Titel: | Ueber Fehler, welche bei Bier-Untersuchungen gemacht werden können. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XV., S. 61 |
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XV.
Ueber Fehler, welche bei
Bier-Untersuchungen gemacht werden können.
Ueber Fehler, welche bei Bier-Untersuchungen gemacht werden
können.
Unter diesem Titel enthält das Kunst- und Gewerbeblatt des polytechnischen
Vereins für Bayern, Decemberheft 1845, eine ausführliche
Abhandlung von Hrn. Prof. Dr. Kaiser; unter den darin
besprochenen Fällen ist folgender der interessanteste.
Im October 1844 wurde auf polizeiliche Veranlassung das Sommerbier des
Brauhauspächters Ch. Stockinger in Regensburg untersucht;
dasselbe wurde von dem dazu designirten Sachverständigen bei gelindem Feuer zur
Extractionsistenz abgedampft, das Extract verkohlt und die Kohle eingeäschert; die
Asche gab beim Auslaugen ein Salzgemenge, welches größtentheils aus kohlensaurem Kali bestand; letzteres betrug auf eine (bayerische) Maaß des
Biers 7,2 Gran. Da das in der Brauerei verwendete Wasser nur einen äußerst geringen
Gehalt von kohlensaurem Kali zeigte, so wurde geradezu angenommen, das fragliche Bier sey sauer gewesen und zur Abstumpfung der
Säure mit Potasche versetzt worden. Der Sommerbier-Vorrath des Ch.
St. wurde deßhalb versiegelt und gegen ihn eine strafrechtliche Untersuchung
eingeleitet.
Erst im September 1845 wurden einige Flaschen von dem unter Siegel gelegten Bier
einer Commission des Central-Verwaltungs-Ausschusses des
polytechnischen Vereins in München zu einer nochmaligen chemischen Untersuchung
übergeben; diese Commission bestand aus den HHrn. Oberbergrath Dr. Fuchs, Conservator Steinheil, Hofapotheker Dr.
Pettenkofer, Prof. Dr.
Kaiser und Bierbrauer G. Sedlmaier.
Das verdächtige Bier, welches sich durch den Geschmack und die physischen
Eigenschaften als rein und unverfälscht zu erkennen gab, wurde nun hallymetrisch und
optisch-aräometrisch auf seine wesentlichen Bestandtheile, dann noch
insbesondere auf den Kaligehalt untersucht. Es enthielt
an absolutem Alkohol
4.22
Gewichtsprocente
an Extract
5,30
Gewichtsprocente
und wies demnach einen Würzegehalt von 13,74 Gewichtsprocenten
nach;
die Kohlensäure betrug 1,6 Gewichtstheile auf 1000 Gewichtstheile
Bier.
Ein Lagerbier aus dem königl. Hofbräuhause in München, welches mit dem Bier von St.
gleiches absolutes Gewicht und gleiche Kohlensäure-Menge hatte, enthielt
an absolutem Alkohol
3,66
Gewichtsprocente
an Extract
5,18
Gewichtsprocente
und der Würzegehalt ist demnach 12,5 Gewichtsprocente für
Malzsubstanz.
Hienach überstieg das Bier von St. in seinem Gehalte dasjenige vom königl.
Hofbräuhause in München und mußte folglich als ganz normalmäßig erklärt werden.
Zur Bestimmung des Gehaltes an Kalisalzen wurde je eine Maaß Bier auf sechs Unzen
abgedampft, diese Flüssigkeit noch warm in ein vorher erwärmtes Glas gegossen, mit 2
Quentchen gesättigter reiner (kalifreien) Weinsteinsäurelösung gemischt und 18
Stunden lang bei einer Temperatur von + 12° R. zur Ausscheidung des
Weinsteins in Ruhe
gestellt.Das Bier unmittelbar zur Extractdike einzudampfen und zu verkohlen, ist
fehlerhaft, weil durch das Verglasen der phosphorsauren Salze die lösbaren
Salze theilweise zurückgehalten werden und so nicht der ganze Kaligehalt
ermittelt werden kann. Nach dieser Zeit wurde die Flüssigkeit vom
Bodensatze vorsichtig abgegossen und dieser einigemal mit Weingeist von 0,9 spec.
Gewicht ausgewaschen. Der auf dem Filtrum gesammelte Rückstand wurde gut getrocknet
und gewogen. Die abgegossenen Flüssigkeiten wurden zur Extractdike abgedampft und in
einem Platintiegel verkohlt. Durch Auslaugen der Kohle, Concentriren der Lauge auf 2
Quentchen Flüssigkeit und Versetzen derselben mit Weinsteinsäure hat man von jedem
Extract noch 4 Gran Weinstein erhalten. Die noch rückständige Kohle wurde unter
einer Muffel eingeäschert, die Asche reagirte aber nicht mehr alkalisch, sondern
bestand aus phosphorsaurer Kalk- und Bittererde.
Die Niederschläge, welche man aus je einer Maaß Bier durch Weinsteinsäure erhalten
hatte, wurden in einem Platintiegel neuerdings verkohlt, mit Wasser ausgelaugt, die
Lauge concentrirt und mit Weinsteinsäure übersättigt, wodurch man an reinem Weinstein erhielt:
von dem St.'schen Bier
40,03
Gran
von dem Lagerbier des königl. Hofbräuhauses in München
32,12
Gran
Da der Weinstein von unveränderlicher Zusammensetzung ist, so läßt sich hieraus mit
Sicherheit der Gehalt an reinem Aetzkali bestimmen, welcher den vierten Theil vom
Gewichte des Weinsteins beträgt; demnach enthält:
das Bier von St
10,0
Gr. Kali per Maaß
das Bier aus dem königl. Hofbräuhause in München
8,0
Gr. Kali per Maaß
Berücksichtigt man nun, daß 1 Maaß des Biers von St. 17449 Gran und vom königl.
Hofbräuhause 17460 Gran wiegt, so sinkt dieser Kaligehalt zu einer ganz
unbedeutenden Menge herab. Offenbar muß jedes Bier Kali (mit Pflanzen- und
Mineralsäuren verbunden) enthalten, weil die Gerste und der Hopfen viele Kalisalze
enthalten und auf kalihaltigem Boden am besten gedeihen. Die Kalimenge im Bier muß
aber veränderlich seyn, denn 1) enthält ein Bier um so mehr Kali, je stärker es
eingesotten, also je reicher an extractiven Theilen des Hopfens und Malzes es ist
und 2) je kalireicher der Boden ist, von welchem die Gerste und der Hopfen
stammen.
Nach H. KöchlinAnnalen der Chemie und Pharmacie, 1845, Bd. LIV
S. 347. liefert die Gerste durchschnittlich 2,7 Gewichtsprocente
Asche und darin sind 13,75 Gewichtsprocente Kali enthalten. Hienach könnten in einer
Maaß bayerischen Biers 21,6 Gran Kali (oder 31,7 kohlensaures Kali) vorkommen, denn
1 bayer. Scheffel Gerste wiegt durchschnittlich 250 bayer. Pfund und davon sollen 6
Eimer à 64 Maaß Sommer-(Lager-) Bier
gebraut werden; folglich treffen 20,8 Loth Gerste auf die Maaß. Man wird aber diese
Quantität Kali nie in einem Biere finden, weil ein bedeutender Theil desselben beim
Einweichen der Gerste als Kalisalz in das Weichwasser übergeht und damit entfernt
wird, und auch beim Malzen durch die Keime nach Pettenkofer's Untersuchung 1½ Gewichtsprocente reines Aetzkali
ausgesondert werden.
Daß das Bier von St., welches sich zwei Jahre vollkommen
gut erhielt, nicht sauer gewesen und mit Potasche abgestumpft worden seyn kann,
beweist übrigens schon der Umstand, daß im Sauerwerden begriffenen Bieren durch
Neutralisation mit Potasche die fernere Disposition zum Sauerwerden nicht genommen
wird.
Manche Biere haben im Vergleich mit anderen einen bedeutenden
Alkoholgehalt, welcher zum Theil der Beschaffenheit der angewandten Gerste,
hauptsächlich aber dem befolgten Brauprocesse zuzuschreiben ist. In dieser Hinsicht
hat die Erfahrung Folgendes gelehrt:
Gerste, welche unter vorherrschend nasser und kalter Witterung zur Reife gelangt ist,
gibt bei dem Malzen und Maischen weniger Zucker und folglich bei der Gährung weniger
Alkohol, als Gerste von trokenen warmen Jahrgängen; letztere ist überhaupt, bei
gleichem Gewichte verwendet, gährungsfähiger, d. h. zur Malzzucker-Bildung
geeigneter als jene. Je größer aber die Menge des durch das Malzen und Maischen
erzeugbaren Malzzuckers ist, desto größer muß bei der darauffolgenden Gährung die
Alkoholmenge in den Bieren seyn.
Von noch größerem Einflüsse auf die Alkohol-Erzeugung in den Bieren ist das
Brauverfahren, denn je mehr durch fortgesetztes Aufgießen von immer wärmerem,
60° R. nicht übersteigendem Wasser zu dem Malzschrote, auf Erzeugung von
Malzzucker hingearbeitet wird, und je kürzer das zeitweise Sieden der Maische
dauert, oder theilweise unterlassen wird, desto größer wird der Gehalt an Zucker und
desto geringer der an Malzgummi in den hieraus erzielten Würzen. Eigenthümlich ist
dann das Verhalten solcher zuckerreichen Bierwürzen bei der Gährung, indem sie rasch
und unaufhaltsam in der Alkoholbildung fortschreiten und darin nicht leicht durch niedrigere
Temperatur oder andere Mittel aufgehalten und geregelt werden können.Man vergleiche Sedlmair's Bemerkungen im
polytechn. Journal Bd. XCVI S. 480.