Titel: Ueber die verbesserte Fabrication der Rasirmesser der Messerfabrikanten Gebrüder Dittmar in Heilbronn am Neckar; von K. Karmarsch.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXXV., S. 299
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LXXV. Ueber die verbesserte Fabrication der Rasirmesser der Messerfabrikanten Gebrüder Dittmar in Heilbronn am Neckar; von K. Karmarsch. Aus den Mittheilungen des Gewerbevereins für das Königreich Hannover, 41 ste Lief., S. 385. Karmarsch, über die Dittmar'schen Rasirmesser. Das Bedürfniß guter Rasirmesser und die häufigen Klagen, daß man nur zufällig unter den im Handel coursirenden Rasirmessern gewöhnlicher Art, selbst den elegantesten und theuersten, ein recht gutes bekomme, veranlaßten die in der Ueberschrift genannten Fabrikanten schon vor vielen Jahren, diesem Gegenstande alle Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu widmen. Nach ihrer Erfahrung liegt der Fehler nicht allein in der minder pünktlichen Behandlung der Klingen beim Schmieden und Härten, als vielmehr auch in der gewöhnlichen Construction der Rasirmesser; denn wegen des Mißverhältnisses des dicken Rückens zu der dünnen Schneide können die Klingen nicht durchaus gehörig gehärtet werden. Geleitet durch diese Betrachtung verfertigten sie bereits im Jahre 1829 Rasirmesser von gleicher Stärke, mit aufgeschobenem Rücken, und diese Verbesserung, wofür sie damals in Württemberg patentirt wurden, bewährte sich seither so gut, daß sich ihr Fabricat jetzt in weitem Kreise des besten Rufes erfreut. Auf der allgemeinen deutschen Gewerbe-Ausstellung zu Berlin, im Jahre 1844, fanden dieselben, nebst den anderen vorzüglichen Erzeugnissen der Gebrüder Dittmar, ungetheilten Beifall. Aus neueren Erfahrungen zogen die Fabrikanten jedoch den Schluß, daß die Klingen stets desto besser ausfallen, je weniger sie beim Schmieden erwärmt werden; denn der feine Stahl nimmt, besonders in dünnen Stücken, durch häufiges Erwärmen leicht Schaden. Dieser Umstand machte es sehr wünschenswerth, die dünnen Rasirmesserklingen auf kaltem Wege herzustellen, und es ist den Gebrüdern Dittmar neuerlich, in dem fortwährenden Bestreben ihren Fabricaten die möglichste Vollkommenheit zu geben, gelungen jenes Schmieden und warme Zurichten gänzlich zu beseitigen, und dem gemäß mit größter Sicherheit die vorzüglichsten Rasirmesser zu erzeugen. Sie walzen nämlich den feinsten India-Stahl in kaltem Zustande bis zur Klingendicke, und pressen oder schneiden dann aus diesem kaltgewalzten Stahle mittelst einer Prägmaschine, ebenfalls kalt, auf einen einzigen Druck die Klingen aus. Alle auf diese Art gewonnenen Rasirmesser zeichnen sich vorzugsweise durch ihre dauerhafte feine Schneide aus; denn die Klingen haben schon durch das Walzen und Pressen eine so außerordentliche Dichtigkeit angenommen, daß sie zum Behufe der Härtung weit weniger als sonst erwärmt werden dürfen, wozu nach einer eigenthümlichen Methode die Flamme von Kohlenwasserstoffgas in Anwendung gebracht wird. Hiedurch wird den Messern der größte Theil der ursprünglichen Zähigkeit des feinen ungehärteten India-Stahls erhalten, welche beim gewöhnlichen Härte-Verfahren im Verhältniß mit dem Grade der angewendeten Erhitzung und Abkühlung verschwindet. Da durch die schwarze englische Politur die geschliffenen Rasirmesser leicht verbrannt, d. h. an der Schneide nachtheilig erweicht werden, so haben die Gebrüder Dittmar ihren Patent-Rasirmessern durch galvanische Vergoldung eine matte Goldfarbe gegeben; und um das häufige Rosten des hintern Theils der Klingen (des sogenannten Talons), besonders in Elfenbeinheften, zu verhüten, belegen sie denselben mit Neusilber. Von der specifisch verschiedenen Einwirkung auf den Stahl, welche bei dieser Fabricationsmethode, im Vergleich mit der sonst üblichen, stattfindet, gibt schon die interessante Beobachtung ein sprechendes Zeugniß: daß an den Dittmar'schen Messern von verdichtetem Stahle, welche mit einer nur geringen Erhitzung und Abkühlung vollends auf den nöthigen Härtegrad gebracht werden, sehr schöne feine Damastzeichnungen erscheinen, wenn die der Vergoldung vorausgehende Aetzung ihre innere Textur aufdeckt; wogegen die aus derselben Stahlsorte geschmiedeten Klingen, welche stärker geglüht und abgekühlt werden müssen, um die gehörige Härte zu erlangen, beim Aetzen entweder schlicht bleiben, oder nur feine Punkte zeigen. Nicht zu verwechseln mit der Dittmar'schen Fabrication ist. die schon vor längerer Zeit in Frankreich patentirte Methode, Rasirmesser aus dünnem Stahlbleche zu pressen oder vielmehr auszuschneiden; denn obwohl diese letztgenannte Operation des Ausschneidens in beiden Fällen angewendet wird, so findet doch ein höchst wesentlicher Unterschied statt. Bei dem französischen, nur auf Beschleunigung der Fabrication, aber keineswegs auf Verbesserung der Klingen berechneten Verfahren fehlt das vorausgehende Kaltwalzen des Stahls, womit folglich das angedeutete vortheilhafte Resultat gänzlich wegfällt. Während das Stahlblech, als auf warmem Wege erzeugt, sich vor dem gewöhnlichen Stahle in keiner Weise auszeichnet und ungleich, ja sogar stellenweise verbrannt ist, übertrifft das Korn einer kaltgewalzten Stahlplatte an Feinheit, Dichtigkeit und Gleichförmigkeit den besten käuflichen Stahl. Eben deßhalb ist bei den aus Stahlblech geschnittenen Messern die genügende Härtung nicht anders als auf die gewöhnliche Weise, durch starke Erhitzung und Abkühlung möglich, so daß ein zweiter wesentlicher Vorzug der Dittmar'schen Methode hier ebenfalls unerreicht bleibt. Die württembergische Regierung hat für diese wesentlichen Verbesserungen in der Rasirmesserfabrication den Gebrüdern Dittmar unter dem 5. Julius 1845 ein Erfindungs-Patent auf zehn Jahre verliehen; und am Geburtsfeste des Königs, 27. September d. J., bei der zur Feier dieses Tags stattfindenden Prämien-Austheilung, ist ihnen ein Ehrenpreis, bestehend in einer silbernen Medaille und 30 Ducaten, zuerkannt worden. Die Erfinder haben mich auf vertraulichem Wege in die genaue Kenntniß ihrer Rasirmesserfabrication nach allen Einzelheiten des Verfahrens gesetzt, und ich kann demnach aus eigener Ueberzeugung der vortrefflichen rationellen Combination, welche darin sich ausspricht, das rühmlichste Zeugniß geben, wobei ich durch die Ansicht von Proben des kaltgewalzten Stahls unterstützt werde. Nicht minder mag es mir erlaubt seyn anzuführen, daß die höchst saubere und fleißige Ausarbeitung der fertigen Messer jeder Erwartung genügt, und daß meine bisherige Erfahrung beim Gebrauche solcher Messer mich berechtigt, sowohl deren treffliche Schneide im jetzigen Zustande zu loben, als für die große Dauerhaftigkeit derselben die besten Erwartungen zu hegen. Es gewährt mir demzufolge wahres Vergnügen, alle, welche dieser Gegenstand in irgend einer Weise interessirt, auf eine neue Leistung des deutschen Kunstfleißes aufmerksam zu machen, deren Anwendung auf andere feine Schneidwerkzeuge gewiß nur von bedeutendem Nutzen seyn würde.Der Unterzeichnete kann ebenfalls aus Erfahrung die ausgezeichnete Güte der Dittmar'schen Rasirmesser bestätigen, welche eine nothwendige Folge des oben mitgetheilten Princips ihrer Fabrication ist. Es versteht sich übrigens, daß das neue Verfahren der Gebrüder Dittmar für alle feinschneidenden Instrumente überhaupt von außerordentlichem Werthe ist.Die genannten Fabrikanten liefern zu ihren Rasirmessern auch vortreffliche Streichriemen, welche ziemlich fest so gepolstert sind, daß sie der Breite nach etwas convex werden; dadurch ist der Schneide des Messers beim Streichen eine gleichmäßige Auflage gesichert und den bisherigen Uebelständen vorgebeugt, welche bei den glatten, meistens zu harten Streichriemen darin bestanden, daß die Klinge zu sehr abgenützt wurde; bei den hohlliegenden Streichriemen aber, selbst wenn man sie noch so straff spannte, darin daß die Schneide der Messer bald abgerundet wurde. Die Dittmar'schen Streichriemen von feinem schwarzen Juchtenleder haben zwei Seiten, wovon die eine zum Vorstreichen bestimmte mit rother, die andere zum Nachstreichen dienende mit schwarzer pâte minérale eingerieben ist.E. D.