Titel: | Ueber Klappen für atmosphärische Eisenbahnen. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XCVII., S. 410 |
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XCVII.
Ueber Klappen für atmosphärische
Eisenbahnen.
Aus den Practical Mechanic and Engineer's Magazine.
Dec. 1845, S. 68.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Ueber Klappen für atmosphärische Eisenbahnen.
Zahlreich sind die Vorschläge, welche gemacht wurden, um den Druck der Atmosphäre als
bewegende Kraft für Eisenbahnen zu benützen. Der eine Erfinder macht die
Haupttriebröhre durch eine stationäre Dampfmaschine, welche große Luftpumpen in
Bewegung setzt, luftleer, ein anderer (Hr. Mallett)
schlägt vor, den Dampf direct zu benützen, so daß die Anschaffungskosten einer
Dampfmaschine mit Luftpumpen wegfielen und noch dazu der Hauptvortheil erreicht
würde, daß durch Dampfmaschine und Luftpumpen keine Kraft mehr absorbirt würde. Er
empfiehlt mehrere große Dampfkessel mit einander zu vereinigen, in denselben
Hochdruckdampf zu erzeugen und diesen Dampf in ein großes Dampfreservoir strömen zu
lassen, aus welchem die Luft dadurch verdrängt würde. Die Größe eines solchen
Dampfreservoirs hinge dann natürlich von dem cubischen Inhalt der Triebröhre ab.
Sobald das Dampfreservoir mit Dampf von einer Atmosphäre Spannung (denn der Dampf
wird sich in demselben expandiren) gefüllt ist, wird die Verbindung desselben mit
den Kesseln durch Absperrung von Hahnen oder Dampfschiebern unterbrochen, und dafür
das Reservoir mit einem Condensator in Verbindung gebracht. Dadurch wird nun der
Dampf im Reservoir condensirt, und deßhalb in demselben ein mehr oder minder
bedeutendes Vacuum hervorgebracht. Wird nun das Reservoir mit der Haupttriebröhre,
welche der ganzen Länge nach oben verschlossen ist, in Verbindung gebracht, so
strömt ein Theil der Luft, welche in der Triebröhre eingeschlossen war, in dasselbe,
und die Luft in der Triebröhre wird dadurch verdünnt. Hätte z. B. das Reservoir
genau denselben cubischen Inhalt wie die Triebröhre, und setzen wir voraus, daß man
das Reservoir vollkommen luftleer machen könnte oder gemacht hätte und daß alsdann
eine Verbindung zwischen Reservoir und Triebröhre hergestellt worden wäre, so würde
die Luft, welche vorher in der Triebröhre allein war, nun auch das Reservoir
erfüllen müssen; sie würde deßhalb einen doppelt so großen Raum einnehmen müssen und
folglich nur noch ihre halbe anfängliche Spannung haben.
Würde nun die Verbindung zwischen Reservoir und Triebröhre unterbrochen und aufs neue
Dampf in das Reservoir gelassen, um die Luft daraus zu verdrängen und der Dampf dann wieder
condensirt, worauf die Verbindung zwischen Triebröhre und Reservoir wieder
hergestellt würde, so würde die schon auf die Hälfte verdünnte Luft in der
Triebröhre noch einmal auf die Hälfte verdünnt werden und folglich nur noch ¼
Atmosphäre Spannung haben u. s. f. Solcher Reservoirs schlägt Hr. Mallett zwei vor, so daß in das eine derselben Dampf
eingelassen werden könnte, während in dem anderen ein Vacuum hergestellt würde.
Durch das zweite Reservoir würde also die Evacuation beschleunigt und sie würden
dann zusammen arbeiten wie eine doppeltwirkende Luftpumpe, bei welcher auch eine
Kolbenfläche Luft entzieht, während die andere die im Cylinder eingeschlossene Luft
ausstößt. Das Füllen mit Dampf und Condensiren desselben in den Reservoirs könnte
und müßte nun, während der Wagenzug im Gange ist, noch fortgesetzt werden, wie man
auch während der ganzen Fahrt bei der Eisenbahn von Clegg
und Samuda die Luftpumpe im Gang erhält. Damit während
der Zeit, wo gerade kein Dampf gebraucht wird, das Brennmaterial nicht unnöthig
verbrennt und man dessenungeachtet nicht nöthig haben soll das Feuer auszulöschen,
wodurch die Kessel sich schnell abkühlen, schlägt Hr. Mallett eine Vorrichtung vor, wodurch der Luftzutritt zum Ofen plötzlich
ganz abgesperrt werden kann. Die Kohlen auf dem Rost bleiben dabei glühend, ohne
jedoch viel zu verbrennen, so daß, wenn plötzlich wieder Dampf gebraucht wird, man
nur nöthig hat den Luftzug wieder herzustellen, um augenblicklich eine lebhafte
Flamme und intensive Hitze zu bekommen.
Ein dritter Erfinder füllt seine ganz geschlossene Röhre voll Wasser und gibt
demselben einen 33 Fuß tiefer gelegenen Abfluß, um auf diese Weise das bestmögliche
Vacuum zu erhalten etc.
Was nun die Klappen für die Triebröhren betrifft, so herrscht darüber noch eine viel
größere Meinungsverschiedenheit und noch bei weitem mehr Vorschläge wurden gemacht:
Medhurst, der erste Ingenieur, welcher eine
atmosphärische Eisenbahn für ausführbar hielt, schlug die Wasserklappe vor, Pinkus gebrauchte die Seilklappe, Pilbrow vermied die ganze Klappe, und die einzige, welche gegenwärtig im
Großen ausgeführt wurde, die von Clegg und Samuda, ist eine Lederklappe. Drei spätere Erfindungen
von Hrn. Mallett, Hrn. Hallette, einem Franzosen, und Hrn. Bodmer in
Manchester haben alle etwas neues in ihrer Construction. (Alle diese Klappen, mit
Ausnahme der letzten, sind bereits im polytechn. Journal beschrieben worden.)
Bodmer's Klappe ist aus zwei Lederstreifen
zusammengesetzt, die durch hölzerne Keile auf der Triebröhre befestigt sind. An der
Triebröhre sind deßhalb
rechtwinkelig umgebogene Flanschen angegossen; aus den Abbildungen wird die ganze
Anordnung leicht verständlich. Fig. 16 ist ein
Längendurchschnitt durch die Mitte der atmosphärischen Röhre, mit dem Kolben und dem
Verbindungsstück des Wagens mit dem Kolben. Fig. 17 ist ein
entsprechender Grundriß und Fig. 18 ein Querschnitt
der Röhre mit der Klappe. Die Lederstreifen a, a sind,
wie schon gesagt, mittelst hölzerner Keile, die in die offenen Seiten der Flanschen
auf der Röhre eingetrieben sind, befestigt. Die anderen Seiten der Lederstreifen
stehen einander gegenüber und legen sich unter einem spitzen Winkel gegen einander
an, so daß die Spitze des Winkels nach oben gekehrt ist. Die Verbindungsstange des
Kolbens mit dem Wagen geht zwischen den Lederstreifen durch und diese öffnen sich
dabei, wie b, b anzeigt. Würde bloß eine massive
Verbindungsstange angewendet, so würde sich die Klappe gleich unmittelbar hinter
derselben wieder schließen und den Zutritt der Luft zu der hinteren Kolbenfläche
verhindern. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, ist hinter die Verbindungsstange eine
geschlitzte Metallplatte c angehängt, welche die
Lederstreifen von einander entfernt hält und durch die Schlitze d, d den Zutritt der Luft gestattet. Aus der Zeichnung
ist zu ersehen, daß zwei Kolben statt eines angewandt sind. Sie halten einander das
Gleichgewicht und durch dieselben ist es möglich, den Wagenzug sogleich in der
entgegengesetzten Richtung zu bewegen, was mit einem einzelnen Kolben nicht
geschehen kann, ohne ihn vorher umzuwenden, weßhalb er aus der Röhre herausgenommen
und dann wieder bis zur Verbindungsstange in die Röhre eingeschoben werden muß. e, e sind kreisförmige Scheibenventile, welche aus einem
Stück mit der sie verbindenden Röhre gegossen sind; sie können sich auf der
Kolbenstange verschieben, so daß jedesmal mit einer derselben eine Kolbenöffnung
verschlossen werden kann, je nachdem sich der Wagenzug in einer oder der anderen
Richtung bewegen soll. Die Kolben sind nicht direct an den ersten Wagen angehängt,
sondern es ist eine Vorrichtung getroffen, daß dieselben nachgeben können, wenn sich
die Röhre oder die Bahn gesenkt haben sollte, f, f sind zwei Zapfen, welche mit dem Verbindungsstücke aus
einem Stück geschmiedet sind; g, g sind gekrümmte gußeiserne Leitungsstücke, die an die Wagenrahmen
aufgeschraubt sind. Die Zapfen f, f gehen durch diese Führungsstücke und auch durch die hohlen Federbüchsen
h, h, welche oben durch
Muttern zugeschraubt sind. In den Büchsen h, h liegen spiralförmige Federn, welche so gespannt sind,
baß sie das Gewicht der Kolben und ihres Zubehörs tragen und denselben eine kleine
verticale Bewegung dann gestatten, wenn Triebröhre Und Bahn nicht mehr genau
parallel liegen sollten. Die Krümmung in den Führungsstücken g, g gestattet auch eine kleine Seitenbewegung beim
Durchfahren von Curven. Die ganze Anordnung ist außerordentlich einfach, da das
Leder keine andere Befestigung auf der Röhre braucht, als hölzerne Keile, welche
leicht einzutreiben und bei vorkommenden Reparaturen auch leicht zu erneuern
sind.