Titel: Mechanismus zur Vervielfältigung einer Bewegung.
Fundstelle: Band 96, Jahrgang 1845, Nr. CVII., S. 428
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CVII. Mechanismus zur Vervielfaͤltigung einer Bewegung. Aus dem Civil Engineer and Architects' Journal, März 1845, S. 69. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Mechanismus zur Vervielfältigung einer Bewegung. Dieser Gegenstand wurde in neuerer Zeit durch die Anwendung der archimedischen Schraube zum Treiben von Dampfschiffen wieder vielfach angeregt; sowohl durch praktische Versuche als durch mathematische Forschungen wurde nachgewiesen, daß die Nüzlichkeit dieses Treibapparats größtentheils von der Geschwindigkeit abhängt, womit sich die Schraube dreht. Die bis jezt gebräuchliche Art, die hin und wiederkehrende Bewegung der Kolbenstange an einer Dampfmaschine in eine kreisförmige umzuwandeln, besteht in der Anwendung des Krummzapfens, dessen Umdrehungsanzahl immer gleich ist der Anzahl Doppelhube der Kolbenstange, so daß, während leztere von ihrer niedersten Lage in ihre höchste übergeht, und von da wieder zurük in ihre tiefste, sie eine vollkommene Umdrehung des Krummzapfens hervorbringt. Die auf diese Weise hervorgebrachte Umdrehungsgeschwindigkeit wurde aber zu klein befunden, als daß eine archimedische Schraube ohne Anwendung von verzahnten Rädern oder Riemen wirksam arbeiten könnte, und leztere wurden deßhalb angewandt, um die Umdrehungsgeschwindigkeit der Krummzapfen zu vervielfältigen. Die Anwendung von verzahnten Rädern hat indessen manche beachtenswerthe Nachtheile; die Reibung der Zähne an einander hat eine bedeutende Abnüzung zur Folge und die Räder selbst greifen, wenn Abnüzung stattgefunden hat, nicht mehr gehörig in einander ein, es kommen häufige Brüche vor, und endlich ist das Geräusch, welches sie hervorbringen, wenn sie im Gange sind, ein Hauptgrund, weßhalb sie keine allgemeine Anwendung fanden. Dieser lezte Nachtheil ist durch Anwendung von Rädern mit hölzernen Zähnen zum Theil beseitigt; jedoch treten dann die ersteren beiden doppelt stark hervor. Folgende Methode eine Bewegung bloß durch die Anwendung eines Krummzapfen-Systems zu vervielfältigen, ist keineswegs als eine vollkommene Lösung dieses wichtigen mechanischen Problems zu betrachten, sondern sie soll nur, weil bis jezt noch nichts derartiges angewandt wurde, dazu beitragen, die in Aussicht gestellte Lösung zu fördern. Wir sagten oben, daß jeder Doppelhub der Kolbenstange bloß eine Umdrehung des Krummzapfens hervorbringe. Folgendes ist jedoch eine Methode, mittelst welcher zwei Umdrehungen hervorgebracht werden können. In Fig. 26 stellt A₂ das Ende einer Kolbenstange vor (die Kolbenstange selbst ist, um Undeutlichkeit zu vermeiden, weggelassen), welches sich in gerader Linie von A₁ bis A₄ bewegen kann. Es wird hier vorausgesezt, daß das Kolbenstangen-Ende eine gerade Leitung oder Führung in einer Nuth oder einem Schliz habe, wie dieß bei direct wirkenden Maschinen der Fall ist. A₃ ist die Mitte zwischen A₁ und A₄ und dieser Mitte gegenüber liegt eine andere Nuth oder Leitung BB₃ und zwar rechtwinkelig zu AA₄ und ungefähr von der halben Länge derselben. In dieser Nuth gleitet das eine Ende E einer Stange, während ihr anderes Ende mit A₂ verbunden ist. Es ist nun leicht einzusehen, daß wenn A₂ sich von A₁ bis A₄ bewegt, B₂ von B₁ zu B₃ geht und wieder zurük, und daß deßhalb eine hin- und wiederkehrende Bewegung von A₂ zwei solchen Bewegungen von B₂ entspricht. Denn wenn A₂ bei A₄ ist, so hat die Stange die Lage der punktirten Linie, und wenn sich A₂ von A₄ bis zu A₃ bewegt, so bewegt sich B₂ von seiner tiefsten bis zu seiner höchsten Lage; B₂ geht aber wieder abwärts, sobald A₂ den Mittelpunkt A₃ überschritten hat, und ist wieder in seiner tiefsten Stellung, wenn A₂ zu A₁ kommt. Dasselbe geschieht, wenn A₂ wieder zurükgeht. Auf diese Weise bringt jede vollständige Bewegung von A₂ zwei ähnliche an B₂ hervor, und wäre deßhalb ein Krummzapfen bei B₂ angebracht, so würde derselbe sich doppelt so oft drehen, als einer der bei A₂ angebracht wäre. Es ist einleuchtend, daß dieselben Mittel, durch welche die hin- und wiederkehrende Bewegung von A₂ in eine doppelte von B₂ verwandelt wurde, auch angewandt werden können, um die Bewegung von B₂ noch einmal für einen dritten, vierten etc. Krummzapfen zu verdoppeln, so daß man auf diese Weise die Anzahl Hube einer Kolbenstange (oder Umdrehungen eines Krummzapfens) auf 2, 4, 8, 16 etc. vervielfältigen kann, oder um einen mathematischen Ausdruk zu gebrauchen, auf irgend eine Potenz von 2. In der Praxis aber würde nach zwei oder drei Vervielfältigungen der Mechanismus zu complicirt werden, um wirksam zu seyn; auch hängt mit demselben noch ein anderer Uebelstand zusammen, nämlich der, daß die Größe der Bewegung von B₂ nur noch die Hälfte der Bewegung von A₂ beträgt. In der That wird sie, was man mit der geringsten Kenntniß von Geometrie begreift, genau nur halb so groß, wenn B₁, das Ende der zweiten Führung, mit dem Punkt A₃, der Mitte der ersten Führung, zusammenfällt. Sollten nun mehrere solche Führungen angewandt werden, so würde die Verminderung der Bewegung so oft wiederholt werden, daß die lezte Stange keine hinreichend große Bewegung mehr hätte, um einen Krummzapfen treiben zu können. Diesem Nachtheil kann jedoch abgeholfen, oder derselbe wenigstens vermindert werden. Aus Fig. 26 ersieht man, daß es nicht absolut nothwendig ist, daß die Führung AA₄ geradlinig sey. Die Wirkung würde genau dieselbe seyn, wenn die Führung ein Kreisbogen wäre, oder was dasselbe ist, wenn A₂, anstatt das Ende einer Kolbenstange zu seyn, das Ende eines Balanciers wäre, dessen eines Ende sich um einen Zapfen dreht und dessen anderes sich von A₁ nach A₄ in einem Bogen bewegt; die Bewegung der zweiten Stange bliebe dieselbe. Die nächste Figur ist ein Beispiel hievon. In Fig. 27 ist nämlich der Balancier C, D, welcher sich um einen Zapfen bei C₁ dreht, bei B mit einer Stange verbunden, deren Ende A sich wie in Fig. 26 in einer Führung bewegt. Die Größe der Bewegung von D zwischen E und F₁ ist beinahe dieselbe, wie die von A₁, und eine andere Stange könnte nun bei D angebracht seyn, um die Bewegung zu vervielfältigen. Auf diese Weise könnte die Bewegung einigemal vervielfältigt werden, ohne daß ihre Ausdehnung unpassend verkleinert würde. Diese Methode, eine abwechselnde Bewegung zu vervielfältigen, kann direct für eine rotirende Bewegung angewandt werden, ohne daß dazwischen noch besondere Maschinentheile nothwendig wären. Fig. 28 und 29 stellen ein Schema dieser Art vor; A ist, wie in Fig. 26 das Ende einer Kolbenstange, welches sich in einer Führung AA₇ bewegt. (Es ist unwesentlich, ob die Führung gradlinig ist, oder ob A sich in einem Kreisbogen am Ende eines Balanciers bewegt.) C, der Mittelpunkt, um welchen sich die Kurbel dreht, liegt A₅ gegenüber, was die Mitte der Bewegung von A ist. Fig. 28 und 29 zeigen den Krummzapfen in verschiedenen Stellungen, indem in beiden Figuren gleiche Buchstaben dieselben Gegenstände bezeichnen. ABist die Stange, welche den Krummzapfen mit A verbindet. Es soll nun der Gang des Krummzapfens beschrieben werden, indem wir abwechslungsweise auf beide Figuren hinweisen. Der Krummzapfen und die Zugstange haben zuerst die Lage ABC₁, Fig. 28; der Krummzapfen bewege sich in der Richtung des Pfeils, und A₁ gegen A₂. Sobald A₁ mit A₂ zusammenfällt, ist die Lage des Krummzapfens und der Zugstange die der punktirten Linie ABC₄ und Krummzapfen und Zugstange liegen in gerader Linie. Das Moment des Krummzapfens wird denselben noch fortbewegen, und da A₁ nun von A₂ zurükgeht, so wird der Krummzapfen, wenn A₁ zu A₃ kommt, in der Stellung BC₁ seyn. Die nächste Stellung ist dann ABC₁, Fig. 29, und die darauf folgende BAC₁, so daß Zugstange und Krummzapfen übereinander zu liegen kommen. Die folgende Stellung ist ABC₁, und bevor A₁ den Punkt A₇ erreicht hat, wird der Krummzapfen eine ganze Umdrehung vollendet haben. Es wird nun nicht nöthig seyn, die Bewegung zu beschreiben, nachdem die Theile die Lage ABC₁ erlangt haben; denn man sieht leicht ein, daß wenn A₁ zurükgeht, die Bewegung wie zuvor fortgesezt wird, und daß, wenn A₁ wieder bei A₂ eingetroffen ist, der Krummzapfen und die Zugstange wieder die Lage ABC₁ haben werden, und daß dadurch also die zweite Umdrehung vollendet seyn wird. Eine vollständige hin- und wiederkehrende Bewegung von A wird also zwei Umdrehungen des Krummzapfens entsprechen. Der einzige Unterschied zwischen diesem Krummzapfen und dem jezt gebräuchlichen besteht in ihrer Lage. Bei dem neuen liegt der Drehungsmittelpunkt der Mitte der Bahn von A gegenüber, bei dem gewöhnlichen liegt er in der Fortsezung der geraden Linie, in welcher sich A bewegt, und deßhalb hat auch jeder Kolbenhub nur eine Umdrehung zur Folge. Fig. 30 ist eine Combination der in Fig. 28 und 29 und in Fig. 26 angedeuteten Ideen; in diesem Fall wird die Bewegung vervierfacht, denn bei jeder abwechselnden Bewegung von A in seiner Führung wird B in der seinigen zweimal hin- und herbewegt, und da bei jedem Laufe von B der Krummzapfen C, D sich zweimal dreht, so bringt jeder Hub von A eine viermalige Drehung der Kurbel hervor. Wir sagten oben, daß es unwesentlich ist, ob die abwechselnde Bewegung in einer geraden Führung stattfinde, oder ob sie die kreisförmige eines Balanciers sey; entweder kann jede Weise für sich stattfinden, oder beide können auf irgend eine passende Art mit einander verbunden werden. Fig. 31 ist ein Fall, wo keine Führungen angewandt wurden, und wobei achtfache Bewegung stattfindet. Man darf nicht befürchten, daß der Mechanismus complicirt wird, weil so viele Linien in der Figur sind; die schwarzen Linien allein stellen die ganze Maschinerie dar; die punktirten Linien zeigen bloß die äußersten Lagen der beweglichen Theile an. AC₁ ist der erste bewegliche Balancier, welcher um den Zapfen C schwingt. Bei jeder Oscillation von A₁ oscillirt der Punkt A₂ auf dem Balancier AC₂ zweimal nach der punktirten Linie, in Folge der Verbindung durch die Stange AA₂; ebenso wird bei jeder Oscillation des zweiten Balanciers der Balancier AC₃ zweimal oscilliren, und aus dem Vorhergehenden ist klar, daß für jede Schwingung des dritten Balanciers die Kurbel D, E sich zweimal drehen wird. Die Bewegung ist daher achtmal vervielfältigt. Nachdem wir nun verschiedene Arten betrachtet haben, wie abwechselnde Bewegungen vervielfältigt in kreisförmige verwandelt werden können, gehen wir zu einem Verfahren über, wodurch kreisförmig fortlaufende Bewegungen in vervielfältigte kreisförmig fortlaufende Bewegungen umgesezt werden können. Dieß ist sehr einfach: A, B, Fig. 32, ist eine Kurbel, welche sich um A dreht, und durch eine Stange B, D, von derselben Länge wie A, B mit einer kleineren Kurbel C, D verbunden ist, die nur zwei Drittel oder die Hälfte der Länge von AB hat. CD dreht sich um C₁ und die Entfernung AC = CD. Bei jeder Umdrehung von AB wird sich nun CD zweimal drehen. Es ist schwierig dieß durch eine Skizze zu erklären; will aber der Leser seinen Scharfsinn durch Zeichnen der verschiedenen Stellungen der beiden Krummzapfen in obigen Figuren üben, so wird er sich von der Wahrheit überzeugen. Dieselben Buchstaben bezeichnen denselben Gegenstand in allen fünf Figuren, und von den Kurbeln wird vorausgesezt, daß sie sich, wie die Zeiger einer Uhr, in derselben Richtung drehen. In Fig. 32 hat AB gerade seine höchste Stellung verlassen und beginnt sich abwärts zu bewegen; dasselbe ist bei CD der Fall (wenn AB mit der punktirten Linie Ab zusammenfällt, so liegt CD in CA). In Fig. 33 ist AB noch abwärts gehend und CD ebenfalls, bis es seine tiefste Stellung Cd angenommen hat, worauf es wieder steigt, obgleich AB nach abwärts geht. In Fig. 34 ist AB noch nicht in seiner tiefsten Stellung und CD ist noch nicht bis in seine höchste Stellung gestiegen; sobald AB seine tiefste Stellung erreicht hat, hat CD eine Umdrehung vollendet, während AB doch nur eine halbe gemacht hat. In Fig. 35 beginnt AB eben wieder zu steigen und CD fängt seine zweite Umdrehung an. In Fig. 36 ist AB ein wenig mehr gestiegen und CD hat eine Viertelumdrehung gemacht. Es ist nun nicht nothwendig, die Bewegung weiter zu verfolgen; der Lauf von AB bei seinem Emporsteigen ist derselbe, wie beim Abwärtsgehen, nur wird CD angezogen anstatt geschoben; so bald nun AB seine höchste Stellung erreicht hat, hat auch CD zwei Umdrehungen vollendet. Dieß ist vielleicht die passendste Art, eine Bewegung zu vervielfältigen. Die Achse der zweiten Kurbel C, D könnte noch eine andere, die der A, B gleich wäre, tragen, wodurch eine nochmalige Verdoppelung der Bewegung, wie die erste war, hervorgebracht würde. Eine dritte Verdoppelung könnte nun noch aus der zweiten hervorgehen, und so fort. Zu bemerken ist noch, daß eine Vereinigung der in den lezten fünf Figuren dargestellten Methode mit derjenigen Fig. 30 leicht die ursprüngliche Bewegung verachtfachen könnte. Durch die angeführten Methoden könnte man in vielen Fällen eine Bewegung hinlänglich vervielfältigen, ohne daß sie die Einwürfe treffen, welche den verzahnten Rädern gemacht werden. Schließlich mag noch bemerkt werden, daß die hier beschriebenen Mechanismen keinen KraftverlustDurch die viele Reibung und den oft bedeutenden Seitendruk möchte doch wohl Kraftverlust stattfinden. Ferner wird die kreisförmige Bewegung durchaus nicht gleichförmig, indem die Krummzapfen in gleichen Zeiten ungleiche Winkel durchlaufen, was aus Fig. 28 recht deutlich zu sehen ist. Während A von A₂ zu A₇ geht, macht der Krummzapfen mehr als 1 1/3 Umdrehungen, und während A von A₇ wieder zurük zu A₂ geht, nur noch 2/3. Schwungräder würden wahrscheinlich für jede Verdoppelung nach Fig. 32 bis 36 sehr nothwendig seyn.Walther. hervorbringen; dieß könnte für jeden einzelnen Fall bewiesen werden, aber es wird genügen an den bekannten mechanischen Grundsaz zu erinnern, daß die Zunahme der Geschwindigkeit die Veränderung der Kraft ausgleicht. Die Anzahl der Umdrehungen einer Dampfmaschinenachse wird gewöhnlich durch Zahnräder vervier- oder verfünffacht, wenn eine archimedische Schraube getrieben werden soll.

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