Titel: | Ueber den Brand der Gewächse und die gegenwärtige Krankheit der Kartoffeln; von Decerfz. |
Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. LXXXIX., S. 322 |
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LXXXIX.
Ueber den Brand der Gewaͤchse und die
gegenwaͤrtige Krankheit der Kartoffeln; von Decerfz.
Aus den Comptes rendus, Sept. 1845, Nr.
11.
Decerfz, über den Brand der Gewächse und die Krankheit der
Kartoffeln.
Ich war der erste, welcher mit dem Ausdruk „Brand“ (Gangrän) der Gewächse eine unter Pflanzen wässeriger
Beschaffenheit sehr häufig vorkommende Krankheit bezeichnete. Dieselbe kündigt sich
durch einen Punkt oder eine Zone von schwarzblauer Farbe auf dem Stengel an, welche
sich über die ganze Pflanze ausdehnt oder vervielfältigt und deren Tod,
nachdem eine Art stinkender Fäulniß eingetreten ist, schnell herbeiführt.
Folgendes ist ein auffallendes Beispiel des Gewächsbrandes; ich hatte einen
prächtigen Balsaminenstok, dessen Wurzeln sich in ein beständig mit Wasser gefülltes
Gefäß senkten. Eines Tages bemerkte ich, daß er hinfällig wurde; die Blumen verloren
ihren Glanz, die Blätter wurden gelb und der noch wenige Tage vorher kräftige und
aufrechte Stengel legte sich über den Rand des Gefäßes hinum; am andern Tag war der
ganze Stok abgestorben. Vermuthend, daß dieser Gewächsbrand sich durch Impfung
fortpflanzen könne, tauchte ich ein passendes Instrument in die faule Substanz und
stach damit eine andere, gesunde Balsamine. Am andern Tag fand ich an der Stelle des
Stichs einen schwarzblauen Fleken von der Größe eines Centimes, ein Anzeichen, daß
die Operation gelungen war. Dieser Fleken griff so schnell um sich, daß die ganze
Pflanze in weniger als vier Tagen in Fäulniß übergegangen war und abstarb.
Dasselbe geschah in vielen Ländern, namentlich aber in Belgien, mit der Kartoffel;
denn meines Dafürhaltens charakterisiren alle, ihrer gegenwärtigen außergewöhnlichen
Krankheit zugeschriebenen Symptome den Gewächsbrand.
Welche andere Krankheit könnte auch solche Verheerungen anstellen? Diese Krankheit
ist nicht neu. Auch mikroskopische Schmarozerpilze wären nicht im Stande, die Ernten
eines ganzen Landes zu verheeren. Eine solche Ursache könnte nur einzelne und
begränzte Wirkungen hervorbringen.
Die in Rede stehende Krankheit, welche ganze Kartoffelfelder auf einmal überfällt,
zeigt sich zuerst auf den Blättern, dann auf den Stengeln und befällt endlich die
Knollen, welche sich erweichen, desorganisiren und endlich in eine Art Breies oder
fauler Masse von schwärzlicher und stinkender Beschaffenheit übergehen. Es sind dieß
dieselben Eigenschaften, welche ich auch dem Gewächsbrand zuschrieb.
Die besprochene Krankheit der Kartoffeln entstand wahrscheinlich durch die
außergewöhnlichen atmosphärischen Verhältnisse in diesem Jahre. Es bedarf nur
solcher, sechs Monate hindurch dauernder, beständiger Regengüsse, um auf einer so
großen, denselben nachtheiligen Einflüssen ausgesezten Streke Erdreichs dieselben
Verheerungen anzustellen.
Sind die vom Brand befallenen Kartoffeln zur Nahrung für Menschen und Thiere
geeignet? Ich halte es für gefährlich sie zur Nahrung auch nur für das Vieh zu
verwenden und glaube, daß dieß ähnliche Folgen haben könnte, wie der Genuß des
Mutterkorns, nämlich den trokenen Brand (Ergotismus).
Ich hatte schon mehrmal in unserm Klima Gelegenheit, diese Krankheit der Kartoffeln,
jedoch nur einzeln vorkommend, zu beobachten.