Titel: Ueber die zur Verdunstung des Wassers auf der Erdoberfläche jährlich verbrauchte Wärmemenge und über die dynamische Kraft der fließenden Wässer des Continents; von Daubrée.
Fundstelle: Band 104, Jahrgang 1847, Nr. LXXVII., S. 338
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LXXVII. Ueber die zur Verdunstung des Wassers auf der Erdoberfläche jährlich verbrauchte Wärmemenge und über die dynamische Kraft der fließenden Wässer des Continents; von Daubrée. Aus den Comptes rendus, März 1847, Nr. 13. Daubrée, über die zur Verdunstung des Wassers auf der Erdoberfläche jährlich verbrauchte Wärmemenge. 1) Quantität der jährlich zur Verdunstung verbrauchten Wärme oder Triebkraft. – Die Circulation des Wassers durch die Atmosphäre kann nicht stattfinden, ohne daß eine gewisse Wärmemenge in Thätigkeit kommt, welche ich hier annähernd zu berechnen suche, wobei ich mich aber immer eher unter den wahren Werthen halten, als sie überschreiten werde. Behufs dieser Berechnung kann die jährlich von der ganzen Erdoberfläche in Dunstgestalt davongehende Wassermenge durch das Volum des in gleichviel Zeit aus der Atmosphäre fallenden Meteorwassers ausgedrückt werden. Stellt man nun die in verschiedenen Breiten in beiden Hemisphären angestellten Beobachtungen zusammen, so erhält man für dieses Volum die Ziffer von 703,435 Kubikkilometer, was einer die Erde bedeckenden 1,379 Meter dicken Wasserschicht gleich käme. Die Quantität Wärme, welche die Verdunstung dieses Wassers der Rinde des Meeres oder Festlandes der Erde entzieht und in die Atmosphäre überführt, würde hinreichen, eine die ganze Erde umgebende 10,70 Meter dicke Eisschicht von 0° zu verflüssigen. Vergleicht man dieses Resultat mit jenem des Hrn. Pouillet über die Wirkungen der Sonnenwärme,Comptes rendus Jul. 1838. so findet man daß die Verdunstung eine Wärmemenge verwendet, welche ungefähr einem Drittheil der von der Sonne in gleicher Zeit der Erde zugesendeten gleichkömmt. Alles in Frankreich in einem Jahr verbrauchte Brennmaterial könnte nur eine ganz Frankreich bedeckende Eiskruste von 0,0017 Meter Dicke, also 16 Zehntausendstel der der Verdunstungswärme entsprechenden Mittlern Dicke schmelzen. Berechnet man diese Erwärmungskraft auf dynamische Einheiten, so findet man, daß die Kraft (Leistung) welche in einem Jahr verwendet wird, um Wasserdunst in der Atmosphäre zu verbreiten, für die ganze Erde wenigstens 16,214,937 Mill. Pferdekräften, oder für die Hektare 318 Pferdekräften gleichkömmt, welche ebenfalls ein Jahr lang unausgesetzt in Thätigkeit sind. Letztere Ziffer zeigt uns daß die selbst in industriellen Ländern, wo das Maschinenwesen die größte Entwicklung hat, in Anwendung kommenden Triebkräfte nur einen kleinen Bruchtheil jener ungeheuren Kraft ausmachen, welche die Natur beim Act der Wassercirculation in aller Stille entfaltet. 2) Von der durch den Fall des Wassers, insbesondere durch die fließenden Wässer des Kontinents erzeugten Kraft oder Leistung. – In der absteigenden Periode der Circulation sind vorzüglich zu unterscheiden: 1) die Niederschlagung des Wassers aus der Atmosphäre im flüssigen oder festen Zustande: 2) die Bewegung der fließenden Wässer des Kontinents, die der Eisgletscher inbegriffen. Das Wasser welches uns die Wolken in Gestalt von Regen oder Schnee niedersenden, kömmt unten am Ende seines Weges mit einer in der Regel sehr geringen Geschwindigkeit an, die der eines Falls von nur einigen Metern entspricht. Beinahe sämmtliche lebendige Kraft dieses Wassers wird daher zur Erzeugung für uns wenig fühlbarer Wirkungen verwendet. Den Werth der Triebkraft der unseren Continent durchziehenden Bäche und Flüsse direct zu ermitteln, ist nicht möglich; nimmt man aber eine Formel zu Hülfe, welche die Oberfläche der Gegend, deren mittlere Höhe über dem Meere, das jährliche Volum des Meteorwassers und den Bruchtheil des Gesammtvolums, welches als laufendes Wasser bis zum Meere gelangt, in sich begreift, so erhält man zwei Gränzen, zwischen welchen die gesuchte Kraft liegen muß. Für Europa betragen diese Gränzen 273,508,974 und 364,678,620 Pferdekräfte, welche während eines Jahrs unausgesetzt in Thätigkeit sind. Diese Kraftquantitäten entsprechen für den Quadratkilometer den Mittelzahlen 25,06 und 36,04 ebenfalls ein Jahr beständig fortwirkender Pferdekräfte. Nach der erwähnten höheren Gränze verhält sich die Triebkraft der fließenden Wässer Europa's zu der durch die Verdunstung auf der Erdoberfläche verloren gehenden, beide auf den Quadratkilometer reducirt, wie 1 : 883. Die Triebkraft der laufenden Wässer aller Festlande kann nicht über 1/1800 der der Verdunstung gewidmeten Kraft, oder ungefähr 9 Milliarden Pferdekräfte betragen.