Titel: Ueber elektrische Uhren, von W. Fardely.
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. VII., S. 24
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VII. Ueber elektrische Uhren, von W. Fardely. Aus dem Mannheimer Gewerbvereins-Blatt, 1846 Nr. 9 und 16. Fardely, über elektrische Uhren. Gleichzeitig mit den in den letzten Jahren ins Leben getretenen elektrischen Telegraphen kam man auf die Idee, die elektromagnetische Kraft auch auf Uhren anzuwenden, und zwar um eine beliebige Anzahl Uhren stets in übereinstimmendem Gang zu erhalten, mit andern Worten, die Zeit zu telegraphiren. Die Lösung dieser Aufgabe wäre für Eisenbahnen ganz besonders erwünscht, und obgleich von Wheatstone, Steinheil und Bain dergleichen Uhren früherhin zuerst bekannt gemacht wurden, so haben dieselben, so viel uns bekannt, bis jetzt nur noch sehr beschränkte Anwendung gefunden. Der Grund hiezu liegt offenbar darin, daß es unbedingt nothwendig ist, durch kostspielige Drahtverbindung alle diese Uhren in Verbindung mit einander zu bringen. Eine über der Erde geführte Verbindung, wie jetzt bei elektrischen Telegraphen gebräuchlich, würde zwar bedeutend weniger kostspielig seyn, wie eine unterirdische, aber man würde dann zu gewärtigen haben, daß bei Gewittern der übereinstimmende Gang dieser Uhren durch das bei jeder nahen Entladung einer Wolke zerstörte elektrische Gleichgewicht gleichzeitig gestört würde. Ob eine unterirdische auf weite Strecken geführte Leitung diesen Einwirkungen der Gewitter nicht unterworfen, ist noch nicht zur allgemeinen Kenntniß gebracht worden. Bei elektrischen Telegraphen können diese Einwirkungen der Gewitter durch eine einfache Vorrichtung unschädlich gemacht werden, durch welche die Apparate augenblicklich ausgeschlossen, der Kreis oder die Telegraphenlinie aber in sich geschlossen bleibt. Ein zweiter Umstand, diese Uhren bisher als noch nicht in gehöriger Vollkommenheit zu betrachten, lag in dem Mangel einer Quelle der Kraft, oder galvanischen Batterie, welche auf lange Zeit hinaus wirksam blieb und keiner Aufsicht bedurfte. Diese oben erwähnten elektrischen Uhren waren nun im Grund bisher bloß telegraphische Uhren oder Zeit-Telegraphen, und es war dabei immer nöthig, eine Normaluhr in Anwendung zu bringen, welche auf gewöhnliche Art, durch Gewichte etc. ihre bewegende Kraft erhielt, und welche ihre Zeit dann auf die mit ihr in Verbindung stehende Anzahl entferntstehender Uhren telegraphirte. Ein weiterer Schritt zur Vervollkommnung bestand nun darin, die Normaluhr selbst durch galvanische Kräfte in Gang zu erhalten, oder auch nur eine für sich gehende Uhr (ohne Bezug auf Telegraphiren der Zeit) herzustellen, welche ohne Gewicht oder Feder durch galvanische Kraft allein im Gang gehalten wird. Wir finden verschiedenartige Angaben hiezu, in der letzteren Zeit von den HHrn. Wadham, Parnell und andern, nach welchen der Pendel entweder zwischen Elektromagneten schwingt, oder eine Feder, als indirecte bewegende Kraft, immer von neuem durch elektromagnetische Kraft aufgezogen wird. Einen älteren Versuch, Uhren durch einen Pendel in Bewegung zu sehen, welcher abwechselnd von den beiden Polen einer Zambonischen Säule angezogen und abgestoßen wird, und zwischen diesen beständig hin und her schwingt, glauben wir kaum erwähnen zu sollen, da derselbe der Erwartung nicht entsprochen hat und völlig aufgegeben ist. Alle diese Einrichtungen, so sinnreich sie auch seyn mögen, sind jedoch bis jetzt nicht in Aufnahme gekommen, ohne Zweifel weil die Kraft, welche dazu verwendet werden mußte, zu groß war, und man deßhalb auch dabei Batterien mit Säuren etc. anwendete, die nach einiger Zeit nothwendig wieder renovirt werden mußten. Hr. Bain, bekannt durch seine vielfachen sinnreichen Erfindungen auf dem Felde des Elektromagnetismus, war es, dem es zuerst gelang, eine elektrische Uhr durch die von ihm entdeckte galvanische Kraft, welche die natürliche Feuchtigkeit der Erde erzeugt, wenn Platten von verschiedenartigem Metall darin vergraben werden, in Bewegung zu setzen. Diese Erdbatterie ist von stets gleicher Wirkung, so lange bis im Verlaufe der Zeit eines der Metalle sich langsam in Oxyd verwandelt hat. Eine solche Uhr, deren Einrichtung aber nicht speciell bekannt gemacht worden ist, wurde vor kurzem in der Akademie zu Paris vorgezeigt.Hr. Prof. Schröder, Redacteur des Mannheimer Gewerbsvereins-Blatts, theilt aus den Vorträgen Arago's in der Sitzung der Pariser Akademie am 13. und 29. Oct. v. J. über die Bain'schen Uhren folgendes mit:„Die elektrischen Uhren gleichen in Ansehung des zum Reguliren der Bewegung der Zeiger bestimmten Räderwerks den gewöhnlichen Pendeluhren, doch geht ihnen der ganze zum Aufziehen dienende Theil des Werks ab, da derselbe nicht nöthig ist, indem die elektrischen Uhren ein wirkliches perpetuum mobile darstellen. Wegen der Einfachheit ihres Mechanismus und weil alles Stocken, das beim Aufziehen anderer Uhren mehr oder weniger eintritt, wegfällt, ist der Gang der elektrischen Uhren im allgemeinen regelmäßiger, als der gewöhnlicher Pendeluhren, sollte er jedoch nicht völlig richtig seyn, so läßt er sich leicht durch Stellen am Pendel reguliren. Eine von Bain zu Anfang des Jahrs 1844 aufgestellte Uhr hat binnen Monatsfrist nicht über eine Minute variirt und in den öffentlichen Gebäuden Edinburgs befinden sich deren mehrere, die eben so richtig gehen. – Der Pendel wird durch die Elektricität in Bewegung erhalten, welche durch Drähte einem an der Basis befindlichen und mit Magneten (welche die Ausgleichung der Strömung bewirken) in Verbindung stehendem Drahtgewinde zugeführt wird. Die Elektricität geht nicht von einer volta'schen Säule oder Batterie, sondern von der Erde aus; zwei Drähte streichen vom Pendel in ein in die Erde gegrabenes Loch, das bis zu einer Tiefe reicht, in welcher die Erde beständig feucht ist. Der eine Draht ist um eines von mehreren Stücken Holzkohle, die in den Boden eingegraben sind, gewunden, der andere an eine Zinkplatte befestigt, oder um eine Gas- oder Wasserröhre von Zink gelegt, wodurch der Zweck eben so gut erreicht wird. So erlangt man aus der Erde einen ununterbrochenen elektrischen Strom, und wenn die Uhr einmal im Gange ist, so geht solche immer fort. Dieser Apparat braucht indessen nicht vervielfältigt zu werden, wenn mehrere Uhren in demselben Hause aufgestellt sind. Es können deren zwanzig und mehrere durch Verbindungsdrähte, die mit dem Pendel derjenigen Uhr communiciren, welche direct von der Elektricität bethätigt wird, in Gang gesetzt werden, und die Kosten einer solchen elektrischen Uhr sind nicht bedeutender als die für gewöhnliche Pendeluhren und können nach Umständen viel geringer seyn.In der Sitzung vom 29. Oct. v. J. zeigte Arago der Akademie mehrere der Bain'schen Uhren vor, die bei dieser Gelegenheit mittelst einer kleinen volta'schen Batterie in Bewegung gesetzt wurden, da es zu umständlich gewesen wäre, wenn man die Drähte bloß für diese Gelegenheit hätte in die Erde einsenken wollen. Bei einer Tiefe von 4–5 Fuß unter der Erdoberfläche findet man stets eine hinreichend starke Entwickelung von Elektricität, um selbst die größte der bis jetzt angefertigten Uhren in Bewegung zu erhalten. Von den bei dieser Gelegenheit vorgezeigten Uhren war die eine so groß, wie eine gewöhnliche Wanduhr, und an dieser War das Pendel angebracht; die andere hatte die Gestalt einer Stutz- oder Tischuhr und war ohne Pendel, indem sie von demjenigen der Wanduhr mit in Bewegung gesetzt wurde. Die große Uhr befand sich in einem Kasten, und das Pendel war über, nicht wie sonst, unter derselbe angebracht. Das Pendel wirkt auf das Sperrrad ein und setzt so daß Uhrwerk in Bewegung. Die Uhr hört nie auf zu gehen, so lange der Boden, in welchem die Drähte eingesenkt worden sind, feucht bleibt, und wenn dieß in einem Keller oder überhaupt an einem vor der Einwirkung der Luft und Sonne geschützten Ort geschieht, so ist der Gang der Uhr dauernd gesichert. Uebrigens geht die Uhr vollkommen gleichförmig, mag nun die auf sie einwirkende elektrische Strömung stärker oder schwächer seyn, wenn sie nur diejenige Intensität besitzt, die zur Bewegung des Pendels überhaupt nöthig ist; denn mit dem Pendel ist ein sinnreicher Apparat in Verbindung gesetzt, welcher die Ausgleichung der Strömung bewirkt, so daß das Pendel stets gleichförmig hin- und herschwingt. Geht die Uhr nicht regelmäßig, so liegt der Fehler im Räderwerk.“ Dieß ist nun eine sehr schöne und nützliche Vervollkommnung für den gewöhnlichen Privatgebrauch, es dürfte aber nicht überall thunlich seyn, Metallplatten in die Erde zu graben. Ich war seit längerer Zeit mit vielfachen zeitraubenden Versuchen beschäftigt, um eine stets wirkende galvanische Kraft, besonders zu telegraphischen Zwecken, zu erhalten, und es ist mir endlich gelungen, eine galvanische Combination zu finden, die nach den bisher lange Zeit hindurch fortgesetzten Versuchen eine unbestimmt lange Zeit in Wirksamkeit bleibt, ohne daß eine Erneuerung nöthig wäre. In einem besonderen Artikel über galvanische Batterie behalte ich mir vor, hierauf zurückzukommen. Eine elektromagnetische Uhr ist seit November vorigen Jahrs durch diese Kraft in beständiger Bewegung, und dürfte allem Anschein zufolge nach Jahren noch ohne andere Zuthat in Bewegung seyn, als daß der Batterie von Zeit zu Zeit etwas Wasser und nach Jahren ein neues Zinkblech gegeben wird. Die Uhr selbst wird unmittelbar durch den Pendel fortbewegt, und durch die besondere Einrichtung bedarf es nur einer äußerst geringen Kraft, um den schweren Halbsecunden-Pendel in voller Bewegung zu erhalten. Außerdem ist eine Vorrichtung angebracht, um irgend eine Anzahl mit dieser Uhr in Verbindung stehender Uhren, wovon jede ihre eigene Batterie hat, in Gang zu erhalten, so daß dieselbe, als telegraphische Uhr gebraucht, alle Uhren in einem Hause oder in einem Stadtviertel (überhaupt irgend eine Anzahl Uhren) in Bewegung setzen kann, welche dann durch einen einzigen Pendel regulirt werden, wie dieß bei den telegraphischen Uhren früher in Vorschlag gebracht wurde. Daß diese Einrichtungen bald zu praktischer Anwendung kommen werden, ist mit Gewißheit anzunehmen; es ist hier nun gerade wie mit den elektromagnetischen Telegraphen, man darf nur wollen. Diese Uhren eignen sich in jetziger Gestalt vorzüglich für Comptoirs, Wirthschaftssäle etc., könnten aber ohne Zweifel, in kleinem Raum ausgeführt und elegant ausgestattet, auch als Luxusuhren dienen, die dann niemals aufgezogen werden müßten. Sie lassen sich aufs genaueste reguliren. Ein Schlagwerk haben sie bis jetzt nicht, es wäre jedoch möglich, auch ein solches mit diesen Uhren in Verbindung zu setzen. Die elektrische Uhr, deren ich vorher erwähnte, ist seit länger als einem halben Jahr in beständig gleichmäßigem Gange. Die Kraft, welche dieselbe in Bewegung hält, ist eine eigenthümliche galvanische Batterie aus Einem Elemente bestehend, welches kaum mehr als einen halben Kubikfuß Raum einnimmt; sie ist, um die Verdunstung der Flüssigkeit zu verhindern, luftdicht verschlossen. Diese Batterie wird, ohne die geringste Zuthat, auch nach Jahren noch in gleich starker Wirkung bleiben, und kann, wenn es nöthig werden sollte, augenblicklich, ohne den Gang der Uhr zu unterbrechen, mit ganz geringen Kosten von wenigen Kreuzern erneuert werden. Diese eine Uhr, welche auf das genaueste regulirt ist, kann nun einer unbegränzten Anzahl anderer Uhren die Zeit zutelegraphiren, so daß dieselben stets, auch in den entferntesten Theilen der Stadt, bis auf eine Secunde die nämliche Zeit anzeigen. Der Vortheil und die Annehmlichkeit einer solchen Einrichtung wird wohl von keinem bestritten werden können; das einzige, was der unmittelbaren Ausführung im Wege steht, ist der Umstand, daß alle diese Uhren durch Metalldrähte mit einander in Verbindung gebracht werden müssen, wodurch man sich jedoch die Sache viel schwieriger in der Ausführung denkt, als sie wirklich ist. Es ist in dieser Hinsicht die Sache genau mit der Gasbeleuchtung zu vergleichen, nur mit dem Unterschied, daß die Kosten für die Anlage einer Gasbeleuchtung groß, jene für die Herstellung solcher telegraphischer Uhren aber im Vergleich zu der Annehmlichkeit und dem Nutzen den sie gewähren würden, wahrlich gering sind. Meine Ansicht, wie nun diese Uhren mit geringen Kosten, und zwar nach und nach, ausgeführt werden könnten, ist folgende: Man denke sich eine solche stets gehende elektromagnetische Uhr in irgend einem Theil der Stadt, z.B. bei einem Uhrmacher aufgestellt, welcher den Pendel reguliren und die Uhr nöthigenfalls richten könnte; von dieser Uhr ginge nun eine Drahtverbindung nach einem benachbarten Hause, wo man eine mit ihr gehende Uhr zu haben wünscht; von dieser zweiten Uhr kann ein dritter Hausbesitzer eine Drahtverbindung für eine dritte Uhr anlegen, von dieser wieder ein vierter u.s.w. in beliebiger Anzahl. Auch kann jeder einzelne Hauseigenthümer, hat er nur erst eine solche Uhr, sich von dieser Uhr aus in jedem beliebigen Stockwerke, in jedem beliebigen Zimmer so viele elektrische Uhren anbringen lassen, als es ihm gefällt. Auch könnten hie und da, außen an den Gebäuden, für die Bequemlichkeit des Publicums dergleichen Uhren mit Vortheil angebracht werden. Auf solche Weise würde nach und nach die ganze Stadt mit solchen Uhren versehen werden können und ein immerwährendes elektrisches Pulsiren würde den Einwohnern stets genau die Zeit zutelegraphiren. Die Drahtverbindung kann innerhalb der Häuser, allenfalls auf den Speichern unter dem Dach angebracht werden. Da, wo die Verbindung über die Straße geführt werden muß, wird es genügen, den Draht geradezu unter das Pflaster zu legen, nachdem derselbe vorerst mit Baumwolle und Kautschuk oder Marineleim überzogen wurde. Die Drähte können sehr dünn genommen werden, ein Millimeter dick würde genügen, und mehrere hundert Fuß würden nur ein paar Gulden kosten. Die Kosten einer jeden einzelnen Uhr mit sehr einfachem Mechanismus würden nach Umständen 12–20 Gulden betragen. Mag auch die Ausführung eines solchen Plans manchem befremdend und gar übertrieben erscheinen, so ist sie doch eben nicht schwieriger, wie so manches andere, was man im Anfang für unmöglich hielt und verspottete, wovon uns Dampfschifffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen etc. als Beispiel dienen. (Hr. Prof. Schröder, bemerkt hiezu: „Wie wir aus vorstehender Mittheilung des Hrn. Fardely ersehen und wie wir uns in dessen Wohnung persönlich überzeugt haben, hat derselbe die Einrichtung einer unbegränzten Anzahl elektrischer, mit einander communicirender Uhren auf so einfache, leicht zu erfüllende und allen praktischen Bedürfnissen genügende Bedingungen zurückgeführt, daß es nunmehr ein Leichtes ist, jedes Haus der Stadt Mannheim für einen Preis von 12–20 Gulden per Stück mit Uhren zu versehen, welche sämmtlich unter einander auf die Secunde übereinstimmen, und niemals aufgezogen zu werden brauchen. Für die ganze Stadt Mannheim werden die Drahtleitungen für solche Uhren am zweckmäßigsten dann gelegt werden, wenn für dieselbe, was in den nächsten Jahren wohl geschehen wird, eine Gasbeleuchtung eingerichtet wird, indem das Pflaster dann, um die Uhren einzurichten, nicht eigens aufgerissen werden muß. Ehe diese günstige Gelegenheit eintritt, muß die Sache jedoch durch einen Anfang vor Jedermanns Augen offen liegen, ihre Vortheile müssen erkannt, der Wunsch, daß sie ausgeführt werde, muß bereits allgemein seyn. Es handelt sich daher jetzt darum, daß in irgend einem Quadrate der Anfang gemacht werde, daß sich in irgend einem Quadrat eine Anzahl Hausbesitzer und Einwohner zusammenfinden, welche dahin übereinkommen, den Versuch mit solchen Uhren zu machen; und je mehrere ihrer sind, desto billiger wird jeder einzelne seine Uhr erhalten können. Hoffen wir, daß es dem Gewerbverein gelingen möge, eine kleine Gesellschaft dieser Art aus irgend einem Quadrat der Stadt zu bilden, und daß eine bewundernswürdige Idee, zu deren praktischer Verwirklichung die wesentlichsten Fortschritte in unserer Stadt gemacht worden sind, auch zuerst den Einwohnern der Stadt Mannheim eine Quelle von Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten werden möge.)