Titel: Ueber Achsenlager und Schmiermittel für Eisenbahn-Fahrzeuge.
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. II., S. 4
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II. Ueber Achsenlager und Schmiermittel für Eisenbahn-Fahrzeuge. Aus der Eisenbahnzeitung, 1846 Nr. 34. Mit Abbildungen auf Tab. I. Ueber Achsenlager und Schmiermittel für Eisenbahn-Fahrzeuge. In neuerer Zeit ist die Anwendung der Achsenlager von Bleicomposition an die Stelle jener von Rothmetall für Eisenbahn-Fahrzeuge auf mehreren Eisenbahnen versucht worden. Die Ansichten der Techniker hierüber sind sehr verschieden, namentlich wollten einige die Beobachtung gemacht haben, daß bei Anwendung der Bleilager die Achsenschenkel sehr stark angegriffen werden. Ein anderer Einwand war der zu starke Oelverbrauch, wenn das Schmieren der Schenkel in genügendem Maaße stattfinde. Die außerordentliche Kostenersparniß bei Anwendung dieser Bleilager veranlaßte den Unterzeichneten, diese Angelegenheit mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen, und die Versuche während eines Jahrs haben die später angegebenen Resultate geliefert. Schon nach wenigen Versuchen, die bereits auf anderen Eisenbahnen gemacht worden, hatte es sich gezeigt, daß die Anwendung der gewöhnlichen Schmiere aus Talg, Palmöl, Soda und Wasser für Bleicompositionslager nicht sicher genug ist, indem leicht durch unvollständiges Schmieren eine Erhitzung des Achsenschenkels stattfindet, welche ein Herausschmelzen des Lagers zur Folge haben kann. Außerdem stellt es sich heraus, daß die Kosten der nothwendigen Talgschmiere sich bedeutend höher belaufen, als die für das benöthigte Oel. Man construirte deßhalb verschiedenartige Vorrichtungen, um den Schenkel mit flüssigem Baumöl zu schmieren, von denen ich die bemerkenswerthesten herausheben will. Der erste Apparat, welcher hiezu angewendet wurde, ist, soweit ich Kenntniß davon habe, eine englische Erfindung, für welche Hr. Borsig in Berlin ein Einführungspatent erhielt. In dem unteren Theil der Büchse ist ein Kasten, so lang wie die Büchse, eingeschoben und durch eine Feder befestigt. In diesem Kasten befindet sich ein Lampendocht, der durch eine Feder, auch wohl durch einen Hebel, der außerhalb seines Schwerpunkts unterstützt ist, mit seiner Spitze gegen den Achsenschenkel gedrückt wird. Ist nun jener Kasten mit Oel gefüllt, so tränkt dieß den Docht, der es dem Achsenschenkel mittheilt.Auf ähnliche Weise sind z.B. die Lagerbüchsen auf der badischen Eisenbahn eingerichtet, wie Fig. 54 und 55 darstellen. Dieser Apparat entspricht den Anforderungen in Betreff des Schmierens vollkommen, seine Nachtheile jedoch sind: 1) die künstliche Zusammensetzung, die den Guß der Büchsen vertheuert; 2) leichtes Verderben der Büchsen durch Zerbrechen; 3) öfteres Herausfliegen des Oelkastens bei heftigen Erschütterungen der Büchsen, selbst sehr solid gearbeitete Federn zerspringen mitunter; 4) sehr bedeutender Oelverbrauch in Folge der permanenten Erschütterungen. Eine andere Vorrichtung beruht auf der Capillarität des Baumwollen-Dochtes, indem man einen solchen Lampendocht mit dem einen Ende in das Schmierloch, mit dem anderen in einen Oelbehälter legt. Diese Manier des Schmierens ist sehr alt, und mit Nutzen wird sie bei stehenden Maschinen da angewendet, wo ein starker Oelzufluß nicht nöthig wird, und wo ferner dieser Schmierapparat stets unter den Augen des Wärters arbeitet. Für Eisenbahn-Fahrzeuge entsteht der Nachtheil, daß durch die Erschütterungen der Büchse das Ende des Dochtes leicht das Schmierloch verläßt, ferner muß (weil der Docht beim Dick- und Ranzigwerden des Oels seine Capillarität verliert) genau beobachtet werden, wenn ein neuer Docht einzuziehen ist, endlich finden sich Schwierigkeiten für den Verschluß des Oelreservoirs, indem bei genügender Leichtigkeit des Oeffnens doch kein Oel verspritzen soll. Die Aufgabe, die sich der Unterzeichnete gestellt hat, war, einen Oelschmierapparat zu erfinden, der 1) zuläßt, die auf den im Betrieb stehenden Bahnen in großer Zahl schon vorhandenen Büchsen zu benützen; 2) ein sicheres Schmieren bewerkstelligen läßt, ohne die äußerste Aufmerksamkeit und Sorgsamkeit während der Fahrt zu beanspruchen; 3) geringeren Oelverbrauch erfordert, ohne Verlust durch Verspritzen; 4) durch seine Einrichtung gegen Beschädigung gesichert ist; 5) keine bedeutende Einrichtungskosten erfordert. Wie weit dem Unterzeichneten die Lösung dieser Aufgabe gelungen, soll Nachstehendes zeigen. In den zur Aufnahme der Wagenschmiere früher bestimmten Raum der Achsenbüchse a, Fig. 56, wird ein Kästchen b von Messingblech gesetzt, eine siebartig durchbohrte Röhre c führt durch den Bogen von b in den Canal d und nach f, damit auf diese Weise das Oel aus b in c und so durch d und f auf den Achsenschenkel gelange. Um das Oel zu zwingen, nur tropfenweise auszufließen, wird in c ein leichter Pfropf von Werg bis auf den Boden eingedrückt. Damit dieser Pfropf nicht bis in den Canal d gedrückt werden kann, ist die Röhre c unten an der Einmündung in d mit einem kleinen siebartigen Boden versehen. Oben ist das Kästchen b verschlossen, und nur ein kleines, mit einem Deckel versehenes Loch erlaubt das Einfüllen des Oels. Bei der Handhabung dieses Apparats ist es ziemlich gleichgültig, ob der verschließende Pfropf mäßig oder sehr fest eingedrückt ist; das Oel bahnt sich meistentheils den Weg in genügender Menge, nur darf er nicht allzulos seyn, weil sonst ein zu rasches Ausfließen stattfinden würde. Der Oelverbrauch ist durchschnittlich 1/15 Loth pro Meile; zu 140,000 Meilen wurden 290 Pfd. Oel gebraucht.Bei dieser Berechnung wurden sämmtliche im Gebrauch gewesene Büchsen auf eine reducirt, so daß bei dem Weg von 140,000 Meilen jede einzelne Büchse ein Oelquantum von 290 Pfd. gebrauchen wird. Es kam nur ein Fall an einem Postwagen vor, daß das Bleilager zerschmolz, doch ist die Veranlassung aller Wahrscheinlichkeit nach eine fehlerhafte Zusammensetzung der Büchse gewesen, im Uebrigen hat dieser Apparat nie den Dienst versagt. Die ganze Sorgfalt, welche während der Fahrt nöthig ist, beschränkt sich darauf, daß der dienstthuende Schaffner nach zwei oder drei Stationen den Zug entlang geht und sich überzeugt, daß keine Büchsen warm geworden und daß Oel im Kästchen ist; wo eine bedeutende Erwärmung etwa stattgefunden, zieht er den eingesteckten Wergpfropf mit einem kleinen Drahtkrätzer heraus und lockert ihn auf, oder steckt einen etwas leichteren hinein. Diese einfache Manipulation, die auch der ungeschickteste Mensch leicht erlernen kann, ist für die ganz sichere Wirkung des Apparats erforderlich. Eine Beschädigung kann der Apparat nicht erleiden, weil er vollständig in der Büchse eingebaut ist, und ein Herausnehmen kann nur nach erfolgtem Abnehmen der Büchsen stattfinden. Die Einrichtung des Apparats von Messingblech, hartgelöthet, kostet pro Büchse 1 Thlr. 10 Sgr. Die Achsenlager selbst werden gewöhnlich aus einer Mischung von Blei und Antimonium gemacht. Diese Legirung leistet gegen die Abnützung durch die Friction allerdings einen bedeutenden Widerstand, allein der Fehler dieser Mischung ist bei ziemlicher Weichheit eine zu große Sprödigkeit, so daß Fälle vielfach vorgekommen sind, daß dergleichen Lager durch den Druck der Last zerbrachen. Diesem Uebelstande zu begegnen hatte ich mit Legirungen von Zink, Zinn und Blei in verschiedenem Mischungsverhältnisse Versuche gemacht und das günstigste Verhältniß ermittelt. Dieses besteht in einer Legirung von 2 Pfd. Zink, 2   „ Zinn und 4   „ Blei. Die erhaltene Masse ist außerordentlich zäh, so zäh, daß sie sich unter dem Hammer streckt, und ein Lager hievon kann über 4000 Meilen laufen, ehe es unbrauchbar wird. Die Anfertigung der Bleilager geschieht mittelst gußeiserner Formen, in welche die flüssige Legirung gegossen wird. Ein Tagarbeiter kann in 10 Stunden 40–50 Stück fertig herstellen, so daß sich die Anfertigungskosten nur auf wenige Groschen stellen. Ein anderer höchst wesentlicher Vortheil der Bleilager vor den Metalllagern ist der, daß letztere sehr sorgsam auf den Achsenschenkel aufgepaßt seyn müssen, weil sonst eine starke Erhitzung des Schenkels stattfindet, die sich mitunter bis zu dem Grade steigert, daß die Schmiere mit Flamme brennt. Bei den Bleilagern ist ein Aufpassen der Lager auf die Achsenschenkel unnöthig, denn die Erfahrung hat gelehrt, daß es völlig gleichgültig ist, ob das Lager an einer Stelle oder mit der ganzen Fläche aufliegt. Eine bedeutende Erhitzung kommt selbst bei Verunreinigung mit Sand nicht vor, weil sich dieser sogleich in die weiche Metalllegirung eindrückt. Um den Vortheil der Bleilager mit Oelschmiervorrichtung gegen Metalllager mit Talgschmiere recht deutlich vor Augen zu stellen, füge ich einen Vergleich bei, der aus den amtlich geführten Büchern entnommen, resp. berechnet ist. Um die Strecke von 24,000 Meilen zu durchfahren, braucht ein vierräderiger Wagen mit Metalllagern 12 Garnituren Lager = 48 Lager à 1 2/3 Thlr.   80 Thlr. Arbeitslohn diese einzupassen, 1 Schlosser 12 Tage à 20 Sgr.     8   „ Reinigung der Büchsen von der durchlaufenen Schmiere bei je1000 Meilen, 24mal 2 Mann 1/2 Tag à 15 Sgr.   12   „ Schmiereverbrauch: jede Büchse braucht im Durchschnitt1/2 Loth pro Meile, demnach 4 Büchsen auf 24,000 Meilen13 1/2 Cntr. à 10 Thlr. 135   „ –––––––– 235 Thlr. Ein Wagen mit Achsenlagern von Bleicomposition bedarf 4 Achsenlager à 1 Thlr.   4 Thlr. Umschmelzen derselben nach je 4000 Meilen 2 Mann 1 Tag à 15 Sgr. = 1 Thlr. und dieß 6mal.   6   „ 24 Pfd. Bleimasse-Zusatz beim Umschmelzen à Pfd. 6 Sgr.   4   „ 24 Sgr. 1/15 Loth Oel pro Meile = 200 Pfd. à 5 Sgr. 33   „ 10   „ –––––––––––––      48 Thlr. 4 Sgr. Rechnet man selbst, daß die Bleilager nach 2000 Meilen schon abgenutzt sind, so vermehren sich die Kosten nur um 10 Thlr. 24 Sgr., so daß nach Abzug des Metallwerths der abgenutzten Bronzelager die Ersparnis bei genannter Meilenzahl noch mindestens 120 Thlr. beträgt. Schmidt,Premier-Lieutenant der Artillerie und Werkstatt-Vorsteher der Oberschlesischen Bahn.

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