Titel: | Anleitung zur Bereitung des Chloroform; von Soubeiran. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. XVII., S. 72 |
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XVII.
Anleitung zur Bereitung des
Chloroform; von Soubeiran.
Aus den Comptes rendus, Nov. 1847, Nr. 22.
Souberain's Methode zur Bereitung des
Chloroform.
Das Chloroform (Formylsuperchlorid), welches gegenwärtig mit
Vortheil anstatt des Schwefeläthers angewandt wird, um
chirurgische Operationen schmerzlos zu machen,Das Chloroform, mit welchem Prof. Simpson in Edinburgh die ersten wundärztlichen
Versuche anstellte, wird ohne Zweifel den Aether als
Schmerzstiller verdrängen. Die verschiedenartigsten
Operationen sind mittelst desselben bereits schmerzlos
vorübergegangen; nur in wenigen Fällen blieb der
gehoffte Erfolg aus, woran aber nur eine zu geringe
Quantität desselben oder seine unreine Beschaffenheit
Schuld waren.Die Vorzüge des Chloroform vor dem Aether lassen sich
nach den bisherigen Erfahrungen folgendermaßen
zusammenfassen: 1) seine Wirkung ist rascher und
nachhaltiger; eine höchstens zwei Minuten reichen hin um
das Bewußtseyn völlig zu ertödten. 2) Die durch den
Gebrauch des Chloroform erzeugte Narkose sieht dem
natürlichen Schlaf weit ähnlicher als der Aetherismus.
Der Ausdruck des Gesichts ist ruhig, das Auge starr, die
Pupillen sind erweitert, sehr oft schnarchen die
Overanten. Das Erwachen geschieht plötzlich, während man
mit dem Aether nur allmählich und wie aus einer tiefen
Betäubung zu sich zu kommen scheint. 3) Das Nervensystem
ist minder angegriffen. Der Blutandrang nach dem Gesicht
und dem Gehirn ist geringer, auch leiden die Patienten
weniger Kopfschmerz. Deßgleichen scheinen die
Chloroformdünste nicht so reizend auf die
Luftröhrenschleimhaut wie der verflüchtigte Aether zu
wirken.Eine beachtenswerthe Eigenschaft des neuen
Schmerzstillers, auf welche unseres Wissens bisher noch
nicht aufmerksam gemacht wurde, ist der Umstand daß mit
demselben auch bei Licht Operationen ohne Gefahr
ausgeführt werden können, weil das Chloroform sehr
schwer entzündlich ist. A. d. R. bereite ich auf folgende Weise.
Ich rühre 10 Kilogr. käuflichen Chlorkalk von etwa 90° (28
1/2 Proc. Chlor) sorgfältig mit 60 Kilogr. Wasser an und schütte
die erhaltene Kalkmilch in eine kupferne Destillirblase, welche
nur zu zwei Drittel damit gefüllt werden darf; ich setze nun 2
Kilogr. Alkohol von 85° Tralles zu und versehe die Blase
mit ihrem Helm und Kühlrohr; nachdem dieselben gut lutirt worden
sind, mache ich ein lebhaftes Feuer unter den Apparat. Gegen
64° Reaumur fangen die Substanzen an heftig auf einander
zu wirken, so daß die Masse steigt und in die Vorlage überginge,
wenn man sich nicht beeilen würde das Feuer zu beseitigen; dieß
ist der einzige schwierige Augenblick der Operation. Daß er bald
eintritt, zeigt die Wärme an, welche der Hals des Helms annimmt.
Wenn sich derselbe an seinem äußersten Ende stark erhitzt hat,
während sich noch keine Destillationsproducte zeigten, so
schafft man das Feuer unter der Blase weg. Einige Augenblicke
darauf beginnt die Destillation und hat einen raschen Verlauf;
sie erreicht fast vollständig ihr Ende,
ohne daß man nachzufeuern braucht. Wenn ich bemerke daß sie
langsamer vorschreitet, schüre ich nach, um sie in gleichem
Gange zu unterhalten. Bald ist alles beendigt; man erkennt dieß
daran, daß die überdestillirende Flüssigkeit fast gar nicht mehr
den süßen Geschmack des Chloroform hat.
Das Product besteht aus zwei Schichten; die untere ist dicht und
schwach gelblich; sie besteht aus Chloroform, gemischt mit
Alkohol und verunreinigt durch ein wenig Chlor. Die obere
größere Schicht ist ein bisweilen milchichtes Gemisch von
Wasser, Alkohol und Chloroform; sie setzt in 24 Stunden eine
gewisse Menge Chloroform ab.
Man scheidet das Chloroform durch Decantiren ab, wascht es durch
Schütteln mit Wasser und reinigt es dann von Chlor durch
Schütteln mit einer schwachen Auflösung von kohlensaurem Natron;
dann versetzt man es mit Chlorcalcium und rectificirt es durch
Destillation im Wasserbad. Zum medicinischen Gebrauch halte ich
eine nochmalige Rectification desselben mittelst concentrirter
Schwefelsäure für ganz überflüssig. Das Wasser welches anfangs
über dem Chloroform stand und dasjenige welches zum Waschen
desselben diente, gießt man zusammen, verdünnt es mit einer
neuen Quantität Wasser und destillirt es im Wasserbad. Das
Chloroform geht bald über, indem es ein wenig alkoholhaltiges
Wasser mitreißt, welches über ihm schwimmt. Man reinigt es dann
wie ich schon angab.
Die Schwierigkeit bei der Bereitung des Chloroform besteht darin,
daß man hinreichend verdünnten Chlorkalk anwenden muß, weil sich
sonst auch andere Substanzen bilden, namentlich essigsaure
Producte, welche sehr schwer von ihm abzusondern wären; man ist
daher genöthigt sehr geräumige Destillirgefäße anzuwenden und
eine sehr beschränkte Menge Alkohol. Das Chloroform scheint
überdieß nur ein secundäres Product der Reaction des
unterchlorigsauren Kalks auf den Alkohol zu seyn. Man erhält
davon immer viel weniger als man nach der Theorie zu erwarten
hat. Erst wenn man einmal die Bedingungen der Bildung des
Chloroform genau kennt, läßt sich seine Bereitungsart
verbessern. Gegenwärtig erhält man verhältnißmäßig sehr wenig
Product; glücklicherweise erfordert jede Operation nur wenig
Zeit, so daß man in einem Tag eine ziemliche Anzahl von
Destillationen vornehmen kann.
Zuerst bemühte ich mich die vortheilhaftesten Verhältnisse
zwischen dem Chlorkalk, Wasser und Alkohol zu bestimmen. Auch
stellte ich Versuche an, welchen Einfluß auf das Resultat die
mehr oder weniger lange andauernde Berührung dieser Substanzen
hat; es scheint, daß man um so mehr Product erhält, je rascher
die Operation ausgeführt wird; auch schien es mir, daß es nach
dem Zerreiben des Chlorkalks vortheilhafter ist, ihn mit heißem
Wasser anzurühren, damit die Flüssigkeit schneller die
Temperatur von 64° R. erreicht, welche zur Bildung des
Chloroform nöthig ist.
Ich beeile mich hiemit die Erfahrungen, welche ich in kurzer Zeit
machen konnte, zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, damit
Jedermann in Stand gesetzt wird ein Product zu bereiten, welches
jetzt im Handel so begehrt ist. Anfangs wurde den Chirurgen in
Frankreich Chloroform geliefert, welches nicht rein genug war.
Das Chloroform hat ungeachtet seiner scheinbaren Flüssigkeit
eine bedeutende Dichtigkeit, die als Erkennungsmittel seiner
Reinheit dienen kann. Vermischt man nämlich gleiche Theile von
concentrirter Schwefelsäure und destillirtem Wasser, so erhält
man eine Flüssigkeit welche nach dem Erkalten 40°
Baumé zeigt. Bringt man in diese Flüssigkeit einen
Tropfen Chloroform, so fällt er auf den Boden. Diese einfache
Probe kann Jedermann anstellen und sich dadurch überzeugen ob
ein käufliches Chloroform mit Alkohol vermischt ist oder
nicht.