Titel: | Ueber den sphäroidischen Zustand der Flüssigkeiten; von W. G. Armstrong. |
Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. CXIV., S. 427 |
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CXIV.
Ueber den sphaͤroidischen Zustand der
Fluͤssigkeiten; von W. G.
Armstrong.
Aus dem Philosophical Magazine, Okt. 1845, S.
257.
Armstrong, über den sphäroidischen Zustand der
Flüssigkeiten.
In der lezten Versammlung der British Association zu
Cambridge hatte ich Gelegenheit Boutigny's schönen
Versuchen über den sphäroidischen Zustand der FlüssigkeitenMan vergl. polytechn. Journal Bd. LXXXIII S. 457. Sorel und andere franzoͤsische Physiker nennen diese
Erscheinungen des eigentlich sogenannten Leidenfrost'schen Versuchs: Calefaction.A. d. R. beizuwohnen. Seit meiner
Rükkehr nach Newcastle wiederholte ich dieselben Versuche vor der Philosophical Society und begleitete sie mit erklärenden
Beobachtungen, deren Inhalt ich hier mittheile, nicht nur, weil ich glaube, daß
Beobachtungen über einen das wissenschaftliche Publicum jezt so sehr beschäftigenden
Gegenstand allgemeines Interesse darbieten, sondern auch, weil die Erklärung dieser
Erscheinungen noch einigermaßen Gegenstand des Streits ist.
Obgleich Hrn. Boutigny's Versuche keine neue Entdekung
darbieten, so haben sie doch das nicht unerhebliche Verdienst, in überzeugender und
augenfälliger Weise Erscheinungen zu zeigen, welche zwar den Meisten in einem
gewissen Maaße bekannt sind, durch die unscheinbare Weise aber, in welcher sie
gewöhnlich beobachtet werden, die Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen.
Der Grundversuch besteht darin, daß Wasser auf eine erhizte metallene Platte oder
Schale gegossen wird. Ist die Schale auf 212° F. (80° R.) oder darüber
erhizt, so geräth das Wasser allsogleich ins Sieden und wird in Dampfform zerstreut,
vorausgesezt daß die Temperatur eine gewisse Gränze nicht überschreite;
überschreitet sie aber diese Gränze, so tritt ein völlig verschiedener Zustand der
Flüssigkeit ein und es können folgende Erscheinungen beobachtet werden:
erstens das Kochen des Wassers wird, statt beschleunigt, gänzlich unterdrükt und die
Verdampfung sehr zurükgehalten;
zweitens das Wasser nimmt eine abgerundete sphäroidische
Gestalt an gleich einem Queksilberkügelchen;
drittens das Wasser berührt die Schale nicht, sondern ist durch eine
dazwischenliegende dünne Dampfschicht von ihr getrennt;
viertens die Temperatur des Wassers steigt dabei nie über 205° F. (77°
R.); hält sich also 7° F. (3° R.) unter dem Siedepunkt.
Eine ziemlich richtige Vorstellung von der sphäroidischen Gestalt des Wassers kann
man sich durch die beigegebenen Querschnitte machen: Fig.
1 stellt eine Schale mit Wasser in der sphäroidischen
Textabbildung Bd. 98, S. 428
Gestalt und Fig. 2 eine Schale
mit nicht sphäroidisch gestaltetem
Textabbildung Bd. 98, S. 428
Wasser vor.
Wendet man statt Wassers eine bei niedererer Temperatur kochende Flüssigkeit an, so
tritt derselbe Erfolg bei minder hoher Temperatur der Schale ein. Demgemäß kann die
Schale, wenn auch nicht heiß genug, um Wasser in sphäroidischem Zustand zu
unterhalten, doch heiß genug seyn, um Weingeist in solchem zu unterhalten, und
sollte sie nicht hinreichend heiß seyn für Weingeist, so kann sie es seyn, um diese
Wirkung mit Aether hervorzubringen. Ist hingegen der Siedepunkt der Flüssigkeit ein
höherer als der des Wassers, so muß die Temperatur der Schale erhöht werden, um den
sphäroidischen Zustand hervorzubringen. Welches aber auch der Siedepunkt der
Flüssigkeit seyn mag, so ist die höchste Temperatur, welche sie in der
sphäroidischen Gestalt erreicht, immer einige Grade unter derjenigen Temperatur, bei
welcher das Sieden stattfindet.
Es ist daher einleuchtend, daß die Ursache, welche der Temperatur des flüssigen
Sphäroids eine Gränze sezt, so wie die, welche seine Trennung von der erhizenden
Fläche verursacht, zum Siedepunkt der Flüssigkeit in Beziehung steht. Dieser Umstand
macht es sehr wahrscheinlich, daß diese Erscheinungen in beiden Fällen der
Verdampfung zuzuschreiben sind, und ich werde nun dieselben in Uebereinstimmung mit
dieser Ansicht zu erklären suchen.
Die strahlende Wärme einer rothglühenden Schale, in welche Wasser gegossen wird, ist
natürlich groß genug, um die untere Fläche des Wassers in Dampf zu verwandeln, ehe es in wirkliche Be rührung mit der Schale kömmt, und
es muß dann der durch die Wärme erzeugte Dampf einen Plaz finden zwischen dem Wasser
und der Schale, so daß
seine größere Annäherung verhindert wird. Das Gewicht der Flüssigkeit strebt zwar
den dazwischen gelagerten Dampf zu verdrängen, aber die fortgesezte Verdampfung
erhält die trennende Dampfschicht so lange, als die Schale heiß genug bleibt, um das
Wasser ohne wirkliche Berührung in Dampf zu verwandeln.
Das Nichtstattfinden des Kochens, welches ebenfalls die Kugelgestalt der Flüssigkeit
charakterisirt, ist bloß dem Umstand zuzuschreiben, daß der Dampf in Stand gesezt
ist unter der Flüssigkeit zu entweichen, ohne aufwärts durch die Masse steigen zu
müssen; und die runde Form, welche die Flüssigkeit annimmt, kömmt einfach daher, daß
keine Adhäsion zwischen der Flüssigkeit und der Schale stattfindet, welche die
Theilchen verhindert dem Einfluß ihrer wechselseitigen Anziehung zu folgen.
Daß die Flüssigkeiten im sphäroidischen Zustand um einige Grade niemals die
Temperatur erlangen, wobei sie unter den gewöhnlichen Bedingungen kochen würden,
scheint mir auf folgende Weise vollkommen erklärlich zu seyn:
Man seze den Fall, die in Fig. 2 abgebildete Schale
werde erhizt, so werden die die untere Fläche der Flüssigkeit bildenden Theilchen,
welche mit der Schale in Berührung sind, der Schale jene
Wärme entziehen, welche bei der Verdampfung aufgenommen wird. Ist aber die
Flüssigkeit im sphäroidischen Zustand, wie in Fig. 1,
so schöpfen die Theilchen, welche die untere Fläche der Flüssigkeit bilden, weil sie
von der erhizten Schale getrennt sind, die zu ihrer Umwandlung in Dampf
erforderliche Wärme nicht von der Schale, wie im vorigen Fall, sondern aus der übrigen Flüssigkeit, mit welcher allein sie in
Berührung sind. Mit andern Worten, der wärmeentziehende Einfluß der Verdampfung wird
in dem einen Fall auf die Schale, in dem andern auf die
Flüssigkeit ausgeübt. Aus diesem Grunde kann eine
Flüssigkeit im sphäroidischen Zustande niemals die Temperatur erreichen, bei welcher
sie kocht, denn je mehr man die erwärmende Kraft der Schale steigert, desto mehr
wird auch die wärmeentziehende Wirkung der Verdampfung erhöht.
Diese Erklärung ist mit der von Hrn. Boutigny
aufgestellten in Widerspruch, welcher die verhältnißmäßig niedere Temperatur des
flüssigen Sphäroids dadurch erklärt, daß er ihm die Kraft zuschreibt die Wärme von
seiner untern Fläche beinahe gänzlich zu reflectiren; diese Hypothese aber erklärt
die Beziehung nicht, welche unstreitig zwischen dem Siedepunkt der Flüssigkeit und
ihrer höchsten Temperatur im sphäroidischen Zustand besteht. Ueberdieß würde die
Reflexion der Wärme, wenn sie die Zunahme der Temperatur verhinderte, auch die
Verdampfung verhindern, was sie aber offenbar nicht thut; denn wenn die Schale stark erhizt ist,
verdampft die Flüssigkeit sehr rasch, obgleich ihre fühlbare Wärme constant
7° F. unter dem Siedepunkt bleibt.
Man hat gesagt, und ich bezweifle es nicht, daß wenn eine bis zum Siedepunkt erwärmte
Flüssigkeit in eine Schale gegossen wird, die hinlänglich heiß ist um den
sphäroidischen Zustand hervorzubringen, die Temperatur der Flüssigkeit sogleich auf
den Grad zurüktritt, welchen sie erreicht hätte, wenn die Flüssigkeit, ohne vorher
erwärmt zu werden, in die Schale gebracht worden wäre. Diese Erscheinung nun wird
durch die wärmeentziehende Wirkung der Verdampfung, wie ich sie beschrieb,
vollkommen erklärt, während sie nach der Hypothese der Wärme-Reflexion völlig
unerklärlich ist.
Ich wiederholte Boutigny's schönen Versuch, eine Masse
rothglühenden Platins in ein Glas kalten Wassers zu tauchen, worin das Metall noch
einige Secunden nach dem Eintauchen glühend bleibt und sich mit einer
Dampf-Atmosphäre überzieht. Bei diesem Versuche ist kein Sieden (Aufwallen)
des Wassers wahrzunehmen, obgleich der Dampf keinen solchen Ausweg hat, wie wenn die
Flüssigkeit sich im gewöhnlichen kugelförmigen Zustand befindet. Der Grund hievon
wird einleuchtend, wenn man das Wasser vorher zum Siedepunkt erhizt, und dann erst
das rothglühende Platin eintaucht, welches nun ein rasches Aufwallen hervorbringt,
so lange als das Metall glühend und durch die gewöhnliche Dampf-Atmosphäre
vom Wasser getrennt bleibt. Das Nichtaufwallen bei Boutigny's Versuch rührt also offenbar bloß daher, daß der Dampf durch die
Kälte des Wassers verdichtet wird, sobald er dem Einfluß des erhizten Platins
entrükt ist.
Lehrreich ist es auch, die verschiedenen Wirkungen zu beobachten, welche durch das
theilweise und gänzliche Eintauchen des rothglühenden Platins in Wasser von
205° F. hervorgebracht werden (dieß ist bekanntlich die höchste Temperatur,
welche Wasser im sphäroidischen Zustand annehmen kann). Wird das erhizte Metall nur
theilweise eingetaucht, so findet kein Aufwallen statt und die Temperatur der
Flüssigkeit bleibt dieselbe; bringt man aber das Platin ganz unter Wasser, so steigt
die Temperatur und es tritt Aufwallen ein. Der Grund dieser Verschiedenheit ist sehr
einleuchtend; wenn das Platin vom Wasser nicht ganz bedekt ist, so hat der Dampf,
welchen es erzeugte, einen Ausweg und die Umstände gleichen jenen des in
sphäroidischem Zustand befindlichen Wassers; ist aber das Platin ganz untergetaucht,
so ist der erhizte Dampf gezwungen durch das Wasser hindurch in Blasen aufzusteigen,
wodurch er nicht nur Aufwallen erzeugt, sondern auch bei seinem Durchgang der
Flüssigkeit Wärme abtritt.
Boutigny's merkwürdiges Experiment, Wasser in einer
rothglühenden Platinschale vermittelst schwefliger Säure, welche bekanntlich bei
einer Temperatur von 18° F. (8° R.)Nach Boutigny 11° C. unter dem
Gefrierpunkt des Wassers kocht, zum Gefrieren zu bringen, gelang mir leicht; er
beruht ganz auf der besondern, den Flüssigkeiten in ihrem sphäroidischen Zustand
eigenen eigenthümlichen Verdampfung. Wenn die Säure in das rothglühende Gefäß
gegossen ist, wird ihre untere Fläche augenbliklich in Dampf verwandelt und die
entstandene Schicht dazwischen gelagerten Dampfes verhindert die Flüssigkeit das
Metall zu berühren und führt dadurch ihren Uebergang in die Kugelform herbei. In
diesem Zustand consumirt die Säure durch Verdunstung einen Theil ihrer eignen
fühlbaren Wärme und erleidet daher eine weitere Temperatur-Erniedrigung von
etwa 5° F. Die Säure wird daher auf einer sehr niedern Temperatur in der
erhizten Schale erhalten, so daß wenn nun Wasser in das rothglühende Gefäß gegossen
wird, es durch die intensive Kälte der es berührenden Flüssigkeit augenbliklich zum
Gefrieren gebracht wird.
Boutigny versucht die Explosion der Dampfkessel durch den
sphäroidischen Zustand des Wassers darin zu erklären. Wasser, welches in einen
überhizten Kessel kommt, nimmt nach ihm den sphäroidischen Zustand an, kommt nachher
bei der theilweisen Abkühlung des Kessels in Berührung mit dem erhizten Metall und
bringt eine so große Dampferzeugung hervor, daß der Kessel berstet. Ich sehe aber
nicht wohl die Möglichkeit ein, daß Wasser in einem Dampfkessel den sphäroidischen
Zustand annimmt. Die grobe, rauhe Oberfläche, welche das Innere des Kessels dem
Wasser darbietet, ist dem sphäroidischen Zustand gar nicht günstig, und man hat
allen Grund anzunehmen, daß die Trennung vom Metall nicht in einem Theil des Kessels
stattfinden kann, sondern nur im ganzen Kessel. Sey dem aber wie ihm wolle, so ist
die übermäßige Erhizung des Kessels stets die wirkliche Ursache des Berstens, und so
lange nicht erwiesen werden kann, daß der sphäroidische Zustand des Wassers die Ursache und nicht die
Wirkung des Rothglühendwerdens des Kessels ist, scheint mir die Erklärung
gar keinen Werth zu haben.
Begründeter, wie mir scheint, ist Boutigny's Ansicht, daß
der sphäroidische Zustand des Wassers beim Stahlhärten eine bedeutende Rolle spielt.
Was immer die Berührung des erhizten Stahls mit dem Wasser, in welches man ihn
taucht, befördert, muß
die Abkühlung des Stahls beschleunigen und seine Härte vermehren. Nun haben wir
gesehen, daß je höher der Siedepunkt der Flüssigkeit, desto höher auch die
Temperatur des Metalls ist, welche zur bleibenden Trennung erfordert wird; dieß ist
wohl die Ursache, warum die Arbeiter den Stahl in Salzwasser besser härten können,
als in Wasser allein, weil der Zusaz von Salz den Siedepunkt des Wassers erhöht.