Titel: | Ueber die Zusammensetzung der Schwaden in den Steinkohlengruben zu New-Castle und die Mittel Unglücksfälle in Folge ihrer Explosion abzuwenden; von Prof. Graham. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XXXIII., S. 137 |
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XXXIII.
Ueber die Zusammensetzung der Schwaden in den
Steinkohlengruben zu New-Castle und die Mittel Unglücksfälle in Folge ihrer
Explosion abzuwenden; von Prof. Graham.
Aus der Chemical Gazette, Dec. 1845, Nr.
75.
Graham, über die zusammensetzung der Schwaden.
Der Verfasser hatte vor einigen Jahren das Gas dieser Gruben mit demselben Resultate
wie Davy untersucht, daß es nämlich keinen andern
brennbaren Bestandtheil enthalte, als leichtes (Einfach-)
Kohlenwasserstoffgas. Da aber die später bekannt gemachte Analyse des
Steinkohlengrubengases in Deutschland das Vorkommen noch anderer Gase, namentlich
des ölbildenden, nachwies, wurde eine neue Untersuchung des Gases der englischen
Gruben erforderlich. Die Gase waren 1) von dem sogenannten
Five-Quarter-Flötz in der Gateshead-Kohlengrube, wo das Gas an
seinen Auswegen aufgesammelt und zum Beleuchten der Grube benützt wird; 2) das Gas
der Hepburn-Kohlengrube, welches aus einem in das Bensham-Flötz
— einem stark mit Gas beladenen Kohlenflötz, welches schon viele
Unglücksfälle veranlaßte — hinabgehenden Loch hervorkömmt; und 3) von der
Killingworth-Kohlengrube, in der Nähe von Jarrow, wo die letzte große
Explosion statt fand. Dieses letztere Gas kömmt aus einer Spalte in einem
Sandsteinlager, und wurde über 10 Jahre ohne merkliche Abnahme behufs der
Beleuchtung des Pferdepfads in der Grube ununterbrochen brennend erhalten. Diese
Gase wurden von Hrn. Hutchinson mit jeder möglichen Vorsicht zur
Versicherung ihrer Reinheit und Verhütung des Zutritts atmosphärischer Luft
persönlich aufgesammelt. Das gewöhnliche eudiometrische Verfahren, die Gase mit
Sauerstoff zu verbrennen, war zwar schon hinlänglich, um zu beweisen daß sie alle,
mit Ausnahme einiger Procente, aus Einfach-Kohlenwasserstoff bestehen. Es
wurde beobachtet, daß Phosphor in diesen Gasen, welchen etwas Luft beigemischt war,
stark leuchtend blieb, während der Zusatz von nur 1/400 ölbildenden Gases, oder
selbst einer noch kleinern Menge flüchtiger Kohlenwasserstoff-Dämpfe, diese
Eigenschaft ganz aufhob. Das ölbildende Gas selbst und alle verwandten
Kohlenwasserstoffarten waren dadurch als nicht anwesend erwiesen. Eine andere
Eigenschaft des reinen leichten Kohlenwasserstoffgases, welche Graham beobachtete, setzte ihn in Stand, noch andere brennbare Gase als
nicht vorhanden zu erklären; nämlich daß jenes Gas der oxydirenden Wirkung des
Platinmohrs vollkommen zu widerstehen vermag, jedoch andere, selbst in der kleinsten
Menge damit vermengte Gase sich oxydiren lassen, z. B. Kohlenoxyd- und
Wasserstoffgas, ersteres langsam und letzteres sehr schnell, natürlich wenn Luft
oder Sauerstoffgas sich ebenfalls im Gemenge befinden. Nun hat aber der Platinmohr
nicht die geringste Einwirkung auf ein Gemenge des untersuchten Grubengases mit
Luft. Auch war das Gas geruchlos, und enthielt offenbar keine bemerkenswerthe Menge
irgend eines andern brennbaren Gases als leichten Kohlenwasserstoffs. Die einzigen
Bestandtheile außerdem waren Stickstoff und Sauerstoff, oder atmosphärische Luft.
Die unter den günstigsten Umständen für Ausschließung der atmosphärischen Luft
aufgesammelte Probe, nämlich diejenige vom Bensham-Flötz, enthielt noch 0,6
Proc. Sauerstoff. Auch enthielten die Gase keine Kohlensäure. Das Resultat, daß man
nichts bei der Temperatur der Luft Oxydirbares in flüchtigem Zustande mit der ächten
Steinkohle der Newcastle-Flötze verbunden fand, ist beachtenswerth. Das
merkwürdige Nichtvorhandenseyn von Oxydirbarkeit im leichten Kohlenwasserstoff
scheint dieses allein unter allen brennbaren Gasen erhalten zu haben, welche sich
bei der Bildung der Steinkohle ursprünglich entwickelten und welche die
unvollkommene Lignit-Steinkohle Deutschlands noch immer begleiten.
Hinsichtlich der Maaßregeln, um die Gasexplosion in Steinkohlengruben zu verhüten und
die Wirkungen solcher Unglücksfälle zu mildern, beschränkt sich Hr. Graham auf zweierlei Betrachtungen. Die erste bezieht
sich auf die Länge der Zeit, welche die Schwadenluft, vermöge ihrer Leichtigkeit, in
der Nähe der Decke bleibt, ohne sich mit der durch die Werke circulirenden Luft
gleichförmig zu vermischen. Er fand, daß eine 6 Zoll lange und 1 Zoll im Durchmesser weite
Glasflasche, mit solcher Luft angefüllt, und mit abwärts gekehrter Mündung offen
gelassen, 20 Minuten lang ein explosives Gemenge enthält. Nun wäre es sehr zu
wünschen, daß die Schwadenluft sich so bald als möglich mit dem ganzen circulirenden
Luftstrom vermenge, weil sie über einen gewissen Grad der Verdünnung hinaus aufhört
explosiv zu seyn. Hr. Buddle sagt: „daß
unmittelbar auf den Ausbruch eines Gasstromes, obgleich der Strom eine
bedeutende Strecke weit sehr explosiv ist, oft der Fall eintritt, daß wenn er
eine größere Strecke in der Luftströmung durchgemacht, er sich mit der Luft
vollkommen vermischt, so daß man mit Lichtern eintreten kann; ehe die Davy'sche
Lampe eingeführt ward, machten wir daher absichtlich „lange
Läufe“ um die Luft zu mischen.“ Man empfahl
Vorkehrungen zu treffen, um eine frühzeitige Vermischung der Schwaden mit der Luft
zu bewerkstelligen; die geringste Kraft ist dazu hinreichend, da eine
Geschwindigkeit (abwärts) von ein paar Zoll in der Secunde das leichte Gas von der
Decke auf den Boden bringt. Der circulirende Strom kann sehr leicht in Bewegung
gesetzt werden durch ein leichtes transportables Rad mit Flügeln, welches von einem
Jungen gedreht und so angebracht wird, daß es die Luft in der Richtung der
Ventilation treibt und nicht dem Zuge entgegenstrebt. Das Gas an der Decke wirkt
ohne Zweifel oft als ein explosiver Strom, welcher die Verbrennung auf eine große
Strecke durch die Grube fortführt, während seine Continuität durch eine solche
Vermischung unterbrochen und eine Explosion, wenn sie auch vorfiele, auf engere
Gränzen beschränkt würde. Uebrigens gibt es keine wirksamen Mittel, um den
Grubenleuten nach erfolgter Explosion zu Hülfe zu kommen, obwohl ein großer Theil
der Todesfälle nicht von dem Feuer oder den Beschädigungen durch die Gewalt der
Explosion herrührt, sondern von der Erstickung durch den zurückbleibenden Dampf (after-damp) oder die
Kohlensäure welche sich hierauf in allen Theilen der Grube verbreitet. Man hat
vorgeschlagen eine gußeiserne Röhre von 8–12 Zoll Durchmesser in jedem
Schacht permanent anzubringen und mit einem Ventilirapparat darüber zu versehen,
durch welchen Luft niedergeführt, und der Schacht selbst, unmittelbar nachdem sich
eine Explosion ereignet hat, ventilirt werden kann. Auch wäre es gut, diese
Hülfscirculation mittelst fixer oder biegsamer Röhren noch weiter zu erstrecken und
in den Gruben so viel als thunlich zu verbreiten.