Titel: Skizzen über einzelne Zweige der brittischen Industrie, gesammelt von Dr. F. Knapp.
Autor: F. Knapp
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. LXXVII., S. 381
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LXXVII. Skizzen über einzelne Zweige der brittischen Industrie, gesammelt von Dr. F. Knapp. Knapp, über die Gasbereitung von London und Glasgow. A. Die Gaswerke von London und Glasgow. Wenn man die englischen Patentlisten durchsieht, so wird man wahrhaft in Erstaunen gesetzt durch die Masse neuer Erfindungen im Fache der Gasbeleuchtung, die sich in oft sehr kurzen Zwischenräumen aufeinander folgen; man versetzt sich unwillkürlich in die Lage der Gasfabrikanten, denen dadurch eben so viele Conflicte zwischen der Betriebsverbesserung und der vermehrten Capitalanlage erwachsen, und fühlt unwillkürlich die Verlegenheit mit, unter den unübersehbaren Vorschlägen für verbesserte Gasometer, Gasregulatoren, Reinigungsmittel etc., das Schlechte zu verwerfen, das Gute zu wählen und dem bestehenden Betrieb auf eine passende Weise einzuverleiben. Ich glaube darum dem Wunsch Ihrer Leser entgegenzukommen, wenn ich – den zahlreichen Neuerungen im Einzelnen gegenüber, welche Ihr geschätztes Journal in so reichem Umfang zur Kenntniß des Publicums bringt – ein zusammenhängendes Bild des gegenwärtigen englischen Gasbetriebs aus eigner Anschauung entwerfe. Die nachstehende Beschreibung bezieht sich auf zwei Gaswerke: das eine gehört der sogenannten neuen Gascompagnie in Glasgow und ist erst kürzlich nach einem zusammenhängenden Plan bei dieser Stadt erbaut und in Betrieb gesetzt worden; das andere ist das Peter-Street-Station-Gaswerk in London, Eigenthum einer großen Actiengesellschaft, welche an mehreren Punkten (stations) der Hauptstadt Werke betreibt. Bekanntlich ist das Hauptmaterial für Gasbereitung die sogenannte Cannel-coal, die sich an zwei Orten in Großbritannien findet, nämlich bei Wigan in der Grafschaft Lancashire, einige Stunden von Liverpool, und bei Glasgow in Schottland. Sie bildet eine sehr bestimmt charakterisirte Sorte, die sich durch Abwesenheit des Glanzes und der Zerklüftung, durch einen matten, flachmuschligen Bruch, durch leichte Entzündlichkeit und sehr lange Flammen auszeichnet. Die Cannel-coal verhält sich als eine Sandkohle und liefert einen interessanten Beweis für die Unhaltbarkeit der sehr verbreiteten Ansicht (die u.a. Mitscherlich in seinem Lehrbuch entwickelt), als ob die Eigenschaft der Kohlen zu backen und viel Gas zu entwickeln von dem Vorwalten des Wasserstoffs über den Kohlenstoff abhinge. Folgende Beispiele sind aus Regnault's Analysen und zwar, um die Sache augenfälliger zu machen, in Aequivalenten berechnet.Der Aschengehalt ist in Abzug gebracht. Cannel-coal von Lancashire . = 80 C + 67 H + 6 O (höchstbackend) Steinkohle von Grand CroixBassin von Rive de Gier . = 80 C + 54 H + 4 O (Sinterkohle). Diese Zahlen, welche sich der Procentzusammensetzung mit empirischer Genauigkeit anschließen, zeigen höchstens Gleichheit, sicher kein Ueberwiegen des Wasserstoffs. Der Grund dieses verschiedenen Verhaltens in der Hitze ist sicher in der uns bis jetzt noch sehr dunklen Constitution der Kohlen zu suchen. In beiden Gaswerken sind die Retorten noch von Eisen, ohne daß man gerade dieses Material für entschieden besser hält als die Thonretorten. Die Umstände sind maaßgebend und bestimmen manche, das Eisen beizubehalten, doch beweist der große Maaßstab, in welchem jetzt Thonretorten in England fabricirt werden, daß sie starken Eingang gefunden haben. Früher verlor man viel Zeit und folglich Gas während der Beschickung der Retorten, die nach der neueren Methode auf einen Wurf geschieht. Vor dem Ofen liegt eine kolossale Schaufel von einem halbcylindrisch gebogenen Blech, dessen Krümmung, Durchmesser und Länge gerade an die Innenwand der Retorte passen. Eine mehrere Fuß lange Eisenstange mit Quergriff bildet den Stiel. Diese Schaufel faßt gerade die volle Beschickung, die man schon im voraus darauf bringt; sobald nun die Retorte von den Kohks entleert ist, führen zwei Arbeiter eine Stange unter der Mitte der Schaufel durch und lüften sie vom Boden; ein dritter hat als Steuermann den Quergriff gefaßt. Ein einziger Moment genügt um durch einen kräftigen Ruck der drei Arbeiter die ganze Beschickung in die Retorte einzuführen und durch eine rasche Drehung des Steuermanns am Quergriff auf den Boden der Retorte zu entleeren. In der Regel geschieht das Aufkitten des Deckels, wenn sich oben das erste Gas (die Flamme) entwickelt. In Peter-Street-Station hat man große und kleine Retorten, die ganze Batterie zusammengenommen entspricht 320 kleineren Retorten. Sie liegen je 5 über einer gemeinschaftlichen Feuerung im Ofen, welche mit dem Rücken paarweise aneinander gekuppelt sind. Das entwickelte Gas streicht zuerst in die weiten Röhren oder Vorlagen (von der bekannten Construction), worin sich das Tropfbarflüssige, d.h. der Theer und das Theerwasser scheidet. Das rohe Gas passirt durch eine Säule von Kohks in einem eisernen weiten Gefäß, woselbst es gleichsam filtrirt und von den mechanisch fortgerissenen Theertheilen etc. befreit wird – nach dem Condenser oder Kühlapparat. Die Condensers sind gußeiserne, viereckige Kästen, 50 Fuß lang und vermittelst in regelmäßigen Abständen angebrachter Scheidewände in eine Reihe abgeschlossenen Kammern getheilt. In der Mitte jeder Kammer geht eine Zwischenscheidewand, aber nicht bis auf den Boden nieder, so daß zwei gleiche communicirende Abtheilungen entstehen. Das Gas streicht aus der vorderen Abtheilung abwärts um diese Zwischenwände herum und dann aufwärts in die folgende Abtheilung. Der Uebergang von einer Kammer in die andere, oder was dasselbe ist, von der zweiten Abtheilung der vorhergehenden in die erste Abtheilung der nachfolgenden Kammer geschieht durch ein Röhrenjoch, d.h. zwei aus der Deckelplatte des Condensers senkrecht aufsteigender gußeiserner Röhren, welche durch ein halbkreisförmiges Stück miteinander verbunden sind. Um eine Wand zu ersparen, sind zwei solcher Condensers seitlängs zusammengekuppelt; die gemeinschaftliche Deckplatte trägt folglich auch eine Doppelreihe Joche und bedeckt zwei Reihen Kammern. Das Gas strömt durch die eine Reihe hin, durch die andere zurück. Auf jedes Röhrenjoch fließt oben ein dünner Wasserstrahl, der sich ausbreitet und die Röhren umhüllend hinabrinnt. Alle diese Wasserstrahlen sammeln sich auf der Deckplatte, zu einer etwa 2 Zoll hohen Schicht (die Platte ist zu dem Ende mit einem Rand versehen), von welcher das warmgewordene Wasser ununterbrochen abfließt. Der verdichtete Theer sammelt sich am Boden der Kammern und wird von da in die Cisterne abgelassen. Aus dem Condenser tritt das Gas in die beiden Apparate zur chemischen Reinigung und zwar zuerst in Schwefelsäure, dann in die Kalkreiniger (in dem Gaswerk in Glasgow wird keine Schwefelsäure angewendet, sondern bloß Wasser). Die Reinigung mit Schwefelsäure ist bekanntlich von Turner eingeführt worden und besteht sehr einfach in großen (eisernen) Gefäßen mit Schwefelsäure von einem gewissen Verdünnungsgrad, durch welche das Gas in Blasen hindurchstreichen muß. Man hört das Geräusch sehr deutlich von außen. Um diese Reiniger ohne Störung entleeren und füllen zu können, sind stets zwei vorhanden, welche neben einander stehen. In den zuletzt gefüllten tritt das Gas zuerst und umgekehrt. Die abgezogene Flüssigkeit ist eine ziemlich reine und sehr concentrirte Lösung von schwefelsaurem Ammoniak. Vom Ammoniak befreit oder nicht, gelangt das Gas nunmehr in die Kalkapparate, die in beiden Werken von ganz gleicher Construction und ganz allgemein sogenannte trockne sind, d.h. sie reinigen nicht mittelst Kalkmilch, sondern mittelst Kalkbrei. – In allen gut eingerichteten Gaswerken sind die einzelnen Operationen in besondere getrennte Räume vertheilt, wo sie von besonderen Werkmeistern beaufsichtigt werden, so dann auch die Reinigung mit Kalk. Der Saal, worin dieser Proceß vor sich geht, ist zur größeren Bequemlichkeit und Ersparung von Arbeit unterschlagen, d.h. durch einen eingezogenen Dielenboden seiner Höhe nach in zwei Stockwerke getheilt. Da nun dieser Boden bis zur halben Höhe der Kalkapparate reicht, so ist der untere Theil derselben – der Boden durch welchen das Gas zu- und austritt – vom unteren Stock aus zugänglich, während das Beschicken und Entleeren eben so bequem vom oberen Stockwerk aus stattfindet. Die Kalkreiniger (deren in dem einen Werk sechs, im anderen acht sind) haben die Gestalt eines etwas flachen Cylinders, also mehr Durchmesser als Höhe und sind von Kesselblech zusammengenietet. Der Deckel ist für sich, beweglich und an einem Flaschenzug aufgehängt; die krumme Seitenwand und der Boden sind aus einem Stück. Im Centrum des letzteren ist das Abzugsgasrohr eingenietet; es bildet gleichsam die Achse des Ganzen und steigt bis zur Höhe der Seitenwand auf. Gleich daneben, zwischen dem Centrum und der Peripherie des Bodens ist das Eintrittsrohr angebracht, dessen Mündung im Boden selbst liegt. In der ganzen Höhe des Apparats sind vier Horden in gleichen Abständen vertheilt. Die Horden sind kreisförmige Scheiben von Zeug über einen Rahmen gespannt, in der Mitte für den Durchgang des Abzugsrohrs mit einer Oeffnung von entsprechender Weite versehen. Bei der Beschickung setzt man zuerst die leere Horde ein, breitet darauf eine mehrere Zoll hohe Schicht von zerfallenem Kalk und benetzt diese alsdann mit der Gießkanne; eben so behandelt man die zweite und die folgenden Horden in aufsteigender Ordnung. – Der Rand der krummen Seitenwand des Apparats endigt in eine seichte, mit Wasser gefüllte Rinne, in welche der abwärts gebogene Rand des Deckels – wenn dieser nach geschehener Beschickung an dem Flaschenzug niedergelassen wird – eintaucht. Der Schluß ist also nach Art der hydraulischen Ventile. Da zu Pulver gelöschter Kalk bei weitem nicht so kräftig wirkt, als benetzter oder breiartiger Kalk; da aber auf der andern Seite ein zu nasser Zustand des Kalks den Durchgang des Gases erschwert, so ist der richtige Grad der Befeuchtung eine sehr wesentliche Rücksicht. Der Gasstrom, welcher bei seinem Eintritt im Boden sich ausbreitet, steigt – in dem Verhältniß langsamer, als der Durchmesser des Apparats den des Eintrittsrohrs übertrifft – durch die Kalkschichten auf, kommt dann zwischen der obersten Horde und dem Deckel in das Niveau der Mündung des Abzugsrohrs, wo er sich sammelt, und nach dem folgenden Kalkapparate abzieht. Es sind stets einige dieser Apparate für die Füllung und Entleerung offen; während dieser Zeit ist natürlich der Gaszutritt abgesperrt. Da das Gas in die frisch gefüllten Apparate zuletzt eintritt, so sieht man daß sich die Reihenfolge stets ändern muß in der Art, daß jedes Glied der Reihe mit jeder Umfüllung vom Anfang an das Ende versetzt wird. Moos unter den Kalk zu mengen ist nicht gebräuchlich; eben so wenig wendet man in den beiden Werken Lösungen von schwefelsaurer Bittererde, Eisenoxydul oder Manganoxydul zur Gasreinigung an. In der Peter-Street-Station pflegt man den gebrauchten Kalk in weiten Flammöfen, welche dreimal das Tags beschickt werden, bei mäßigem Feuer zu rösten. Vor dem Eintragen muß die Kalkmasse einige Zeit vor dem Ofen liegen, bis sie durch die ausstrahlende Wärme gehörig getrocknet ist. Bei der Röstung verschwinden alle theerartigen Theile und das Schwefelcalcium oxydirt sich, so daß das Product – welches zu Mörtel und Dünger dient – den lästigen Geruch fast gänzlich verloren hat. Das gereinigte Gas wird endlich in den Gas-holders aufgefangen. So nennen die Engländer nämlich die großen Trommeln oder Gasbehälter, die bei uns so fälschlich Gasometer heißen. In beiden Werken sind teleskopische Gasbehälter mit zwei Auszügen, also doppelte. Sechs an dem Umfang vertheilte Säulen mit Reibungsrollen bewirken die Senkrechtführung des aufsteigenden Behälters. In dem Glasgower Werk sind drei Gasbehälter von 84 Fuß Durchmesser und 240,000 Kubikfuß Inhalt jeder. Sie sind roth angestrichen. In Peter-Street-Station dagegen sind deren vierzehn, von 100 Fuß Durchmesser, aber nur 232,000 Kubikfuß Inhalt; es kann mithin in Peter-Street-Station die ungeheure Quantität von 3 Millionen und 248,000 Kubikfuß, oder beiläufig 1000 Cntr. Gas geborgen werden. Von einer eigentlichen Regulirung des Gasdrucks ist bei den Gasbehältern nicht die Rede, denn es bildet dieses Geschäft in jedem gut eingerichteten Gaswerk einen besonderen Theil, der in einem abgesonderten Local des Werks vorgenommen wird. Dieses Local ist nur dem technischen Vorstand nebst dem beaufsichtigenden Werkmeister zugänglich und bildet die Vereinigungsstelle, wo die Leitung, die rückwärts vom Gaswerk kommt, mit derjenigen zusammenstößt, die vorwärts nach den consumirenden Quartieren der Stadt führt. Den eigentlichen Vereinigungspunkt bildet die Maschine, worin die Quantität des erzeugten Gases nach Kubikfußen gemessen und bei dieser Messung der Gang der Arbeit controlirt wird. Die fragliche Maschine, der eigentliche Gasometer (Gasmeter) ist ein aus gußeisernen Platten zusammengeschrobener, viereckiger, großer Kasten, der von hinten durch das weite Hauptrohr das Gas von den sich entleerenden Gasbehältern empfängt. Die austretende Leitung geht in einen anstoßenden Saal, wo sie sich in eben so viele Hauptarme (mains) theilt, als Stadtdistricte von der Gasanstalt versorgt werden. An dem Anfang jedes einzelnen Hauptzweigs (main) befindet sich eine Vorrichtung um den Druck zu reguliren, unter welchem das Gas den Consumenten geliefert werden soll. So ist der Zusammenhang zwischen den Vorrichtungen, welche das Gas messen und nach Maaß und Druck reguliren. Es bleibt noch übrig beide Vorrichtungen, welche ohne Zweifel unter die Glanzpunkte sinnreicher Fabrikeinrichtungen gehören, im Einzelnen zu beschreiben. Der Gasmeter ist in großem Maaßstab, was die sogenannten Gasuhren im kleinen sind, d.h. er ist ein zur Hälfte mit Wasser gefülltes Gefäß, worin sich ein Flügelrad bewegt, dessen Schaufeln eben so viel geaichte Gefäße vorstellen. Jedes Gefäß faßt also eine bestimmte Anzahl Kubikfuß und wird durch das unter Wasser eintretende Gas gefüllt. Dadurch leichter geworden, erhebt sich das gasgefüllte Gefäß allmählich über den Wasserspiegel, wo dann das Gas in den freien Raum des Apparats und von da in das Abzugsrohr streicht. Aber in dem nämlichen Augenblick ist auch das nächstfolgende Gefäß oder Flügel ins Bereich des eintretenden Gasstroms gerückt, füllt sich, steigt und entleert sich eben so u.s.f. Diese Füllungen der einzelnen Schaufeln geschehen also in ununterbrochener Aufeinanderfolge und müssen nothwendig – da die Schaufeln symmetrisch um eine Achse geordnet sind – eine gleichmäßige Drehung bewirken. Hat das Rad z.B. vier Schaufeln und faßt jede Schaufel 10 Kubikfuß, so wird jede Umdrehung auch 4 × 10 = 40 Kubikfuß Gas andeuten, welche hindurchpassirt sind. Da nun vermöge der weiteren Einrichtung – deren Details den Lesern des polytechn. Journals bekannt sind – kein Gas auf Nebenwegen entweichen kann, sondern sämmtlich unter die Schaufeln treten muß; da ferner alles in der Anstalt erzeugte Gas in den Gasmeter geleitet wird – so kann man natürlich die Quantität des per Tag erzeugten Gases leicht finden, wenn man die Anzahl der Umdrehungen jenes Rades in 24 Stunden kennt. Zu dem Ende ist die Drehung des Rades an der Vorderwand mittelst eines Zifferblatts von außen sichtbar gemacht. Jeder Theilstrich bedeutet mithin eine bestimmte Anzahl Kubikfuß Gas, welche in einer gewissen Zeit durch den Gasmeter passirt und mithin auch fabricirt worden sind. Die Theilung ist nun nicht fest auf das Zifferblatt, sondern vielmehr auf bewegliche Papierscheiben aufgetragen, welche man vorräthig hält. Die beweglichen Zifferblätter sind wegen der Controle nöthig, von der sie einen Theil bilden. Die der Controle zu Grunde liegende Idee ist nun folgende: Um den Verlauf des Betriebs mit Sicherheit beurtheilen zu können, muß man die producirten Gasmengen mit der Zeit vergleichen können, welche zu ihrer Gewinnung nöthig war. Nur dann ist der Betrieb ein regelmäßiger zu nennen, wenn in gleichen Zeitabschnitten auch gleiche (oder in der Praxis doch nahe gleiche) Gasmengen erzeugt werden. Wenn ferner diese Vergleichung sicher und von den möglichen Irrthümern menschlicher Beobachtung unabhängig seyn soll, so müssen die beiden Factoren, die Zeit und die Quantität, selbstthätig von der Controlvorrichtung aufgezeichnet werden. In der Ausführung liefert das bereits beschriebene Zifferblatt des Gasmeters den letzteren Factor, die Gasmenge; den ersteren, die Zeit, gibt ein unmittelbar darüber (in derselben Eisenplatte) angebrachtes Zifferblatt einer gewöhnlichen, aber richtig gehenden Uhr. Der Minutenzeiger geht an seinem breiteren Ende in eine kleine Scheibe aus, womit er auf seine Achse aufgezogen ist. An einem Punkt der Peripherie dieser Scheibe ist ein Metallstäbchen angebracht, welches hinab bis auf das Zifferblatt des Gasmeters reicht und somit die Verbindung beider vermittelt. Dieses Stäbchen trägt an seinem unteren Ende eine Hülse in einer solchen Lage, daß ein eingespannter Bleistift senkrecht auf der Fläche des Gasmeter-Zifferblatts, mithin auch auf der daran befestigten Papierscheibe steht. Da der Minutenzeiger per Stunde eine Umdrehung macht, so würde auch der Bleistift unten auf der ruhenden Papierscheibe in derselben Zeit den Weg seines Befestigungspunkts an diesem Zeiger nachmalen, d.h. einen kleinen Kreis verzeichnen. Allein das Gasmeter-Zifferblatt ist mittelst Zahnrädern so mit der Achse des Meßrades im Innern verbunden, daß es sich langsam um seine Achse dreht. Darum beschreibt dann die Spitze des Bleistifts in Theilung der Papierscheibe eine Curve, welche abwechselnd aus convexen und concaven Bogen von gleicher Krümmung besteht und die Theilstriche durchschneidet. Die Curve erscheint zahnig, wie von einer zitternden Hand gezeichnet (weil der Gang des Zeigers ein stoßweiser, fortrückender, nicht gleichmäßiger ist), aber regelmäßig, wenn der Betrieb ungestört war. Im Gegentheil, wenn einige Retorten z.B. ausgewechselt werden, oder einige Arbeiter in der Nacht schlafen statt arbeiten, wird weniger Gas erzeugt, die Bewegung der Papierscheibe langsamer und der betreffende Bogen viel gekrümmter erscheinen. Man sieht also des Morgens sogleich daß, und zu welcher Zeit eine Versäumniß stattgefunden. Alle 12 Stunden wird eine neue Papierscheibe aufgezogen; die abgenommenen aber, welche in den Strichen der Theilung die Gasmenge, und in dem darauf gezeichneten Bogen des Bleistifts die zugehörige Zeit enthalten, werden in chronologischer Ordnung aufbewahrt, um in gewissen Perioden mit den Betriebsregistern verglichen zu werden. Unter dem großen Zifferblatt mit der Papierscheibe befinden sich vier kleine emaillirte Zifferblätter mit Zeigern, die ebenfalls von dem Gasstrom mittelst des Schaufelrades bewegt werden. Diese Bewegung ist durch die Zahnrädersysteme so vermittelt, daß das eine die Tausend, das zweite die Hundert, das dritte die Zehner, das vierte die Einer der durchpassirenden Zahl von Kubikfuß angibt. Sie dienen nur dazu, diesen Betrag in jedem Augenblick ablesen zu können und haben nichts mit der Controle zu thun. Nach einem ähnlichen Princip selbstregulirend ist die Controle für den Druck des Gases. Sie ist wie bemerkt in Gestalt eines besondern Apparates am Anfang jeder einzelner Hauptleitung (main) angebracht. In Peter-Street-Station sind deren acht, von denen jede an einem senkrecht aufgebogenen Arm jenen Apparat, Indicator genannt, führt. Alle acht Röhrenarme, also auch alle acht Indicators sind wegen besserer Uebersicht an einer Wand entlang angeordnet. Da wo das Gas in die Mainpipe gerade eintritt, befindet sich ein Federventil, welches als Hahn wirkt und mittelst eines Schlüssels nach dem Belieben des Aufsehers gestellt werden kann. Durch dieses Ventil muß das Gas passiren, ehe es durch den kurzen senkrechten Arm nach dem Indicator und durch die fortlaufende Straßenleitung nach der Stadt gelangt. Folglich muß der Druck im Indicator stets derselbe seyn als in der Straßenleitung. In dem Kopf des Rohrs ist eine gasometerartige Vorrichtung angebracht, deren Trommel einen senkrechten Stab trägt; aus dem Stand dieses Stabes, der mit dem wachsenden Druck steigt, mit abnehmendem Druck fällt, erkennt man also die jedesmalige Höhe desselben. Es ist nun leicht einzusehen, daß der Druck, wenn auch in der Gasanstalt die Umstände gleich bleiben, doch unaufhörlich von den Consumenten außerhalb verändert wird. Denn in dem Maaß als mit dem vorrückenden Abend mehr und mehr Brenner gelöscht werden, muß auch der Druck steigen. Gesetzt die Hälfte der Brenner sey in einer späten Abendstunde bereits gelöscht, so hat nun das Gas nur halb so viel Ausflußöffnung und wird folglich unter doppeltem Druck, also auch vermehrter Schnelligkeit aus den noch offenen Brennern strömen, was unmöglich geschehen kann, ohne den Nutzeffect und die Stetigkeit der Flamme zu beeinträchtigen. Es ist also eine gegebene Nothwendigkeit, jeder besondern Abendstunde auch einen besondern Druck anzupassen, den man denn auch aus der Erfahrung kennt und ermittelt hat. Bei dem Indicator wird nun die Zeit gerade so mit der jedesmaligen Druckhöhe in Wechselwirkung gesetzt und graphisch zu Papier gebracht wie im vorigen Falle, nur daß hier der Aufseher die Maschine und nicht wie dort, die Maschine den Aufseher leitet. Man bestimmt nämlich nach der Erfahrung und dem gegebenen Zweck den Weg, den der selbstthätige Bleistift beschreiben soll, im voraus, und es ist dann nur die Aufgabe des Aufsehers, den Stift, wenn er von der vorgezeichneten Bahn abweicht, durch entsprechende Aenderung des Drucks wieder darauf zurückzuführen. Dieser Zweck wird folgendermaßen in der Ausführung erreicht: Ein rechteckiges Blatt Papier – die man vorräthig gedruckt hat – ist durch parallele horizontale und verticale Linien in gleiche Vierecke getheilt; die Abstände der horizontalen Linien bedeuten die Druckhöhe in Zollen einer Wassersäule, die der verticalen bedeuten die Stunden. Beide Reihen von Linien sind demgemäß beziffert. Jedes Viereck entspricht demnach einem bestimmten Druck, der am Rande links – und einer bestimmten Stunde, die am Rande oben angeschrieben ist. Wenn man also für irgend einen Tag im Jahr die Druckhähne, wie sie erfahrungsmäßig zu den verschiedenen Stunden passen, in den betreffenden Vierecken markirt, und die Marken durch eine Linie verbindet, so wird diese Linie eine graphische Vorschrift seyn für den Verlauf, den die Druckänderungen an jenem Tag nehmen müssen. Darnach hat sich der Aufseher zu richten, und um ihm dieß mit Sicherheit möglich zu machen, wird diese Vorschrift auf dem Papierblatt mit wirklicher Bewegung des Drucks so zu sagen confrontirt. – Jener Stab oder Druckinder an der Trommel trägt nämlich eine Hülse mit Bleistift; das Papierblatt aber ist um einen verticalen Cylinder so aufgezogen, daß die Stundenlinien mit seinen Achsen parallel laufen; der Cylinder selber wird von einem Uhrwerk langsam und mit derjenigen Geschwindigkeit umgedreht, daß in jeder Stunde gerade eine Stundencolumne vorbeirückt. Die drehende Bewegung des Cylinders deutet also die Zeit, die auf- und abgehende des Index mit dem Bleistift die entsprechende Druckhöhe zusammenwirkend in einer gebrochenen Bleilinie an, welche eigentlich mit der im voraus aufgetragenen congruent seyn müßte, aber in der Wirklichkeit in sehr kleinen Auszackungen rechts und links darüber hinauszittert. Der Aufseher vergleicht also unaufhörlich den Zug der acht Bleistifte mit der Vorschrift und stellt die einzelnen Ventile nach deren Angabe. Die Blätter von jedem Tag fürs ganze Jahr zusammengelegt, bilden ein Tagebuch über den Gasdruck. Wie man sieht, so hat man in Peter-Street-Station gar keine eigentlichen Regulatoren, welche die Engländer Governors nennen; sie werden hier wie in Glasgow durch die Aufseher der Indicators ersetzt. Ich habe in London Massen von Naphthalin gesehen, welches sich pfundweise in den Knien der main pipes absetzt. Der einfache Brenner mit rundem Strahl ist gänzlich verschwunden und man sieht nur bat-wings oder Fledermausbrenner, welche Flammenform bekanntlich dadurch hervorgebracht wird, daß man das Gas in zwei in einem Winkel gegeneinander gerichtete Ströme theilt, die sich an dem Punkte treffen, wo sie ausströmen. Dadurch platten sie einander ab. In Glasgow ist die Gasanstalt auf eine sehr zweckmäßige Weise mit einem anstoßenden Werk in Verbindung gesetzt, worin man den Gastheer verarbeitet; beide sind nur durch eine Mauer getrennt, durch welche hindurch der Theer in einen gemauerten Behälter geleitet wird, worin er sich zu einem förmlichen Teich ansammelt und zur bessern Scheidung des Theers vom Theerwasser eine Zeit lang stehen bleibt.