Titel: | Chemische Untersuchung einiger vorzüglichen Weine des Rheingaues von dem Jahrgange 1846; nebst einigen Worten über den Werth der Weine und über Nachgährung; von Prof. Dr. R. Fresenius. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. LXVIII., S. 289 |
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LXVIII.
Chemische Untersuchung
einiger vorzüglichen Weine des Rheingaues von dem Jahrgange 1846;
nebst einigen Worten über den Werth der Weine und über Nachgährung;
von Prof. Dr. R. Fresenius.
Aus den Annalen der Chemie und
Pharmacie, Sept. 1847.
Fresenius' Untersuchung einiger vorzüglichen
Weine.
Die Weine, deren Analyse ich nachstehend mittheile, wurden von
mir im Auftrage der herzoglich nassau'schen
Generaldomänendirection untersucht. Dieselben sind:
I.
Hattenheimer II. MarkobrunnerIII.
Steinberger
Durchschnitt des ganzen Ertrags
der Domanialweinberge (von
1846)
IV.
Steinberger, Auslese;
und wurden, unter der Leitung des Hrn.
Hofkammerrath Köpp, mit der größten
Sorgfalt und ohne den mindesten Zusatz, nach der Methode der
geschlossenen Gährung behandelt. Der Geruch und Geschmack
derselben ist wunderbar angenehm.
Die Weine sind im März zur Untersuchung verwendet worden und
waren demnach etwa vier Monate alt. Abgestochen waren sie noch
nicht. I, II und III waren fast klar, IV noch in schwacher
Gährung. Die Untersuchung erstreckte sich vorläufigBei genauer Prüfung der Methoden, welche bisher zur
Bestimmung der sämmtlichen
Bestandtheile des Weines angewendet worden sind, fand
ich ohne Mühe daß dieselben unmöglich genaue Resultate
geben können; so wird z.B. schon beim Kochen oder
Abdampfen des Weines, durch Einwirkung der freien
Säuren, Pektin und Gummi mehr oder minder vollständig in
Zucker übergeführt. auf die Hauptbestandtheile des Weins:
Weingeist, Zucker, freie Säure, Gesammtextract und Wasser, und
wurde in folgender Weise ausgeführt:
a) Die Quantität des Alkohols wurde
durch Destillation des Weines, Rectification des Destillats
unter Zusatz von etwas Kalk und Bestimmung des specifischen
Gewichts bei dem gewogenen Rectificat ermittelt.
b) Die Quantität des Zuckers wurde
in dem durch vorsichtiges Abdampfen erhaltenen Weinrückstand
bestimmt, indem ein Theil desselben, unter Zusatz einer
gewogenen Menge Hefe, in dem von Will
und mir construirten Kohlensäure-Apparat bei 20 bis
25° C. gähren gelassen wurde. – Aus der
entwichenen Kohlensäure (dem Gewichtsverlust des Apparates)
ergab sich die Quantität des Zuckers mit großer Genauigkeit,
nachdem zuvor die, durch einen eigenen Versuch bestimmte,
geringe Menge Kohlensäure abgezogen worden war, welche die
zugesetzte Hefe unter den obwaltenden Verhältnissen an und für
sich entwickelte.
c) Die freie Säure wurde nach der
von Will und mir angegebenen
acidimetrischen Methode bestimmt, d.h. durch Zusammenbringen
einer gewogenen Menge des abgedampften Weines mit überschüssigem
doppeltkohlensaurem Natron in dem oben erwähnten
Kohlensäure-Apparat. Man erhält durch diese Methode sehr
übereinstimmende und genaue Resultate, kann aber natürlich die
Mengenverhältnisse der verschiedenen organischen Säuren und
sauren Salze, welche vorhanden sind – der Weinsäure,
Aepfelsäure, des Weinsteins etc. – einzeln nicht
ersehen.
d) Die Menge des Extracts im Ganzen
wurde durch vorsichtiges Abdampfen gewogener Weinmengen und
vollkommenes Trocknen des Rückstandes bei 100° C.
bestimmt.
Die analytischen Daten sind nachstehend in der ersten, die
specifischen Gewichte in der zweiten, die analytischen Resultate
in der dritten Uebersicht zusammengestellt.
A. Analytische
Daten.
1) Zur Destillation verwendete Mengen.
I.
II.
III.
IV.
408,8
Grm.
400,0
Grm.
400,0
Grm.
400,0
Grm.
2) Erhaltene Mengen des rectificirten Destillats.
182,75 Grm. 204,43
Grm. 206,52
Grm. 213,004 Grm.
3) Specifisches Gewicht des rectificirten Destillats bei
15° C.
0,9681 Grm. 0,9722
Grm. 0,9745
Grm. 0,9749 Grm.
4) Zur Bestimmung des Gesammtrückstandes verwendete Mengen.
50,00 Grm. 70,68
Grm. 83,112
Grm. 73,99 Grm.
5)
Erhaltene Mengen des bei 100° getrockneten
Gesammtrückstandes.
2,107 Grm. 3,66
Grm. 4,62
Grm. 7,81 Grm.
6) Zur Bestimmung des Gehaltes an freier Säure, in abdestillirtem
Zustande verwendete Mengen.
81,23 Grm. 114,0
Grm. 138,52
Grm. 112,32 Grm.
7) Ausgetriebene Kohlensäure aus doppelt-kohlensaurem
Natron.
0,265 Grm. 0,350
Grm. 0,405
Grm. 0,280 Grm.
8) Zur Bestimmung des Zuckergehaltes in abdestillirtem Zustande
verwendete Mengen.
32,50 Grm. 27,36
Grm. 33,24
Grm. 26,904 Grm.
9) Bei der Gährung entwichene Kohlensäure, nach Abzug von 0,055
Grm. für die aus 20 Grm. Hefe entwickelte Kohlensäure.
0,569 0,605 0,730 1,135.
B. Specifisches Gewicht bei 15° C.
I.
II.
III.
IV.
0,9959
1,0012
1,0070
1,0323.
C. Analytische
Resultate in Gewichtsprocenten.
I.
II.
III.
IV.
Wasser
85,079
83,681
84,384
78,275
Extract im
Ganzen
4,214
5,178
5,559
10,555
Wasserfreier
Traubenzucker
3,580
4,521
4,491
8,628
Freie Säure,
ausgedrückt als freie
Weinsäure (,
HO)
0,556
0,533
0,497
0,424
Alkohol
10,707
11,141
10,067
10,170.
Aus diesen Angaben findet sich, daß der Most vor der Gährung
folgende Zuckermenge enthalten haben muß:
a) Zucker, wasserfrei berechnet:
(C₁₂ H₁₂
O₁₂).
I.
II.
III.
IV.
24,52 Proc.
26,25 Proc.
24,12 Proc.
28,46 Proc.
b) Zucker, krystallisirt
berechnet:
(C₁₂ H₁₂
O₁₂ + 2 aq)
26,97 Proc. 28,87
Proc. 26,53 Proc. 31,31
Proc.
Da nun die von Kennern beurtheilte relative Güte der fraglichen
Weine von I nach IV zunimmt, so lassen sich aus den obigen
Angaben folgende Schlüsse ableiten:
1) Die Güte eines Weines ist um so größer:
a) je geringer sein Gehalt an freier
Säure;
b) je größer sein Gehalt an
Zucker;
c) je größer sein Gehalt an
Extract.
2)
Die Menge des Weingeistes ist in Bezug auf Güte bei an und für
sich ähnlichen Weinen nicht von entscheidendem Einfluß.
3) Aus dem specifischen Gewichte eines Weines läßt sich wenig
abnehmen.
Daß die Güte eines Weines sich aus den mitgetheilten Angaben allein immer noch nicht mit Gewißheit
ergibt, indem sie durch die geschmack- und geruchgebenden
flüchtigen Substanzen (welche sich der chemischen Bestimmung bei
Anwendung geringerer Weinmengen, ihrer unbedeutenden Quantität
wegen, stets entziehen) hauptsächlich mit bedingt wird, bedarf
kaum der Erwähnung.
Vergleicht man den Zuckergehalt der Moste, welche die
untersuchten Weine geliefert haben, so findet man große
Unterschiede. Es könnte demnach auffallend erscheinen, daß der
Weingeistgehalt der Weine sich fast gleich zeigt, während es
doch auch an Ferment nicht fehlte; wie sich daraus aufs
gewisseste ergab, daß die in Flaschen aufbewahrten Weine im
Keller liegend, mit dem wärmeren Wetter aufs Neue in Gährung
kamen und jetzt (im Anfange Juli) alle moussirend sind. Dieselbe
Erscheinung (Nachgährung) wird bekanntlich auch bei den in
Fässern lagernden Weinen stets beobachtet. Das Auffallende
dieser Thatsache schwindet jedoch, wenn man folgendes ins Auge
faßt:
Eine in Gährung befindliche Zuckerlösung gährt fort,
entweder:
a) bis aller Zucker zersetzt ist,
oder
b) bis kein Ferment mehr vorhanden,
oder
c) bis eine Hemmung eintritt.
Eine solche aber kann erfolgen:
1) durch Temperaturerhöhung oder
-Erniedrigung;
2) durch Bildung einer geeigneten Menge
Weingeist.
Da nun aber die zur Hemmung der Gährung erforderliche Menge
Weingeist abhängig ist von der Temperatur, so werden, bei
gleichem Wärmegrade, gährende Moste, respective Weine, alle dann
in der Gährung unterbrochen, wenn sich in jedem eine
Weingeistmenge gebildet hat, welche bei der herrschenden
Temperatur die Gährung zu hemmen vermag; demnach müssen
sämmtliche Weine nahezu gleichen Alkoholgehalt zeigen, wenn auch
die Zucker- und Fermentmengen in den einzelnen sehr
verschieden sind. Erhöht sich nun aber bei Eintritt wärmeren
Wetters die Temperatur des Weins, so muß nothwendig die Gährung
wieder eintreten, weil ja die vorhandene Weingeistmenge nur bei
der früheren niedrigeren Temperatur die Hemmung der Gährung zu
bewirken vermochte, und sie muß fortdauern, bis die Alkoholmenge
so bedeutend geworden, daß sie auch bei der nunmehrigen
höheren Temperatur gährungshemmend wirkt. Auch die wiederholte
Nachgährung und die, welche zuweilen bei älteren Weinen
eintritt, findet in dem Angegebenen eine ganz befriedigende
Erklärung, wenn man annimmt, daß sich der Weingeistgehalt der
Weine bei längerem Liegen allmählich vermindert, indem seine
Bestandtheile theilweise zur Bildung verschiedener
Aethylverbindungen (Weinsteinsäure-, Aepfelsäure-
etc. Aether) dienen, wie dieß in hohem Grade wahrscheinlich ist
(Versuche sind darüber nicht angestellt); denn Nachgährung muß
ja immer wieder eintreten (so lange noch Zucker und Ferment
vorhanden ist), sobald der Wein eine Temperatur erreicht, die
über derjenigen liegt, bei welcher die vorhandene Alkoholmenge
die Gährung zu hemmen vermag.
Hieraus ergibt sich der Vortheil kühler Weinkeller oder gar
solcher, welche mit Wasserleitung versehen sind und im heißesten
Sommer ein künstliches Abkühlen der Fässer gestatten, wie
solches in dem herzoglichen Cabinetskeller zu Eberbach der Fall
ist.