Titel: Ueber den Apparat des Hrn. Boulanger zur Bereitung von Leuchtgas aus Steinkohlen; von Péclet.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. CVI., S. 435
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CVI. Ueber den Apparat des Hrn. Boulanger zur Bereitung von Leuchtgas aus Steinkohlen; von Péclet.Es ist dieß derselbe Apparat, welchen sich J. Murdoch für England patentiren ließ und den wir S. 258 in diesem Bande des polytechnischen Journals mitgetheilt haben; wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes lassen wir Péclet's Bericht mit den deutlichern Abbildungen nachfolgen.A. d. R. Aus dem Bulletin de la société d'Encouragement, Dec. 1845, S. 574. Mit Abbildungen auf Tab. VII. Péclet, über Boulanger's Bereitung von Leuchtgas. Hr. Boulanger (rue Laffitte No. 33 in Paris) hat bei seinem Apparat zum Zweck 1) mehr Gas zu erhalten als man durch die gewöhnliche Methode gewinnt; 2) den Schwefel welcher sich in den entwickelten Gasen in verschiedenen Zuständen befindet zu absorbiren, so daß ein bloßes Auswaschen zur Reinigung des Gases hinreicht. Das Princip dieses Apparats besteht darin, alle Destillationsproducte der Steinkohle durch gußeiserne Röhren zu leiten, welche Kohks und Eisendraht oder Eisenblech enthalten und auf der Temperatur der Retorte erhalten werden, wobei man den Destillationsproducten eine gewisse Menge Wasser beifügt. Der Apparat besteht aus einer gußeisernen Retorte welche auf gewöhnliche Weise eingemauert ist; über der Retorte befinden sich zwei gleichlange Röhren und an der Hinterseite des Ofens ein gußeiserner Kasten, welcher durch eine senkrechte Scheidewand, die nicht ganz auf den Boden des Kastens hinabreicht, in zwei Abtheilungen getheilt ist; eine der Röhren communicirt mit dem Obertheil der Retorte, ihr anderes Ende mit einer der Abtheilungen des Kastens; die zweite Abtheilung des Kastens aber mit einem Ende der zweiten Röhre, deren anderes Ende sich mit der Gasentwicklungsröhre verbindet; letztere leitet das Gas in ein cylindrisches zum Theil mit Wasser gefülltes Gefäß mit hydraulischem Verschluß, dessen Deckel mit einer senkrechten Platte, welche die Form einer Spirale hat, versehen ist, die einen langen Canal bildet, welchen das Gas durchlaufen muß, ehe es sich in den Gasometer begibt. Eine der Röhren und eine der Abtheilungen des Kastens sind mit Kohks gefüllt, die andere Röhre und die andere Abtheilung enthalten Eisen als Draht oder Bleche. Ein sehr dünner Wasserstrahl fällt beständig in die Abtheilung des Kastens welche die Kohks enthält. Die verlängerte Berührung des Gases mit den glühenden Kohks hat zum Zweck den Theer zu zersetzen, welcher mechanisch mitgerissen wird, oder in Dampfform aus der Retorte entweicht und bei der gewöhnlichen Einrichtung sich in dem Kühlapparat verdichtet. Die Berührung des Gases mit dem Eisen bei der Rothglühhitze hat zum Zweck alle Kohlenwasserstoffe in Gase zu verwandeln und den Schwefel aus den verschiedenen Verbindungen, worin er sich befindet, abzuscheiden und zurückzuhalten (derselbe kommt als Schwefelkohlenstoff, Schwefelwasserstoff und schwefelwasserstoffsaures Ammoniak in den Gasen vor). Endlich verdampft das Wasser welches auf die glühenden Kohks gelangt, augenblicklich, ein Theil desselben wird zersetzt und liefert Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure; wahrscheinlich aber wirkt das Wasser hauptsächlich dadurch, daß es Gase und Dampf erzeugt, welche gerade so wie in Selligue's Apparat die Bildung gasförmiger Kohlenwasserstoffe begünstigen und sie gegen Zersetzung schützen. Da Hr. Boulanger einen Apparat verfertigen ließ, worin man 20 Kil. Steinkohlen destilliren kann, so hat die Commission der Société d'Encouragement zahlreiche Versuche angestellt, um die von ihm angegebenen Thatsachen zu prüfen. Folgendes sind die erhaltenen Resultate. Erster Versuch. Man operirte in der Art, daß man zuerst nach dem bisherigen System verfuhr und sodann die Gase die zwei Röhren und den Kasten durchlaufen ließ. Nach der ersten Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 221 Liter Gas Nach der zweiten Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 261 Liter Gas Zweiter Versuch. Erste Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 190 Liter Gas Zweite Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 276 Liter Gas Dritter Versuch. Erste Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 261 Liter Gas Zweite Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 360 Liter Gas Vierter Versuch. Erste Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 226 Liter Gas Zweite Methode gab 1 Kil. Steinkohlen 335 Liter Gas Bei den vier folgenden Versuchen wurde nun die letzte Methode angewendet und man erhielt von 1 Kil. Steinkohlen 357, 327, 369 und 323 Liter Gas. Es ist daher kein Zweifel, daß in dem neuen Apparat beträchtlich mehr Gas erzeugt wird. Um die Güte des Gases zu prüfen, verglich man nach einander mit derselben Carcel'schen Gaslampe zwei Gasbrenner, die mit Gasmessern versehen waren, wovon der eine mit Gas aus Boulanger's Apparat, der andere mit Gas aus einer Fabrik gespeist wurde; die Intensität des Lichts war bei beiden Brennern ziemlich gleich, aber der Brenner mit Gas aus dem neuen Apparat verzehrte stündlich 138 Liter, während der andere 160 Liter verbrauchte. Das Gas, wie es aus dem Gasometer kam, enthielt keine Spur Schwefelwasserstoff; dagegen enthielt das Wasser im Kühlapparat eine beträchtliche Menge davon. Die Commission konnte die Quantität Kohks welche zum Heizen verwendet wurde, nicht berücksichtigen, weil sich aus dem Versuch kein sicherer Schluß auf den Verbrauch im Großen bei Anwendung zusammenhängender Oefen und unausgesetztem Heizen derselben hätte ziehen lassen; es ist aber kein Grund vorhanden warum der neue Apparat mehr Brennmaterial verbrauchen sollte. Die Commission konnte nicht ermitteln ob die größere Leuchtkraft des neuen Gases von der chemischen Zusammensetzung desselben oder seinem Gehalt an permanenten Gasen herrührt oder von Dämpfen, welche sich mit der Zeit oder beim langen Fortleiten desselben verdichten würden; diese Frage kann nur durch einen Versuch in großem Maaßstab gelöst werden. Ebensowenig konnte sie bestimmen, wie oft die Eisendrähte oder Eisenbleche im Apparat erneuert werden müssen, und welche Kosten dadurch verursacht werden; es ist aber nicht wahrscheinlich, daß dieselben beträchtlich sind, denn wenn das Eisen mit einer Schicht Kohlenstoffeisen oder Schwefeleisen überzogen ist, so braucht man es nur im Feuer rothglühend zu machen und zu klopfen, damit der Ueberzug abfällt und die Oberfläche desselben wieder rein und brauchbar wird. Der Apparat von Boulanger ist complicirter und theuerer als die gewöhnlichen und erheischt auch mehr Unterhaltungskosten; wir glauben jedoch, daß sich dieselben durch die erwähnten Vortheile mehr als ausgleichen werden. Aus dem Vorhergehenden ersieht man, daß sich der neue Apparat zur Gasbereitung auf drei Principien gründet: die Zersetzung des Theers durch die glühenden Kohks, die Absorption des Schwefels durch das rothglühende Eisen und endlich die Dazwischenkunft des Wassers in Dampfform. Diese drei Principien sind schon von andern angegeben und angewandt worden: die Zersetzung des Theers durch Kohks ist in dem Werke über Gasbeleuchtung von Robert d'Harcourt angegeben und die Anwendung des Eisens in dem Mémorial du chimiste manufacturier von Colin Mackenzie, endlich wurde die Anwendung des Wassers bei der Gasbereitung aus den Schieferölen bekanntlich von Selligue eingeführt; aber eine solche Einrichtung, welche diese drei Principien vereinigt, um sie zur Erzeugung und Reinigung des Steinkohlengases anzuwenden, bildet die Eigenthümlichkeit von Boulanger's Apparat. Nur Versuche im Großen können uns belehren ob das Gas durch metallisches Eisen wohlfeiler gereinigt werden kann, als durch Kalt oder Mallet's Verfahren (das schwefelsaure Eisenoxydul und salzsaure Mangan); sie sind auch nöthig um zu erfahren, ob die höhere Leuchtkraft des Gases, welche sich bei unsern Versuchen herausstellte, sich erhält, falls das Gas große Strecken durchlaufen muß, ehe es zu den Brennern gelangt. Beschreibung des Apparats. — Fig. 9 ist ein senkrechter Durchschnitt des Ofens zum Destilliren der Steinkohlen und ein Seitenaufriß der Retorte und der Gasleitungsröhren. Fig. 10 ist ein senkrechter Durchschnitt der Vorlage oder des Condensators. Fig. 11 ist ein senkrechter Durchschnitt des Kühlapparats. Fig. 12 ist der Deckel des Kühlapparats von Unten angesehen. Fig. 13 ist ein gußeiserner Kasten, worin die Reinigung stattfindet, im Seitenaufriß. Fig. 14 zeigt denselben im Durchschnitt. Fig. 15 ist eine Frontansicht der Retorte, auf welcher die Gasleitungsröhren angebracht sind. Dieselben Buchstaben bezeichnen dieselben Gegenstände in allen Figuren. A Ofen; B gußeiserne Retorte zum Destilliren der Steinkohlen; C Mundstück dieser Retorte; D Schraube zum Aufdrücken des Deckels auf das Mündstück; E Tubulatur auf der Retorte; F Rohr, welches das Gas in den gußeisernen Kasten G leitet; H Röhre, welche mit der vorhergehenden verbunden ist und das Gas in die Tubulatur E leitet; I senkrechte Scheidewand im Innern des Gefäßes G, welche aber nicht bis auf den Boden reicht; J Abtheilung zur Linken, welche zu zwei Drittel ihres Hohlraums mit Kohks gefüllt ist; K Abtheilung zur Rechten, welche mit Eisenspänen gefüllt ist; L heberförmige Röhre, welche Wasser auf die glühenden Kohks in der Abtheilung J gießt; M gekrümmte Röhre, welche das aus der Röhre H kommende Gas in den Condensator N leitet; der zum Theil mit Wasser gefüllt ist; O andere gekrümmte Röhre, welche in den Deckel des Condensators eingelassen ist, und das Gas in den Kühlapparat P leitet; Q, Q Heber um das Wasserniveau in den Gefäßen N und P zu unterhalten; R, R spiralförmige Scheidewände, unter dem Deckel S des Kühlapparats angebracht; T Röhre, welche das gereinigte Gas in den Gasometer leitet; U Röhre zum Ablassen des Reinigungswassers; V Mundstück zum Verschließen der Röhren F und H; X Mundstück des gußeisernen Kastens G. Die Pfeile bezeichnen die Richtung des Gases in den Röhren und den Apparaten.

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Tafel Tab.
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Tab. VII