Titel: Ueber die Wirksamkeit der Davy'schen Sicherheitslampe in Gemischen von Luft mit brennbaren Dämpfen, eine Methode solche Lampen zu probiren, und über die Anwendung des galvanischen Lichts in detonirenden Atmosphären. (Schreiben des Hrn. Boussingault an Hrn. Arago.)
Fundstelle: Band 98, Jahrgang 1845, Nr. LXV., S. 230
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LXV. Ueber die Wirksamkeit der Davy'schen Sicherheitslampe in Gemischen von Luft mit brennbaren Daͤmpfen, eine Methode solche Lampen zu probiren, und uͤber die Anwendung des galvanischen Lichts in detonirenden Atmosphaͤren. (Schreiben des Hrn. Boussingault an Hrn. Arago.) Aus dem Moniteur industriel 1845, No. 961. Boussingault, über die Wirksamkeit der Davy'schen Sicherheitslampe. Am 16. Junius d. I. fand in einem Gang der Grube Madelaine, 108 Meter tief im Schacht, und zwar an einer Stelle, wo niemand Borhandenseyn von Gas hätte erwarten können, eine Explosion von Schwadenluft statt. Es war dieß übrigens das erstemal, daß in diesem Bergwerk ein bedeutender Unglüksfall vorfiel; seit diesem unglüklichen Ereigniß wurde die Einführung der Davy'schen Lampe, deren man sich bisher nur zur Beleuchtung einiger verdächtigen Einschnitte bedient hatte, als eine nothwendige Vorsichtsmaaßregel erachtet. Ehe ich diese Lampen den Grubenarbeitern in die Hände gab, wollte ich sie alle probiren, und die deßhalb angestellten Versuche theile ich hier mit, da sie einigen Nuzen versprechen. Das den Docht dieser Davy'schen Lampen umgebende Metallgewebe hatte im Quadratcentimeter 144 Maschen. Alle diese Lampen hielten in verschiedenen Gemischen von Luft und Wasserstoffgas die Proben vortrefflich aus. Diese Versuche waren aber kaum beendigt, als ich ein neues Bedenken bekam. Ich fragte mich, ob Lampen, welche in einem Gemisch von Luft und Wasserstoffgas so gute Dienste thun, wohl auch in Gemischen von Luft mit brennbaren Dämpfen, die sich aus sehr flüchtigen Flüssigkeiten entwikeln, dieselbe Sicherheit gewähren. Dieses Bedenken rührte von der Möglichkeit her, daß Naphthadünste in der Atmosphäre der Bergöhlgruben vorhanden seyn könnten. Meine ersten Versuche stellte ich mit einer Luft an, welche mit einer der flüchtigsten und brennbarsten Flüssigkeiten, mit Schwefeläther in Berührung war. Ich verfuhr dabei folgendermaßen: ich nehme ein cylindrisches Gefäß von Weißblech von 35 Centimeter Tiefe und 11 Centimeter Durchmesser; an der Wand desselben, 2 Centimeter über dem Boden, ist eine sehr kurze Röhre von 1 Centimeter Durchmesser angebracht, welche der Luft Zutritt gestattet. Ich gieße nun von der flüchtigen Flüssigkeit so viel in den Cylinder, daß der Boden desselben 1 Centimeter hoch davon bedekt wird. Ist alles so vorgerichtet, und hat die umgebende Luft 18° R., so theilt, wie ich fand, die Basis der Flamme einer gewöhnlichen Lampe, welche man in den Cylinder hinabläßt, wenn sie auf 25 Centimeter über her Oberfläche der Flüssigkeit gelangt, dem Gemisch von Dampf und Luft das Feuer mit und es erfolgt eine Explosion. Wenn man unter denselben Umständen dieselbe Lampe, mit ihrer Hülle versehen, in den Cylinder bringt, so gelingt es nicht, die Aetherdünste zu entzünden; wenn die Lampe in die entzündliche Zone gelangt, so vernimmt man eine Reihe schwacher Detonationen; kömmt man über diese Zone hinunter, so verlängert sich die Flamme und nimmt beinahe den ganzen innerhalb des Gewebes enthaltenen Raum ein. Die Detonationen werden etwas stärker und die Lampe erhizt sich bedeutend. Noch weiter unten, in der Nähe der Flüssigkeit selbst, verschwindet die Flamme; die Lampe braucht aber nur wieder in die Höhe gezogen zu werden, um das Licht wieder zum Vorschein zu bringen; läßt man sie jedoch eine Zeit lang in jenem untern Theil, wo die Flamme schwach wird, so erlischt sie endlich vollkommen. Es sind dieß so ziemlich die verschiedenen Erscheinungen, welche eine in die explodirbare Atmosphäre eines Grubengangs gebrachte Sicherheitslampe darbietet. Naphtha (Steinöhl) bot ganz dieselben Erscheinungen dar wie der Schwefeläther. Aehnlich verhalten sich Alkohol und Terpenthinöhl; da diese Flüssigkeiten jedoch eine sehr schwache Spannung (Tension) haben, so müssen sie erwärmt werden, wenn die Wirkungen recht deutlich hervortreten sollen. Kurz, ich habe mich durch viele Versuche überzeugt, daß die Flamme der Davy'schen Lampe die Dünste des Schwefeläthers, Steinöhls, Alkohols, Terpenthinöhls nicht entzündet, diese Dünste mögen sich aus ihren respectiven Flüssigkeiten bei gewöhnlicher Temperatur oder bei der Siedhize entwikeln. Allerdings waren diese Resultate vorauszusehen; doch war es zwekmäßig, sich positiv von ihnen zu überzeugen. Der Apparat, dessen ich mich bediente, scheint mir zum Probiren Davy'scher Lampen sehr zwekmäßig zu seyn. Man wird wohl nicht in Abrede stellen wollen, daß Unglüksfälle, welche in Gruben, wo solche Lampen eingeführt sind, sich zuweilen doch ereignen, von Rissen oder andern Verlezungen in den Maschen des Metallgewebes herrühren. Jedermann wird einsehen, wie rathsam es ist, sich von Zeit zu Zeit von der Wirksamkeit der Sicherheitslampen zu überzeugen, und wenn dieß nicht geschieht, so ist der Umstand daran Schuld, daß einem selten die Mittel zu Gebote stehen, sich explodirbare Gasgemische darzustellen. Nun können aber in einem Cylinder, wie ich ihn beschrieben habe, schnell nach einander eine große Anzahl Lampen probirt werden, und zwar ohne alle Umstände, beinahe ohne alle Kosten, durch Anwendung einer Substanz, die allerwärts zu haben ist und sich leicht aufbewahren läßt, nämlich des Schwefeläthers. Eine der gewöhnlichsten Ursachen der Feuersbrünste ist die Unvorsichtigkeit, womit man ein Licht entzündbaren Körpern nähert; sehr oft bricht Feuer in Kellern aus, worin Weingeist, flüchtige Oehle umgeleert werden. Obige Thatsachen beweisen, daß solche Unglüksfälle nicht eintreten würden, wenn man die sehr einfache Vorsicht beobachtete, sich diesen Körpern nicht ohne Davy'sche Lampe zu nähern. Beim Lichte einer solchen könnte man, ich bin es überzeugt, sogar Aether ohne alle Gefahr umfüllen. Folgender Versuch hierüber ist nicht uninteressant. Ich lasse in einem Behälter enthaltenen Aether durch eine Röhre von 2 Millimeter Durchmesser ausfließen; bringt man ein Kerzenlicht auf einige Centimeter dem Faden der Flüssigkeit nahe, so entzündet sie sich augenbliklich; mit der zwischen Metallgewebe eingeschlossenen Flamme findet dieß aber nicht statt, man hört bloß im Innern des Gewebes schwache Detonationen; das Licht verlängert sich, aber der Aether fährt fort auszufließen. Man darf sogar den Strahl auf das Metallgewebe hin richten, und kann auf diese Weise den Aether nicht entzünden; die Hülle der Lampe ist mit Flammen erfüllt, aber die Flamme Pflanzt sich nicht nach Außen fort. Gießt man Aether in großer Menge über eine gut brennende Davy'sche Lampe, so kann man dieselbe oft auslöschen, niemals aber den Aether in Flammen sezen. Die Sicherheit, welche die Davy'sche Lampe in den Gruben gegen Schwadenluft gewährt, ist allerdings sehr groß, doch ist sie keine absolute. Eine zu stark bewegte Luft, ein Wasserstoffgasstrom, welcher eine gewisse Geschwindigkeit besizt und wahrscheinlich noch andere zur Zeit unermittelte Ursachen können die Wirksamkeit der schüzenden Hülle augenbliklich vernichten und Unglüksfälle herbeiführen, die man nur gar zu gerne der Unvorsichtigkeit der Arbeiter oder der Unvollkommenheit der Apparate beizumessen pflegt. Zu unserer Zeit, wo ernstlich an die Beleuchtung der Städte mittelst der Volta'schen Säule gedacht wird, darf man der Hoffnung Raum geben, daß die unterirdischen Arbeiten sich bald eines Lichtes erfreuen werden, welches sich im luftleeren Raum erzeugen und unterhalten läßt. Die Grove'sche oder Bunsen'sche Säule, welche mit 48 Paaren und bei einem Materialverbrauch für 1 Fr. 20 Centimes ein Licht gleich dem von 500 bis 600 Stearinkerzen hervorbringen, scheinen die ökonomische Frage zu lösen; neben der technischen Frage kommt dabei auch die Humanitäts-Frage ins Spiel; es geht nämlich in Europa durch das Schwadenfeuer täglich ein Menschenleben verloren! Da ich keine Bunsen'sche Kette zur Verfügung hatte, bediente ich mich zu meinen Versuchen einer aus Zink-Kupfer-Elementen bestehenden Säule, welche mit seltener Vollkommenheit von dem Director der Industrieschule zu Straßburg, Hrn. Münch, construirt wurde. Ich konnte mich mittelst dieser Säule überzeugen, daß der zwischen zwei, im luftleeren Raum oder unter Wasser befindlichen Kohlenspizen entstehende Strom einen Lichtstrahl erzeugt, welcher ohne alle Besorgniß in eine detonirende Atmosphäre gebracht werden kann. Ist es nun zwekmäßiger, kleine tragbare Apparate zu construiren, die gerade so viel Licht geben, um einen Gang zu erhellen, oder ist es besser, in dem Bau, an gut ventilirten Stellen, intensive Lichter zu erzeugen, von welchen aus die Lichtstrahlen mittelst Reflectoren vertheilt werden? Ich gab meinen Versuchen keine größere Ausdehnung, weil ich mit meiner Säule, die keinen constanten Strom hat, auch kein hinlänglich constantes Licht erhalten konnte; sobald ich im Besize zwekmäßiger Apparate seyn werde, gedenke ich sie fortzusezen.