Titel: Ueber das Nicotin und seine quantitative Bestimmung im Tabak; von Schlösing, Eleve der Tabakfabrik zu Paris.
Fundstelle: Band 103, Jahrgang 1847, Nr. LXXXV., S. 373
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LXXXV. Ueber das Nicotin und seine quantitative Bestimmung im Tabak; von Schlösing, Eleve der Tabakfabrik zu Paris. Aus den Comptes rendus, Dec. 1846, Nr. 25. Schlösing, über das Nicotin und seine quantitative Bestimmung im Tabak. Das vortheilhafteste Verfahren das Nicotin darzustellen, ist folgendes: Man behandelt den Tabak mit Wasser und dampft die Flüssigkeit ein; das Extract wird nun mit Alkohol ausgezogen, den man decantirt und einengt. Das neue Extract wird mit Kali behandelt und dann mit Aether geschüttelt, welcher das Nicotin auflöst, sowie einige fremdartige Substanzen, die man durch Fällung des Alkaloids im Zustand eines oralsauren Salzes entfernt. Letzteres wird durch Schütteln mit Aether ausgewaschen, mit Kali behandelt und abermals in Aether aufgelöst, welchen man sodann abdestillirt. Der nun erhaltene Destillationsrückstand ist zwar gefärbt, aber klar und enthält außer dem Nicotin noch Wasser, Aether und Ammoniak; eine Wärme von 180° C., die einen Tag lang unterhalten und von einem Strome trockenen Wasserstoffs unterstützt wird, reicht hin, um letztere drei Körper zu verjagen, so daß das Nicotin rein und ungefärbt übergeht, wenn man die Temperatur auf 180° C. erhöht. 1 Kilogr. guter Tabak (aus dem Lot-Depart.) kann auf diese Weise 50 bis 60 Gramme Nicotin geben. Die von Hrn. Melsens für das Nicotin aufgestellte Formel C²⁰ H¹⁴ N² hat sich durch meine Analysen bestätigt; nur scheint das ihr entsprechende Aequivalent 1012,5 verdoppelt werden zu müssen. Das Nicotin muß im Tabak in salzigem Zustand präexistiren, weil die wässerigen, alkoholischen und ätherischen Lösungen dieser Pflanze sich gerade so verhalten, als wenn man ein Nicotinsalz hineingebracht hätte. Das Nicotin zieht Feuchtigkeit aus der Luft an, kann aber von Wasser, Aether und Ammoniak vollkommen befreit werden. Man braucht es zu diesem Behufe nur in eine mit Wasserstoffgas gefüllte Glocke neben eine, concentrirte Schwefelsaure enthaltende Schale, auf das Quecksilber der pneumatischen Wanne zu bringen. Das Nicotin kann durch ein einfaches und genaues Verfahren im Blättertabak sowohl wie im verarbeiteten Tabak quantitativ bestimmt werden. Man erschöpft nämlich 10 Gramme Tabak mittelst ammoniakalischen Aethers in einem continuirlich wirkenden Destillir-Apparat; verjagt das Ammoniakgas aus der nicotinhaltigen Lösung durch Kochen und neutralisirt nach Verdampfung des Aethers das Nicotin mit verdünnter Schwefelsäure von bekanntem Gehalte. Dieses Verfahren ist ganz zuverlässig, denn ich habe mich überzeugt: 1) daß die Verdrängung des Nicotins durch das Ammoniak und seine Ausziehung mittelst des Aethers vollständig vor sich gehen; 2) daß bloßes Aufkochen der Nicotinlösung hinreicht, um das Ammoniakgas aus der Flüssigkeit zu verjagen; 3) daß während des Kochens derselben kein Nicotin verloren geht; 4) daß neben dem Nicotin keine andere Substanz vorhanden ist, welche die Schwefelsäure absorbiren könnte; 5) daß wenn der Tabak noch andere Basen enthält als Nicotin, diese keinen Einfluß auf die angewandte analytische Methode haben. Der Nicotingehalt mehrerer französischer und amerikanischer Tabake ist nach meinen Analysen folgender: Textabbildung Bd. 103, S. 374 Departement; Lot Proc. des trockenen Tabaks; Lot-Garonne; Nord; Ille-Vilaine; Meerenge von Calais; Elsaß; Virginia; Kentucky; Maryland; Havanna: unter 2 Proc. Hieraus ersieht man, daß die Tabake, welche am meisten Nicotin enthalten, sich zum Schnupftabak am besten eignen. Die quantitative Bestimmung des Nicotins im Schnupftabak ergab im Mittel 2,04 Nicotin auf 100 getrockneten Tabaks, woraus zu schließen ist, daß die Gährung ungefähr zwei Drittheile des Nicotins zerstört, welches in dem zum Schnupftabak verwendeten Blättergemenge enthalten ist. Das Ammoniak befindet sich in diesem Tabak als Salz; das Nicotin zum Theil als neutrales Salz, zum Theil frei oder ganz im Zustand eines basischen Salzes. Diesen beiden Salzen verdankt der Tabak die Eigenschaft, die Schleimhaut der Nase zu reizen. (Diese Abhandlung bildet den ersten Theil des Berichtes über die Versuche, welche im Laboratorium der Tabakfabrik zu Paris unter Leitung des Hrn. Fremy über die Zusammensetzung der Tabakblätter und ihre Gährung angestellt wurden).