Titel: | Notiz über den Farbstoff der Cochenille; von A. E. Arppe. |
Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. LXVI., S. 232 |
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LXVI.
Notiz uͤber den Farbstoff der Cochenille;
von A. E.
Arppe.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Jul. 1845,
S. 101.
Arppe, über den Farbstoff der Cochenille.
Ueber verschiedene organische Farbstoffe ist eine Abhandlung von Preisser erschienen (polytechnisches Journal Bd. XCIII S.
103), welche, wenn die angegebenen Thatsachen könnten bestätigt werden, von
großem theoretischem Werth seyn würde. Namentlich den Farbstoff der Cochenille
betreffend ist Hr. Preisser zu so unerwarteten Resultaten
gelangt, daß sie eine Prüfung durch controlirende Versuche unerläßlich machen.
Durch Hrn. Prof. Wöhler aufgefordert, habe ich eine
Untersuchung dieser Substanz unternommen, um überhaupt eine bestimmte Kenntniß
dieses viel angewandten und wenig studirten Körpers zu gewinnen. Im Verlauf
derselben bin ich aber auf Schwierigkeiten gestoßen, welche eine Abbrechung meiner
Versuche zur Folge gehabt haben, und die gewonnenen Resultate können deßhalb dem
Chemiker nur als eine Kritik der Preisser'schen Arbeit
einiges Interesse darbieten.
Hr. Preisser bereitet das Coccusroth oder den Carmin auf
eine sehr einfache Weise. Er zieht die Cochenille mit Aether aus, macht dann eine
Abkochung mit Wasser, und schlägt aus der wässerigen Auflösung den Carmin mit einem
sogenannten Bleioxydhydrat nieder. Den Bleiniederschlag zersezt er mit
Schwefelwasserstoff, und dampft die Flüssigkeit, die farblos seyn soll, zur
Krystallisation ab; die Krystalle, welche auch farblos sind, werden Carmeïn genannt; an der Luft nehmen sie nach und nach
erst eine gelbe, dann eine rothe Farbe an, indem sie sich in Carmin umwandeln.
Das Bleipräparat, welches Hr. Preisser bei seiner
Untersuchung über die Farbstoffe angewandt hat, ist der beste Beleg für die
Oberflächlichkeit derselben. Aus einer Lösung mit salpetersaurem Blei schlägt er mit
Ammoniak dieses Präparat nieder, und nennt es Bleioxydhydrat. Es kann aber keinem
Chemiker unbekannt sey, daß die so erhaltene Verbindung nicht Bleioxydhydrat ist,
sondern ein basisches Salz,, welches 3 Atome Bleioxyd auf 1 Atom Salpetersäure und
auf 2 Atome des Salzes 3 Atome Wasser enthält.
Ich habe dieses Salz bereitet, und Versuche damit nach den von Hrn. Preisser angegebenen Vorschriften angestellt, aber kaum
eine von den Erscheinungen beobachtet, die er beschrieben hat. Der Farbstoff schlägt
sich allerdings mit dem Bleisalz vollständig nieder, und die Flüssigkeit wird
entfärbt. Wird aber der wohl ausgewaschene Niederschlag mit Schwefelwasserstoff
zersezt, so entsteht Schwefelblei, und der Farbstoff vertheilt sich in der
Flüssigkeit, welche roth gefärbt und stark sauer ist. Wird diese Flüssigkeit
abgedampft, so kommen bald Dämpfe von salpetriger Säure zum Vorschein; wird sie dann
erkalten gelassen, so scheidet sich nichts aus der Auflösung aus.
Beim fortgesezten Abdampfen tritt unter heftiger Gasentwikelung die zersezende
Einwirkung der Salpetersäure ein, die Flüssigkeit wird gelblich und ein gelbes
Zersezungsproduct sondert sich ab. Nach einiger Zeit bilden sich in der Flüssigkeit
deutliche Krystalle von rhombischer Form mit zweiseitig zugespizten Endflächen.
Diese Krystalle sind ohne Zweifel identisch mit denen, welche entstehen, wenn Salpetersäure auf
Carmin einwirkt, und von welchen Pelletier und Caventou in ihrer Untersuchung über diesen Farbstoff
behaupten, sie seyen keine Oxalsäure. Die Krystalle die ich erhielt, waren dagegen
Oxalsäure; ihre Auflösung in Wasser gab mit Kalkwasser einen reichlichen
Niederschlag, der von Essigsäure nicht aufgelöst wurde, und beim Erhizen entwikelten
sich die zum Husten reizenden Dämpfe, welche ein charakteristisches Kennzeichen der
Oxalsäure sind.
Es ist aus Pelletier's und Caventou's Untersuchung bekannt, daß der wässerige Cochenilleaufguß eine
thierische Materie enthält, die von salpetersaurem Silber niedergeschlagen wird.
Nachdem ich dieses Reinigungsmittel angewandt und den Niederschlag abgeschieden
hatte, schlug ich den Farbstoff mit essigsaurem Blei nieder und behandelte den
Niederschlag mit Schwefelwasserstoff. Die rothe Flüssigkeit wurde aber stark sauer,
wie man es schon in dem Lehrbuch von Berzelius angegeben
findet, und die Säure rührt von dem Bleisalz nicht her. Zur Trokne eingedampft,
hatte die dunkelrothe Masse den Geruch von gebranntem Zuker.
Um das Verhalten des reinen Bleioxydhydrats zur Carminlösung zu ermitteln, schlug ich
mit Kali das Blei aus dem essigsauren Bleioxyd nieder, und digerirte die Masse in
mäßiger Wärme. Der Niederschlag wurde wohl ausgewaschen und zeigte nach dem Troknen
keine Spur von Essigsäure. Dieses Hydrat verhält sich auf eine ganz eigenthümliche
Weise zu dem Farbstoff der Cochenille. In der Kälte vermag es den Farbstoff nicht
auszufällen, beim Kochen aber schlägt es ihn vollständig mit blauer Farbe nieder.
Wird dieser Niederschlag mit Schwefelwasserstoff zersezt, so ist die Flüssigkeit nur
schwach gefärbt, indem aller Farbstoff auf dem Schwefelblei sich niedergeschlagen
hat. In dieser Verbindung sizt er so hartnäkig, daß er nicht mit Wasser, Alkohol,
Ammoniak oder Kali davon zu trennen ist; nur Schwefelwasserstoffammoniak und die
Säuren zeigen seine Gegenwart an. Dampft man die Auflösung des Farbstoffs in
Schwefelwasserstoffammoniak ab, so kommt die blaue Reaction des Ammoniaks allmählich
zum Vorschein, von einer gleichzeitigen Bildung von Schwefelsäure begleitet.
In der Absicht, die Säure, welche dem Carmin anhängt, an eine Basis zu binden,
versezte ich eine sehr concentrirte, mit Silbersalz gereinigte Cochenilleauflösung
mit Ammoniak und digerirte diese Lösung mit Bleioxydhydrat. Die von dem Niederschlag
abgeschiedene farblose ammoniakalische Flüssigkeit wurde auch wirklich beim
Abdampfen stark sauer; aber beim Behandeln des Niederschlags mit Schwefelwasserstoff reagirt die
schwach gefärbte Flüssigkeit ebenfalls sauer, und der Farbstoff schlug sich mit dem
Schwefelblei nieder.
Pelletier und Caventou geben
an, daß sie den Farbstoff der Cochenille durch Aether und Alkohol rein dargestellt
hätten; aus ihrer ganzen Untersuchung lassen sich aber sehr wichtige Zweifel gegen
die Zuverlässigkeit einer solchen Angabe erheben. Man kann daher mit ziemlicher
Sicherheit behaupten, daß das Kokusroth in seinem reinen Zustand noch unbekannt
ist.