Titel: Ueber die offene Gährung des Weinmostes nach Angabe des Hrn. Professors Dr. Liebig. Ein Beitrag zur Weincultur von M. Oppmann, königl. Kellermeister in Würzburg.
Autor: M. Oppmann
Fundstelle: Band 98, Jahrgang 1845, Nr. LVIII., S. 199
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LVIII. Ueber die offene Gaͤhrung des Weinmostes nach Angabe des Hrn. Professors Dr. Liebig. Ein Beitrag zur Weincultur von M. Oppmann, koͤnigl. Kellermeister in Wuͤrzburg. Oppmann, über die offene Gährung des Weinmostes. Die chemischen Briefe des Hrn. Prof. Dr. Liebig haben seit ihrem Erscheinen vielfaches Interesse erregt, insbesondere sind sie auch für jeden Weinproducenten, der gemäß der Anforderungen unserer Tage nach Besserem strebt, von hoher Wichtigkeit. Unter anderem werden auch im vierundzwanzigsten Briefe (daraus im polytechnischen Journal Bd. XCII S. 462) die Essigbildung, Lagern und Reife des Weins und rationelle Gährmethoden abgehandelt; zur Gewinnung eines guten Weins wird dort ein gleiches Verfahren wie bei der Erzeugung eines guten Biers anempfohlen. Die betreffenden Stellen folgen hier wörtlich: Es ist demnach einleuchtend daß, wenn die Bierwürze wie dieß in Bayern geschieht, in weiten offenen Gefäßen, welche dem Sauerstoff unbeschränkten Zutritt gestatten, der Gährung überlassen wird, und zwar in einem Raum, dessen Temperatur 8–10° C. nicht übersteigt, eine Abscheidung der Säuerungserreger gleichzeitig im Innern und an der Oberfläche der Flüssigkeit stattfindet. Das Klarwerden des Biers ist das Zeichen, woran man erkennt, daß keine weitere Abscheidung mehr erfolgt, daß diese Materie und damit die Ursachen der Säuerung entfernt sind. Eine den Principien gemäß ganz vollkommene Entfernung derselben hängt von der Erfahrung und Geschiklichkeit des Brauers ab; sie wird wie man sich leicht denken kann, nur in einzelnen Fällen erreicht, allein immer wird nach diesem Gährverfahren ein in seiner Haltbarkeit und Güte das gewöhnliche weit übertreffendes Bier gewonnen. Der ausgezeichnete Nuzen, den die Anwendung dieser Grundsäze auf eine rationellere Weinbereitung haben muß, liegt auf der Hand, und kann in keiner Weise bestritten werden. Die unvollkommene Erkenntniß oder die Unkenntniß derselben ist offenbar der Grund, daß diese Gährmethode nicht längst schon der Weinbereitung die großen Vortheile verschafft hat, die sich davon erwarten lassen, denn der darnach bereitete Wein wird sich zu dem gewöhnlichen verhalten, wie ein gutes bayerisches Bier zum gewöhnlichen Bier, zu dessen Darstellung die nämliche Quantität Malz und Hopfen gedient hat. Der Wein muß dadurch in der kürzesten Zeit die nämliche Reife und Güte erhalten, die er sonst erst nach jahrelangem Lagern zeigt. Wenn man sich erinnert, daß die Weinbereitung auf Ende Oktober, also gerade in die kühle Jahreszeit fällt, die der Biergährung so günstig ist, daß hiezu keine andere Bedingung als ein sehr kühler Keller und offene weite Gährgefäße gehören; daß die Gefahr der Säuerung beim Weine unter allen Umständen viel geringer ist als beim Bier, so wird auf den besten Erfolg mit Sicherheit gerechnet werden können. Ganz diesen Principien entgegen findet die Gährung des Weins am Rhein an sehr vielen Orten nicht in kühlen Kellern, sondern in offenen viel zu hoch und deßhalb zu warm liegenden Räumen statt und man schließt durch aufgesezte Blechröhren, die mit Wasser gesperrt sind, den Zutritt der Luft während der Gährung völlig ab. In dieser Hinsicht wirken diese Röhren jedenfalls nachtheilig auf die Qualität des Weins; sie sind in jeder anderen als eine vollkommen nuz- und zweklose Erfindung eines müßigen Kopfes zu betrachten, die man eben nachahmt, ohne sich weitere Rechenschaft zu geben.“ Verwundert sehen die Weinproducenten diese Säze an; sind sie richtig und entspricht der Erfolg jener Theorie, so können sie nur mit Wehmuth auf ihr bisheriges Bestreben zurüksehen; alle Mühe, den Wein in passenden Fässern gähren zu lassen, alle Lehren, den Most ja vor dem Zutritt der Luft zu bewahren, und alle bisherigen Erfahrungen über die Auffüllung der Moste sind hiedurch über den Haufen geworfen und zu nichte gemacht; wir kommen aus all' der Praxis die Jahrhunderte begründet haben, und durch die in der neuesten Zeit so Vorzügliches geleistet wurde, und greifen wieder zurük auf die ursprüngliche Weinbauweise, wo man wohl den Saft der Traube in offenen Gefäßen der Gährung überließ, und dann genoß, wie Vater Noah auch gethan haben mag. In Württemberg besteht an manchen Orten die sogenannte Zwangskelter, d. h. die Eigenthümer oft großer Weinberge sind verpflichtet, auf einer und derselben Kelter ihre Beeren zu keltern, um der Herrschaft eine Abgabe hievon nicht entziehen zu können. Die Beeren stehen sehr oft der Luft ausgesezt und durchlaufen so ihre Gährung in großen Kufen; allgemein aber ist die Klage der Württemberger, daß ihre Weine hiedurch Schaden leiden, selbst in Jahren, wo die Weinlese bei sehr kühler Witterung vorgenommen wird. Diese Möste müßten ja durch die offene Gährung gewinnen, und die Klagen derselben wären ganz ungegründet und gegen den eigenen Vortheil gerichtet. Der Most, welcher in einem zur Hälfte gefüllten Faß seine Gährung durchläuft, erleidet, wie die Erfahrung lehrt, Nachtheil; besonders ist dieß der Fall bei jenen Sorten, welche einen rascheren Verlauf der Gährung haben; diese Weine in halb vollen Fässern müßten ja auch gewinnen, weil die Luft auf eine größere Oberfläche des Mostes zutreten und so die frühere Ausscheidung der dem Most schädlichen Klebertheile bewirken könnte. Daß, wie oben angegeben wird, der Gährungsproceß am Rhein an vielen Orten nicht in kühlen Kellern, sondern in viel zu hoch und deßhalb zu warm liegenden Räumen stattfinde, dürfte wohl schwerlich, am wenigsten aber im Rheingau der Fall seyn; nur zwei Keller kenne ich, die daselbst zur ebenen Erde liegen, wovon einer zur Aufnahme rother Weine bestimmt, der andere aber durch sehr dikes Mauerwerk gegen das Eindringen der Wärme geschüzt ist, so daß er wohl dieselbe Temperatur wie ein tief gelegener Keller besizt. Es ist übrigens zu erwarten, daß die Rheinländer, auf welche jene Aeußerung speciell sich bezieht, sich in der Sache ebenfalls äußern werden.Auf meiner Reise ins Rheingau fand ich daß der Herr Hofkammerrath koͤpp in dem nassauischen landwirthschaftlichen Wochenblatt Nr. 27 einige Bemerkungen zu dieser Gaͤhrmethode gemacht hat. Die Keller am Rhein sind in Beziehung auf Temperatur für den Weinbau vorzüglich; man trifft oft die dürftigsten einfachsten Häuschen an, die bei keiner anderen Bequemlichkeit doch ein gewölbtes gutes Kellerchen besizen, um alljährlich den Herbstertrag des Winzers aufnehmen zu können. Auch möchte die Behauptung des Hrn. Prof. Dr. Liebig, daß die Weine daselbst in hochliegenden und deßhalb zu warmen Räumen gähren, nicht gut zu der thatsächlichen Angabe passen, daß die Weinlese in die kühle Jahreszeit fällt, wo es selten in den oberen Räumen überflüssig warm ist, da besonders am Rhein gewöhnlich Ende Oktobers bis Mitte Novembers geherbstet wird, zu welcher Zeit die Temperatur selten höher als 8–10° R. steht, öfters aber darunter bleibt, so daß die Hallen einen niedereren Wärmegrad besizen als die Keller. Dasselbe ist der Fall in Franken, bei Würzburg, wo die lese der besseren Weinberge in der Regel im Monat November vorgenommen wird; die Möste werden bei uns gerade so wie am Rhein sogleich nach der Kelterung in den Keller gebracht, deren sich hierorts die großartigsten befinden. Es ist also in dieser Zeit von einer zu hohen Wärme gewöhnlich nichts zu befürchtenNach gefaͤlliger Mittheilung des Hrn. Prof. Dr. Mayr ist die mittlere Temperatur in Wuͤrzburgvom20bis27.Oktober+8°,20C=+6°,56R.28Okt.3.November+7°,25=+5°,80410.+6°,11=+4°,89 und die Keller können nur durch ihre constante Temperatur vortheilhaft auf die Gährung einwirken. Anders verhält es sich mit geringen Weinen, welche früher gelesen werden; sie sind deßwegen jedenfalls in kühle Keller zu bringen. Als Muster der Weingährung hat Hr. Prof. Liebig die Biergährung angegeben. Die Bierwürze bekömmt, wenn sie vom Schiff in die Gährkufe kommt, den Saz oder Zeug — das Ferment, und zwar wird eine Temperatur von 7–8° R. vorgeschrieben.Siehe bayerische Bierbrauerei von Mayer und Schurl. Die Erzeugung eines guten Biers hängt hauptsächlich von der Frage ab, ob das gegebene Ferment den richtigen Verlauf der Gährung herbeigeführt habe; hierüber lehrte die Erfahrung neuerer Zeit, daß das Bier besser wird, wenn die Gährung langsam vor sich geht.Siehe Schurl S. 112 Es ist ein erprobter Grundsaz, daß je langsamer eine geistige Gaͤhrung gefuͤhrt werden kann, desto vortheilhafter solche sey; und man gibt deßwegen schon bei 6½° R. den Zeug. Ist eine niedere Temperatur nicht zu erzielen, so wird am Ferment abgebrochen, so wie man auch in mehreren Brauereien die Kufen mit Dekeln verwahrt und jeden Luftzug zu vermeiden sucht. Hält man nun die Gährung des Weins gegen die besprochene Biergährung, so fällt dem Praktiker Folgendes auf: Das Ferment des Biers wird wie gesagt, zugesezt, hierdurch tritt die Gährung alsbald ein, und nimmt ihren Verlauf in 6 bis 8 Tagen, wo dann die Hefe durchfällt und das Bier hell wird. Beim Weinmosten wird kein Gährungsmittel zugesezt, selbst bei jenen Sorten nicht, die vermöge ihres hoben Zukergehalts weniger Gährstoff enthalten, weßwegen jene Möste, welche über 1,080Wasser = 1000. specifisches Gewicht haben, sehr langsam gähren. Es ist also hinsichtlich der Zeit des Gährungsprocesses zwischen beiden Stoffen, selbst bei gleicher Temperatur, kein Vergleich zulässig. Nebstdem ist es noch eine Frage, ob die Weinhefe gleiche gährungserregende Eigenschaft mit der Bierhefe habe; Beobachtungen haben mich gelehrt, daß erstere in dem Maaße ihre gährungserregende Eigenschaft verliert, als der Wein an Alkohol zunimmt, und was Döbereiner über die Abtödtung der Heft durch Weingeist sagt, ist ganz in der Erfahrung begründet.Siehe dessen aͤltere und neuere Erfahrungen uͤber die Fabrication und Verbesserung der Weine. Die Hefe von frischvergohrenen feurigen Weinen ist nicht im Stande eine merkliche Gährung hervorzubringen, und wenn angerathen wird, daß man die Unart eines jungen Weins dadurch verbessern könne, daß man Hefe zusezt, um eine neue Gährung zu verursachen, so könnte diese nur dann einigermaßen erreicht werden, wenn Hefe von geringen gehaltlosen Weinen angewendet würde, die aber durch die darin enthaltenen Säuren nur Schaden bringen kann. Aus der angegebenen Ursache mögen wohl sehr gehaltreiche Weine selten aufstehen oder trübe werden, sich sehr leicht klären lassen und bis auf den lezten Tropfen hell vom Faß ablaufen. Die Heft eines gehaltreichen guten Weins hat auch beim Ablassen der Möste — wenn die Thür der Fässer geöffnet wird, eine eigene Färbung: sie hat eine schwärzlich braune Deke und ist im Innern braun, welche Erscheinung für den Weinbauer ein Merkmal der guten Qualität ist; — geringe Weine haben hingegen Hefe von hochgelber Farbe, welche leichter Gährung erregt und oft den Gefäßen Gefahr droht. Ob sich überhaupt Weinhefe zum Säuren des Brods eignet, ist mir nicht bekannt, jedoch möchte sie nicht gleiche Wirkung wie die Bierhefe haben. Die Gährung des Mostes in offenen Gefäßen wirkt nach den Erfahrungen des Technikers nachtheilig ein, und zwar begünstigt sie 1) die Verflüchtigung des in der Gährung erzeugten Alkohols und des Bouquets; 2) der zu reservirende Zukergehalt des Mostes wird zu stark zersezt. Ueber die Temperatur, die der Verflüchtigung des Alkohols und der Essigbildung vorbeugen soll, habe ich bereits bemerkt, daß dieselbe bei der Lese selten die als Norm angegebenen 8–10° R. übersteigt. Ich habe oben gesagt, daß die Gährung der schwereren Möste sehr langsam fortschreitet; hiedurch wird sich, wenn dieselbe in offenen Gefäßen stattfindet, eine Eigenthümlichkeit des Weins, die das Bier nicht hat, nämlich das Bouquet oder der Geruch verlieren. Ob sich dasselbe mit dem Alkohol, und in welcher Zeit es sich bildet, und ob das flüchtige Aroma, welches schon in den Trauben zu liegen scheint, nicht früher vorhanden, als sich Oenanthsäure bildet, diese Fragen gehören der Wissenschaft an, und der Techniker bemerkt nur, daß man würzige Rieslinger Weine aus guten Jahrgängen nur einmal auf die Zunge zu nehmen braucht, um sogleich zu erkennen, daß das Bouquet auch in der ersten Gährungsperiode vorhanden ist, und die Erfahrung lehrt, daß es seiner flüchtigen Natur nach sehr leicht verloren geht. Um nun diese Verflüchtigung bei guten Mösten zu verhindern, und zu bewirken daß sich der Zukerstoff aromatischer Weine nicht zu schnell zersezt, bringt man die ebenfalls von Hrn. Dr. Liebig erwähnten Gährröhren auf die Fässer, oder verwahrt den Wein auf andere Weise vor dem Zutritt der Luft. Zu diesem Zwek werden genannte Röhren auch bei der zweiten Gährung der Möste im Frühjahr angewendet und es ist hier eine Nothwendigkeit den Zutritt der Luft zu verhüten. Wollte man in dieser Zeit den Wein nur mit offenem Spunde gähren lassen, so würde derselbe gewiß nur verlieren können, denn Niemand wird wohl glauben, daß ein halbjähriger Wein noch keinen Alkohol und keinen Geruch habe, abgesehen davon, daß sich der Zukerstoff durch eine zu rasche Gährung zu sehr zersezen würde. Die Rheinweine von den Jahrgängen 1822, 1831, 1834, 1839, welche man in der Versteigerung im herzogl. Cabinet zu Eberbach im Rheingau um die enormen Preise, und zwar erstere Sorte den Zulaß = 8 Eimer zu 6000 fl. verkaufte, so wie die feinen Johannisberger 1831, dann die fränkischen Leisten- und Steinweine aus guten Jahrgängen und die ausgesuchten Sorten des Haardtgebirgs gährten noch im Sommer nach ihrer Lese, und es ist schwer zu glauben, daß mit diesen Weinen bei ihrem enormen Zukerstoff, den sie noch in den spätern Jahren hatten, und wovon also nur ein kleiner Theil zur Bildung des Alkohols und ihres so ausgezeichneten Bouquets durch die Gährung abgegeben war, in offenen Gefäßen ein gleich glänzendes Resultat zu erreichen gewesen wäre. Jedenfalls haben jahrelange Beobachtungen bestätigt, daß das Absperren der Luft während der weinigten Gährung vortheilhaft ist, wozu die Gährröhren ganz zwekmäßig sind. Die Sache ist also vom Standpunkt der Praktiker noch lange nicht so definitiv abgemacht, wie Hr. Prof. Liebig dafür hält, daß diese Röhren ganz zweklos und die Erfindung eines müßigen Kopfes seyen. Hr. Hofkammerrath Koͤpp sagt in seinen Bemerkungen im nassauischen Wochenblatt: „Daß die aufgesezten, mit Wasser gesperrten Blechroͤhren nachtheilig auf die Qualitaͤt des Weins wirken sollen, daruͤber habe ich langjaͤhrige praktische Gegenbeweise. Dabei hat diese Anwendung noch die große Annehmlichkeit, daß man wegen der Absonderung des Stikgases ohne Lebensgefahr in die mit gaͤhrendem Wein gefuͤllten Kellerraͤume gehen kann. Es verdienen also die Gaͤhrungsroͤhren nicht die Erfindung eines muͤßigen Kopfes genannt zu werden.“ Sollte die anempfohlene Gährung in offenen Gefäßen durch die Einwirkung des Sauerstoffs der Luft aber bewirken, daß der Wein schneller und vollständiger den Zukerstoff zersezt und die Eigenschaft eines alten Weins bekömmt, der auch keine Nachgährung mehr zeigt und die Weinsteinsäure gehörig ausgeschieden hat, dann wird er wohl mehr Alkohol enthalten; aber es entgeht ihm andererseits eine Eigenschaft, die man heutzutage sehr schäzt, und die den Werth des Weins mitbedingt, nämlich das Aroma, oder der würzige Theil, der durch den Geschmak in Verbindung des Geruchs wahrgenommen wird. Zu diesem Factor tragen nun die im Moste enthaltenen fremden Substanzen: Extractivstoff, Gerbestoff, Schleim und Säure bei, die dem Wein das Eigenthümliche (die Gähre) geben, und denselben mehr oder minder für den Gaumen entsprechend machen; der unzersezte Zukerstoff ist aber die Grundlage dieser geschäzten Eigenschaften, ohne welche der Wein an seinem Werth sehr verliert. Sehr schön sagt Hlubeck in seiner Beschreibung des steyermärkischen Weinbaues über die zu viel Alkohol enthaltenden Weine: „In einer Zeit der Nüchternheit und Mäßigkeit, in einer Zeit wo das menschliche Geschlecht den Zustand der Glükseligkeit nicht mehr in dem Zustand der Bewußtlosigkeit, sondern in einer klaren und deutlichen Anschauung der Außenwelt, und in einer heitern reinen Gemüthsstimmung zu suchen beginnt, muß man aufhören die Güte der Getränke nach ihrer Berauschungsfähigkeit, d. i. nach einer Eigenschaft zu beurtheilen, durch welche allein der Zustand der Bewußtlosigkeit früher oder später herbeigeführt wird —“ welche Worte die Weinproducenten sowohl bei Bestokung der Weinberge, als auch bei der Behandlung des Weins recht sehr beherzigen mögen. Die Frage, wie lange sich ein durch die offene Gährung so schnell herangebildeter Wein auf seinem Höhepunkt erhalten läßt, lasse ich unbeantwortet, doch muß ich beifügen, daß es Erfahrungssaz in der Weinbehandlung ist, je schneller ein Wein seinen Culminationspunkt erreicht, desto schneller schreitet er auch wieder zurüf; die Kunst der Menschen langt nicht dahin, das Gesez der Natur zu ändern, nach welchem alles Frühreife auch schneller seinem Untergang zueilt. Dieß sind nun die Beobachtungen, welche ein praktischer Weinbauer diesem neuproponirten Gährverfahren entgegenzusezen vermag, die ich jedoch nur deßwegen angegeben habe, damit man auch die Ursache kennen lerne, warum der Techniker die Sache nicht sogleich begreifen kann.Siehe Bemerkungen zu Liebig's Briefe vom Freihr. von Babo:„Unsere weinbautreibenden Praktiker koͤnnen die Sache nicht begreifen, so klar es auch ist, daß was beim Bier von so vorzuͤglichem und anerkanntem Erfolg ist, auch bei dem Wein zwekmaͤßig seyn muß.“ Aber alle diese Erfahrungen und Gründe mögen noch nicht hinreichend seyn, ein Urtheil über eine so wichtige Sache zu begründen, denn niemals wäre so Außerordentliches in den Künsten und Gewerben geleistet worden, wenn die Wissenschaft nicht täglich neue Wege eröffnete, durch deren Betretung die Technik in der jezigen Zeit einen so hohen Standpunkt erhielt. Wenn wir stets am Alten kleben, nichts Neues versuchen und mit Vorurtheil dem bereits Bestehenden huldigen, so steht es auch um die Fortschritte in der Weinbereitung schlecht; wir können daher nur dringend wünschen, daß die Wissenschaft die Praktiker in ihrem Bestreben fortwährend unterstüzen möge, um stets Besseres zu leisten. Hinsichtlich der in demselben Brief angeführten Einwirkung des Sauerstoffs durch die Poren der Fässer auf den Wein und auf die hiedurch veranlaßte Weinzehrung im Gegensaz zu dem Lagern des Weins auf Flaschen, so wie über den Einfluß der offenen Gährung auf die Bereitung moussirender Weine, behalte ich mir vor, bei späterer Gelegenheit meine durch die Praxis gewonnenen Erfahrungen, die ganz mit der Angabe Liebig's übereinstimmen, zu veröffentlichen. Hier folgt das Resultat meiner nach Hrn. Prof. Liebig's Angabe gemachten Versuche über die Mostgährung in offenen Gefäßen. Die Witterung des Jahrs 1844 war für den Weinstok in Franken von theilweise ungünstigem Einfluß. Im Frühjahr wirkte sie als besonders günstig rasch auf die Entwiklung desselben, so daß am 27. Mai in der Umgebung Würzburgs bereits die ersten blühenden Trauben gefunden wurden, und die allgemeine Blüthenzeit in die Mitte Junius fiel. Die Blüthe selbst ging günstig vorüber, und nimmt man an, daß sie in den Mitteljahren um Johanni — 24. Jun. — stattfindet, so war hier ein Vorsprung von 8 bis 10 Tagen, was Hoffnung auf einen günstigen Herbst in qualitativer und quantitativer Beziehung gab. Anfangs Julius fiel Regenwetter ein, welches mit sehr weniger Unterbrechung bis zum halben August fortwährte, wodurch der Vorsprung, den die Trauben hatten, nicht nur wieder verloren ging, sondern auch das weitere Wachsthum durch die dabei herrschende niedere Temperatur sehr gehemmt wurde. Mitte August trat wieder günstige Witterung ein, welche aber im September durch häufigen Regen unterbrochen war, so daß die Entwikelung der Trauben wieder zurükgehalten wurde, und die Weichperiode erst Mitte dieses Monats eintrat. Da es besonders an Wärme fehlte, so nahm die Traubenreife auch nicht den gewünschten Fortgang, bis im Oktober bessere Witterung eintrat, welche noch einen sehr vortheilhaften Einfluß auf die Trauben übte, weßwegen die allgemeine Lese in Würzburg bis zum 6. November verschoben, und erst am 16. November beendet ward, und durch diese Zögerung wurde noch ein sehr brauchbares Product gewonnen. Zu einem nach der Angabe des Hrn. Dr Liebig anzustellenden Versuche wurden nun Rießlinge gewählt, welche am lezten Tag der Lese, 16. November, geherbstet wurden, und zwar bei trokenem Wetter und einer Temperatur von 7–8° R. Die Beeren wurden gemostet, und alsbald in das Kelterlocal gebracht, welches sich in einem sehr geräumigen Keller mit sehr constanter Temperatur befindet; der Thermometerstand war 8°. R. Da unsere Weinbaugelehrten noch nicht einig sind, ob das Bouquet in der Hülse, unter derselben, oder im Saft seinen Siz habe, so zog ich für dießmal meine Erfahrung den bereits aufgestellten Theorien vor, und ließ die Beeren, nachdem sie einen Tag gestanden, am 17. rappen und keltern. Das Ergebniß von neun fränkischen Butten war 16 Eimer, das specifische Gewicht des Mostes 1,080, welche Consistenz in der Regel einen Wein von mittlerer Güte erwarten läßt.Hr. Dr. Geyer, Professor der Technologie und Staatswirthschaft an hiesiger Universitaͤt, hatte schon seit 1827 die Gefaͤlligkeit, den Zukergehalt der hiesigen aͤrarialischen Moͤste jaͤhrlich zu bestimmen, worauf sich obiges Urtheil gruͤndet. Um nun die Vorzüge der einen Gährungsweise vor jenen der anderen möglichst entschieden zu constatiren, und um einen Anhaltspunkt für ein deßfallsiges Urtheil zu erhalten, habe ich folgendes comparative Verfahren eingehalten: Es wurden nämlich besagte 16 Eimer auf ein Faß gefüllt, das vorher mit Wasser gereinigt worden war, um alle Schwefeltheile zu entfernen. Bei stetem Aufrühren, wodurch sich die Hefe gleichmäßig vertheilte, wurde ein Faß zu 8 Eimern = 512 Maaß gefüllt, und der gewöhnlichen Gährung überlassen; weitere 8 Eimer wurden in einer Kufe der offenen Gährung ausgesezt. Da die Gährkufen der Bierbrauer nicht flach sind, die Vorschrift Liebig's aber flache Kufen erheischt, so wurde hiezu eine benüzt, die 5′ breit und 2′ hoch war. Die Temperatur des Kellers, worin die Gährung vor sich ging, ist sehr constant; er liegt sehr tief, und ist sehr reinluftig und troken, das Thermometer zeigte 8° R., welche Temperatur auch die Beeren angenommen hatten. Die Gährung beider Möste begann gleichzeitig den 21. November; jene in der Kufe bildete eine leichte Schaumdeke, welche den 22. theilweise, den 23. aber gänzlich verschwand; die Entbindung des kohlensauren Gases erfolgte in dem Aufsteigen und Zerplazen einer unzähligen Menge Luftbläschen. Die Temperatur des Mostes erhöhte sich allmählich und erreichte am fünften Tag 12° R., blieb am sechsten so stehen, und sank dann allmählich wieder zurük, so daß der Most am zwölften Tage die Temperatur des Kellers wieder angenommen hatte. Am dritten December war die stürmische Gährung in der Kufe vorüber, der Most war aber noch sehr trübe, hatte ein bläuliches Aussehen, und es fand noch eine merkliche Gasentbindung statt, die sich fortwährend durch das Zerplazen einer Menge Bläschen kund gab. Diese Erscheinung verminderte sich bis zum fünften; nun wurde der Wein auf ein Faß gefüllt, und der Nachgährung überlassen, wobei aber der Spund nur leicht aufgesezt werden konnte, weil immer noch Gasentbindung stattfand, die man durch ein leises Prikeln des Weins wahrnehmen konnte. Beim Abfüllen fand man daß sich die Hefe noch nicht vollständig auf den Boden der Kufe niedergeschlagen hatte; sie war noch sehr mit der unteren Schicht des Mostes vermengt. Die Gährung im Faß währte bis zum 10. December, wo sich aber noch Luftblasen im Sperrwasser zeigten; am 21. waren auch diese verschwunden, das Gährrohr wurde abgenommen, und das Faß mit einem Klappspund der Nachgährung überlassen. Die Auffüllung beider Möste geschah regelmäßig monatlich, und wurde der Abstich den 17. März vorgenommen; beide Sorten waren nach dem Ablasse klar geworden, und erhielten vor der Traubenblüthe, 28. Mai, den zweiten Abstich. Inzwischen hatte die chemischen Untersuchungen der Erdart des Weinbergs, aus welcher die Möste gewonnen, der halbreifen und reifen Trauben, des Mostes von der Kelter, so wie des Weins bei der Nachgährung, Hr. Dr. Scherer, königl. Professor an hiesiger Hochschule, zu unternehmen die Gefälligkeit, und werden diese Mittheilungen — die schon theilweise im verflossenen Jahr im Programm der königl. Kreis-Landwirthschafts- und Gewerbsschule zu Würzburg mittgetheilt wurden, demnächst nach ihrer vollständigen Beendung von demselben veröffentlicht werden. Nachdem nun derselbe Most den angegebenen verschiedenartigen Behandlungsweisen untergezogen worden war, so erschien es als im hohen Grade interessant, das Urtheil Sachverständiger über beide Weine zu vernehmen; ich habe deßhalb anerkannte Autoritäten in verschiedenen Gegenden zu Rathe gezogen, die Proben ihrer Beurtheilung unterstellt, und ihnen der Gleichförmigkeit willen dieselben Fragen aufgeworfen. Ich bin nun in den Stand gesezt das Ergebniß zu veröffentlichen und füge dasselbe hier an: 1) Gutachten des herzogl. nassauischen Hofkammerraths und Oberkellermeisters Koͤpp zu Biebrich. Auf den Vorschlag des Hrn. Dr. Liebig, den Weinmost in offenen Gefaͤßen vergaͤhren zu lassen, hat der koͤnigl. bayerische Hr. Hofkellermeister zu Wuͤrzburg einen Versuch gemacht und dem Unterzeichneten folgende Proben mit beigefuͤgten Bemerkungen und Fragen zur Beurtheilung zugeschikt. Probe. I nach Liebig'schen Principien, in offenen Gefaͤßen vergohren. Probe II nach landesuͤblicher Art im Faß vergohren. Bemerkung. Beide Weine waren vor der Gaͤhrung zusammen in ein Faß gefuͤllt und sind Rießlingsgewaͤchse vom Jahr 1844. Fragen. Antwort. I. I. Ist die Probe Nr. 1 einem alten Wein zu vergleichen? oder findet eine Aehnlichkeit mit solchem statt? Die Probe Nr. 1 ist keinem alten Wein zu vergleichen. Was vielleicht Manche dafuͤr erklären, ist nichts als eine hervorstechende Saͤure. II. II. Wie verhaͤlt sich Probe Nr. 1 zu der auf die gewoͤhnliche Weise im Faß vergohrenen Weinprobe Nr. 2? Welche von beiden Sorten ist die bessere? Die Probe Nr. 2 ist zukerreicher, aromatischer und geistig gehaltvoller als Nr. 1 III. III. Hat der offen gegohrene Wein einen besondern Geschmak oder Geruch, welcher ihn empfiehlt? Der offen gegohrene Wein hat weder Geschmak noch Geruch, der ihn empfehlen koͤnnte. Dieß ist die pflichtmaͤßige und gewissenhafte Beurtheilung der vom Hrn. Hofkellermeister Oppmann aus Wuͤrzburg enthaltenen Weinproben. Biebrich, den 17. Jun. 1845. Der herzogliche nassauische Oberkellermeister und Hofkammerrath Koͤpp. 2) Gutachten des Hrn. Craz, Stadtdirector und Inspector der Domaͤnenguͤter in Ruͤdesheim und Aßmannshausen. Probe 2 ist schon im Geruch und noch mehr im Geschmak so auffallend besser, hat gegen die erste so viel Zukerstoff, daß dieselbe mit lezterer offenbar in keinen Vergleich zu sezen ist. Um die Geringhaltigkeit der Probe Nr. 1 gegen Nr. 2 genau wahrzunehmen, darf man nur erstere gegen leztere probiren. Die Frage 3 ist durch mein Urtheil erledigt. Craz. Vorstehendes Gutachten bestaͤtigt der Unterzeichnete nach seinem ganzen Umfang und bemerkt, daß er niemals einen Wein auf diese Weise vergaͤhren lassen wird. J. A. Sahlin Ruͤdesheim. 3) Gutachten der Vereinsvorstaͤnde und Buͤttnermeister M. Eger und J. Vayin Wuͤrzburg. adFrageI. Dieser Wein hat keine Eigenschaft, die ihn als alten Wein charakterisirt, wohl aber ist er sehr duͤnn und von mattem Geschmak, weßwegen sich derselbe nicht fuͤr das Lager eignet. Vorherrschende Saͤure ist ebenfalls bemerkbar. adFrageII. Diese Probe ist bedeutend besser; Zukerstoff, Aroma und Blume raͤumen diesem Wein unbedingt den Vorrang ein. adFrageIII. Hat in keiner Beziehung empfehlenden Geruch oder Geschmak. Die Unterz.M. Eger und I. Vay,Vereinsvorstaͤnde und Buͤttnermeister in Wuͤrzburg. 4) Hrn. Steinmetz in Forst wurden die Proben ohne alle Angabe unter Nr. 1 und 2 vorgestellt. Derselbe aͤußerte: Probe 2 ist bedeutend besser als Probe Nr. 1, sie hat mehr Zukerstoff und Gehalt; Probe Nr. 1 ist ein harter magerer Wein. Beide Proben sind junge Weine von einem Jahrgang. J. St. Steinmetzin Forst. Dem Urtheil dieser Sachverständigen füge ich auch mein eigenes bei: Der offen gegohrene Wein ist im Gegenhalt zu jenen Weinen, welche vor 4, 5, 6 und mehreren Jahren in demselben Weinberge gebaut wurden und welche durch ihre bereits erlangte Ausbildung das Prädicat „alt“ verdienen, keiner solchen Sorte zu vergleichen, ja selbst zweijährigen Weinen von derselben Qualität steht er an Ausbildung nach und läßt keine Gleichstellung zu. Der Geschmak ist matt und flau, und es fehlt ihm das Belebende eines jungen Weins. Vorherrschende Säure ist ebenfalls bemerkbar. Der auf gewöhnliche Art vergohrene Wein ist zukerreicher, aromatischer und von gutem frischem Geschmak und schönem vollem Bouquet, so daß mit Sicherheit erwartet werden kann, derselbe werde nach einigen Jahren allen Anforderungen eines, nach Verhältniß des Jahrgangs, guten Weins entsprechen. Folgende Bemerkungen habe ich nun noch beizusezen. Der Versuch wurde mit einem Wein gemacht, der in die Classe der Mittelweine gehört. Sehr gute Moste mit viel Aroma und Bouquet, wie sie in guten Jahrgängen wie 1822, 1827, 1834 erzielt worden, habe ich zum Maßstab meiner ausgesprochenen Ansichten genommen. Da aber auch, wie die gemachte Probe beweist, Mittelweine mit weniger aromatischem Stoff durch diese Gährungsart geringer werden, so entnehme ich hieraus, daß die Gährungsweise des Biers für den Wein, wenigstens für den fränkischen, nicht anwendbar ist. Ob ein solches Verfahren den noch leichteren Weinen, z. B. an der Mosel, in der Pfalz etc. besser zusagt, mögen die dortigen Weinproducenten entscheiden; ich für meinen Theil kann nur die alte Methode, die Weine in Fässern vergähren zu lassen, in Schuz nehmen, bis andere Verfahrungsweisen angegeben werden, welche sich auch in der Praxis bewähren. Anhang. Diese meine Erfahrungen und Ansichten über obigen Gegenstand waren bereits in einer Abhandlung der Redaction dieser Zeitschrift übergeben, als ich erfuhr, daß noch mehrere Versuche mit der offenen Gährung in verschiedenen Gegenden vorgenommen worden waren, welche in Freiburg der dießjährigen Versammlung der deutschen Wein- und Obstproducenten mitgetheilt und dort besprochen werden sollten. Durch meine Anwesenheit daselbst bin ich in den Stand gesezt, folgende Resultate über diese Versuche veröffentlichen zu können. Der bemerkten Versammlung waren nachbezeichnete Proben zugekommen: 1) Hr. Fitz in Dürkheim sendete drei Proben und zwar: a) 1844r Dürkheimer offen vergohren, b) denselben Wein im Fasse vergohren, c) ditto vor der Gährung entschleimt. Zu jeder Probe war ½ Fuder Wein verwendet worden. 2) Hr. Dr. Walz in Landau überreichte: a) Eine Probe offen gegohrenen 1844r Gewürz-Traminer, b) denselben Wein im Fasse behandelt, 3) die von mir gemachten und schon besprochenen Versuche in zwei comparativen Proben. 4) Freiherr v. Babo zwei Proben offen gegohrener Weine, ohne Gegenproben. Sämmtliche Sorten wurden ohne alle weitere Bezeichnung bloß numerirt der Commission zur Beurtheilung vorgestellt. Das Gutachten dieser Expertise, welche durch Männer vom Fach aus den verschiedensten Gegenden repräsentirt war, ging nun einstimmig und ohne alle Einwendung dahin, daß die Nummern, welche den offen gegohrenen Wein enthielten, durch alle Versuche hindurch die geringeren seyen. Nach der Probe wurde von dem Hrn. Präsidenten der Weinbau-Section Freiherrn v. Babo angeordnet, die Weine mittelst der Weinwaage in Bezug auf ihren Alkoholgehalt zu prüfen, wobei es sich herausstellte daß, so wie schon im Geschmak sich eine Mattigkeit der offen gegohrenen Weine kund gab, auch der Gehalt an Weingeist geringer war, als bei jenen im Fasse vergohrenen Proben. Ein anwesender Güterbesizer hatte auch eine solche Probe mit rothem Wein gemacht; derselbe sprach sich entschieden gegen die offene Gährungsart aus. Wenn nun auch nach meiner Meinung und nach den gemachten Erfahrungen die offene Gährung nicht zwekmäßig zur Gewinnung eines guten aromatischen Weins ist, so wäre es dennoch möglich, daß dieselbe einen anderen Vortheil gewähren könnte, und zwar für die Bereitung moussirender Weine. Erfahrungen hierüber habe ich noch keine gemacht; ich will jedoch meine Ansicht äußern, die sich durch die Untersuchung der offen gegohrenen Möste aus weicheren Gewächsen, welche mehr Schleimtheile und weniger Bouquet als der Rießling besizen, gebildet hat. Bei der Bereitung dieser Weine handelt es sich darum, daß der hiezu bestimmte Wein sobald als möglich klar wird und seine Hefe vollständig ablegt. Je dünner, je flüssiger ein Wein ist, und je mehr sich seine Schleimtheile ausgeschieden haben, desto mehr eignet sich derselbe zur Bereitung eines Champagners, und man hat die gewöhnlichen Krankheiten dieser Weine, als Zähwerden u. s. w. nicht zu befürchten. Es ist nicht vortheilhaft Weine hiezu zu verwenden, welche noch hervorstechende Süße oder unzersezten Traubenzuker enthalten; denn der Extractivstoff und Schleim läßt sich dann nicht gehörig entfernen, sondern legt sich mit der zunehmenden Mousse an die Wände der Flaschen sehr fest an, wodurch die Arbeit der Klärung außerordentlich erschwert wird. Aus diesem Grunde werden hiezu die Trauben schon frühe gelesen und zwar ehe eine zu große Zukerbildung stattgefunden hat, wodurch der Wein auch mehr Fähigkeit zu guter Mousse erhält. Da der zur Erregung der Gährung zugesezte Zukerstoff in den Flaschen gänzlich zersezt seyn muß, ehe die Bearbeitung vorgenommen werden kann, so erlangen diese Weine sehr viel Kohlensäure, welche einen sehr scharfen beißenden Geschmak auf der Zunge verursacht, weßwegen dieselben je nach dem Geschmak der Weintrinker versüßt werden. Ist nun der Wein zu consistent oder zu wenig flüssig, so wird derselbe durch die nöthigen Zukerzusäze sehr leicht dikflüssig und schwer, und gerade dieses ist das sicherste Unterscheidungszeichen mangelhaft bereiteter deutscher Schaumweine von dem französischen Champagner. Dasselbe ist der Fall, wenn Weine verwendet werden, die zu viel Säure enthalten, und also ein Uebermaaß von Zuker zu ihrer vollständigen Dekung erfordern. Der hohe Grad der Fermentation in Flaschen, wobei so viele Verluste durch Bruch entstehen, ist nöthig, und der Schaden, den die Fabrikanten durch Weine erleiden, die zu wenig moussiren, um die nöthigen Klärungen und Bearbeitungen vornehmen zu können, ist größer, als wenn sich der Bruch sehr hoch steigert, obgleich hiedurch die Bearbeitung schwieriger und mehr Zuker zur Versüßung erforderlich wird. Diese nöthigen Zukerzusäze und das mehrmalige Oeffnen der Flaschen behufs der Klärung bringen die Mousse auf das Normale zurük, nämlich auf jenen Grad der Stärke, die erforderlich ist, den Kork gehörig auszutreiben und einen nur mäßigen Reiz auf der Zunge zu verursachen; hinlängliche Süße und Aroma des Weins bei unbedeutender Consistenz oder Dünnflüssigkeit müssen unbedingt als Charakterzeichen eines guten Weins vorhanden seyn. Diese Eigenschaften sucht man auch dem deutschen Schaumwein zu geben, wobei es von der guten Auswahl der Weinsorte und von der Geschiklichkeit des Fabrikanten abhängt, inwiefern und auf welchem Weg dieses Ziel am besten erreicht wird. Unsere Möste von weißen Traubensorten sind zwar oft durch Entschleimung und gehörigen Bau geeignet, zu moussirenden Weinen verwendet zu werden; allein in jenen Gegenden, wo der Wein erst nach längerem Liegen seine Reife bekömmt, sind sie zu wenig weinicht ausgebildet, ihr Geschmak ist im Frühjahr, wo die Füllung vorgenommen wird, noch zu mostartig und jung, welche Eigenschaft sich in den Flaschen im moussirenden Zustand nicht verliert, ja sich noch erhöht. Die rothen Gewächse lassen sich bekanntlich besser zu dieser Bereitung verwenden; sie beendigen viel früher ihren Gährungsproceß als die weißen, sie erhalten baldigst Bouquet und haben schon im Frühjahr den Geruch und Geschmak des neu ausgebildeten Weins abgelegt. Sind diese Sorten zur rechten Zeit gelesen, wo übermäßige Zukerbildung noch nicht erfolgt, die Säure aber auch nicht mehr vorherrschend ist, so erlangen diese Möste große Dünnflüssigkeit und viel Wohlgeschmak, so daß die besten Weine hieraus erzeugt werden können. In der Champagne geht die weinichte Ausbildung dieser Weine noch rascher vor sich und man kann selbst ohne zu befürchten, daß die weinichte Ausbildung beeinträchtigt wird, hemmend auf den Gährungsproceß einwirken, um den unzersezten Zukerstoff als Gährungsmittel im Frühjahr mit zu benüzen. Zusäze an Zuker werden aber immer gemacht, um der Gährung den richtigen Grad der Heftigkeit zu geben. Nehmen wir nun an, daß der Most im offenen Geschirr durch ungehinderte Einwirkung des Sauerstoffs auf die Klebertheile sich mehr und leichter klärt, und daß sich der Traubenzuker früher und vollständiger zersezt, so können wir Weine durch dieses Verfahren erhalten, welche die erwähnten Eigenschaften haben, die sich aber eben weil der Zukerstoff mehr zersezt ist, nicht auflagern lassen, sondern nur für den angegebenen Zwek tauglich sind. Hier will ich auch der Angabe des Hrn. Prof. Dr. Liebig erwähnen, welche für die Champagnerbereitung Nuzen bringen kann: „In dem Saft zukerarmer Weintrauben bleibt nach vollendeter Gährung nach dem Zerfallen des Zukers in Kohlensäure und Weingeist eine beträchtliche Menge stikstoffhaltiger Bestandtheile mit den nämlichen Eigenschaften zurük, die sie im Saft vor der Gährung besaßen. In dem zukerreichen Saft der Weintrauben aus südlichen Zonen ist das Verhältniß umgekehrt, es bleibt in diesen eine Menge Zuker unzersezt, nachdem sich alle stikstoffhaltigen Substanzen im unauflöslichen Zustand der Hefe völlig abgeschieden haben.“ Wir erhalten hiedurch einen Anhaltspunkt bei der Bereitung und können hienach unser Verfahren einrichten. Es ist bekannt, daß das Bestreben der Fabrikanten dahin geht, bei dem kleinsten Bruch einen vollmoussirenden Wein zu erhalten; hiebei ist eine glükliche Lösung der Fragen entscheidend: ob der Wein nach seiner Gährungsfähigkeit im Keller oder im Freien auf Flaschen gezogen werden soll, ob die gefüllten Flaschen und wie lange sie in einem luftigen Raum mit höherer Temperatur verbleiben sollen, oder ob dieselben sogleich in den Keller gelegt werden müssen u. s. w. Gleiche Wichtigkeit für das Gedeihen dieses Weins hat auch die Frage, wie viel Zukerstoff dem Moste gegeben werden soll; und hiebei werden oft Mißgriffe gemacht. Die größeren Verluste ergeben sich in vielen Fällen bei ganz geringen Jahrgängen, so wie auch in der Champagne selbst die mageren Weine die vollmoussirendsten werden. Sezt man nun den magern dünnen Weinen, eben weil sie mehr Klebertheile enthalten, weniger Zukerstoff zur Gährung zu, so lassen sich die ungeheuren Verluste vermeiden, die man seither durch die irrige Meinung, als müsse ein geringer herber Wein mehr Versüßung zur Tirage haben, erlitten hat. Ueber die weitere Angabe des Hrn. Professor Liebig, daß durch die offene Gährung „der Wein in der kürzesten Zeit die nämliche Reife und Güte erhalte, die er sonst erst nach jahrelangem Lagern zeigt,“ habe ich mir vorgenommen, gelegentlich meine gemachten Beobachtungen zu veröffentlichen, die ich als Nichtchemiker ebenfalls nur vom Standpunkt der Praxis machen kann. Mögen die Erfahrungen aus dem Leben auch eine wissenschaftliche Grundlage erhalten, dann wird eine reellere Verbesserung des Weinbaues in Aussicht stehen, da nur die Wissenschaft Hand in Hand mit der Praxis Vorzügliches zu leisten vermag.