Titel: | Ueber die Eigenschaft einer gesättigten Kochsalzauflösung das schwefelsaure Blei etc. aufzulösen und Anwendung derselben zur Analyse des Bleiglanzes; von Becquerel. |
Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. LV., S. 208 |
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LV.
Ueber die Eigenschaft einer gesaͤttigten
Kochsalzaufloͤsung das schwefelsaure Blei etc. aufzuloͤsen und Anwendung
derselben zur Analyse des Bleiglanzes; von Becquerel.
Aus den Comptes rendus, Maͤrz 1845, No.
21.
Becquerel, über die Eigenschaft des Kochsalzes schwefelsaures Blei
etc. aufzulösen.
Zur elektrochemischen Zersezung und Wiederverbindung der Körper ist ein Lösungsmittel
erforderlich, welches dem Strom Durchgang gestattet. Gewöhnlich bedient man sich
hiezu des Wassers, dessen Leitungsvermögen durch Zusaz einer kleinen Quantität Säure
oder einer salzigen Substanz bedeutend erhöht wird; man ist aber an dieses
Lösungsmittel nicht gebunden; denn es gibt viele andere, deren man sich mit Vortheil
bedienen kann. Die erste Stelle räume ich hierin dem Salzwasser ein, indem das
Chlornatrium (Kochsalz) das in der Natur, sowohl auf der Oberfläche als im Innern
des Erdballs, verbreitere Salz ist. Ich beabsichtige durchaus nicht, alle
unauflöslichen Verbindungen zu ermitteln, welche das ganz gesättigte Salzwasser
aufzulösen vermöchte; wohl aber eine Reihe Verbindungen mit gleicher Basis
anzugeben, welche diese Eigenschaft besizen, um den Nuzen zu zeigen, der aus solchen
Lösungen gezogen werden kann. Die unlöslichen Salze, mit welchen ich Versuche
anstellte, sind die, deren Basis Blei ist und deren elektronegative Bestandtheile
die Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kieselflußsäure, Oxalsäure, Boraxsäure,
Weinsteinsäure, Gallussäure, Arseniksäure und Wolframsäure sind. Beginnen wir mit
dem schwefelsauren Blei: 1 Liter mit Chlornatrium gesättigten Wassers, welches am
Baumé'schen Aräometer 25° zeigt, löst ungefähr 0,66 Gramme
schwefelsaures Blei auf; die Auflösung sezt in einigen Tagen an den Wänden des
Gefäßes kleine Krystalle ab, welche sich zuweilen zu seidenartigen Büscheln
vereinigen, oder in Formen erscheinen, welche ich noch nicht bestimmte; diese
Krystalle sind in Wasser sowohl, als in Chlornatriumlösung unauflöslich; auf einem
Platinblech der Flamme einer Weingeistlampe ausgesezt, zersezen sie sich und
schmelzen; das Chlorblei verflüchtigt sich. Digerirt man diese Krystalle mit
Salpetersäure und einem kleinen Goldblättchen, so bildet sich Chlorgold; behandelt
man sie vor dem Löthrohr mit Soda auf Kohle und bringt sie dann mit etwas Wasser auf
ein Silberblech, so wird dieses geschwärzt; erhizt man sie stark in einer Glasröhre,
so verflüchtigt sich Chlorblei nebst etwas Wasser. Diese Krystalle sind sonach ein
chlorschwefelsaures Bleioxydhydrat, dessen Zusammensezung ich auf folgende Weise
ermittelte: 0,56 Gramme dieser bis zum Schmelzen erhizten Substanz wurden mit Wasser, welches mit
Salzsäure schwach angesäuert war, und einem Stükchen Zinkblech in ein
Porzellanschälchen gebracht, um das Blei in metallischem Zustand zu erhalten. Die
Reaction trat sehr bald ein; das niedergeschlagene und gesammelte Blei wog 0,412
Gramme. Die Lösungen mit dem Waschwasser wurden durch Kochen concentrirt und die
Schwefelsäure aus dem schwefelsauren Zink mittelst Chlorbaryum gefällt. Es wurden
0,150 Gramme schwefelsaurer Baryt erhalten, welche 0,052 Gr. Schwefelsäure
enthalten, was 0,200 Grammen schwefelsauren Bleies entspricht, welche 0,139 Gramme
Blei enthalten.
Subtrahirt man von
chlorschwefelsaurem Blei
0,560 Gr.
Schwefelsaures Blei
0,200 –
––––––––
so bleibt
Chlorblei
0,360 Gr.
0,360 Gramme Chlorblei aber enthalten 0,270 Gramme Blei, d.h. zweimal so viel als das
schwefelsaure Blei, woraus folgt, daß das chlorschwefelsaure Blei aus 1 Atom
schwefelsaurem Blei und 2 Atomen Chlorblei besteht. Das Krystallwasser konnte ich
nicht genau bestimmen, weil das Salz, wenn es in einer Röhre stark erhizt wird,
schmilzt und zugleich mit dem Wasser sich auch etwas Chlorblei verflüchtigt. Da aber
die 0,560 Gr. wasserfreies Salz aus 0,572 Gr., welche bis zum Schmelzen erhizt
worden waren, gewonnen wurden, so ist anzunehmen daß 0,560 Gr. Salz mit 0,012 Gr.
Wasser verbunden sind, wobei für das chlorschwefelsaure Blei die Formel
So³Pb, 2 ClPb, H²O sich ergäbe.
Dieß vorausgesezt, wollen wir untersuchen, was vorgeht, wenn man eine gesättigte
Lösung von Chlornatrium und schwefelsaurem Blei sich selbst überläßt. Das, wenn auch
mit Natrium verbundene, doch in Ueberschuß vorhandene Chlor, reagirt langsam auf das
schwefelsaure Blei; es bilden sich Chlorblei und schwefelsaures Natron; das
Chlorblei verbindet sich mit unzerseztem schwefelsaurem Blei in dem angegebenen
Verhältniß. Die Verbindung bildet seidenartige Büschel oder Krystalle, je nach der
Menge des in der Lösung enthaltenen schwefelsauren Bleies; ist die Lösung mit
schwefelsaurem Blei gesättigt, so erhält man nur Büschel. Diese Reactionen dauern so
lange fort, bis das schwefelsaure Blei verschwunden ist.
Das phosphorsaure Blei ist in einer gesättigten Chlornatriumlösung auflöslich, jedoch
viel weniger als das schwefelsaure und liefert chlorphosphorsaures Blei, welches in
Blättchen krystallisirt. Die Formel dieser Verbindung muß derjenigen des
chlorschwefelsauren Bleies entsprechen. Das natürliche chlorphosphorsaure Blei
bildet hexaëdrische Prismen; Wöhler zeigte, daß es
aus Chlorblei und
phosphorsaurem Blei in einem solchen Verhältniß besteht, daß lezteres neunmal so
viel Blei enthält als das Chlorblei; das von mir erhaltene chlorphosphorsaure Blei
ist von jenem also verschieden. Eine gesättigte Kochsalzauflösung löst fast alle
unauflöslichen Bleisalze auf und bildet damit eine Reihe neuer krystallisirter, ganz
unauflöslicher Verbindungen.
Auch die Elektrochemie besizt ein sehr einfaches Mittel, chlorschwefelsaures,
chlorphosphorsaures etc. Blei darzustellen; man bedarf dazu nur einer einfachen
Vorrichtung, die aus einer unten mit feuchtem Thon verschlossenen Röhre besteht, in
welche man eine gesättigte Chlornatriumlösung und ein Bleiplättchen bringt, und aus
einem Pokal, welchen man mit einer Lösung von schwefelsaurem Kupfer oder saurem
Phosphorsaurem Kupfer anfüllt, in die ein Kupferblech taucht, welches man mit dem
Bleiplättchen in Verbindung sezt; wird lezteres angegriffen, so entsteht ein Strom,
wodurch das Kupfersalz zersezt wird; der Sauerstoff und die Schwefelsäure oder
Phosphorsäure, in Gegenwart des Bleiplättchens in Freiheit gesezt, erzeugen
schwefelsaures oder phosphorsaures Blei, welches in der Chlornatriumlösung oben
erwähnte Reactionen hervorbringt.
Ich will nun noch eine Eigenschaft der gesättigten Chlornatriumlösung mittheilen,
deren Kenntniß für das Studium der geologischen Erscheinungen von Wichtigkeit ist.
Es bezieht sich diese Eigenschaft auf die Umbildung des Bleiglanzes in ein
schwefelsaures Salz (sulfatation) durch die vereinigte
Einwirkung des Chlornatriums und des schwefelsauren Kupfers, welche Umbildung, nur
in etwas längerer Zeit, auch mit dem bloßen schwefelsauren Kupfer bewerkstelligt
werden kann: was beweist daß die Wirkung eine ganz verschiedene ist von jener bei
der Verwandlung der Silbererze in Chloride (chloruration) durch die vereinigte Wirkung des Chlornatriums und
schwefelsauren Kupfers. Um sich die Wirkungen gehörig zu erklären, muß man sich
erinnern daß, wenn die beiden Bestandtheile des Schwefelbleies, der Schwefel und das
Blei sich oxydiren, schwefelsaures Blei entsteht, indem das
Schwefelblei
PbS
das schwefelsaure Blei aber
SO³, PbO
zur Formel hat. Andererseits ist das schwefelsaure Kupfer,
welches dem schwefelsauren Blei analog SO³, CuO zur Formel hat, auflöslich, während das Bleisalz es
nicht ist. Gehen wir nun zu den Versuchen über.
Wenn man in einen Pokal ungefähr gleiche Quantitäten dieser beiden Salze, des
schwefelsauren Kupfers und Schwefelbleies mit ihrem 4 bis 5fachen Gewicht Wasser bringt, so tritt nach
Verlauf einer gewissen Anzahl Tage eine solche Reaction ein, daß beide Salze sich
vollkommen zersezt haben, daß man nämlich einerseits schwefelsaures Blei und
andererseits Schwefelkupfer hat. Folgende Verhältnisse von Schwefelblei und
schwefelsaurem Kupfer müssen genommen werden, damit die doppelte Zersezung
erfolgt:
1) 100 Gewichtstheile krystallisirten schwefelsauren Kupfers dienen zur Bildung von
120,55 Theilen schwefelsauren Bleies;
2) 100 Theile wasserfreien schwefelsauren Kupfers erzeugen 190,12 Theile
schwefelsaures Blei, welche 129,83 Theile Blei enthalten.
Nun enthalten 100 Theile krystallisirtes schwefelsaures Kupfer
wasserfreies schwefelsaures Salz
63,93
Wasser
36,07
woraus folgt, daß 156,42 Theile krystallisirten schwefelsauren
Kupfers 100 Theile wasserfreies schwefelsaures Salz repräsentiren.
Andererseits enthalten 100 Theile Schwefelblei 13,45 Schwefel, welche 40,35
Schwefelkupfer entsprechen, und da diese Quantität Schwefel 19,95 Sauerstoff bedarf,
um sich in Schwefelsäure zu verwandeln, und 100 Theile krystallisirtes
schwefelsaures Kupfer 32,14 Schwefelsäure enthalten, so folgt daß, um 100 Theile
Bleiglanz zu zersezen, etwas über 100 Theile krystallisirtes schwefelsaures Kupfer
erforderlich sind. Folgendes sind die Resultate mehrerer Versuche.
Ich brachte in eine Porzellanschale Schwefelblei, in ein unfühlbares Pulver
verwandelt, mit einem Ueberschuß von schwefelsaurem Kupfer in Wasser gelöst, und
schüttelte das Gemenge öfters, um die Berührungsflächen zu erneuern; allmählich
vergrößerte sich das Volum des unauflöslichen Theils und nach wenigen Tagen war es
noch einmal so groß; der Bleiglanz verlor seinen Metallglanz, wurde grau, dann
schwach röthlich und theilweise pulverig; alles deutete auf seine Zersezung. Der
gebildete Bodensaz wurde ausgewaschen, um ihm den Kupfervitriolüberschuß zu
entziehen und der Rükstand mit einer gesättigten Kochsalzlösung behandelt, um alles
gebildete schwefelsaure Blei aufzulösen, welches sodann im elektrochemischen Apparat
zersezt wurde. Das erhaltene Blei gab Spuren von Silber, selbst dann, wenn man mit
Bleiglanz mit starkem Gehalt an diesem Metall operirte.
Die Zersezung erfolgt nur dann vollkommen, wenn das Schwefelblei sich in sehr fein
zertheiltem Zustand befindet; denn wenn es in kleinen Krystallen oder Blättchen von
gewisser Größe vorhanden ist, so wird nur die Oberfläche angegriffen und das
erzeugte schwefelsaure Blei, welches sie überzieht, schüzt das Innere der Krystalle oder Blättchen gegen
jede Veränderung.
Behandelt man den Rükstand des Bleiglanzes, welcher stets fremdartige Bestandtheile
enthält, mit Wasser, welches mit Schwefelsäure angesäuert wurde, so erhält man keine
Spur schwefelsauren Kupfers; es bildet sich daher bei der Einwirkung dieses Salzes
auf das Schwefelblei auch kein basischschwefelsaures Kupfer. Sogar, wenn man
denselben Rükstand unter der Rothglühhize röstet, so entwikelt sich reichlich
schwefligsaures Gas, die Masse entzündet sich und es entsteht schwefelsaures Kupfer.
Das Rösten geht sehr leicht von Statten, in Folge der sehr feinen Zertheilung des
Schwefelkupfers.
Durch diese Thatsachen ist hinreichend nachgewiesen, daß schwefelsaures Kupfer und
Schwefelblei, beiläufig in gleicher Quantität, im Verlauf einer gewissen Zeit
aufeinander einwirken und sich wechselseitig zersezen. Diese Reaction findet sogar
ohne Dazwischenkunft der Luft statt; die dazu erforderliche Zeit hängt von der
Zertheilung des Schwefelbleies und davon ab, wie oft man das Gefäß behufs der
Erneuerung der Oberflächen schüttelt. Wärme beschleunigt sehr diese Zersezung. Man
muß einen Kolben anwenden und von Zeit zu Zeit Wasser zusezen, um das verdampfte zu
ersezen.
Auch befördert man den Proceß sehr, wenn man so viel Kochsalz zusezt, als
schwefelsaures Kupfer vorhanden ist. In diesem Fall verwandelt sich das
schwefelsaure Kupfer in Kupferchlorid, während sich schwefelsaures Natron bildet.
Das Kupferchlorid wirkt auf das Schwefelblei, wodurch einerseits Chlorblei erzeugt
wird, welches sich dann in Berührung mit dem schwefelsauren Natron in schwefelsaures
Blei verwandelt, und andererseits Schwefelkupfer, welches niederfällt. Bei dieser
Reaction wird das Chlornatrium fortwährend zersezt und wieder gebildet; es dient
mithin als Vermittler zwischen dem Schwefelblei und dem schwefelsauren Kupfer.
Die Anwendbarkeit dieses Verfahrens wird man leicht einsehen. Angenommen, man wolle
die Zusammensezung eines silber- oder goldhaltigen Bleiglanzes ausmitteln,
welcher außerdem noch Substanzen enthält, die von Salpetersäure, Salzsäure oder
beiden Säuren miteinander angegriffen werden, so ist klar, daß bei dem gewöhnlichen
analytischen Verfahren die edeln Metalle, so wie die andern nicht kieselhaltigen
Verbindungen angegriffen werden, so daß von dem Molecularzustand, in welchem sie
sich befanden, keine Spur zurükbleibt. Behandelt man hingegen das Erz mit Wasser,
Chlornatrium und schwefelsaurem Kupfer, so ist dieß nicht der Fall. Auf leztere Art
behandelte ich 5 Gramme sehr silbeneichen Bleiglanzes von dem Erzgang Saint-Santin
(Cantal), bei Aurillac, welcher auch Gold und allerlei Edelsteine enthält, mit 6
Grammen krystallisirten schwefelsauren Kupfers und 50 Grammen Wassers; nach 14
Tagen, nachdem ich das Gemenge täglich fleißig umgeschüttelt hatte, war alles
Schwefelblei zersezt. Ich trennte das schwefelsaure Blei mittelst einer gesättigten
Kochsalzlösung ab und das Schwefelkupfer durch Schlämmen. Der Rükstand bestund aus
kleinen Stükchen der Gangart, Schwefelkiesen, kleinen Titaneisenkrystallen, kleinen
Topasen, Chrysolithen, Gold- und Silberflimmerchen, weil lezteres Metall
nicht merklich angegriffen wurde. Man ersieht hieraus, daß fast nur das Schwefelblei
verschwand, und es ist einleuchtend, wie vortheilhaft dieses Verfahren ist, wenn es
sich darum handelt, die physische Constitution eines Bleiglanzes, d.h. den Zustand
zu erfahren, in welchem sich metallische und andere Substanzen befinden, die bei den
gewöhnlichen Analysen von Säuren angegriffen werden.
Folgende Resultate erhielt ich bei zwei Operationen, indem ich Kochsalz zugleich mit
schwefelsaurem Kupfer anwandte.
1) Ich brachte in einen Pokal 300 Gramme gesättigte, Kupfervitriollösung, 5 Gramme
Chlornatrium und 25 Gramme Schliech aus dem Bleiglanz von Saint-Santin; dieß
Gemenge schüttelte ich 16 Tage lang fleißig um, decantirte hierauf und behandelte es
dann mit gesättigter Chlornatriumlösung, um ihm das erzeugte schwefelsaure Blei zu
entziehen. Die erhaltene Lösung, im elektrochemischen Apparat behandelt, lieferte 14
Gramme Blei in Schwammform, welches geschmolzen nur 10 Gramme Blei gab, das 0,011
Gramme Silber enthielt, weil beim Schmelzen Blei verloren gegangen war. Der
Rükstand, welcher das Schwefelkupfer enthielt, wog 18 Gramme, die Filterkohle mit
inbegriffen.
Die 18 Gramme Rükstand gaben beim Probiren ein Silberkorn von 0,077 Grammen Gewicht.
100 Gramme Erz hätten sonach im Rükstand 0,308 Gramme Silber geliefert. Wären nun
100 Gr. dieses Erzes in Behandlung genommen worden, so hätte man erhalten:
Blei in Schwammform
56 Gr.
geschmolzenes Blei
40 –
Silber im BleiSilber im
Ruͤkstand
0,044 Gr.0,308 –
0,352
Die Gegenwart des Kochsalzes in der Auflösung war also Ursache, daß 1/7 des im
Bleiglanz enthaltenen Silbers in Chlorsilber Verwandelt wurde. Es ist leicht zu
begreifen, warum sich nicht alles Silber mit Chlor verband. Das Silber, welches sich im Erz
bloß in Flimmerchen oder sehr kleinen Körnchen befand, wurde nur oberflächlich
angegriffen, so daß die abgesezte Chlorsilberschicht das Innere gegen jede
Veränderung schüzte.
2) 25 Gramme geschlämmter Schliech von Saint-Santin, 25 Gramme Kupfervitriol
und eine gewisse Quantität Wasser wurden, ohne Chlornatrium, in eine Schale gebracht
und die Mischung fleißig umgerührt. Nach 13 Tagen wurde ausgewaschen und der
Rükstand dann mit gesättigter Chlornatrium-Auflösung behandelt, um das
schwefelsaure Blei zu entfernen. Der Rükstand wog nach der Erschöpfung 15,4 Gramme.
Die Auflösung von schwefelsaurem Blei gab 13 Gramme geschmolzenes Blei, welches
0,002 Silber enthielt, d.h. das Blei hatte einen Silbergehalt von 0,0002; der
Rükstand gab bei der Probe 0,065 Gramme Silber. 100 Gramme des Schliechs enthalten
also 40 Gramme geschmolzenes Blei (es geht beim Schmelzen immer etwas Blei
verloren).
Silber im BleiSilber im
Ruͤkstand
0,008 Gr.0,260 –
0,268 Gr.
Der Silbergehalt des Schliechs war also 0,0027. Diese Resultate beweisen daß, ohne
Chlornatrium zur Zersezung des Bleiglanzes anzuwenden, 1/33 des Silbers ausgezogen
wird, welches sich wahrscheinlich als Schwefelsilber in demselben befand.
Aus dem Mitgetheilten sind die Vortheile ersichtlich, welche die Umwandlung des
Bleiglanzes in schwefelsaures Blei behufs seiner Analyse ohne Anwendung von Wärme
oder Säuren gewährt, und zugleich wie stark das schwefelsaure Kupfer auf das
Schwefelblei einwirkt, welche Reaction nicht merklich stattfindet, wenn man statt
des schwefelsauren Kupfers schwefelsaures Eisenoxydul oder-Oxyd anwendet.
Nimmt man statt gepulverten Schwefelbleies Krystalle von gewisser Größe, so wird
allmählich ihre Oberfläche irisirend, ein sicheres Zeichen einer anfangenden
Zersezung; es bildet sich nach und nach schwefelsaures Blei und Schwefelkupfer in
pulverigem Zustand; durch Schütteln des Gefäßes wird der Staub abgelöst.
Die Elektrochemie besizt noch ein anderes Mittel, die beiden Bestandtheile des
Schwefelbleies zu oxydiren, welches darin besteht, das Schwefelblei in die Röhre des
Sauerstoffapparats zu bringen, der zusammengesezt ist: erstens aus dieser unten mit
feuchtem Thon verschlossenen und mit Aezkalilösung angefüllten Röhre, und dann einem
Pokal, welcher Salpetersäure enthält, in die ein Platinblech taucht, welches man mittelst eines
Platindrahts mit dem Schwefelblei in Verbindung sezt; lezteres als ein Leiter der
Elektricität, wird zur positiven Elektrode und folglich der Mittelpunkt der
Sauerstoffentwiklung; es bildet sich schwefelsaures Blei, Bleisuperoxyd und in Folge
davon findet die Zersezung des genannten Salzes statt, wodurch schwefelsaures Kali
erzeugt wird, welches in der Kalilösung zu finden ist, während sich gelbes
Bleisuperoxydhydrat absezt.
Hinsichtlich der Bildung des Bleisuperoxydhydrats muß ich bemerken, daß die Versuche,
welche in der Absicht angestellt wurden, zu beweisen, daß dasselbe ein Gemenge ist
von Bleisuperoxyd und Bleioxyd, in den Folgerungen, welche ich aus den meinigen zog,
als ich die Analyse dieser Substanz bekannt machte, nichts ändern können. Es ist
nicht anzunehmen, daß ein Körper, welchen man in Farbe und Zusammensezung immer
gleich erhält, ein Gemenge der beiden Bleioxyde in verschiedenen Verhältnissen ist;
der Umstand, daß diese Verbindung beim Austroknen auf der Oberfläche ihr
Hydratwasser verliert, hat wahrscheinlich den Irrthum veranlaßt. Hinsichtlich der
Umwandlung des Bleiglanzes in schwefelsaures Blei muß ich zum Schluß bemerken daß,
wenn in einem Bleiglanzlager kleine in Zersezung begriffene Kupferkiese vorkommen,
wie dieß oft der Fall ist, die entstehende schwefelsaure Kupferlösung auf den
Bleiglanz wirken muß wie bei obigen Versuchen; es erzeugt sich dann, je nachdem die
Zersezung mehr oder weniger rasch stattfindet, schwefelsaures Blei und
Schwefelkupfer in Staubform, in Concretionen oder in Krystallen. Ist der Bleiglanz
vollends in Berührung mit einer die Elektricität leitenden Substanz, welche von
Kupfervitriollösung nicht angegriffen wird, wie der Schwefelkies, so wird der
Bleiglanz noch stärker angegriffen, als wenn er nicht das elektropositive Element
eines galvanischen Paars gewesen wäre. Es sind dieß strenge Folgerungen aus wohl
erwiesenen Thatsachen, und keine Deductionen theoretischer Ansichten über das
Dazwischentreten der Elektricität bei geologischen Erscheinungen.