Titel: | Vergleichung der englischen, französischen und belgischen Eisenbahnen hinsichtlich ihrer Einnahmen, Ausgaben und ihres Gewinns. |
Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. XXIII., S. 92 |
Download: | XML |
XXIII.
Vergleichung der englischen,
franzoͤsischen und belgischen Eisenbahnen hinsichtlich ihrer Einnahmen, Ausgaben
und ihres Gewinns.
Nach dem Journal des Débats vom 14. Jul. und dem
Civil Engineers'
Journal, August 1845.
Vergleichung der Eisenbahnen hinsichtlich ihrer Einnahmen, Ausgaben
und ihres Gewinns.
Da gegenwärtig so viele Eisenbahnen im Bau begriffen sind, gewährt es Interesse jeden
darauf bezüglichen Kostenpunkt so genau als möglich kennen zu lernen. Hr. Jullien, unter dessen Leitung die Paris-Lyoner
Bahn gebaut wird, hat uns über diesen Gegenstand eine Abhandlung mitgetheilt; die
Berichte über die französischen und andern Eisenbahnen lieferten ihm das Material,
welches er trefflich verarbeitete und zusammenstellte.
Durchschnittliche Kosten der
Eisenbahnen.
Was in Jullien's Abhandlung zu allererst auffällt, ist die
Bemerkung, daß die allgemein als richtig angenommenen durchschnittlichen Kosten der
Hauptlinien in Frankreich zu 300,000 Francs per
Kilometer (19,200 Pfd. St. per engl. Meile) sicherlich zu gering angeschlagen sind. Hr. Jullien beweist dieß aber. Zu einer Zeit, wie der
gegenwärtigen, wo die Speculation sich so hastig auf die Eisenbahnen wirft, ist dieß
ein sehr beachtenswerther Umstand. Auf vielen englischen Linien betrugen die Kosten
700,000–800,000 Francs per Kilometer (44,800 bis
50,020 Pfd. St. per engl. Meile). In Frankreich können
die Kosten im Durchschnitt nicht unter 350,000 bis 400,000 Frcs. per Kilometer (22,400 bis 25,600 Pfd. St. per engl. Meile) angeschlagen werden.
Vergleichung der Fahrpreise in England,
Belgien und Frankreich.
Auf den ersten Blik sollte man glauben, daß der Unterschied zwischen verschiedenen
Eisenbahnen so groß sey, daß man sie vergebens in Verbindung zu bringen und
allgemeine Geseze abzuleiten versuchen würde. Die Fahrpreise, die Anzahl der
Passagiere, ihre Vertheilung unter die Wagenclassen, scheinen einer unendlichen
Veränderung je nach der Anzahl der Züge, den Steigungen, Krümmungen und sonst allem,
was auf die Kosten und den Gewinn von Einfluß ist, zu unterliegen. Hr. Jullien stellte jedoch in seinen allgemeinen Resultaten
einige sehr auffallende Uebereinstimmungen zusammen. Das Fahrgeld für die (engl.) Meile berechnet
sich gegenwärtig durchschnittlich
erste
Classe
zweite
Classe
dritte
Classe
Merkwuͤrdig erscheint in obiger Tabelle, daß das Fahrgeld
eines passagiers der dritten Classe in England gleich ist dem eines
Passagiers der zweiten Classe in Frankreich und dem eines Passagiers
der ersten Classe in Belgien. In obiger Berechnung wurde der Centime
= 1/10 Penny angenommen; sein wirklicher Werth aber ist
gegenwaͤrtig etwas geringer. in England auf
2,88
Pence
1,824
Pence
1,2
Pence.
Sehr auffallend ist der niedere Preis auf den belgischen Eisenbahnen
im Vergleich mit dem auf den englischen. Von Antwerpen nach
Bruͤssel z. B., einer Entfernung von 24 (engl.) Meilen,
betraͤgt die Gebuͤhr auf den Diligencen 3 Frcs. 50
Centn., Char-à-bancs 2
Frcs. 25 Cent., und Waggons 1 Frc. 75 Cent., was gleich ist 2 Shill.
9⅛ P., 1 Shill. 7½ P. und 1 Shill. 4⅜ P.;
waͤhrend dieselbe Streke auf einer der großen englischen
Bahnen 6 Shill., 4 Shill. und 2 Shill. kosten wuͤrde.
Dieselbe Reise kostet ungefaͤhr halb so viel als in England;
die Folge davon ist, daß in Belgien viel mehr Leute mit der
Eisenbahn fahren als in England. Wir mußten staunen uͤber die
in jeder Richtung mitfahrende Menge, vorzuͤglich aber
zwischen Bruͤssel und Antwerpen und Gent und Bruͤgge.
Die Zunahme der Einnahmen bei den verschiedenen Linien war groß,
sobald nur einmal die Vortheile erkannt waren. Die jezt dem Verkehr
uͤberlassenen Linien waren im Oktober 1843 vollendet; seit
dieser Zeit haben ihre Einnahmen außerordentlich zugenommen. Im Jahr
1844 war der Transport schwerer Kaufmannsguͤter nahe zweimal
so groß als im vorhergehenden Jahr und betrug ungefaͤhr
500,000 Tonnen. Die Zunahme des Personenverkehrs war noch
groͤßer, indem er nicht viel weniger als 10,000,000 Frcs.
eingetragen haben soll. Ramsay's
„Belgien und der Rhein.“ in Belgien
auf
1,2
—
0,88
—
1,56
—
in Frankreich auf
1,6
—
1,2
—
0,8
—
So ist auch die Vertheilung der Reisenden in den drei Classen sehr verschieden. Von
100 Passagieren befinden sich in jeder Wagenart ungefähr
in England
18
Pass.
in der ersten
Classe,
46
in der
zweiten,
36
in der dritten,
in Frankreich
15
—
—
—
30
—
—
55
—
—
in Belgien
10
—
—
—
27
—
—
63
—
—
Die Totaleinnahme per Meile ist in England 2,526 Pfd.
St., in Belgien 1,160 Pfd. St. Nichtsdestoweniger ist es merkwürdig, daß der Verkehr
in Belgien offenbar derselbe ist wie in England, der Verkehr aber ist das Kriterium
für den Reingewinn. Die Birmingham-Eisenbahn trägt gegenwärtig 7,208 Pfd. St.
per Meile; das Erträgniß der Orleans-Bahn
wird unter 3,200 Pfd. St. per Meile angegeben. Hr. Bartholony gab in einem vor Kurzem erschienenen Werke den
Betrag zu 2,816 Pfd. St. an; diese Bahn wird aber zahlreiche Erweiterungen erhalten
und dann wahrscheinlich die Hälfte des Erträgnisses der Birminghamer Bahn liefern
mit der halb so großen Fahrgebühr und unter der Voraussezung gleichen Verkehrs.
Noch eine Aehnlichkeit fand Hr. Jullien auf. Die
englischen Bahnen beziehen zwei Drittheile ihrer Einnahmen von den Personen und ein
Drittheil von Frachtgütern, und dasselbe Verhältniß findet auch in Belgien
statt.
Vergleichung der gegenwärtigen
Fortschaffungskosten in den drei Ländern.
Sehr merkwürdig ist, daß auf den Eisenbahnen aller Länder der Gesammtbetrag der
Ausgaben, auf die Fahrt eines Zugs über eine Streke von einem Kilometer berechnet, 3
Frcs. (etwa 3 Sch. 10 P. per Meile) sehr nahe kömmt, und
daß diese Ausgaben wieder in zwei Theile zerfallen, wovon einer der Locomotivkraft
und Abnüzung des Materials, der andere den Betriebskosten durch das Dienstpersonal
und die Aufseher und dem Betrieb der Bahn im Allgemeinen zufällt.
Um die Eisenbahn-Betriebskosten durch eine klare Formel auszudrüken, stellte
Hr. Jullien ein Verhältniß her zwischen den
fortgeschafften Gütern und den Personen, welche die Haupteinnahme ausmachen. Die
Basis dieses Verhältnisses hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. Demgemäß drükte er
den Betrag des ganzen Verkehrs, sowohl den der Personen als der Güter, durch eine
gewisse Anzahl Personen aus. Die Einheit in seiner Berechnung ist ein eine Meile weit geförderter Passagier, und er hat nun
nichts aufzusuchen, als die Kosten dieser Einheit, alle Ausgaben eingeschlossen. Er
fand, daß sie ist
per
Kilometer
per engl.
Meile
auf den belgischen Bahnen
2,7
Centim.
Oder
0,432
Penny
auf der Orleans-Bahn im Jahr 1844
2,9
—
—
0,464
—
auf der Gardbahn im Jahr 1842
2,7
—
—
0,434
—
— — — 1843
2,5
—
—
0,4
—
auf der St. Etienne-Lyoner Bahn im Jahr 1843, wo die
Schwierigkeiten sehr groß waren
3,5
—
—
0,56
—
auf der Straßburg-Baseler Bahn, bei geringem Verkehr
4,5
—
—
0,72
—
auf den englischen Bahnen, genau
4,8
—
—
0,738
—
Der lezte Betrag jedoch schließt auch die Abgabe an die englische Regierung mit ein
und erklärt sich durch die kleinere Anzahl von Personen bei jedem Zug, indem die
englischen Compagnien eine kleine Anzahl Passagiere, die gut zahlen, einer großen
Anzahl wenig zahlender vorziehen; sie machen auch sehr Häufig Fahrten, indem sie mit
Recht überzeugt sind, daß es ihnen darum zu thun seyn müsse, nicht verhältnißmäßig
wenig auszugeben, sondern im Ganzen möglichst viel einzunehmen. Wenn die Passagiere eines Trains im
Durchschnitt in England und in Frankreich der Anzahl nach gleich wären, und auch die
Abgabe an die Regierung gleich wäre, so würden auch die Kosten eines Passagiers per Meile in Frankreich und England gleich seyn.
Kaufmannsgüter.
Hrn. Jullien's Vergleichung zufolge kostet eine Tonne
Kaufmannsgüter durch langsame Trains fortgeschafft in Frankreich und Belgien etwas
über 5 Centimes per Kilometer (0,8 Penny per engl. Meile) und in England 7 Cent. (1,12 Pence per Meile).
Verhältniß der Ausgaben zu dem Gewinn in
den drei Ländern.
Die französische Regierung hat schon oft und die Comités der Deputirtenkammer haben
immer als feste Regel angenommen, daß die Ausgaben auf einer Eisenbahn 45 Proc. der
Einnahme, wie groß auch ihr Betrag sey, ausmacht, wonach also der reine Nuzen 55
Proc. der Einnahme betrüge. Diese Meinung hatte die unglükliche Folge, daß der
Reingewinn armer Eisenbahnen sehr übertrieben wurde. Es fiel Hrn. Jullien nicht schwer, die Unrichtigkeit dieser Ansicht,
so sehr sie auch verbreitet ist, darzuthun. Je frequentirter eine Eisenbahn ist,
oder je mehr, bei gleichbleibendem Verkehr, die Fahrpreise erhöht werden, um so
höher wird sich der Nuzen im Verhältniß zur Gesammteinnahme herausstellen; denn es
gibt eine bedeutende Anzahl beständiger, in jedem Fall zu
bestreitender Ausgaben. Auf den englischen Eisenbahnen, die im Jahr 1842 zusammen
eine Einnahme von 111 Millionen Frcs. (oder 4,625,000 Pfd. St.) und eine Ausgabe von
48 Millionen Frcs. (oder 2,000,000 Pfd. St.) herausstellten, betrugen die Ausgaben
also nur 43 Proc. der Gesammteinnahme; folglich waren 57 Proc. reiner Gewinn, und
derselbe würde 62 Procent betragen haben, wenn in England die Abgabe an die
Regierung so mäßig wäre, wie in Frankreich. Auf den belgischen Bahnen aber betragen
die Ausgaben 60 Proc., statt 43, und auf der Basel-Straßburger Bahn 73
Proc.
In obigen Ausgaben sind die Zinsen des Capitals nicht mit eingerechnet; nur die
wirklichen Betriebskosten sind in Rechnung gezogen; sonst müßte für Frankreich zu
den Ausgaben eine Summe von 17,500 Frcs. oder 20,000 Frcs. per Kilometer (1120 bis 1280 Pfd. St. per
Meile) hinzugerechnet werden, welche 5 Proc. Zinsen der Baukosten einer Eisenbahn
mit doppelten Schienenwegen repräsentirt. Da aber in Frankreich eine viel größere
Gesammteinnahme als auf
den belgischen Eisenbahnen kaum erwartet werden kann, welche leztere ungefähr 20,000
Frcs per Kilometer beträgt, so absorbirt dieser Posten
allein die Gesammteinnahme.
Reservefond zur Erneuerung der
Eisenbahnen.
Bisher hat man es gänzlich unterlassen, aus einem Theil des jährlichen Reinertrags
der Bahnen einen Reservefond zu bilden, um das zu einer künftigen Erneuerung der
Schienen erforderliche Capital zusammenzubringen. Wie lange thun die Schienen gute
Dienste? Vielleicht 20 Jahre, und die Kreuzungen und Ausweichungen 10 oder 12 Jahre.
Eine doppelte Linie kostet ungefähr 80,060 Frcs. per
Kilometer (5120 Pfd. St. per englische Meile). Um dieses
Capital herzustellen, schlägt Hr. Jullien vor, jährlich
4000 Frcs. per Kilometer der Bahn (256 Pfd. St. per Meile) zurükzulegen. Hr. Jullien hat hierin Recht, und die Commissäre machten einen großen Fehler,
indem sie diesen Punkt bei ihren Berechnungen übersahen. Die Capitalisten, wenn sie
vernünftig sind und nicht verwegene Speculationen, sondern sichere Capitalsanlagen
zu machen suchen, werden denselben Fehler nicht begehen.Man vergleiche uͤber diesen Gegenstand die Bemerkungen Ellet's im polytechn. Journal. Bd. XCIV S.
102.A. d. R.