Titel: Ueber die Benützung der Destillationsrückstände des Weins als Düngmittel oder zur Kalibereitung etc.; vom Apotheker Batilliat zu Mâcon.
Fundstelle: Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XCVI., S. 466
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XCVI. Ueber die Benützung der Destillationsrückstände des Weins als Düngmittel oder zur Kalibereitung etc.; vom Apotheker Batilliat zu Mâcon. Aus dem Moniteur industriel, 1846 Nr. 1056 und 1057. Batilliat, über die Benützung der Destillationsrückstände des Weins als Düngmittel oder zur Kaltbereitung etc. In gewissen Gegenden, namentlich im mittäglichen Frankreich, werden sehr viele Weine, die als Getränk im Handel nicht beliebt sind, wegen ihres großen Alkoholgehalts gebrannt oder destillirt, um verschiedene geistige Producte daraus zu gewinnen. Diese Destillationen beginnen gegen den Monat November und dauern unausgesetzt die ganze Campagne hindurch, d.h. bis Mitte April; weil bei der wiederkehrenden Wärme die noch nicht destillirten Weine einen unangenehmen Geschmack annehmen, der sich auch dem aus ihnen bereiteten Weingeist mittheilt. Bei dieser Destillation geben die Weine dem Volum nach 1/10 Alkohol und hinterlassen demnach 9/10 eines Rückstandes (vinasse), der bis jetzt, als unnütz betrachtet, weggeschüttet wurde und das Wasser, in welches er ablief, mit einem schlechten Geruch inficirte, oder in dem Boden, in welchem er stehen blieb, leicht in Fäulniß überging, weil er eine stickstoffhaltige Substanz enthält. Das einzige Departement Hérault hat 147 Brennereien, deren jede in einer Campagne 15,000 Hektoliter, einige aber das ganze Jahr hindurch 75,000 bis 150,000 Hektoliter brennen. In Summe destillirt dieses Departement jährlich 2 Millionen Hektoliter Wein, von welchen 200,000 Hektoliter Alkohol von 86° des 100theiligen Aräometers in den Handel kommen und 1,800,000 Hektoliter Rückstände auf die Erde ausgegossen werden. Neunzehn DepartementsDiese neunzehn Departements sind 1) Aude, 2) Rhône-Mündung, 3) Charente, 4) untere Charente, 5) Corrège, 6) Dordogne, 7) Gard, 8) Gers, 9) Gironde, 10) Herault, 11) Indre-Loire, 12) Loire-Cher, 13) untere Loire, 14) Lot, 15) Lot-Garonne, 16) Maine-Loire, 17) beide Sêvres, 18) Var, 19) Vienne. liefern nicht weniger als 9–10 Millionen Hektoliter solcher Rückstände. Diese bilden eine Flüssigkeit sehr complicirter Natur, welche in dem Mengenverhältniß ihrer Bestandtheile, wie die Weine, von welchen sie herrühren, nach der geographischen Breite ihrer Lage, dem Boden und Jahrgang etc. verschieden ist. Die Vinasse von der Lese des Jahres 1843 in den Departements Gard und Hérault ergab folgende Bestandtheile: 1) Weinsteinsäure, 2) Extractivstoff, 3) eine stickstoffhaltige Substanz, 4) Kali, 5) Wasser, 6) endlich eine eigenthümliche Säure. Um alle diese Bestandtheile, deren Vorhandenseyn wohl constatirt ist, zunutze zu machen, muß vor allem die Weinsteinsäure durch Verwandlung in ein unauflösliches weinsteinsaures Salz, welches niederfällt und durch Decantiren getrennt wird, abgeschieden werden. Dieses Salz kann sodann mit Vortheil zur Fabrication der Weinsteinsäure für technische Zwecke verwendet werden. Die übrigen Bestandtheile, mit Ausnahme der eigenthümlichen Säure, also der Extractivstoff, die stickstoffhaltige Substanz und das Kali, sind aus bekannten Gründen eben so viele fruchtbarmachende Agentien, welche in ihrer Vereinigung einen, namentlich für den Weinstock, vortrefflichen Dünger geben. Es versteht sich, daß das Kali, um als Dünger wirksam zu seyn, im Verlauf der Zeit erst frei werden muß. Der Dünger aus dem Seeschlamm verdankt seine Wirksamkeit bekanntlich seinem Kaligehalt; ebenso gedeiht der Weinstock vorzüglich, wo der Boden vielen in Zersetzung begriffenen Feldspath enthält, weil in diesem Mineral viel Kali enthalten ist. Obgleich aber die Destillationsrückstände (vom Wein) in diesen drei Substanzen alle Elemente zu einem trefflichen Dünger enthalten, so wirken sie dessenungeachtet oft auf entgegengesetzte Weise, so daß sie natürlich verkannt werden müssen; die Ursache hievon liegt in der Pflanzensäure, die sie enthalten, und welche, wie alle Säuren, der Vegetation schädlich ist. Daß diese Säure bisher nicht entdeckt wurde, hat seinen Grund darin, daß sie sogar mit Beihülfe der Wärme die Kreide so wie auch den ausnehmend kalkreichen Boden nicht zersetzt. Nur in einigen Ausnahmsfällen wirkten die Weinrückstände, nachdem sie lange auf dem Boden gelegen hatten, wohlthätig auf die Vegetation, was die Sättigung der Säure mit Ammoniak oder doppelte Zersetzungen bewirkt haben mußten. Nachdem ich diese Säure einmal erkannt hatte, trachtete ich sie zu neutralisiren und in ein Salz zu verwandeln, welches selbst wieder die Düngkraft vermehrt. Die auf diese Weise werthvoll gemachten Destillationsrückstände können in Gegenden, wo Brennereien sind, im flüssigen Zustand verbraucht werden. Ein anderer Theil könnte in Gefäßen oder Cisternen aufbewahrt werden, bis die Jahreszeit es erlaubt, die Flüssigkeit an freier Luft und an der Sonne in dazu bestimmten Bassins abdampfen zu lassen; so getrocknet könnten die Weinrückstände (wie der Guano) weithin verführt werden. Ich habe hier nur zu bemerken, daß der Werth des im ersten Jahr erhaltenen Kalis allein schon hinreicht, um die Kosten der Errichtung von Bassins, Cisternen und Reservoirs zu decken und daß die Verdampfung an der Sonne im südlichen Klima keiner andern Mittel bedarf, als man bei den sogenannten Salzgärten benutzt. Die getrockneten Weinrückstände dürfen nicht in diesem Zustande angewandt werden, weil sie sonst zu kräftig wären. Man kann sie aber leicht auf den gehörigen Grad bringen, wenn man auf folgende Verhältnisse fußt, welche mir die Analyse der Weinrückstände des Departements Hérault ergab, wovon jedes Hektoliter enthält:     organische Materie   1,460 Kilogr.     Potasche   1           „ Zusammen: –––––––     feste Materie   2,460 Kilogr.     und Wasser 97 Liter. Das Kilogramm Potasche enthält selbst wieder 200–300 Gramme reines (ätzendes) Kali. Sollte die Verwendung dieser Rückstände als Dünger auch, wie dieß bei Verbesserungen in der Landwirthschaft gewöhnlich der Fall ist, nicht sogleich Eingang finden, so werden sich doch Handel und Industrie derselben bemächtigen, um das Kali daraus zu gewinnen, und es wird also jedenfalls der Weincultur Nutzen aus ihnen erwachsen. Die im Handel verbreitesten Potaschesorten nämlich sind die aus Rußland, Amerika, Trier, Danzig, den Vogesen und endlich die Perlasche, welche im Durchschnitt nur 60 Proc. wirkliches Kali enthalten. In den Jahren 1822–1826 inclusive wurden 29,697,812 Kil. Potasche in Frankreich eingeführt, deren Geldwerth 19,686,505 Frcs. beträgt, im Jahr also 5,939,560 Kil. im Werth von 3,935,500 Frcs. Man hat sich alle Mühe gegeben, den Ungeheuern Bedarf Frankreichs im Lande selbst zu produciren. Balard gab im Jahr 1844 ein Verfahren an, das Kali mittelbar aus dem Seewasser zu gewinnen.Polytechn. Journal Bd. XCIV S. 297. Ich meinerseits bin überzeugt, daß die Destillationsrückstände des Weins genug davon liefern werden, um Frankreich damit zu versehen. Außerdem wird man Weinsteinsäure aus ihnen gewinnen, welche dadurch viel wohlfeiler werden wird. Jedes Hektoliter dieser Rückstände kann 200–250 Gramme reines Kali und 250–300 Gramme eines weinsteinsauren Salzes liefern, welches 150–200 Gramme Weinsteinsäure repräsentirt. Jede Brennerei also, welche im Jahr 1500 Hektoliter Wein brennt, kann aus den Weinrückständen gewinnen: a) 2,700–3,375 Kilogr. reines Kali, oder 3000 Kilogr. à 1 Frc.    50 Cent. 4,500 Frcs. b) 3,375–4,050 Kilogr. eines weinsteinsauren Salzes, das sich    zur Darstellung der Weinsteinsäure eignet, das Kilogr. im    Werth von 1 Frc. 20 Cent., oder 4000 Kilogr. 4,800   – ––––––––– Diese Brennerei würde sonach ihr Einkommen vermehren um 9,300 Frcs. Für das Herault-Departement würde dieß 1,488,500 Frcs., für ganz Frankreich 7,442,500 Frcs. betragen, wobei der größere Werth dieser Potasche gegen die viel unreinere ausländische noch gar nicht in Rechnung gezogen wurde. Endlich könnten das Kali und die stickstoffhaltige Materie, welche in den Destillationsrückständen (des Weins) enthalten sind, auch zur Anlage künstlicher Salpetergruben verwendet werden, indem jedes Hektoliter der Rückstände 690 Gramme Salpeter zu liefern vermöchte; auch hievon läßt sich ein bedeutender Gewinn erwarten.