Titel: Ueber die Bereitung des Blutdüngers und ein Verfahren diesen Industriezweig für die Gesundheit unschädlich zu machen; von Hrn. Sucquet.
Fundstelle: Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XVII., S. 63
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XVII. Ueber die Bereitung des Blutdüngers und ein Verfahren diesen Industriezweig für die Gesundheit unschädlich zu machen; von Hrn. Sucquet. Aus dem Technologiste, Jul. 1845, S. 539. Sucquet, über die Bereitung des Blutdüngers Erst im Jahr 1825 sing man in Paris an, dem in den Schlachthäusern ablaufenden früher unbenützten Blut einen industriellen Werth abzugewinnen. Schon seit langer Zeit lieferten thierische Substanzen den von den Landwirthen geschätztesten Dünger; doch wurde bis zu den ersten Jahren dieses Jahrhunderts ihre Anwendung vor ihrer Umwandlung in Humus (Dammerde) durch langes Faulen als schädlich betrachtet. Dieß war aber ein Irrthum; die Fäulniß bewirkt das Entweichen des größten Theils der stickstoffhaltigen Substanzen in die Luft, welche also für den Boden verloren gingen. In einer Versammlung der Société royale et centrale d'Agriculture im Jahr 1825 wurde nachgewiesen, daß die fäulnißfähigsten thierischen Ueberreste ohne Aufschub und ohne Verlust als Dünger gebraucht werden können, wenn man nur ihre Zersetzung langsam vor sich gehen läßt. Es war dieß ein erster Schritt. Payen und Boussingault lieferten bald neue Thatsachen zur Lösung dieser landwirthschaftlichen Frage. Man fand, daß die Organe der jungen Pflanzen, jene Theile, worin sich eine große Thätigkeit der Entwickelung zeigt, der aufsteigende Saft, dieses Blut der Pflanzen, welches eine stickstoffreiche Elementarzusammensetzung hat, des Stickstoffs zu ihrem Wachsthum nothwendig bedürfen; auch wurde nachgewiesen, daß die den Boden verbessernden Pflanzen viel Stickstoff aus der Luft absorbiren und das Feld, welches mit ihnen bebaut wird, bloß durch Abtretung eines Theils dieses absorbirten Stickstoffs fruchtbar machen. Die Frage hellt sich also von allen Seiten auf, sowohl durch die Praxis, als durch die Theorie. Die bis dahin unbeachtet gelassenen thierischen Körper wurden nun eifrig verlangt, das Blut der Schlachthäuser wurde Gegenstand der Handelsspeculation, und eine Gesellschaft acquirirte von dem Syndicus der Metzger zu Paris alles Blut der Schlachthäuser, um Dünger daraus zu bereiten. Gleich Anfangs wurde dieser Industriezweig ganz besonders und streng beaufsichtigt; das in Bezug auf Unschädlichkeit für die Gesundheit noch mangelhafte Fabricationsverfahren veranlaßte häufig Rügen von Seite der Behörden; sehr oft mußte der Platz gewechselt werden, welcher dem Etablissement auch gegenwärtig noch nicht von einem Tag zum andern sicher ist. Die Quantität des Bluts in den Pariser Schlachthäusern kann mit Bestimmtheit nicht wohl angegeben werden, beträgt aber sicherlich im Monat 150,000 Liter. Nachdem die Thiere geschlachtet sind, wird ihr Blut sorgfältig aufgesammelt und vor seinem Erkalten stark in Bewegung gesetzt. Dieses Schlagen hat den Zweck, das Fibrin (den Faserstoff) des Bluts auszuscheiden und so dessen weiteres Gerinnen zu verhindern. Das flüssige Blut, welches leichter in Dünger umzuwandeln ist, kann außerdem auch zu andern Zwecken verwendet werden; es war daher daher nothwendig, seiner Gerinnung vorzubauen. Nach dieser Operation hat man also einerseits flüssiges und andererseits geschlagenes fibrinreiches Blut. Ersteres ist eine schwärzliche Flüssigkeit von eigenthümlichem Geruch und 6–7° am Baumé'schen Aräometer. Das Hammelblut, welches früher von dem Rindsblut getrennt wurde, hatte nur 4–5°; seit einiger Zeit aber werden sie vermischt und miteinander behandelt. Das fibrinreiche Blut (Cassiote) besteht aus rothen Massen, aus ineinander verschlungenen Fibrinfasern bestehenden Knäueln; man findet in denselben auch Klumpen reinen Bluts, welche dem Schlagen entgingen und beim Erkalten erstarrten. Das aus den Schlachtbänken kommende flüssige Blut findet noch mehrere industrielle Anwendungen; das faserstoffreiche Blut aber dient allein zur Düngerbereitung. Die Zuckerraffinerien verbrauchen gegenwärtig viel Blut zum Klären des Zuckers; die große Menge Eiweißstoff, welche darin enthalten ist, macht es für diesen Industriezweig sehr schätzbar, ohne daß es bei dieser Anwendung an seinen fruchtbarmachenden Eigenschaften etwas verliert. Auch wird Blut zur Bereitung von Pulvern zum Klären des Weins, Alkohols, der Syrupe etc. verwendet; doch ist dieß eine sehr geringe Quantität. Bei niedriger Temperatur, unter 48° R. rasch getrocknet, ist dieses Blut vor Fäulniß gesichert. Früher wurde auch Blut aus den Schlachthäusern zum Füttern der Schweine verwendet; man fand aber, daß dieses Nahrungsmittel, namentlich zu ausschließlich angewandt, bei diesen Thieren gefährliche Krankheiten veranlaßt und ich glaube, man hat es gegenwärtig ganz aufgegeben. Der größte Theil des Bluts wird zu Dünger verarbeitet. Man sammelt es zu diesem Behuf in Fässern auf, führt es in die Fabriken und behandelt es wie folgt: in einem Gemach steht eine Reihe hölzerner Kufen, welche 3–4 Stückfaß Blut fassen. In jede dieser Kufen steckt man ein dickes Rohr, welches einen Strom Wasserdampfs hineinleitet, der von einem Dampfkessel geliefert wird. Der Dampf verdichtet sich im Blut und erhöht dabei dessen Temperatur auf 48° R. Der Eiweißstoff (das Albumin) des Bluts gerinnt (und reißt das Hämotosin [Hämathin, Blutroth] mit sich, welches er in das Netz seines Coagulums einschließt); bei jedem neuen Dampfschwall sieht man eine Masse Coagulum (Gerinnsel) entstehen und die Flüssigkeit wird immer dicker. Die Mischung wird bis zum Ende der Operation umgerührt. Es werden nun kleine leinene Säcke mit dem flüssigen, noch heißen Teig gefüllt, man legt sie auf eine Preßplatte in durch Weidenhürden von einander getrennten Schichten und bringt dieß alles unter eine Hebelpresse. Man sieht sodann auf allen Seiten eine rauchende, röthlichgelbe, beinahe durchsichtige Flüssigkeit herausfließen, welche beinahe keine Spur animalischer Substanzen, sondern bloß Chlornatrium und Chlorkalium, die auflöslichen Salze des Blutserums, enthält. Die Flüssigkeit läuft nach außen allmählich in Fässer ab, welche in der Erde, im Niveau des Bodens stecken und setzt in diesen noch einen Schlamm thierischer Substanzen ab, die noch darin schwebten, wodurch sie sich klärt und dann ohne Anstand nach ihrem Erkalten auf die Straße geschüttet werden kann. Die Preßkuchen bilden feuchte, bräunlichrothe, dünne Fladen. In Haufen liegend, sich selbst überlassen, würden auch sie noch in Gährung übergehen; sie müssen daher noch einer weitern Behandlung unterliegen. Man trocknet sie in Trockenkammern aus, wobei sie hart und spröde werden, worauf sie in einer Mühle gemahlen und zum landwirthschaftlichen Bedarf in Fässer gebracht werden. In dieser Form ist das Blut einer der besten Dünger, die man kennt. Der in dem landwirthschaftlichen Dünger enthaltene Stickstoff verhält sich zu demjenigen im getrockneten und unauflöslichen Blut wie 1,95 zu 17; auch ist dieser Dünger einer derjenigen, welche die Kosten der Ausfuhr am leichtesten ertragen. Er wird häufig nach den Antillen versandt zum Düngen der Zuckerpflanzungen und sein Preis erhielt sich lange auf 40 Frcs. per 100 Kilogr. Ein Quantum davon wird zur Fabrication der blausauren Salze angewandt. Dieses Fabricationsverfahren, welches in technischer Beziehung wenig zu wünschen übrig ließ, erfüllt bei weitem nicht in gleichem Grad die Anforderungen hinsichtlich der Unschädlichkeit für die Gesundheit. Beim Kochen der großen Massen Bluts kömmt stets mehr oder weniger altes, manchmal schon in Gährung begriffenes Blut in Behandlung; denn das Blut nimmt oft, besonders im Sommer, schon nach 24 Stunden einen ekelhaften Geruch an. Das Blut der Schlachthäuser kann unmöglich schnell genug gesammelt, weit verführt und gehörig behandelt werden, ehe eine mehr oder weniger entschieden hervortretende nachtheilige Veränderung mit ihm vorgeht; es verstreichen oft 6–8 Tage mit den einzelnen Vorarbeiten und es werden bann in den Werkstätten Blutmassen mittelst der Wärme und an freier Luft verarbeitet, welche einen unerträglichen Geruch verbreiten. Es bildet sich in den Kufen beim Kochen ein dicker Schaum (buée) von eigenthümlich erstickendem Geruch, welcher uns sonst noch gar nicht vorgekommen ist und zugleich an Menschenschweiß und Menschenkoth erinnert. Betrachtet man dieses Fabricationsverfahren aufmerksamer, so findet man, daß die vielen Uebelstände desselben doch mehr in dem Verfahren, als in der Natur der zu behandelnden Materie selbst liegen. Es ist einleuchtend, daß der von den kochenden Kufen und von der aus der Presse ablausenden Flüssigkeit aufsteigende Dampf mit den von Natur aus im Blut enthaltenen oder durch eine anfangende Fäulniß entwickelten flüchtigen Verbindungen beladen seyn muß. Das Gesundmachen dieser Werkstätten ist aber nicht durch Anwendung hermetisch verschlossener Gefäße zu bewerkstelligen, wie man einige Zeit glaubte; der erzeugte Dampf müßte stets irgendwo seinen Ausgang in die Atmosphäre finden. Gesetzt auch, daß er verdichtet würde, so müßten die Apparate doch immer wieder geöffnet, erhitzte Stoffe unter die Presse gebracht und folglich warme Flüssigkeiten davon abgesondert werden. Es müssen vielmehr alle animalischen Stoffe des Bluts kalt niedergeschlagen und als kalte, geruchlose und der Fäulniß unfähige Teige weiter verarbeitet werden. Auf diese Weise wird jede Entwickelung übelriechender Dämpfe vermieden, denn das Blut, selbst wenn es in Fäulniß begriffen ist, verliert beim Gerinnen augenblicklich allen widerlichen Geruch. Hiemit wäre nun wohl das gesundheitliche Problem gelöst. Doch ist dieß nicht hinreichend für die Privatindustrie, bei welcher sich wieder andere Schwierigkeiten ergeben. Das Verfahren darf auch nicht kostspielig seyn und den Werth des Products nicht beeinträchtigen. Diese Aufgabe glauben wir auf folgende Weise glücklich gelöst zu haben. Wir behandeln das Blut der Schlachthäuser, das flüssige und das faserstoffreiche, mit einer Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxyd oder mit Schwefelsäure. Das schwefelsaure Eisenoxyd, welches wir anwenden, ist eine sehr adstringirende röthliche Flüssigkeit von 17–20° Baumé. Kalt dem ebenfalls kalten Blut zugesetzt, coagulirt es dasselbe augenblicklich zu einer festen, schwärzlichen, geruchlosen und fäulnißunfähigen Masse. 5 Proc. des Volums von diesem Salze reichen zu dieser Coagulirung hin, welche sogleich und ohne alle weitern Umstände ein besseres Resultat liefert als das Kochen des Bluts. Wir behandelten auf diese Weise große Massen Bluts. Ein Versuch wurde mit 18 Fässern Blut ausgeführt, welche 4500 Liter davon enthielten. Wir bekamen auf der Stelle eine ungeheure Masse eines festen Teigs, welcher mit der Kufenschaufel herausgenommen, auf einen Haufen auf den Boden geworfen und vor Regen geschützt, liegen gelassen wurde. Diese Masse animalischer Stoffe ließ die ersten Tage eine helle durchsichtige Flüssigkeit ablaufen, die keine Spur animalischer Materie, sondern nur die gewöhnlich im Blutserum enthaltenen Salze, mit einem schwachen Ueberschuß des Eisensalzes, enthielt. Das Blut kann bald so leicht wie eine ausgetrocknete, zerreibliche Erdscholle in Pulver verwandelt werden; dieses Pulver wird schichtenweise ausgebreitet, fleißig umgerührt und an der Sonne getrocknet. Während dieser Behandlung, selbst als es in Haufen lag und noch feucht war, gab das Blut nicht den mindesten Geruch von sich und bot nicht das geringste Anzeichen von Gährung oder Temperaturerhöhung dar. Ebenso wurde mit käuflicher Schwefelsäure verfahren, die in gleicher Menge angewandt wurde und ähnliche Resultate lieferte, nur mit dem Unterschied, daß der Teig sich nicht schnell bildet, etwas weniger fest ist und die Flüssigkeit in längerer Zeit ausfließen läßt. Auch hat die Schwefelsäure den Uebelstand, wenn das Blut sich in einem gewissen Grad von Fäulniß befindet, während ihres Zusetzens Kohlensäure zu entwickeln, nämlich aus dem kohlensauren Ammoniak, welches bei der Gährung des Bluts aus dessen Elementen entsteht. Dieses Gas ist dann übelriechend. Doch tritt dieser Fall nur ein, wenn das Blut zu faulen begonnen hatte und auch dann nur auf einen Augenblick, indem gegen das Ende der Operation und während der weitern Behandlung das Product geruchlos und ohne Fehler ist. Dessenungeachtet ist das schwefelsaure Eisenoxyd, welches besser und ohne allen Uebelstand wirkt, der Schwefelsäure vorzuziehen. Die Kosten anbelangend, konnte ich über das Kochverfahren nichts in Erfahrung bringen; das Kochen und Austrocknen von 100 Kilogr. Blut dürfte aber wohl auf 6–8 Frcs. zu stehen kommen; die Kosten des eben angegebenen Verfahrens würden sich wohl nicht über 5 Frcs. belaufen. Während des Winters hätte sich die Fabrication auf das Niederschlagen der thierischen Stoffe aus dem Blut zu beschränken. Die erhaltenen Massen würden unter Schoppen in Haufen gebracht, wo sie während der Regenzeit von selbst abtropfen und bei wiederkehrender warmer Witterung an der Sonne rasch ausgetrocknet werden könnten. Dieses Verfahren wäre offenbar das bessere; natürlich könnten die Fabrikanten das Blut gelegenheitlich auch auspressen und austrocknen wie sonst. Es ist noch zu bemerken, daß das schwefelsaure Eisenoxyd oder die Schwefelsäure das Ergebniß an Product um 10–15 Proc. erhöhen, was die Kosten des vorgeschlagenen Verfahrens etwas vermindert. In großen Städten können übrigens auch Rückstände von Fabriken statt der genannten Substanzen zur Fällung des Bluts verwendet werden; so z.B. die beim Abbrennen des Kupfers zurückbleibende blaue Flüssigkeit von 17° Baumé; nachdem durch altes Eisen das Kupfer aus derselben metallisch niedergeschlagen ist (dessen Werth den Ankauf der Flüssigkeit deckt), enthält sie nur noch schwefelsaures Eisen, schwefelsaures Zink und Schwefelsäure. Man läßt die Flüssigkeit über den Eisenstücken mit Zusatz von etwas Braunstein stehen. 5 Proc. dieser nun röthlichen und nur noch schwach sauren Flüssigkeit genügen zum Niederschlagen des Bluts. Der so erhaltene Dünger erfüllt alle Anforderungen, wenigstens ebenso gut wie das gekochte Blut. Seine Zersetzung geht langsam vor sich. Die darin enthaltene Schwefelsäure muß seine fruchtbarmachende Kraft nur noch erhöhen; dieselbe wirkt auf zweierlei Art: sie verwandelt das bei der Zersetzung sich entwickelnde kohlensaure Ammoniak in schwefelsaures, und bildet später schwefelsauren Kalk, welcher der Vegetation so zuträglich ist. Dieser Umstand gleicht den Abgang von 10–15 Proc. an der Quantität des Bluts aus, so wie auch die vorhandenen Metalle nur nützlich wirken und der Vegetation auf keine Weise schaden können.