in höchst reinem Zustande besaß. Hr. Lefebvre rectificirte nun alle von seinen Vorgängern erhaltenen Zahlen und stellt in folgender Tabelle die Dichtigkeiten der Oehle im Vergleich mit derjenigen des destillirten Wassers bei + 12° R. (= 10,000) zusammen. Spec. Gewicht     Gewichtdes Hektoliters Talgöhl oder Olein      9,003   90,03 Kilogr. Oehl von Winter-Kohlsaat (Brassica campestris)      9,150   91,50    – Oehl von Winter-Rübsenkohl (Brassica Napus)      9,154   91,54    – Oehl von Sommer-Rübsenkohl      9,157   91,57    – Oehl von Sommer-Kohlsaat      9,167   91,67    – Erdeichelöhl      9,170   91,70    – Olivenöhl      9,170   91,70    – Oehl von süßen Mandeln      9,180   91,80    – Buchekeröhl      9,207   92,07    – Spec. Gewicht     Gewichtdes Hektoliters Sesamöhl      9,235   92,35 Kilogr. (Wallfisch-) Thran      9,240   92,40    – Mohnöhl      9,253   92,53    – Hanföhl      9,270   92,70    – Leindotteröhl      9,282   92,82    – Oehl von Baumwollensamen      9,306   93,06    – Leinöhl      9,350   93,50    – Hr. Girardin fand die hier angegebenen Dichtigkeiten des Rüböhls (Kohlsaat-Oehls), Mohnöhls und Leinöhls, welche Oehle ihm von Hrn. Lefebvre selbst zugestellt wurden, etwas zu groß; der Unterschied betrug ungefähr ein Tausendstel, d. i. 1/10 Proc. oder 90 Gramme per Hektoliter. Uebrigens beziehen sich die Zahlen in der Tabelle auf frisch gepreßte Oehle. Mit dem Alter der Oehle nimmt ihre Dichtigkeit stets merklich zu; doch beschränkt sich diese Zunahme auf die lezten Decimalen. Es gibt nicht zwei Oehle, welche bei gleicher Temperatur gleiche Dichtigkeit besizen; wenn man also die Dichtigkeit und zugleich die Temperatur eines Oehles bestimmt hat, so braucht man nur Lefebvre's Tabellen nachzuschlagen, welche die Gewichte der verschiedenen Oehle bei allen Temperaturen angeben, um sogleich die Oehlart zu erfahren; sollte man zwischen zwei Oehlen noch in Zweifel seyn, so dienen die chemischen Charaktere zur Entscheidung der Frage. Handelt es sich um gemischte Oehle, so verfährt man eben so, weil in der Regel kein Gemisch dargestellt werden kann, welches bei gleicher Temperatur dieselbe Dichtigkeit besizt, wie ein gegebenes Oehl; sollte dieß in einigen besondern Fällen doch möglich seyn, so muß man die chemischen Merkmale zu Rath ziehen. Um die Dichtigkeit der Oehle zu messen, construirte Hr. Lefebvre ein Aräometer, welches man in das Oehl einsenkt; an der Linie, bis zu welcher die Spindel des Instruments sich einsenkt, liest man die Anzahl der Kilogramme ab, welche ein Hektoliter des fraglichen Oehls wiegen würde; hiemit ist die Dichtigkeit ermittelt. Das Instrument hat die Gestalt eines gewöhnlichen Aräometers, nur ist die cylindrische Erweiterung sehr groß und die Spindel sehr lang. Auf lezterer befindet sich eine graduirte Scale mit den Dichtigkeiten zwischen 9,000 und 9,400; da aber nicht vier Ziffern neben einander auf der Scale Plaz hatten, so wurde die erste und lezte weggelassen und bloß die beiden Mittlern beibehalten; es ist demnach den Ziffern 1 bis 40 auf der Scale die Ziffer 9 vorzusezen, um die Dichtigkeit und das Gewicht des Hektoliters auszudrüken. So befindet sich z.B. das Rüböhl (Kohlsaatöhl) bei der Zahl 15; diese bedeutet also 9,150 Dichtigkeit, oder 91 Kilogr. 5 Hektogr. für das Gewicht des Hektoliters, oder 9 Hektogramme, 15 Gramme für ein Liter. Zur Linken der Scale und der Dichtigkeit gegenüber befinden sich die Namen der Oehle; ihre Stelle ist durch eine Farbe bezeichnet welche jener ziemlich gleich kommt, die jedes Oehl durch Einwirkung concentrirter Schwefelsäure annimmt. Dieses Reagens, welches man Hrn. Heydenreich verdankt, liefert für jedes Oehl ein besonderes Merkmal (siehe polytechn. Journal Bd. LXXXV S. 58). Durch diese Farben läßt sich der Oehlspiegel am Instrument deutlicher erkennen, so daß man es nicht herauszuziehen braucht, um die Ziffern abzulesen, welche die Dichtigkeit des Oehls bezeichnen. Da das Instrument für die Temperatur von + 15° C. (12° R.) graduirt wurde, so muß die Temperatur des Oehls beim Eintauchen des Oleometers in dasselbe immer ermittelt und eine Correction der erhaltenen Ziffer vorgenommen werden, wenn die Temperatur über oder unter + 15° C. beträgt. Nach Hrn. Lefebvre ist, wenn man von 15° C. ausgeht, die Correction für alle Oehle 1 1/2 Centigrade für ein Tausendstel Dichtigkeit mehr oder weniger, also 3 Centigrade für zwei Tausendstel, 6 Centgr. für vier Tausendstel etc. Hat demnach ein Oehl + 18° C. Temperatur, so sinkt das Oleometer um zwei Tausendstel unter die wirkliche Dichtigkeit und es muß daher die gefundene Ziffer um zwei Tausendstel erhöht werden. Zeigt das Oehl nur + 12° C. Temperatur, so bleibt das Instrument um zwei Tausendstel über der wahren Dichtigkeit stehen und es muß daher die scheinbare Dichtigkeit um diese zwei Tausendstel vermindert werden. Beim Rübsenkohl- und Kohlsaatöhl kann man das Wägen bei + 3° C., beim Olivenöhl bei + 8° C., wegen ihrer Erstarrung nicht mehr vornehmen; man muß das Oehl dann in dem Glascylinder mittelst der Hand oder lauwarmen Wassers erwärmen und dabei mit einem Stäbchen oder dem Thermometer selbst umrühren. Um alle Berechnungen hinsichtlich der Temperatur-Correctionen unnöthig zu machen, gab sich Hr. Lefebvre die Mühe, Tabellen über das Gewicht eines Hektoliters der Oehle bei allen gewöhnlichen Temperaturen (zwischen + 30° und – 6° C.) anzufertigen. Diese Tabellen machen einen Theil der Gebrauchsanweisung aus, welche Hr. Lefebvre (Waarensensal in Amiens) dem Instrument beilegt. Das Instrument des Hrn. Lefebvre gestattet nicht nur die unverfälschten Oehle zu unterscheiden, sondern auch bis zu einem gewissen Grade die Vermischung derselben mit einander zu erkennen. Die ordinären zum Fabrikgebrauch dienenden Olivenöhle werden mit Sesamöhl, Rüböhl, Erdeichelöhl und Mohnöhl verfälscht; die aus der Levante in Marseille ankommenden aber gewöhnlich mit Sesamöhl. Die Rüböhle werden fast immer verfälscht; man vermischt sie mit Mohnöhl, Leindotteröhl, Leinöhl, vorzüglich aber mit Thran. Das Hanföhl, welches fast immer theurer ist, als das Leinöhl, wird gewöhnlich mit lezterem verfälscht. Es kommen Hanföhle im Handel vor, welche 8/10 Leinöhl enthalten; die grüne Farbe des Hanföhls wird lezterem durch Hanf-Preßkuchen oder Indigo ertheilt. Viele derartige Mischungen halten sich aber, wenn man die Oehle in Ruhe läßt, nur wenige Tage; die schwereren Oehle sezen sich bald fast vollständig ab. So wird auch eine Mischung von Oleïnsäure mit jedem andern Samenöhl sich nicht zwei Tage halten, indem sich das schwerere Oehl zu Boden sezt und das leichtere oben auf schwimmt. Dem Baumöhl zugeseztes Mohnöhl senkt sich auf den Boden, ehe noch acht Tage bei ruhigem Stehen verstrichen. Dem Rüböhl, selbst gereinigtem, zugesezter Thran sezt sich in acht Tagen ab; wenn daher ein Krämer ein Fäßchen solchen verfälschten Rüböhls zum Detailverkauf bestimmt und anbohrt, in der Voraussezung, daß er einen Monat zu dessen Verschleiß braucht, so wird er in den ersten vierzehn Tagen allen Thran, mit Ausnahme des unter dem Hahn befindlichen, und in den leztern vierzehn Tagen beinahe reines Rüböhl verkaufen. In den großen steinernen Oehlgefäßen (piles)In der Levante, in Italien etc. gebräuchlich. zeigen sich bei ruhigem Stehen derselben diese Erscheinungen noch weit auffallender. Enthält ein solches Mohnöhl, welches mit Leinöhl vermischt ist, so scheidet sich lezteres ab und sinkt zu Boden; selbst wenn das gemischte Oehl geklärt, gereinigt oder gebleicht wurde, wird das Leinöhl wegen seiner größeren Dichtigkeit sich unfehlbar absondern. Da die Oehle durch ihre bloße Vermischung nicht die geringste chemische Veränderung erleiden, so müssen die Dichtigkeiten der Gemische offenbar proportional seyn den respectiven Quantitäten der gemischten Oehle. Das Oleometer kann sonach, wenigstens in den meisten Fällen, das quantitative Verhältniß, in welchem zwei Oehle gemischt wurden, anzeigen. Wurde z.B. Rüböhl mit seinem gleichen Volum Leinöhl vermischt, so muß, da zwischen beiden Oehlen ein Dichtigkeits-Unterschied von zwanzig Tausendstel stattfindet, das in das Gemisch gesenkte Oleometer bei 9,25, der mittlern Dichtigkeit des Rüb- und Leinöhls, stehen bleiben. Wurde das Gemisch mit 1/4 Leinöhl und 3/4 Rüböhl gemacht, so wird das Instrument 9,200 zeigen; enthält das Gemisch nur 1/10 Leinöhl, so wird man zwei Tausendstel über die Dichtigkeit des Rüböhls, nämlich 9,170, erhalten. Um aber genaue Angaben mittelst des Oleometers bei solchen Vermischungen zu erhalten, muß man natürlich vorher ermitteln können, welches Oehl dem werthvollern zugesezt wurde. Hiezu bedient sich Hr. Lefebvre der Schwefelsäure, welche durch die Färbung, die sie hervorbringt, jedes Oehl, sey es rein oder vermischt, erkennen läßt. Hr. Apotheker Heydenreich zu Straßburg, welchem man diese Probe verdankt, fand, daß wenn man einen Tropfen concentrirter Schwefelsäure 10–15 Tropfen Oehls, welche sich auf einer, auf weißem Papier liegenden weißen Glastafel befinden, zusezt, fast sogleich eine Färbung eintritt, die nach der Art des Oehls verschieden ist. Sind zwei Oehle mit einander vermischt, so bewirkt dieses Reagens eine ganz andere Färbung, als bei den reinen Oehlen, woraus man oft auf das zur Verfälschung angewandte Oehl schließen kann. Das Sesamöhl wird von der Schwefelsäure lebhaft roth gefärbt; der Wallfischthran dunkelbraunroth; das Hanföhl deutlich smaragdgrün; das Olivenöhl wird gelb; das Rübsenkohl-Oehl wird schmuziggrau; das Kohlsaat-Oehl bildet einen grünlichblauen Hof; das Mohnöhl wird blaßgelb, mit schmuziggrauer Einfassung; das Baumwollenöhl wird gelb mit braunen Streifen in der Mitte; das Leinöhl braunroth, bald ins Schwarzbraune übergehend. Diese Farben kommen aber nicht immer so deutlich zum Vorschein, wie hier angegeben wurde, und manche Oehle sind von andern durch diese Färbungen sehr schwierig zu unterscheiden, weil die Unterschiede oft kaum merklich sind. So verhielten sich z.B. das Erdeichelöhl, das Mohnöhl, das Baumöhl, das Leindotteröhl bei meinen Versuchen mit Schwefelsäure ganz gleich. Die Oleïnsäure und der Wallfischthran unterscheiden sich ebenfalls nicht sehr deutlich. Sogar dieselbe Oehlart liefert nicht immer ganz gleiche Resultate mit der Schwefelsäure; der Ursprungsort, das Alter des Oehls und die Gewinnungsweise können die Einwirkung dieses Reagens modificiren. Auch muß man beim Probiren eines Oehls stets vergleichende Versuche mit ganz reinem Oehl derselben Art anstellen. Uebrigens ist die Anwendung der Schwefelsäure in den meisten Fällen entbehrlich. Man kann auch zu andern chemischen Reagentien seine Zuflucht nehmen, um die Proben mit dem Oleometer bei Oehlen von ziemlich gleicher Dichtigkeit zu ergänzen; so können als treffliche Unterscheidungsmerkmale benüzt werden: die Färbungen der verschiedenen Oehle durch salpetrige Säure nach den Untersuchungen von Hrn. Felix Boudet (polytechnisches Journal Bd. LXXX. S. 53); die von Fauré ermittelte Einwirkung des Ammoniaks auf die Oehle, welche verschiedene Farben und Consistenzgrade durch dieses Alkali annehmen (ebend. S. 59); die Einwirkung des Chlors, welches, wie ebenfalls Fauré nachwies, zur Unterscheidung der thierischen Oehle von den Pflanzenöhlen ganz geeignet ist und große Genauigkeit gewährt; die verschiedenen Farben, welche die meisten Oehle in Berührung mit einer in der Kälte gesättigten Auflösung von doppeltchromsaurem Kali in Schwefelsäure annehmen, wie Hr. Penot im Jahr 1841 zeigte (polytechn. Journal Bd. LXXXV S. 64); dazu kommt noch die Anwendung des Lakmuspapiers für die Oleïnsäure, sowie endlich der eigenthümliche Geruch, welchen die verschiedenen Oehlarten ausgeben, wenn man sie in einer kleinen Porzellanschale über der Weingeistlampe gelinde erwärmt, welche Eigenschaft von Hrn. Heydenreich im Jahr 1841 entdekt wurde.