Titel: | Geschichtliche Notizen über die Benuzung des luftverdünnten Raums zu gewerblichen Zweken; von Prof. Dr. Schubarth. |
Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. LXVII., S. 251 |
Download: | XML |
LXVII.
Geschichtliche Notizen uͤber die Benuzung
des luftverduͤnnten Raums zu gewerblichen Zweken; von Prof. Dr. Schubarth.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1844, 6te Lieferung.
Schubarth, über die Benuzung des luftverdünnten Raums.
Die früheste Benuzung des luftverdünnten Raums zu einem industriellen und
ökonomischen Zweke ist unstreitig die zum Heben des Wassers. Heber und Pumpen
fördern bekanntlich durch den Druk der Luft das Wasser. Der Heber beginnt sein
Spiel, wenn die von dem Luftdruk zu tragenden Wassersäulen in beiden Schenkeln,
innerhalb einer gewissen Gränze, ungleich lang sind; in den Stiefeln der Pumpen wird
durch die Bewegung des Kolbens ein luftverdünnter Raum gebildet, in welchen das
Wasser, vermöge des Luftdruks, emporsteigt. Daß der Luftdruk es sey, welcher das
Wasser in den Pumpen hebt, was Galilei vermuthete, sein
Schüler Torricelli
durch seinen berühmten
Versuch mit dem Barometer darthat, zeigt Guericke durch
einen luftleer gemachten großen Recipienten, den er mit einer langen Röhre, welche
unten in Wasser tauchte, in Verbindung sezte. Vermöge dieses Mittels stieg das
Wasser sogleich bis auf eine bestimmte Höhe empor.O. v. Guericke
Experimenta nova etc. Amstelod. 1672 p. 98. In gleicher Weise benuzte Savery den
luftverdünnten Raum, um Wasser ohne Anwendung gewöhnlicher Pumpen zu fördern; er
erzeugte denselben durch Dämpfe. Seine sogenannte Dampfmaschine, richtiger
Wasserhebungsmaschine, wurde 1698 in England patentirt. Sie besteht aus einem Rohr,
welches unterhalb in Wasser eintaucht, oberhalb mit einem Recipienten in Verbindung
steht, welcher mittelst Dämpfen luftleer gemacht werden kann. Werden sodann die
denselben erfüllenden Dämpfe condensirt, so treibt der Luftdruk das Wasser durch die
Röhre in den luft- und dampfleeren Recipienten hinauf.
GuerickeA. a. O. S. 109 U. f. hatte durch Versuche bewiesen, daß der Luftdruk bedeutende Kraftäußerungen
hervorbringt; er hatte unter andern große Lasten auf folgende Weise gehoben. Er
bediente sich eines Cylinders und gut schließenden Kolbens, dessen Kolbenstange
mittelst eines Seils mit der zu hebenden Last verbunden war. Unter dem Kolben wurde,
durch Verbindung des Cylinders mit einem luftleer gepumpten Recipienten, ein
luftverdünnter Raum erzeugt, und sogleich drükte die Luft den Kolben nieder und hob
die Last. Dasselbe Princip benuzte Newcomen bei der
Construction seiner Dampfmaschine, welche unter dem Namen der atmosphärischen
bekannt ist. Er leitete in einen Dampfcylinder Dämpfe unter den Kolben, die
denselben hoben; alsbald wurden die Dämpfe condensirt, dadurch ein leerer Raum
erzeugt, worauf der Luftdruk den Kolben niederdrükt, und die angehängte Last hebt.
Watt wendete dasselbe Princip 1808 bei der
Construction einer Durchstoßmaschine und eines Prägwerks an, welches er für die neue
Londoner Münzstätte erbaute. Später lieferten Boulton und
Watt dergleichen Maschinen für die russische und
dänische Regierung, durch welchen Umstand es möglich wurde, Zeichnungen zu nehmen,
da die Erbauer die Construction früher geheim hielten, und die Maschine, welche die
Prägwerke bewegte, durch einen Verschlag den Bliken der die Anstalt Besuchenden
sorgfältig entzogen. Das Petersburger Werk wurde von Nevedomski beschrieben „Description de la
nouvelle machine à battre la monnaie, St. Petersbourg
1811“; über das Londoner findet sich ein Aufsaz in dem Supplement to the Encyclopaedia britannica. Eine
Maschine gleicher Art
wurde in neuerer Zeit auch in Utrecht, behufs Prägung kleiner Scheidemünzen für die
niederländischen Colonien, aufgestellt und von dem Münzdirector Hrn. Suremond in den Verhandlungen des
Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, Jahrgang 1831 beschrieben und
abgebildet, auf welche Mittheilung ich hier Bezug nehme.
Als eine Curiosität erwähne ich einen Versuch von Guericke, eine Windbüchse zu construiren, in welcher die Kugel nicht durch
verdichtete, sondern durch die unverdichtete atmosphärische Luft geschleudert wird.
Die Einrichtung ist folgende.A. a. O. S. 112. An ein mehrere Ellen langes Rohr, welches an einem Ende einen breiten Rand
hat, wird ein Röhrchen angelöthet, und mit dem Rohr an dem vorgenannten Ende in
Verbindung gesezt. Das enge, mit dem weitern Rohr communicirende, Röhrchen ist halb
so lang als ersteres und endigt sich in einen hohlen Kegel, in welchen ein luftleer
gepumpter Recipient einmündet. Wird nun das Rohr an dem mit dem breiten Rand
versehenen Ende durch eine Scheibe starken Leders geschlossen, am andern Ende eine
Bleikugel eingelegt, und der Hahn des Recipienten schnell geöffnet, so wird die Luft
in dem Rohr vor der Kugel Verdünnt, weßhalb der Luftdruk die leztere durch das Rohr
schleudert. Daß eine Windbüchse dieser Construction keinen praktischen Werth habe,
bedarf keines Beweises, denn die Kugel kann höchstens durch den Druk einer Atmosphäre bewegt werden, während bei den
gewöhnlichen Windbüchsen die Kugel durch 80 und mehrfach verdichtete Luft
geschleudert wird. Ich würde diese Spielerei nicht erwähnt haben, wenn nicht in
neuester Zeit das der Vorrichtung zu Grunde liegende Princip von Vallance als Transportmittel vorgeschlagen worden wäre,
auf welches derselbe 1824 ein englisches Patent nahm. Es ist das Princip der
sogenannten atmosphärischen Eisenbahnen, wo in einem Rohr ein dicht anschließender
Kolben durch den Druk der atmosphärischen Luft in Bewegung gesezt wird, indem vor
demselben ein luftverdünnter Raum erzeugt worden ist.
Daß der Luftdruk Wasser durch die Poren von Holz hindurch in einen luftverdünnten
Raum preßt, hat bereits Guericke beschrieben; man zeigt
seit jener Zeit den sogenannten Queksilberregen bei den Luftpumpenversuchen. Diese
Wirkungsart des Luftdruks wird in neuerer Zeit zu verschiedenen Zweken benuzt, z.B.
zum Filtriren, zum Extrahiren von vegetabilischen Substanzen, nach Art der Réal'schen Presse, ohne daß es hiezu einer
hydrostatischen Druksäule bedarf, welche bei lezterer erforderlich ist; zum
Anfeuchten und Leimen von Papier. Bei dem Gebrauch der Schnellpressen reicht die alte Weise das
Drukpapier anzufeuchten nicht mehr hin, da es zu viele Zeit erfordert. Es mußte ein
Mittel ersonnen werden, mit Ersparniß an Zeit und Raum das Anfeuchten zu
vollbringen. Man nahm daher zum Luftdruk Zuflucht, und wendete Apparate folgender
Construction an. Das Papier wird in einem eisernen Kasten von vorn eingelegt, und
zwischen 5 Buch dünne fein gelochte Metallplatten gelagert. Ist der Kasten gefüllt,
so wird die Seitenöffnung mit einer Platte luftdicht verschlossen, und vermittelst
einer Luftpumpe, welche durch den Dekel mit dem Kasten communicirt, ein
luftverdünnter Raum in lezterm erzeugt. So wie nun die Luft hinlänglich verdünnt
worden, wird ein Rohr im Boden des Kastens, welches in ein Faß voll Wasser
eintaucht, geöffnet; sogleich stürzt das Wasser in den Kasten, erfüllt den Raum, und
dringt in die Poren des Papiers ein. Um den Effect noch zu vermehren, kann man dann
die Pumpe auch noch als Drukpumpe benuzen, und dadurch Wasser in den Kasten
hineinpressen.
Auf eine gleiche Art wird Papier auch geleimt, und zwar nicht bloß oberflächlich,
sondern durch und durch; werden Garne und Gewebe, welche behufs des Bleichens mit
Lauge gekocht worden, ohne sie aus dem Gefäß zu nehmen, nach dem Ablassen der Lauge
mit Wasser gespült; ferner die Bleichflüssigkeit, bei der Fabrication der
sogenannten Bandanos, der nachgeahmten ostindischen Taschentücher, durch eine Anzahl
Tücher auf einmal hindurch gepreßt.
Die Bandanos haben auf ächt krapproth gefärbtem Grund Figuren in Gelb oder andern
Farben. Diese Figuren werden durch ein Verfahren hervorgebracht, welches mit dem
längst bekannten Golgasdruk auf Wollenwaaren viele Aehnlichkeit hat. Es soll das
Roth der Tücher topisch ausgebeizt werden, um eine andere Farbe an dessen Stelle
aufzusezen. Zu dem Ende werden eine Anzahl Tücher zwischen ausgeschnittenen
Bleiplatten vermittelst einer hydraulischen Presse gepreßt, und durch die Oeffnungen
der Platten die Beize, eine mit etwas Schwefelsäure verschärfte Auflösung von
Chlorkalk vermittelst des Luftdruks hindurch getrieben. So wie dieß geschehen, und
die rothe Farbe durch die Beize zerstört worden, läßt man auf gleiche Weise Wasser
hindurch, um die Beizflüssigkeit vollständig wegzuspülen, damit nicht beim Lüften
der Presse die Flüssigkeit weiter um sich greife und der Schärfe des Musters schade.
Ebenso kann man gleich nach dem Spülen, ohne die Presse zu lüften, die weiß
gewordenen Stellen gelb färben; man treibt eine Lösung von essigsaurem Bleioxyd
hindurch, und darauf eine Lösung von chromsaurem Kali, wodurch in den Poren des
Gewebes gelbes chromsaures Bleioxyd gebildet wird. Solche Pressen heißen discharging presses.
Auf gleiche Weise hat man auch, behufs der Entfernung der Melasse aus dem Zuker, den
Luftdruk angewendet. Ist nämlich Rohzuker stark gefärbt, schmierig (fett), so
unterwirft man denselben vor dem Auflösen und Klären einer besondern Vorbereitung,
dem Schmelzen. Man rührt denselben mit wenig Wasser an, läßt ihn bei gelinder Wärme
zergehen, kühlt und füllt ihn sodann auf Formen, worauf die Melasse zum größern
Theil abläuft. Statt des Schmelzens lehrte Hague vor etwa
17 Jahren den angefeuchteten Zuker über einer fein gelochten Platte ausbreiten, und
unter derselben einen luftverdünnten Raum erzeugen. In gleicher Art kann auch das
Abfließen des Syrups aus den Zukerbroden bei dem Deken befördert werden. Man sezt
die Formen mit ihren Spizen in die mit Kautschuk gedichteten Löcher eines luftdicht
geschlossenen Syrupbehälters, und verbindet leztern mit der Luftpumpe. Die Dichtung
mittelst Federharz soll bewirken, daß die ungleich gestalteten Formen fest an die
Löcher anschließen. Wird nun Deksyrup auf die Brode aufgegeben, so drükt der
Luftdruk die Flüssigkeit durch die Zukerbrode hindurch, und befördert die
Operation.
Auch zur Beschleunigung des Gerbprocesses ist die Luftpumpe empfohlen worden, aber
wahrscheinlich ist deren Anwendung nicht, oder wohl nicht in der Art, wie sie von
Knowlys und Duesbury
empfohlen wurde, zur Ausführung gekommen. Die vorbereiteten Blösen sollten in einer
luftdichten Grube aufgehängt werden, welche mit Lohbrühe gefüllt, dicht
verschlossen, durch eine Luftpumpe, deren Rohr durch den Dekel der Grube geht,
luftleer gepumpt wird. Dadurch soll die Luft aus allen Poren der Häute entweichen,
und Lohbrühe dafür eindringen. Auf gleiche Weise hat man Holz mit Flüssigkeiten zu
durchdringen versucht, die zur Conservation desselben, zur Verhütung von Schwamm,
trokner Fäule dienen sollen.
Wird eine Welle, auf welcher Flügel befestigt sind, in einer genau an leztere
anschließenden Trommel in raschen Umschwung gesezt, so strömt die Luft von der
Mitte, wo die Umschwungsgeschwindigkeit im Minimum, nach der Peripherie der Trommel,
wo dieselbe ein Maximum bildet. Ist nun an einer Stelle des Mantels eine Oeffnung,
so wird die Luft durch dieselbe mit bedeutender Kraft ausgestoßen, während durch
eine in der Mitte der Trommel einmündende Röhre Luft angesogen und der Trommel
zugeführt wird. Eine solche Vorrichtung wurde 1735 von Désaguilliers
Gilbert's Annalen der
Physik Bd. 37, S. 128. unter dem Namen Centrifugal-Ventilator beschrieben, obschon sie bereits längst bekannt und
namentlich zur Beförderung des Wetterwechsels in Gruben angewendet worden war
(Wetterfächer, Wetterrad, Windtrommel)George Agricola beschreibt in seinem bekannten
Werk „de re metallica“ im
sechsten Buch den Wetterfächer ganz deutlich. Die erste Ausgabe des Buchs
erschien 1551.. v. Montgolfier wendete 1794 diese Maschine zur
Eindikung von Pflanzensäften an. Das Verdampfen einer Flüssigkeit wird nämlich durch
Vergrößerung der Oberfläche derselben, so wie durch eine stete Bewegung der Luft
befördert. Deßhalb ließ derselbe die zu verdunstende Flüssigkeit aus einem Gefäß mit
fein gelochtem Boden in Tropfen zertheilt herabfließen, und sich über darunter
angebrachte Reiser (oder Bandstreifen, Schnüre), verbreiten, während sich ein
Luftstrom in entgegengesezter Richtung, von unten nach oben bewegte. Diesen brachte
er durch einen Ventilator hervor, welchen er auf den Apparat gestellt und so mit
lezterm verbunden hatte, daß er die Luft aus demselben ansaugen mußte: Exhaustor.
Der Ventilator ist seitdem zu mancherlei Zweken nüzlich angewendet worden, z.B. bei
den Baumwollschlage- und Reinigungsmaschinen, bei Feuerungsanlagen um den zum
raschen Verbrennen des Brennmaterials nöthigen Zug zu erzeugen. Der in sehr
schnellen Umschwung gesezte (Ventilator) Exhaustor saugt den Rauch aus der Feuerung,
treibt denselben in den Schornstein, während frische Luft durch den mit glühenden
Kohlen bedekten Rost einströmend den leeren Raum ausfüllt.
Das Schleifen der Nähnadelschäfte war bisher eine für die Gesundheit der damit
beschäftigten Arbeiter höchst nachtheilige Arbeit; die feinen Stahl- und
Steintheilchen, welche in der Luft schwebend eingeathmet wurden, erzeugten
Lungenknoten und die Leute starben an der Schwindsucht. Um diesem Uebelstand
abzuhelfen, wurde mancherlei versucht, bis ein Mittel gelang. Der große Schleifstein
wird in eine Trommel eingeschlossen, welche vorn in dem Mantel eine kleine
Querspalte hat, hinlänglich weit, damit der Schleifer die Schäfte hindurch fielen
und an den Stein anhalten kann. Ueber der Spalte ist eine Glastafel in den Mantel
der Trommel eingesezt, durch welche der Arbeiter nach den Schäften sehen kann. An
der Rükseite der Trommel führt aus derselben ein Rohr nach einem Ventilator, welcher
die mit Staub geschwängerte Luft ansaugt und entweder in den Schornstein oder ins
Freie leitet. Eine solche Vorrichtung wurde von dem Fabrikunternehmer H. Pastor, in Burtscheid bei Aachen, 1831 eingerichtet, und
hat sich vollkommen bewährt, so daß sie in allen Nähnadelfabriken dortiger Gegend
eingeführt wurde. Dem Erbauer votirte der Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes
in Preußen eine goldene Denkmünze, und brachte den Apparat durch seine Verhandlungen
zur öffentlichen Kenntniß.Jahrgang 1831, S. 280.
Wenden wir uns nun zu einer neuen Eigenthümlichkeit des luftverdünnten Raums.
Die Luft verzögert das Verdampfen und Sieden der Flüssigkeiten; ihr Druk bedingt, daß
leztere nicht eher sieden, als bis die im Innern derselben sich erzeugenden Dämpfe
eine etwas größere Spannung erlangt haben als die der umgebenden Luft, um sowohl dem
Druk dieser, als auch der über den Dämpfen lastenden Flüssigkeitssäule das
Gleichgewicht zu halten, oder beide selbst zu übertreffen. Hieraus wird erklärlich,
weßhalb der Siedepunkt einer Flüssigkeit nach dem Barometerstande veränderlich ist,
bei größerer Spannung der Luft etwas höher, bei geringerem Luftdruk etwas niedriger
liegt; weßhalb in Gefäßen, in welchen die Flüssigkeit 1/2 bis 2 Fuß hoch über dem
Boden derselben steht, das Sieden erschwert, dagegen in flachen, wo die
Flüssigkeitsschicht nur einige Zoll beträgt, das Sieden erleichtert ist. Auf hohen
Bergen, wo die Luft bedeutend dünner ist als auf ebener Erde, kocht Wasser bei einer
niedrigern Temperatur als 80° R.; in einem Raum, wo die Spannung der Luft = 2
Linien ist, schon bei 8° R.
Dieses Verhalten gab Veranlassung, das Abdampfen und Kochen in bedekten Pfannen und
Kesseln, in welchen auf irgend eine der genannten Weisen ein luftverdünnter Raum
erzeugt wird, zu versuchen. Man hatte dabei nicht allein zum Zwek, bei einer
niedrigern Temperatur, also ohne Gefahr einer durch höhere Wärme etwa bedingten
Zersezung, das Sieden zu vollbringen, sondern auch den schädlichen Einfluß des
Sauerstoffs der Luft zu beseitigen. Endlich glaubten auch manche dadurch an
Brennmaterial direct zu sparen, daß die Temperatur, bei welcher Flüssigkeiten im
Vacuum sieden, niedriger ist als im lufterfüllten Raume. Dieß ist aber in der
Hauptsache ein Irrthum. Durch Versuche ist nämlich erwiesen, daß die Summe der
sensibeln und latenten Wärme im Dampfe für alle Temperaturen eine constante Größe
ist. Siedet z.B. Wasser bei 100° C., so beträgt die latente Wärme des
gebildeten Dampfes 540; es ist also die Summe der sensibeln Wärme 100, + der
latenten 540 = 640°. Wenn aber Wasser im Vacuum bei 40° C. kocht, so
enthalten die erzeugten Dämpfe 600° latente Wärme, so daß die Summe beider 40
+ 600 = 640 beträgt. In dem Maaße also die sensible Wärme in den Dämpfen zunimmt, nimmt dagegen
die latente ab und umgekehrt.
Hieraus folgt, daß: wenn eine Flüssigkeit bei einem niedrigern Temperaturgrad siedet,
hinsichts der zur Dampfbildung erforderlichen Wärmemenge keine Ersparung an
Brennmaterial eintritt. Einzig und allein wird nur dadurch etwas gespart, daß die
Flüssigkeit an sich einen niedrigern Temperaturgrad annimmt, als in offnen Geräthen.
Dagegen wird an Zeit gewonnen, indem die sich bildenden Dämpfe stets sogleich
entfernt werden, als sie sich bilden, wodurch der dampfleere Raum stetig unterhalten
wird.
Nachdem bereits zu wissenschaftlichen Zweken das Abdampfen im luftleeren Raume
angewendet worden war, und Barry vor etwa 34 Jahren von
diesem Verfahren zur Darstellung narkotischer Extracte Gebrauch gemacht hatte,
begann Howard Zukerklärsel in luftleeren Pfannen, Vacuum pans, zu kochen, und nahm darauf 1812 ein Patent.
Der von ihm erfundene Apparat wurde nach seinem Tod und dem Ablauf des Patents in
England bekannt gemacht. Die Construction desselben ist zu bekannt, als daß nöthig
wäre dieselbe zu beschreiben. Zum Betrieb der Pfannen wird entweder, wie bei der
ältern Einrichtung, nur allein der Zwischenraum beider Böden mit Dampf von etwa 1
1/2 bis 1 3/4 Atmosphäre Spannung erfüllt, oder man legt noch ein dreifaches
Schlangenrohr in die Pfannen selbst, und leitet durch dasselbe Hochdrukdampf von 3
Atmosphären, während der Doppelboden nur Dampf von niederm Druk erhält. – Ist
alles in gutem Stande, so kann die leere Pfanne bis auf 1 Zoll Queksilberstand
ausgepumpt werden. Bei 1 1/2 Zoll engl. Queksilberstand beträgt die Siedetemperatur
des Klärsels 37°, bei 4 Zoll 52 1/2°, bei 5 1/2 Zoll 57° R. Bei
den ältern bloß im Boden geheizten Pfannen beträgt die Siedetemperatur gewöhnlich
54–55°. – Es muß deßhalb der Zuker, so wie er aus der
Vacuum-Pfanne abgelassen worden, bevor er in die Formen gefüllt werden kann,
noch aufgewärmt werden – eine Operation, welche ziemlich viel Dampf und Zeit
kostete. Wird aber die Pfanne mittelst Hochdrukdampf geheizt, so kann man bei einer
geringern Luftverdünnung doch schnell genug kochen, z.B. bei einer Temperatur von
65°, und sodann ohne Vorwärmen, gleich zum Füllen schreiten, wodurch
bedeutend an Zeit gespart wird.
Die Vortheile, welche durch einen solchen Apparat erreicht werden, sind folgende: 1)
Durch Entfernung der Luft und Verminderung der Siedetemperatur wird weniger
krystallisirbarer Zuker in nicht krystallisirbaren, oder Syrup verwandelt, folglich
die Ausbeute an raffinirtem Zuker aus einer gegebenen Menge Rohzuker vermehrt, die
Menge des Syrups vermindert. Wie viele Procente Zuker dadurch mehr gewonnen werden, läßt sich im
Allgemeinen nicht sicher angeben; 2) die Qualität des Zukers verbessert; 3) in einer
gegebenen Zeit mehr Zuker gekocht, als in offnen Pfannen über freiem Feuer,
namentlich wenn Hochdrukdampf angewendet wird. Gegen Kipppfannen leistet der Howard'sche ältere Apparat hinsichtlich des Verdampfens
von Wasser in gleicher Zeit mindestens das Zweifache.
Später 1830 construirte Roth in Paris einen ähnlichen
Apparat, welcher sich von dem Howard'schen hauptsächlich
dadurch unterscheidet, daß die so wesentliche Luftpumpe weggeblieben ist, daß die
Niederschlagung der Dämpfe allein durch kaltes Wasser in einem geräumigen
Condensator so wie die Entfernung der Luft durchs Ausblasen mittelst Dampf
bewerkstelligt wird. Allein die Beseitigung der Luftpumpe erheischt eine bedeutende
Menge Condensationswasser; auch ist der Dampfverbrauch bei demselben unläugbar
größer. Endlich ist noch der Uebelstand vorhanden daß, wenn Luft in den Apparat
während des Suds eintritt, keine andere Hülfe ist, als von Neuem durch Dampf die
Luft auszublasen, wogegen bei dem Howard'schen Apparate
die Luftpumpe schüzt.
Das dem Roth'schen Apparat zu Grunde liegende Princip ist
seitdem auf mancherlei Weise modificirt worden; man hat z.B. als Condensatoren große
in kaltes Wasser gelagerte Schlangen benuzt, oder in Zikzak gebogene Röhren, an
deren Oberfläche Zukerlösung, Rübensaft herabträufelt, und dadurch die Dämpfe im
Innern des Condensators niederschlägt (Degrand). Allein
die Wirkung dieses Apparats war, wie vorauszusehen, nicht genügend, indem theils die
Temperatur des Safts nicht niedrig genug, theils die Wärmecapacität desselben
geringer als die des Wassers, endlich auch die Menge nicht hinlänglich war, eine
vollständige Condensation zu bewirken, ganz davon abgesehen daß, namentlich bei
Runkelrübensaft, der Einfluß der Luft bei der mäßigen Wärme, welche der Saft dabei
aufnimmt, Gährung und dadurch Verlust an krystallisirbarem Zuker bedingt. Man kehrte
daher zur Condensation durch Wasser und sogar zur Luftpumpe zurük, die zu umgehen so
viele Anstrengungen – vergeblich – gemacht worden waren.
Es bleibt nun noch übrig die von Pelletan in Paris vor
etwa 13 Jahren versuchte Methode, durch einen Strom hochgespannten Dampfes eine
Luftverdünnung zu bewirken, zu erläutern.
Wenn eine gespannte Saite, ein am Ende eingespanntes Stahlstäbchen, eine Uhrfeder,
durch eine äußere Kraft aus der Lage der Ruhe in eine andere Form gebracht worden,
so kehren leztere, nachdem die Kraft zu wirken aufgehört hat, in die vorige Lage
nicht anders zurük, als bis sie wie ein Pendel eine gewisse Anzahl Schwingungen vollendet haben. Bei
diesen Vibrationen überschreitet die Saite, wie bei den Oscillationen das Pendel,
wenn sie in einer Richtung angespannt und dann losgelassen wird, die Lage der Ruhe,
indem sie in entgegengesezter Richtung eben so stark sich ausdehnt und von der Lage
der Ruhe sich entfernt. Aehnlich verhält sich auch die elastische Luft, der Dampf.
Wenn z.B. Luft oder Dampf von größerer Spannung, als die atmosphärische Luft, aus
engen Röhren in einen weit größern Raum mit bedeutender Schnelligkeit einströmen,
dehnen sie sich so mächtig aus, daß sie einen so vielmal größern Raum momentan
einzunehmen sich bestreben, als sie vorher, vermöge ihrer größern, die
atmosphärische Luft übertreffenden Dichtigkeit einen kleinern erfüllten. Luft von
dreifacher Dichtigkeit dehnt sich augenbliklich so stark aus, daß sie dreimal dünner
wird, als die atmosphärische Luft. Aus dem Gesagten kann man sich nun eine
Erscheinung erklären, welche ein kleiner Apparat, das sogenannte Clément'sche Plättchen gewährt. Clément-Deformes machte folgende auf dem
Hüttenwerk von Fourchambeau angeblich durch einen Zufall entdekte Erscheinung
bekannt.
Läßt man Wind von einem Gebläse, oder einen Dampfstrom mäßiger Spannung, durch eine
enge in einer Metallplatte angebrachte Oeffnung strömen, und hält ein leichtes
Metallblättchen in geringer Entfernung, parallel mit erster, nahe heran, so wird
dasselbe gegen die Metallplatte angedrükt und selbst gegen das Gesez der Schwere von
unten nach oben dem Luft- oder Dampfstrom entgegenspringen und sich an die
Metallplatte anlegen. Je kräftiger der Luft- oder Dampfstrom, desto größer
ist die Kraft, mit welcher das Metallblättchen gegengedrükt wird, eine desto
schwerere Platte wird gehoben. Die Erklärung dieser Erscheinung ist folgende: die
Luft oder der Dampf, so wie er zur Oeffnung hervortritt, dehnt sich in dem Raum
zwischen beiden Platten plözlich so bedeutend nach allen Richtungen aus, daß er
dadurch einen beträchtlich geringern Grad der Dichtigkeit erlangt, als die umgebende
atmosphärische Luft besizt, weßhalb leztere die bewegliche Platte gegen die
feststehende andrükt. Je größer nun die Spannung und Dichtigkeit der ausströmenden
Luft oder des Dampfs war, eine desto größere Ausdehnung tritt dann zwischen den
Platten ein, desto mächtiger muß daher das Uebergewicht des Luftdruks gegen die
bewegliche Platte werden, wodurch selbst Platten von einigem Gewicht emporgehoben
und gegen die andere Platte gedrükt werden.
Dieß vorausgeschikt, kehren wir zu Pelletan's Princip einen luftverdünnten Raum zu erzeugen zurük.Polytechn. Journal Bd. LX S. 351.
Dampf von 4 Atmosphären Spannung (60 Pfd. Druk auf den Quadratzoll) strömt durch ein
conisch verengtes Rohr in eine Kugel von angemessener Capacität, welche an dem
entgegengesezten Punkt mit einem weiteren Rohr in Verbindung steht, durch welches
der Dampf nach stattgefundener Ausdehnung, nach einem Condensator abzieht. In die
Kugel mündet zur Seite ein Rohr aus dem Condensator des Apparats ein. So wie nun,
nach Eröffnung des Hahns im Dampfrohr, Dampf in die Kugel einströmt, und die
Verbindung derselben mit dem Condensator hergestellt ist, wird die Luft aus lezterm
angesogen, so daß ein mit dem Condensator verbundenes Kapselbarometer 21–22
Zoll hoch steht, welches eine vierfache Verdünnung der Luft im Condensator andeutet.
Der aus der Kugel abströmende, mit Luft gemengte Dampf wird noch zum Heizen des
Bodens der Pfannen benuzt. Pelletan's Apparat gewährt eine Ersparniß an Dampf, im Vergleich mit
Roth's und andern
ähnlichen Apparaten, indem der zur Luftverdünnung benuzte und selbst ein Theil des
aus der kochenden Flüssigkeit sich entwikelnden, und aus dem Condensator mit
angesogenen Dampfes zur Erwärmung der Pfannen benuzt wird, deren Wärme also nicht
verloren geht.
Auch bei der Destillation hat man den luftverdünnten Raum versucht, allein zu einem
stetigen Gebrauch ist es nicht gekommen. Lebon, welcher
in Frankreich die Gaserzeugung gründete, scheint der erste gewesen zu seyn, der vor
etwa 43 Jahren die Destillation im Vacuum versuchte, und darauf ein Patent nahm. Er
verband den Destillirapparat mit einer senkrechten Röhre, in welcher vermittelst
Queksilber ein luftverdünnter Raum erzeugt wurde, und umgab den Condensator, die
Schlange, mit Kälte hervorbringenden Substanzen. Der Engländer Tritton bediente sich einer Luftpumpe, was jedenfalls zwekmäßiger war.
Eine andere Anwendung des Vacuums ist die zur Beförderung des Troknens. Langton legte luftdichte Kammern an, um in denselben
Holz, namentlich für musikalische Instrumente zu troknen. Gay-Lussac empfahl das Vacuum um Fleisch zu troknen. Nach seinen
Versuchen troknete dasselbe ohne alle Entmischung, wurde nicht lederartig, zähe,
ließ sich gut schneiden, und lieferte nach mehreren Monaten gekocht eine angenehm
schmekende Brühe. Ja sogar zur Darstellung des Eises sind in England große
Luftpumpen mit mehreren Tellern erbaut worden. Denn dadurch daß unter den
Recipienten eine stete Verdampfung des Wassers stattfindet, und mittelst
concentrirter Schwefelsäure die gebildeten Dämpfe augenbliklich condensirt werden,
findet eine so bedeutende Abkühlung statt, daß das Wasser gefriert.
So hat denn Guericke's
Erfindung im Laufe der Jahrhunderte manche nüzliche Anwendung gefunden, und die
Luftpumpe gehört nicht mehr allein der Wissenschaft, sondern ist ein unentbehrliches
Werkzeug für die Zweke der Industrie geworden.