Titel: | Ueber Kieselerde-Aether und deren Anwendung zur Bereitung durchsichtiger Kieselerde; von Ebelmen. |
Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. CXV., S. 433 |
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CXV.
Ueber Kieselerde-Aether und deren
Anwendung zur Bereitung durchsichtiger Kieselerde; von Ebelmen.
Aus dem Technologiste, Nov. 1845, S.
56.
Ebelmen, über Kieselerde-Aether und deren Anwendung zur
Bereitung durchsichtiger Kieselerde.
Wenn man absoluten Alkohol vorsichtig auf Chlor-SiliciumDas Chlor-Silicium bildet eine wasserhelle Fluͤssigkeit,
schwerer als Wasser, welche an der Luft fast augenbliklich mit weißem Nebel
verdampft, Kieselerde zuruͤklassend. Um es zu bereiten, leitet man
uͤber ein in der Porzellanroͤhre stark gluͤhendes
Gemenge von Kieselerde und Kohle troknes Chlorgas. Die erhaltene gelbe
Fluͤssigkeit muß durch Schuͤtteln mit Queksilber und
Destilliren vom uͤberschuͤssigen Chlor befreit werden.A. d. R. gießt, findet eine sehr
lebhafte Einwirkung statt; es entwikelt sich viel salzsaures Gas und die Temperatur
sinkt beträchtlich. Sobald aber der zugesezte Alkohol etwas mehr wiegt als das
Chlor-Silicium, entwikelt sich kein Gas mehr und die Flüssigkeit erwärmt sich
dann auffallend. Unterwirft man die Mischung der Destillation, so geht zuerst eine
gewisse Menge Salzsäure-Aether über und hierauf destillirt der größere Theil
der in der Retorte enthaltenen Flüssigkeit zwischen 160 und 170° C. Man
beseitigt dieses erste Product und sezt die Destillation fort, welche erst über
300° C. hinaus zu Ende geht. In der Retorte bleiben nur Spuren von Kieselerde
zurük.
Wenn man das zwischen 160 und 170° C. überdestillirte Product rectificirt, bis
sein Siedepunkt unveränderlich wird (zwischen 162 und 163° C.), so erhält man
eine farblose Flüssigkeit von ätherartigem und durchdringendem Geruch, welche wie
Pfeffer schmekt und 0,932 spec. Gewicht zeigt. Wasser löst sie nicht auf und zersezt
sie nur sehr langsam, wobei sich Kieselerde absezt. Gegen die Reagenspapiere verhält
sie sich ganz neutral. Alkohol und Aether lösen sie in allen Verhältnissen auf. Eine
Auflösung von Aezkali und Alkohol zersezt sie schnell und man kann dann mittelst
Säuren die Kieselerde in gallertartigem Zustand abscheiden. Gießt man einige Tropfen
davon auf eine rothglühende Platinschale, so brennt sie mit einer weißen Flamme und sezt
Kieselerde als unfühlbares Pulver ab. Die Formel des Kieselerde-Aethers ist
SiOC4H5O und die Dichtigkeit seines Dampfs 7,18.
Wenn man das Product, welches zwischen 170 und 300° C.überdestillirt,
besonders auffangt und analysirt, so findet man daß es den Kohlenstoff und
Wasserstoff stets in demselben Verhältniß enthält wie der vorhergehende Aether, daß
aber der Gehalt an Kieselerde mit der Temperatur zunimmt. Die über 300° C.
hinaus überdestillirende Flüssigkeit ist farblos und besizt einen schwachen Geruch
und einen ganz verschiedenen Geschmak vom vorhergehenden Aether; ihre Dichtigkeit
ist 1,035. Gegen Wasser und Alkalien verhaͤlt sie sich eben so wie dieser
Aether; ihre Zusammensezung entspricht der Formel (SiO)2C4H5O. Die Kieselerde
bildet also wenigstens zwei Aether.
Wenn man einen dieser beiden Aether lange mit feuchter Luft in Berührung läßt, so
erstarrt die Flüssigkeit endlich zu einer durchsichtigen Masse. An den ersten Tagen
nach dem Erstarren ist das Product sehr zart und sehr zerbrechlich; es zieht sich
aber unter dem Einfluß der feuchten Luft immer mehr zusammen und bleibt dabei
durchsichtig. Bei 5–6 Grammen Aether sind zwei bis drei Monate erforderlich,
bis die Substanz nicht mehr an Gewicht verliert und ihre Molecular-Bewegung
beendigt ist.
Die Substanz, welche man auf diese Art erhält, ist hart; sie rizt das Glas schwach;
sie besizt viel Cohäsion; hinsichtlich des Glanzes, Bruches und der Durchsichtigkeit
ist sie mit dem klarsten Bergkrystall zu vergleichen;
ihre Dichtigkeit ist 1,77. Sie ist ein Kieselerde-Hydrat, welches die Formel
(SiO)2HO hat.
Damit das Product während seiner Zusammenziehung (welche so lange stattfindet bis
seine Zusammensezung der angegebenen Formel entspricht) keine Spalten bekommt, ist
es unumgänglich nöthig die feuchte Luft nur durch eine sehr kleine Oeffnung zutreten
zu lassen. Während der ganzen Operation verbreitet das Gefäß, welches den
Kieselerde-Aether enthält, einen alkoholartigen Geruch, welcher noch lange
nach dem Erstarren fortdauert — ein Beweis, daß sich nur ein Theil der
organischen Substanz von der Kieselerde trennte, als die Erstarrung statt fand. Die
Zusammenziehung erfolgt um so langsamer, je schwieriger sich die feuchte Luft im
Apparat erneuern kann und diese Langsamkeit scheint zum Gelingen der Operation
durchaus nöthig zu seyn.
Nach vorläufigen Versuchen von Hrn. Biot zeigt dieses
Kieselerde-Hydrat oder dieser künstliche Bergkrystall leine Spur von
Rotationsvermögen oder doppelter Refraction; es ist daher wahrscheinlich, daß man
ihn für optische Instrumente wird benuzen können.
Durch eine unbedeutende Abänderung dieses Verfahrens zur Bereitung des
Kieselerde-Hydrats erhält man anstatt eines durchscheinenden Products eine
undurchsichtige Substanz, welche aber ganz durchsichtig wird, wenn man sie in Wasser
legt, kurz einen wirklichen Hydrophan. Es reicht dazu
hin, daß der angewandte Kieselerde-Aether noch etwas Chlor-Silicium
enthält, und dieß ist der Fall, wenn der Alkohol bei der Bereitung des Aethers nicht
in Ueberschuß angewandt wurde. Sezt man diesen noch etwas sauren Aether der
Einwirkung feuchter Luft aus, so erhält man eine feste Masse, welche anfangs
durchsichtig ist, die aber, nachdem sie einige Wochen der Luft ausgesezt war,
undurchsichtig wirb. Diese Substanz ist um so weniger durchscheinend, je mehr
Chlor-Silicium der Aether enthielt. Man kann also den im Mineralreich so
selten vorkommenden Hydrophan künstlich erzeugen.
Uebrigens ist eine sehr geringe Menge fremdartiger Substanzen hinreichend, um die
Durchsichtigkeit und das Aussehen des Kieselerde-Hydrats zu modificiren. Als
ein kleines Fläschchen mit Kieselerde-Aether aus Versehen mit einem
Korkpfropf verschlossen wurde, welcher schon für eine Flasche mit Kreosot benuzt
worden war, lieferte der Aether beim Gerinnen durch die Einwirkung feuchter Luft
eine etwas gelbliche und durchscheinende Kieselerde, dem Chalcedon ähnlich. Das so
erhaltene Product war kein Hydrophan.Der Kieselerde-Aether duͤrfte in der Folge hinsichtlich feiner
Anwendbarkeit zu Firnissen eine technische Wichtigkeit erlangenA. d. R.