Titel: | Ueber die Fortschritte welche die Rübenzuckerfabrication in den letzten zwei Jahren in der Gegend von Magdeburg gemacht hat; von Professor K. Siemens in Hohenheim. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXVIII., S. 263 |
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LXVIII.
Ueber die Fortschritte welche die
Rübenzuckerfabrication in den letzten zwei Jahren in der Gegend von Magdeburg gemacht
hat; von Professor K.
Siemens in Hohenheim.
Aus Riecke's Wochenblatt für Land- und
Hauswirthschaft, 1846, Nr. 3.
Siemens, über Fortschritte in der
Rübenzuckerfabrication.
Auf einer Reise nach Norddeutschland hatte ich im Monat October v. J. Gelegenheit,
mehrere Rübenzuckerfabriken der Madeburger Umgegend in
Augenschein zu nehmen und mich von den Verbesserungen, welche diese Fabrication hier
in den letzten zwei Jahren erhalten, wiederum zu unterrichten. Wer sich für das
immer schönere Aufblühen dieses segensreichen Gewerbzweigs interessirt, wird mit
Freuden die rastlose Thätigkeit beobachten, womit man hier unter den bisher nicht
günstigen Verhältnissen an seiner Vervollkommnung arbeitet. Diese Thätigkeit scheint
gegenwärtig mit der festen Begründung der Fabrication für Deutschland gekrönt zu
seyn, denn die jetzigen höheren Zuckerpreise sind sicher zum Theil auch eine Folge
des Siegs, den die deutschen Zuckerfabriken über die Bestrebungen, sie durch die
Concurrenz zu erdrücken, errungen haben. Man hat sich überzeugt, daß die Intelligenz
mit deutscher Beharrlichkeit hier mehr leistete, als sich
nach den Ergebnissen der Vervollkommnung, die die Rübenzuckerfabrication seit so
vielen Jahren den Bemühungen der Franzosen verdankte,
erwarten ließ. Die mütterliche Pflege hat das deutsche Kind schnell erstarken
lassen; seit mehr als zehn Jahren dankt es nur dieser jede begründete Verbesserung.
Soll die Fabrication aber eine allgemeinere Verbreitung finden, so ist es nöthig,
daß man die Kräfte derer, die ihre ganze Thätigkeit ihrer Vervollkommnung widmen,
nicht jetzt schon durch höhere Besteuerung lähmt, sollte diese auch später nöthig
und bei Einzelnen bereits ohne Nachtheil auferlegt werden können.
Daß die einheimische Zuckerfabrication für die Folge im Stande ist, dem Staate das zu
leisten, was sie demselben durch die Concurrenz mit dem ausländischen Zucker
entziehen wird, steht nach den bis jetzt schon erlangten Resultaten sicher zu
erwarten. Der Staat darf aber nicht glauben, auf dem bisher befolgten Wege durch
eine höhere Besteuerung der Fabrication des Zuckers eben so zu nützen, wie dieß
durch die Besteuerungsweise der Brennereien in Preußen
wirklich der Fall gewesen ist. Bei letzteren erforderte die Art der Besteuerung das
Bestreben, eine möglichst concentrirte gegohrene Masse zu gewinnen, wodurch zugleich eine
vollkommnere Gährung und dadurch eine größere Ausbeute an Branntwein erlangt wurde.
Die Besteuerung der verarbeiteten Rübenmenge trägt aber direct nichts dazu bei, die
möglichste Zuckerausbeute aus denselben zu erhalten. Mehr würde die Besteuerung der
Fabrication schon nützen, wenn sie den Verbrauch an Brennmaterial möglichst zu
beschränken geböte, womit ich jedoch die Zweckmäßigkeit einer solchen Besteuerung
nicht aussprechen will.
Einer größeren Verbreitung der Rübenzuckerfabrication tritt, wie die Erfahrung so
vielfältig zeigt, zunächst aber noch das Hinderniß entgegen, daß der Landwirth bis
jetzt nur beschränkt den Rübenbau zweckmäßig auszuführen
versteht. Es fehlt im allgemeinen noch an der dazu nöthigen höheren Cultur des
Bodens, deren dieser aber fähig ist und sicher auch, bei dem jetzigen Streben die
Landwirthschaft zu fördern und zu pflegen, bald erlangen wird. Die Provinz Sachsen liefert hievon mit jedem Jahre neue Beweise,
indem man dort immer häufiger Zuckerfabriken mit den größeren Wirthschaften
verbunden findet.
In diesen Wirthschaften wird der Rübencultur die geeignete Bodenfläche zugetheilt und
für diese eine nach Beschaffenheit derselben passende Rotation gewählt, worin meist
mehrere Rübenernten auf einander folgen und diese häufig nur mit einer Sommerfrucht
wechseln. Bei der Auswahl der Fläche ist hauptsächlich ein warmer thätiger Boden
wünschenswerth, da ein solcher zum Gedeihen der jungen Pflanzen unbedingt nöthig
ist, denn wenn diese nicht freudig wachsen, so liefern sie später keine
zuckerreichen, gehörig ausgebildeten, länger haltbaren Rüben. Aus diesem Grunde sind
kalte oder feuchte, sich nicht leicht erwärmende Böden für den Rübenbau nicht
geeignet und müssen, wenn sie dazu benutzt werden sollen, durch Aufführen von Kalk
und solchem Compostdünger verbessert werden, dessen Bestandtheile den Boden lockern
und wo möglich dunkler färben. Da, wo bereits Fabriken vorhanden sind, werden solche
weniger zum Rübenbau geeignete Felder durch die Abfälle der Fabrik sehr bald in den
erforderlichen Stand gesetzt. Diese Abfälle sind so geeignet zur Verbesserung des
Bodens, daß man jetzt schon nicht selten Güter findet, die bei der Einräumung von
1/6–1/5 ihrer Ackerfläche zum Zuckerrübenbau dennoch nicht weniger Getreide
ernten als früher; was zum Theil aber auch durch die Futterabfälle der Fabrik
verursacht wird.
Durch eine tiefe Auflockerung des Bodens im Herbst und fleißige Bearbeitung im
Frühjahr sucht man das Gedeihen der jungen Pflanzen zu befördern, denn in einem
flachen, nicht gelockerten Boden erhalten die Rüben viele Nebenwurzeln, wodurch sie
viel Abfall und weniger Saft liefern. Frische Düngung wird möglichst vermieden, und
wo diese der Acker und
die Fruchtfolge verlangt, wählt man dazu einen gut verrotteten Compostmist, der vor
Winter untergepflügt wird. Die Aussaat geschieht möglichst früh und auf guten Böden
meist so dicht, daß nur eine Bearbeitung mit der Hand möglich wird. In der Nähe von
Magdeburg sah ich viele Rüben breitwürfig und so
dicht gesäet, daß jede Pflanze kaum ½ Fuß von der andern entfernt stand. Die
Leute haben dort durch den starken Cichorienbau, den man zugleich betreibt, eine
große Fertigkeit in der Behandlung, dem Reinigen und Auflockern solcher dicht
bepflanzten Aecker. Das jährliche Pachtgeld eines solchen, unter Spatencultur
stehenden Ackers ist gegenwärtig auf 24–26 Thaler per Magdeburger Morgen (51–55 fl. per
württemberger Morgen) gestiegen.
In Beziehung der Rübenvarietät gibt man jetzt auch im Magdeburgischen der röthlichen
Quedlinburger Rübe immer mehr den Vorzug, obgleich
immer noch einige Fabrikanten die ganz weiße schlesische Rübe allen andern
vorziehen, weil sie mehr adstringirende Bestandtheile enthalte, wodurch ihr Zucker
weniger einer Zersetzung unterworfen sey. Inwieweit dieß begründet ist, müßten
comparative Versuche entscheiden; jedenfalls ist die röthliche Rübe zuckerreicher
und weit haltbarer, auch liefert sie weniger Abfall als die ganz weiße, indem sie
eine weit kleinere Blattkrone treibt und nicht leicht aus dem Boden hervorwächst.
Hiebei ist aber zu bemerken, daß nicht alle Rüben mit röthlicher Schale diese guten
Eigenschaften besitzen. Nach meinen Beobachtungen finden sie sich nur bei solchen
Rüben, die verhältnißmäßig kleine Blätter mit langen dünneren Blattstielen haben und bei welchen
letztere oberhalb einen scharf begränzten, rothen, 2–3 Linien breiten
Streifen zeigen. Nur diese Rübe halte ich für die geeignetste zur Zuckerfabrication
und war schon seit einer Reihe von Jahren bemüht, sie durch sorgfältige Auswahl der
Samenträger constant und in größerer Menge zu gewinnen.
Wie wenig richtige Sorgfalt bis jetzt noch auf die Auswahl der Samenträger verwendet
wird, zeigt die große Verschiedenheit, welche man noch immer in der Form der Rübe
und Beschaffenheit der Blätter findet, die doch die mannichfaltigen Spielarten
derselben gewiß näher bezeichnen, als die Größe der Rübe, nach welcher man meist
noch die Samenträger wählt. Nur die Form der Rübe ist in etwas zu berücksichtigen,
sonst sollte man allein nach dem Stand, der Form, der verhältnißmäßigen Größe der
Blätter und ihrer besondern Beschaffenheit die Samenträger wählen. Erst wenn man die
richtige Sorgfalt hierauf verwendet, wird es sich zeigen, ob die Ausartung der
Rübenvarietäten
wirklich so groß ist, wie man es jetzt immer vorschützt, um die Qualität der Rüben
auf einem solchen Felde zu entschuldigen.
Die Pflege der Rübenfelder wird nur den jungen Pflanzen zugewendet und besteht in der
zeitigen Zerstörung alles Unkrauts und fleißigem Auflockern der Ackerkrume. Bei der
sorgfältig ausgeführten Ernte und Aufbewahrung der Rüben habe ich nichts neues
Bemerkenswerthes kennen gelernt. Vollständige Trennung der Blattkronen und der
möglichste Schutz gegen Sonne und Luft, also schnelle Bedeckung der geernteten Rüben
werden als nöthige Bedingung zur guten Erhaltung derselben immer mehr anerkannt.
Mehrere Fabrikanten wollen gefunden haben, daß die Bedeckung der Rübenhaufen mit
Stroh schädlich sey, weil dieß die so nachtheilige Erwärmung trotz aller Luftzüge zu
sehr begünstige, und ziehen es deßhalb vor, die Rüben zunächst mit Erde zu bedecken,
da diese die erzeugte Wärme besser ableitet. Eine Bedeckung der Erde mit Laub, Stroh
oder sonstigen Abfällen zum Schutze gegen Frost macht eine stärkere Lage von Erde
unnöthig. Unstreitig ist die Ableitung der sich erzeugenden Wärme äußerst wichtig,
da letztere das Keimen der Rüben befördert. Wie nachtheilig aber dieses Keimen auf
die Fabrication einwirkt, davon ist man zum Theil durch traurige Erfahrungen
überzeugt und sucht es deßhalb auch um jeden Preis zu verhüten, was durch Gewinnung
einer reifen oder zeitigen Rübe zunächst geschieht. Diese erhält man aber nur auf
geeignetem und gut vorbereitetem Boden, durch Vermeidung einer frischen Düngung,
durch zeitige Aussaat und durch eine sorgliche Pflege der jungen Pflanzen.
In Bezug auf die Verarbeitung der Rüben behauptet noch
immer das ältere Reib- und Preßverfahren seine allgemeinere Verbreitung. Es
hat, wie schon erwähnt, in neuester Zeit wieder manche Vervollkommnungen erhalten,
die uns dem gewünschten Ziele immer näher bringen. Im wesentlichen bestehen diese in
einer erlangten größeren Vereinfachung und dadurch möglichen Beschleunigung der
Fabrication. Es ist kein Arcanum entdeckt worden, wodurch man aus denselben Rüben
und mit demselben Aufwande mehr und besseren verkäuflichen Zucker gewinnt, und
dennoch ist alles dieses erlangt worden.
Um das Reiben zu erleichtern und einen feineren Brei und
dadurch mehr Saft zu gewinnen, leitet man häusiger als früher eine geringe Menge
Wasser auf den Reibcylinder, welchem Wasser einige Fabrikanten zur sofortigen
Abstumpfung der in der Rübe enthaltenen Säure eine kleine Quantität Ammoniak
beimischen.
Das Auspressen des Breies geschieht jetzt allgemein
zwischen Blechtafeln
statt der früheren Weidengeflechte, die nie gehörig rein zu halten sind. Zur
Gewinnung von mehr Saft findet man das Erwärmen der einmal gepreßten Kuchen häufig
wieder eingeführt, wobei man aber große Sorgfalt darauf verwendet, daß die Erhitzung
nicht bis zum Erweichen des Breies fortgesetzt werde, was, in Verbindung mit der
rascheren Verarbeitung des gewonnenen Safts, die so leicht erfolgende Alteration des
erwärmten Safts beseitigt zu haben scheint. Daß aber der früher bemerkte Nachtheil
einer Erwärmung des Breies hauptsächlich durch das zu starke Erhitzen desselben
herbeigeführt wurde, bestätigen die Beobachtungen, welche man hier in Hohenheim bei
der Ausführung des Dombasle'schen Macerationsverfahrens
machte, indem man fand, daß bei der Verarbeitung der hier bis jetzt immer noch nach
frischer starker Düngung gewachsenen Rüben hauptsächlich das Kochen nachtheilig
einwirke. Da aber dieses Kochen bei der Ausführung der Dombasle'schen Methode im Winter 1841 zu Roville ohne Nachtheil stattfand,
so führt dieß auf die Vermuthung, daß es hauptsächlich bei der Verarbeitung
schlechterer Rüben nachtheilig einwirke.
Die Läuterung des Safts geschieht ganz auf bisherige
Weise, man sucht die Erhitzung bis auf 60° R. möglichst zu beschleunigen,
setzt dann eine reichliche Portion Kalk hinzu und läßt mit diesem die Erhitzung bis
zum Kochen langsam erfolgen, damit der Kalk zu seiner Wirkung die nöthige Zeit
behält. Ohne ein stärkeres Aufwallen des Safts eintreten zu lassen, wird diese
Temperatur, bei welcher man auch die richtige Menge des Kalkzusatzes beurtheilen
kann, so lange erhalten, bis sich die hinreichende Wirkung des Kalks durch die
Entwickelung eines mehr oder weniger starken Ammoniakgeruchs zu erkennen gibt, was
jedoch noch von Wenigen, wohl nur aus Mangel an Beobachtung, als ein Zeichen der
richtigen Scheidung bemerkt worden ist. Nach der Läuterung ist am sichersten die
Güte des Safts zu beurtheilen; er wird hier um so heller oder reiner (blank) und
weniger gefärbt erscheinen, je besser die Rüben waren und je rascher er gewonnen und
erhitzt wurde. Schlechtere Rüben, sowie eine langsamere Gewinnung und Erhitzung des
Safts machen die Anwendung einer größeren Menge von Kalk erforderlich, aber es wird
nicht nur durch dessen Verbindung mit dem in größerer Menge vorhandenen
Schleimzucker der Saft dunkler gefärbt, sondern durch die Menge des Kalks auch die
Wirkung der später anzuwendenden Kohle bedeutend geschwächt.
Auf die Defecation folgt in der Regel Filtration über
Kohle, wozu man in den meisten Fabriken nicht mehr wie früher die bereits zur
zweiten Filtration benutzte, sondern eine andere wiederbelebte Kohle verwendet. Man hat die
Benützung jener Kohle zur Filtration des dünnen Safts meist deßhalb aufgegeben, weil
selten beide Filtrationen in einem und demselben Locale ausgeführt werden und
dadurch der Transport und selbst schon das Umpacken der Kohle aus einem Filter ins
andere nicht bloß umständlich, sondern auch nur zum größten Nachtheil für den darin
noch vorhandenen Saft geschehen kann. Ganz zweckmäßig läßt sich dieser Nachtheil
namentlich bei der jetzigen Anwendung sehr großer Filter beseitigen, wenn man die
Einrichtung trifft, daß der geläuterte Saft zu demselben Filter geleitet wird,
welches bereits zur Filtration des abgedampften Safts diente. Die dadurch erlangte
Ersparung an Kohle und namentlich die Vermeidung einer größeren Verdünnung des Safts
ist doch nicht unbedeutend und wird die Kosten einer solchen Einrichtung bald
lohnen.
Die erste Concentration oder Abdampfung wird in der Regel bis auf
18–20° Baumé fortgesetzt, worauf die zweite Filtration folgt. Bei den
zum Abdampfen gebräuchlichen Hallet'schen Pfannen hat man
in neuerer Zeit die Einrichtung getroffen, daß die Retourröhren das condensirte
Dampfwasser nicht aufwärts ableiten, sondern durch die Mitte des Bodens, wie bei den
Pecquer'schen Pfannen, direct dem Dampfkessel wieder
zuführen, was eine nicht unbedeutende Menge Dampf erspart. Meist findet man aber
statt dieser runden Schlangenpfannen entweder Pecquer'sche oder den Crespel'schen ähnliche
Pfannen, die eine weit leichtere Reinigung der Dampfröhren zulassen als jene Hallet'schen. Die leichtere Reinigung ist aber in Bezug
des Dampfverbrauchs bei dem ersten Abdampfen von größter Wichtigkeit, weil der sich
hier absetzende Kalk die Röhren sehr bald mit einer für die Durchleitung der Wärme
nachtheiligen Kruste überzieht.
Eine von dem verdienstvollen Fabrikanten Hrn. Hecker in
Staßfurt zuerst eingeführte Neuerung ist die Anwendung sehr großer, ganz
geschlossener Filter, wodurch augenscheinlich bedeutende Vortheile erreicht werden.
Es erhalten diese Filter eine Höhe von 10 bis 20 Fuß bei 1½ bis 3 Fuß
Durchmesser; sie sind von Eisenblech angefertigt und haben oben und unten Mannlöcher
zum Einfüllen und Ausleeren der Kohle. Die Zuleitung des Safts geschieht von einem
10–20 Fuß höherstehenden Reservoir, wodurch ein stärkerer Druck verursacht
wird, der die Wirkung der Kohle zu befördern scheint; zugleich wird aber auch
dadurch das Durchfließen des Safts durch die hohe Kohlensäule beschleunigt. Vor
Beginn der Filtration wird die Kohle in dem Filter durch oben zugeleiteten Dampf
erhitzt oder ausgedämpft, was ihre Wirksamsamkeit erhöht und das so nachtheilige
Erkalten des Safts verhindert. Zu demselben Zweck wird der Saft auch in den Reservoiren
durch Dampfröhren stets auf einer höheren Temperatur erhalten. Es ist zwar schon
eine alte Erfahrung, daß das Erkalten des Safts nachtheilig einwirkt, man hat es
aber nicht für so wichtig gehalten, um allem aufzubieten es zu verhüten. Dieses
Erkalten des Safts findet bei einem unordentlichen und namentlich bei einem
kleineren Betriebe so häufig statt und schmälert dadurch den Erfolg desselben nicht
unbedeutend.
Die Anwendung größerer Filter vereinfacht die Arbeiten der Fabrik ungemein, denn
selbst der größte Betrieb macht nur drei solcher Filter nöthig, wovon eines für den
abgedampften, ein anderes für den geläuterten Saft in Gebrauch ist, während das
dritte ausgeleert, gereinigt und gefüllt werden kann. Die Benützung eines solchen
Filters dauert in der Regel 24 Stunden; man kann sie aber auch auf länger ausdehnen,
nur darf sie nicht unterbrochen werden. Die Größe der Filter richtet sich nach der
Menge der täglich verarbeiteten Rüben. Ihre Wirkung ist höchst überraschend; ich sah
bei einem solchen, mit etwa 20 Cntr. nur wiederbelebter Kohle gefüllt, den
20grädigen Saft von 300 Cntr. Rüben anfangs wasserhell und erst nach 24 Stunden
weingelb gefärbt durchfließen. Die Gewinnung eines so schönen Safts ohne Anwendung
von frischer Kohle verdankt man zum Theil aber auch der großen Sorgfalt, welche man
auf die Wiederbelebung der gebrauchten Kohle verwendet, wovon ich später noch
einiges sagen werde.
In den meisten Fabriken benützt man zum Einkochen des gereinigten Safts
Vacuumpsannen, bei welchen die Luftleere durch Luftpumpen und Condensation erhalten
wird. Ein solcher Apparat liefert denn aber auch aus dem schönen Safte eine
Zuckermasse, aus der man in vielen Fabriken sogleich einen guten Meliszucker
darstellt. Der vom ersten Product gewonnene Syrup wird sofort in Reservoiren
gekocht, wozu man gegenwärtig meist eiserne Behälter von 3–4 Fuß Breite, 2
Fuß Höhe und 10–15 Fuß Länge anwendet. Sobald die Krystallisation erfolgt
ist, wird die Melasse aus mehreren im Boden des Behälters angebrachten Oeffnungen
abgelassen, die Krystalle aber in den fast allgemein eingeführten Schützenbach'schen Kästen weiter gereinigt und als feiner
Farinzucker verkauft. Das Reinigen des Zuckers sowohl in den Formen als Kästen
geschieht nur durch Decken mit Zuckerwasser und Klärsel.
In neuerer Zeit hat man angefangen aus dem auf den Kasten gereinigten Zucker
gleichfalls einen Hutzucker darzustellen, wozu man ihn nach dem Zerreiben etwas
angefeuchtet in eine Messingform schlagen soll. Ich hatte keine Gelegenheit diese
Operation mit anzusehen, kann sie daher auch nicht näher beschreiben, eben so wenig den
damals in der Fabrik von Hennige und Wiese gemachten Versuch, das Decken des Zuckers durch
Aussaugen des Syrups zu beschleunigen, wie man dieß schon früher in Frankreich
versuchte und was ich hier nur erwähne, um zu zeigen, wie unermüdlich thätig man an
der Vervollkommnung der Fabrication arbeitet.
Hieher gehören auch die Versuche, die man anstellte, um den Saft durch
Centrifugalkraft aus dem Breie zu gewinnen, wobei man zwar zu keinem befriedigenden
Resultate gelangte dagegen aber dieselbe Vorrichtung und zwar mit gutem Erfolge zur
Reinigung der zweiten und dritten Producte anwandte, indem diese damit sehr rasch
vom Syrup befreit wurden. Ich sah die letztere Vorrichtung in der gräflich Stollberg'schen Maschinenfabrik zu Magdeburg, wo sie nach
dem Entwurfe des dortigen Fabrik-Inspectors, Hrn. Schöttler, angefertigt worden ist.
Die ganze Rübenzuckerausbeute, welche man gegenwärtig erhält, ist zu 7–8 Proc.
anzunehmen, wovon man 3–4 Proc. als Melis, 2–3 Proc. als Farinzucker
und 1–2 Proc. als Syrup in den Handel bringt. An Melasse erhält man höchstens
2 Proc. der verarbeiteten Rüben, sie wird theils verfüttert, meist aber zu
Branntwein verarbeitet.
Die Wiederbelebung der Kohle geschieht, wie erwähnt, mit
großem Fleiße und beschränkt dadurch die Anschaffung neuer Kohlen auf ein sehr
geringes Quantum. Nach dem Gebrauche gibt man die Kohle sogleich in größere Behälter
und übergießt sie hier mit Wasser, dem man auf 100 Quart etwa 1 Pfd. Salzsäure
zusetzt; mit diesem Wasser erfolgt sehr bald eine lebhafte Gährung, die nach 8 Tagen
vollendet ist. Nach dieser Gährung und dem Ablassen des Wassers übergießt man die
Kohle noch einigemale in dem Behälter mit frischem Wasser und bringt sie dann in
kleine Standen, wo man sie so lange mit salzsäurehaltigem Wasser übergießt, bis sie
den aufgenommenen Kalk verloren hat. Um dieß genau zu erkennen, wendet man in
einigen Fabriken das von dem Hrn. Chemiker Schatten in
Halberstadt angegebene VerfahrenPolytechn. Journal Bd. XCV S. 104. an, was darin
besteht, daß man eine gewisse Menge der Kohle mit einer bestimmten Menge Essig
erhitzt und dann durch völlige Neutralisation untersucht, wie viel Kalk noch in der
Kohle vorhanden war. Es soll dieser verdiente Chemiker seit einiger Zeit ein
besseres Verfahren zur Wiederbelebung der thierischen Kohle erfunden haben, welche
Erfindung mir von
einigen Fabrikanten, die sie anwenden wollten, sehr gerühmt wurde. Worin dieß
bessere Verfahren besteht, konnte mir als Geheimniß nicht mitgetheilt werden; so
viel ich aber vermuthe, besteht es in einer besseren Befreiung der Kohle von den
aufgenommenen schleimigen Theilen, die selbst durch fleißiges Waschen nicht entfernt
und wodurch beim späteren Glühen die Poren der Kohle nach und nach ganz verstopft
werden.
Zum bequemeren Waschen findet man noch selten ganz
geeignete Vorrichtungen, und ich glaube hier nochmals auf die hier in Hohenheim zu diesem Zweck angewandte Vorrichtung
aufmerksam machen zu dürfen, die früher beschrieben und dadurch noch zu verbessern
ist, daß man den Boden des unteren Theils vom Schlemmcanal aus einem fein
durchlöcherten Eisen- oder besser Kupferblech anfertigt, von welchem das
Wasser in den darunter stehenden Schlammbehälter abfließt, die gröbere Kohle aber
zurückgehalten wird.
Das Ausglühen der Kohle geschieht im Magdeburgischen fast
allgemein in den bekannten schmalen aufrechtstehenden Cylindern, die unten durch
Schieber, oben aber durch Kapseln verschlossen werden. Durch sorgfältigen Verschluß,
namentlich oberhalb, ist ein Verbrennen der Kohle wohl zu vermeiden, jedenfalls ist
die Ersparung an Brennmaterial bei dieser Art des Ausglühens größer als der
Vortheil, den man bei der Wiederbelebung in Töpfen durch größere Schonung der Kohle
erlangen will.