Titel: Versicherungsmittel für die wirklich geschehene Visitation einer Eisenbahn vor jedem Zug, sowohl bei Tag als bei Nacht.
Autor: Oscar v. Schellerer
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXXXII., S. 349
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LXXXII. Versicherungsmittel für die wirklich geschehene Visitation einer Eisenbahn vor jedem Zug, sowohl bei Tag als bei Nacht. Mit Abbildungen auf Tab. V. Versicherungsmittel für die wirklich geschehene Visitation einer Eisenbahn etc. So wie ich bei meinem telegraphischen Excentric bemüht war dem Bahnwärter es unmöglich zu machen das Zeichen der Richtigstellung zu geben, ohne daß das Excentric auch wirklich richtig steht, so will ich ihn durch das nun zu beschreibende Versicherungsmittel zwingen, seine Strecke unmittelbar vor jedem Zug zweimal zu begehen, und sollte er dieß ganz oder theilweise versäumen, so wird seine Nachlässigkeit auf der Stelle entdeckt und man kann, keine Ausrede als gültig erachtend, ihn mit aller Strenge bestrafen. Die durchschnittliche Maximalentfernung eines Bahnwarthäuschens von dem andern ist auf 3500 Fuß festgesetzt; jedem Wärter ist die Hälfte dieser Strecke rechts und links von seinem Standpunkt zur Aufund Nachsicht zugewiesen, und nach den meisten bisher bestehenden Instructionen über Bahnsicherheit muß derselbe wenigstens eine Stunde vor Abgang des Zugs auf seinen Posten seyn und durch fleißiges Abgehen seiner Strecken sich von dem Zustande der Bahn überzeugen. Wie nothwendig dieß ist, braucht wohl nicht erst erläutert zu werden, ebensowenig als die großen Vortheile, welche aus einer oftmaligen und aufmerksamen Visitation der Bahn entstehen, wodurch allein Unglücksfällen vorgebeugt werden kann. Aus eigener dienstlicher Erfahrung sowohl als auch durch mehrfache Bestätigung vieler Eisenbahnbeamten habe ich leider die traurige Gewißheit geschöpft, daß die Bahnabtheilungen von den betreffenden Wärtern in der Regel nur theilweise, sehr oft auch gar nicht, namentlich vor dem ersten Zuge des Morgens, gehörig abgegangen werden. Die meisten Bahnwärter wohnen auf benachbarten Dörfern, und selbst wenn sie auf der Bahn in einzelnen Häusern consignirt sind, kommen sie doch sehr häusig erst 5 oder 10 Minuten vor Abgang des Zugs auf ihren Posten, wo sie dann nur möglichst schnell ihr Zeichen „alles in Ordnung“ geben, während vielleicht bedeutende Verletzungen auf der Bahn während der Nacht stattgefunden haben. Um nun einerseits den Bahnwart, wie oben bemerkt zu zwingen, seine Strecke vor jedem Zug zweimal abzugehen, andererseits dem Locomotivführer ein sicheres Zeichen für die Visitation der Bahn zu geben, bringe ich auf der Gränzscheide zwischen zwei Bahnwärterhäuschen einen 5 Fuß hohen Pfahl a, b, Fig. 46, an; auf demselben befindet sich ein eisernes 1 Fuß hohes Stängchen b, c. Jeder Bahnwart erhält zwei weiß- und zwei rothlackirte blecherne Kugeln von ½ Fuß Durchmesser, welche oben und unten mit einem Loche versehen sind. Die weißen gehören für die erste, die rothen für die zweite Fahrt, und so abwechslungsweise fort. Von diesen Kugeln muß er nun vor jedem Zug eine mit der für die Fahrt entsprechenden Farbe auf das eiserne Stängchen setzen. Kommt nun der Zug, so müssen auf jedem Pfahl zwei Kugeln stecken, denn B, Fig. 47, muß nach seiner Gränze a und b gegangen seyn, ebenso A nach a und C nach b. Hieraus geht klar hervor, daß jede Strecke nothgedrungen zweimal begangen werden muß. Bemerkt der Locomotivführer, daß irgendwo nur eine Kugel steckt, so kann er, da ihm die Bahn unvisitirt erscheint, seine Fahrgeschwindigkeit mäßigen; der Zugführer wird sich die Nummern bemerken, zwischen welchen der Fehler stattfand und darnach seine Anzeige zur Bestrafung des betreffenden Bahnwarts machen. Bei Nacht wird das Versicherungszeichen durch kleine Laternen gegeben, an denen zur Einsetzung auf die Stange entsprechende Hülsen angebracht sind und von welchen auch stets zwei aufeinander stehen müssen. Oscar v. Schellerer,königl. bayerischer Bahnhofverwalter.

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