Titel: | Ueber Hrn. Duquesne's Verfahren zur Fabrication des Runkelrübenzukers. |
Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. LXXXIV., S. 294 |
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LXXXIV.
Ueber Hrn. Duquesne's Verfahren zur Fabrication des
Runkelruͤbenzukers.
Aus dem Technologiste, Okt. 1845, S.
16.
Ueber Duquesne's Verfahren zur Fabrication des
Runkelrübenzukers.
Um das neue Verfahren des Hrn. Duquesne bei der
Fabrication des Runkelrübenzukers gehörig beurtheilen zu können, muß man wissen auf
welchem Standpunkt dieser Industriezweig sich befand, als er seine Abänderungen
vornahm.
Nach unserer Ansicht zerfällt die Zukerfabrication in Frankreich in zwei Schulen,
wovon die eine später ausschließlich der Vergangenheit angehören, die andere oder
neueste aber sich der Zukunft bemächtigen wird. Bei der ersten werden die
Runkelrüben wie sie aus dem Boden kommen verarbeitet; man wascht und zerreibt sie,
preßt den Saft aus und verarbeitet denselben; die Zukergewinnung aus dem Saft nimmt
dabei rasch in dem Maaße ab, als man sich mehr von dem Zeitpunkt entfernt, wo die
Runkelrüben geerntet wurden. Diese Abnahme des Ertrags geht endlich so weit, daß die
Ausziehung des Zukers keinen Gewinn mehr abwerfen kann. Nach dem neuesten Verfahren
werden die Runkelrüben sogleich nach der Ernte ausgetroknet und dadurch gegen jede
weitere Veränderung (Zersezung) geschüzt; man kann sie dann zu allen Jahreszeiten
verarbeiten, weil sie immer dieselbe Menge Zuker liefern müssen. Hr. Schützenbach kam zuerst auf den Gedanken dieses
Austroknen vorzunehmen, welches er in zehn Stunden bewerkstelligte. Nach ihm können
zwei Männer und sechs Weiber, welche mit einem Schneidewerkzeug versehen sind, in
einer Woche 80–100,000 Kilogr. Runkelrüben austroknen. Dieß ist freilich nur
unter dem Himmel des südlichen Frankreichs möglich, aber der Vortheil ist
dessenungeachtet sehr groß, weil die ausgetroknete Runkelrübe als courantes Product
in den Handel gebracht werden kann. Jeder kleine Oekonom kann solches liefern und
die Zukerfabriken befinden sich nicht mehr in der Nothwendigkeit ungeheure Ernten,
weil sie so leicht verderben, innerhalb einer gewissen Zeit verarbeiten zu
müssen.
Um die ausgetrokneten Rüben zu extrahiren, benuzte Hr. Schützenbach anfangs verdünnte Schwefelsäure; er vermischte vier Theile
gepulverter Rüben mit neun Theilen Wasser, welche mit einem ⅔ bis ¾
Theil concentrirter Schwefelsäure versezt waren und nachdem diese Flüssigkeit
vollständig absorbirt war, preßte er die Auflösung aus; hierauf machte er, um das
Pulver zu erschöpfen eine zweite und dritte Auflösung, welche für neue Behandlungen
aufbewahrt wurden. Dieß
war schon eine Art Auslaugung. Man sättigte die Flüssigkeit, wenn sie concentrirt
genug war, durch Zusaz von Kalkwasser in schwachem Ueberschuß und dampfte die klar
abgegossene Flüssigkeit ein. Die erste Krystallisation lieferte im Roth'schen Apparat sogenannte bonne quatriéme, die zweite bonne
commune.
Schützenbach stellte zahlreiche und mannichfaltige
Versuche an; er versuchte auch statt des schwefelsauren Wassers Weingeist
anzuwenden, wobei er allerdings sehr merkwürdige Resultate erhielt; aber die
Feuersgefahr bei einer so häufigen Anwendung ungeheurer Quantitäten Weingeists wäre
so groß, daß man nothwendig davon abstehen muß.
Zulezt kam Hr. Schützenbach wieder auf das mit
Schwefelsäure oder Aezkalk geschärfte Wasser zurük und gab das Auspressen des
befeuchteten Pulvers auf; er laugte nämlich die ausgetrokneten Rübenschnitte
methodisch in offenen Gefäßen aus.
Das Auslaugen in Fässern, welche in Reihen übereinander aufgestellt sind, wurde schon
längst in den Salpeterplantagen angewandt. Später wurde dieses Verfahren unter der
Benennung „Maceration“ auch zum Erschöpfen der frischen
Runkelrüben benuzt. Man hat einige Zeit in der Fabrik des Hrn. Demesmay nach diesem Verfahren gearbeitet. Der Apparat bestand aus neun
Kufen, welche im Kreise aufgestellt waren und durch eine besondere Einrichtung rasch
auf eine Temperatur von 72° R. gebracht werden konnten. Von diesen neun Kufen
waren sechs fortwährend beschikt, eine ausgeleert und eine für Unfälle in Reserve;
mit den sechs beschikten Kufen verhielt es sich während der Operationen so, daß wenn
z. B. die Kufe Nr. 6 frische Rüben enthielt, in der Kufe Nr. 1 erschöpfte Rüben
waren und in den anderen Kufen Rüben im Zwischenzustande. Es ist aber klar, daß man
beim Auslaugen frischer Rüben nach dieser Methode mehr Brennmaterial verbraucht als
beim Auspressen des Safts, weil die abzudampfende Flüssigkeit immer viel
beträchtlicher ist. Auch wurde dieses Verfahren von Hrn. Demesmay wieder aufgegeben und durch gewöhnliche Pressen und Reiben
ersezt.
Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, daß man bisher das Verkochen nicht umgehen
konnte und daß das Auslaugen nach Schützenbach höchstens
dahin führte, daß man aus den getrokneten Rüben ohne vorläufige Läuterung oder
Klärung direct Syrup von mittlerer Concentration erhielt. Hr. Duquesne stellt hingegen bei seinem Verfahren kein geringeres Resultat in
Aussicht, als aus den getrokneten Rüben ohne Beihülfe der Läuterung so reine und
concentrirte Syrupe zu
erhalten, daß sie unmittelbar in Formen gegossen werden können.
Wir wollen die Resultate welche man bei den bisherigen Vorsuchen nach Duquesne's Methode erhielt, keineswegs garantiren und
wissen im Gegentheil, daß dieselben weit hinter den Erwartungen zurüblieben; sie
wurden aber auch unter sehr ungünstigen Umständen erhalten; vielleicht ist auch das
Verfahren für den beabsichtigten Zwek bis jezt noch zu unvollkommen.
Duquesne's Apparat besteht aus gußeisernen Cylindern von
13 Zoll 8 Linien Durchmesser und 3 Fuß 11 Linien Höhe; sie fassen 25 Kilogr.
getrokneter Rüben und sind mit zwei Scheidewänden aus Eisenblech versehen, welche
unten und oben die getrokneten Rübenschnitte in unveränderlichen Entfernungen vom
Boden und vom Dekel der Cylinder erhalten. Bei den Versuchen zu Saultair wurden zehn
Cylinder angewandt; mit acht wurde gearbeitet, einer beschikt und einer ausgeleert.
Später gelang es Hrn. Duquesne die getrokneten Rüben bloß
mit vier Cylindern zu erschöpfen; die höchste Concentration der ersten Auflösungen
war 32° gewesen. Dieß ist beiläufig 10 Grad weniger als die Zukerauflösungen
in den Fabriken haben müssen, um sie der Krystallisation überlassen zu können.
Die zehn Cylinder sind im Kreise angeordnet und communiciren mit einander durch
metallene Röhren, so daß eine methodische Auslaugung stattfindet. Jeder Cylinder ist
mit einem Gehäuse (Mantel) umgeben, damit man seine Temperatur mittelst Dampfs oder
heißen Wassers auf den erforderlichen Grad steigern kann. Oben und unten werden die
Cylinder mittelst einer gußeisernen Platte und einer Schraube, gerade so wie die
Gasretorten, verschlossen, daher man sie leicht und schnell beschiken kann.
Wenn man einigermaßen mit dem methodischen Auslaugen vertraut ist, sieht man sogleich
wie die Operation geleitet werden muß; nachdem die Cylinder mit getrokneten
Rübenschnitten beschikt sind, treibt man in den ersten heißes Wasser und nachdem es
beiläufig eine Viertelstunde darin verweilt hat, wird es durch neues Wasser, welches
seine Stelle einnimmt, ausgetrieben, so daß es in den zweiten Cylinder über frische
ausgetroknete Rüben gelangt. Hier sättigt es sich mehr und nach einem zweiten
Aufenthalt gelangt es in den dritten Cylinder, während das Wasser des ersten
Cylinders in den zweiten übergeht und der erste zum drittenmal frisches Wasser
empfängt, welches den Zukergehalt seiner Rüben immer mehr auszieht. Auf diese Art
wird die Operation bis zur siebenten Aufenthaltszeit fortgesezt, wo also die zuerst
eingetriebene Flüssigkeit alle Cylinder durchlaufen hat und im achten angelangt ist,
worin sie, wenn die
Operation gut geleitet wurde, den der Temperatur entsprechenden Sättigungsgrad
jedenfalls erreicht haben muß. Der erste Cylinder wird dann ausgeleert; die
herauskommenden Rüben sind geschmaklos, schwammig und dürften sich wohl als
Viehfutter verwenden lassen. Der Syrup aus dem achten Cylinder muß 42° zeigen
und unmittelbar in Formen gegossen werden.
Um weiße Zuker zu erhalten, muß man bei Duquesne's
Verfahren einen Behälter mit Knochenkohle anwenden, welcher alle im Syrup
enthaltenen färbenden Bestandtheile zurükhält; der Zwek kann natürlich nur dadurch
erreicht werden, daß man neben jedem der Cylinder einen luftdicht geschlossenen
Kohlenbehälter anbringt, welcher mit seinem Cylinder und dem darauf folgenden auf
dieselbe Art verbunden wird, wie die Cylinder unter einander, d. h. die
eingetriebene Flüssigkeit an seinem oberen Theil aufnimmt und an seinem unteren
entweichen läßt, damit sie sich in den folgenden Cylinder begibt. Bei dieser
Anordnung muß jeder Behälter so viel Kohle enthalten, daß sie hinreicht den von
jedem Cylinder gelieferten Syrup gänzlich zu entfärben. Wenn man nun überdieß
besorgt ist die Kohlentästen auf demselben Temperaturgrad zu erhalten, wie die mit
ihnen verbundenen Cylinder; wenn man endlich bei diesem Verfahren noch Schützenbach's KrystallisirkästenMan vergl. Daruͤber polytechnisches Journal Bd. XCIII S.
36.A. d. R. anwendet, so gelangt man gewiß
zu Resultaten, deren Wichtigkeit sich jezt noch nicht ermessen läßt.
Die Ersparnisse, welche aus der Anwendung dieses Verfahrens hervorgehen müssen,
springen in die Augen; die Vermeidung jeder Abdampfung zum Concentriren der Syrupe
ist ein sehr bedeutender Fortschritt in der Fabrication des Runkelrübenzukers und
diese Neuerung begründet allein schon eine neue Epoche in diesem Industriezweig. Die
Vortheile der Behandlung in geschlossenen Gefäßen beschränken sich aber nicht
darauf; nach Peligot's Untersuchung enthält die
Runkelrübe bloß krystallisirbaren Zuker und aller unkrystallisirbare Zuker, welcher
die Melasse bildet, entsteht erst durch eine Veränderung des krystallisirbaren
Zukers während der Bearbeitung des Safts. Nun ist es aber nicht zu bezweifeln, daß
Duquesne's Verfahren die Bildung von Melasse
beträchtlich vermindern wo nicht gänzlich verhindern muß, wodurch die Ausbeute an
Zuker in demselben Grad größer wird.
Es wurde behauptet, daß das neue Verfahren nichts darbietet, was nicht schon bekannt
war; nach unserer geschichtlichen Einleitung über die bisherigen Methoden die ausgetrokneten
Runkelrüben zu extrahiren, hat man jedoch in den Zukerfabriken nie und zu keiner
Zeit die Auslaugung in geschlossenen Gefäßen angewandt. Nun sind aber die Resultate,
welche man in geschlossenen und in offenen Gefäßen erhält, außerordentlich
verschieden, nicht sowohl weil der Luftzutritt die Erzeugung von Melasse begünstigt,
sondern weil man bei Anwendung geschlossener Gefäße die ausgetrokneten Rüben unter
einem bedeutenden Druk extrahiren kann. Diesen Druk erzielt Hr. Duquesne entweder mittelst einer Flüssigkeitssäule von
der erforderlichen Hohe oder mittelst einer Drukpumpe oder mittelst Dampfdruks.
Die in einen Cylinder eingetriebene Flüssigkeit läßt man eine Viertelstunde lang
wirken; nach Verlauf dieser Zeit wird sie rasch und mit Gewalt ausgetrieben durch
den Druk der neuen Flüssigkeit, welche sie verdrängt, und da sie von Oben nach Unten
durch eine viel weniger dichte Flüssigkeit verdrängt wird, so findet nur eine
schwache oder gar keine Vermischung statt. Diese Verdrängungsmethode wurde
allerdings schon zur Bereitung pharmaceutischer Präparate und bisweilen in
chemischen Laboratorien, z. B. zur Darstellung von Gerbestoff benuzt; unseres
Wissens ist aber dieses Verfahren noch niemals in den Fabriken im Großen angewandt
worden, und offenbar hat Hr. Duquesne in den
Zukerfabriken zuerst anstatt des bisherigen Auslaugens in übereinander stehenden
Fässern die Verdrängungsmethode eingeführt.
Man glaubte die Anwendung des Kalks bei der Behandlung ausgetrokneter Runkelrüben
entbehren zu können; dieß betrachten wir jedoch als einen Irrthum. Boutron und Fremy haben
bewiesen, daß während der Aufbewahrung der Runkelrübenschnitte ein Antheil ihres
Zukers sich in Milchsäure verwandelt, und es ist beim Extrahiren des Zukers
unumgänglich nöthig diese Säure vorläufig zu sättigen; übrigens haben schon Hr. Lirac, welcher gepulverten Kalk anwandte, und Hr. v. Forbin-Janson, welcher
Holzkohlenpulver benuzte, sich überzeugt, daß mit diesen Substanzen bepuderte
Runkelrübenschnitte leichter (an der Sonne) austroknen und sich viel besser
conserviren. Ob der Rükstand nach der Extraction solcher Rüben noch als Viehfutter
anwendbar ist, muß erst durch Versuche entschieden werden; das Kohlenpulver dürfte
jedenfalls unschädlich seyn. Auch können wir jezt noch nicht sagen inwiefern der
Rükstand bei Duquesne's Verfahren mit dem ausgepreßten
Brei der gewöhnlichen Fabriken zu concurriren vermag; darüber kann uns nur die
Zukunft aufklären.
Die Versuche zu Saultain wurden leider nicht nur unter ungünstigen Umständen
angestellt, sondern das beschriebene Verfahren wurde dabei auch nicht befolgt. Man
arbeitete unter ungünstigen Umständen, weil die angewandten Rüben aus der Fabrik zu
Karlsruhe bezogen wurden und sich während ihres Transports, welcher großentheils zu
Schiff statt fand, bedeutend verändert hatten. Man hat das Verfahren von Duquesne nicht befolgt, weil man bei gewöhnlicher
Temperatur arbeitete, daher man unmöglich gesättigte Syrupe erhalten konnte, die
überdieß durch Pflanzeneiweiß oder Pectin verunreinigt werden mußten, welche
Substanz in kaltem Wasser auflöslich ist, in kochendem Wasser aber gerinnt oder
wenig auflöslich ist. Diese Umstände waren Ursache, daß der erhaltene Syrup nur
28° an Baumé's Aräometer zeigte, daß die Rüben, welche sauer waren, mit Kalk
gesättigt werden mußten und daß diese Läuterung nur einen weichen Schaum lieferte,
welcher sich schlecht zu einer Deke vereinigte und ein zartes, sehr schwer
abzusonderndes Pulver enthielt. Dessenungeachtet gaben die ersten Syrupe, welche
ohne Läuterung und Filtration über Knochenkohle unmittelbar verkocht wurden, in den
Schützenbach'schen Kästen einen sehr kräftigen und
gut krystallisirten Zuker.
Das Vorhergehende dürfte genügen, um Sachverständige zu überzeugen, wie wichtig das
neue Verfahren für die Runkelrübenzukerfabriken werden muß; nur durch die Praktiker
kann es alle Verbesserungen, deren es fähig ist, erhalten.
Ch. M...., zu Valenciennes.