Titel: Ueber den Einfluß des Verfahrens beim Buttern auf die Festigkeit oder Weichheit der Butter; von Professor Johnston.
Fundstelle: Band 107, Jahrgang 1848, Nr. LXX., S. 295
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LXX. Ueber den Einfluß des Verfahrens beim Buttern auf die Festigkeit oder Weichheit der Butter; von Professor Johnston.Ein kurzer Auszug dieser Abhandlung wurde bereits im polytechn. Journal Bd. CVI S. 406 mitgetheilt. A. d. R. Aus dem Agriculteur-praticien, Oct. 1847, S. 23. Johnston, über den Einfluß der Verfahrens beim Buttern auf die Festigkeit oder Weichheit der Butter. Wer sich mit dem Buttermachen beschäftigt hat, konnte zwei Thatsachen beobachten, welche sowohl in chemischer als in ökonomischer Hinsicht nicht ohne Interesse sind. Erstens ist in einer und derselben Wirthschaft und durch ein und dasselbe Verfahren erhaltene Butter in einer Jahreszeit beinahe überall härter als in einer andern. Zweitens liefert eine und dieselbe Milch durch eine Verschiedenheit in der Behandlung oder im Buttern, Butter von verschiedener Festigkeit. Die Festigkeit aber ist eine sehr geschätzte Eigenschaft der Butter, so daß in einigen Gegenden Englands versichert wird, daß dieselbe durch Zusatz von Hammel- oder Rindsfett künstlich hervorgebracht werde. Durch was ist also diese Eigenschaft bedingt? Warum tritt sie in einer Jahreszeit mehr hervor als in einer andern? Ist anzunehmen, daß im Verfahren des Buttermachens etwas liegen könne, was sie erhöht oder vermindert? Ehe wir auf die Beantwortung dieser Fragen eingehen, müssen wir, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das Gefüge (die Structur) der Milch und die chemische Zusammensetzung der Butter genau kennen lernen. Die Kuhmilch enthält 87 bis 88 Proc. Wasser. Dieses hält ungefähr 5 Proc. Zucker und etwas Natron aufgelöst. In der Zuckerlösung befinden sich auch in Auflösung 4–5 Proc. Käsestoff, durch welchen sie jene bläuliche Undurchsichtigkeit der abgerahmten Milch erhält. In dieser gemischten Flüssigkeit schwimmt noch eine große Menge kleiner Kügelchen einer halbflüssigen Fettsubstanz, deren jedes von einer dünnen Hülle einer eigenthümlichen Substanz umgeben ist, die dem Käsestoff ähnlich ist, aber in ihrer Zusammensetzung etwas davon abweicht. So gibt z.B. der Käsestoff, wenn man ihn auf polirtem Silberblech mit einem oder zwei Tropfen Aetzkalilösung erhitzt, einen bräunlichschwarzen Flecken von Schwefelsilber, die angebliche Hüllensubstanz aber nicht. Ueberläßt man die Milch einige Zeit der Ruhe, so begeben sich diese Fettkügelchen sammt ihrer Hülle auf die Oberfläche der Flüssigkeit und vereinigen sich daselbst zu Rahm (Sahne). Wird endlich dieser Nahm eine Zeit lang in einem Butterfaß oder andern Gefäß bei gehöriger Temperatur gerührt, so brechen oder zerreißen die dünnen Hüllen und die Theilchen der halbflüssigen Fettsubstanz vereinigen sich, um Butter zu bilden. Diese Butter enthält noch etwas von den Hüllen, mit etwas Käsestoff und Zucker, ferner eine beträchtliche Menge Wasser. Wenn sie fertig gerührt und gut ausgepreßt ist, so besteht sie aus: Käsestoff und Hüllensubstanz     0,33 bis     1 Proc. Wasser   10,00  „   14   „ Fettsubstanz   89,67  „   85   „ –––––––––––––––––– 100,00 100 Proc. Wird die Butter gesalzen, so scheidet sich ein Theil ihres Wassers ab und sie wird fester, dichter und reicher an Fettsubstanz. Die Fettsubstanz der Butter besteht aus einem festen und einem bei gewöhnlicher Temperatur flüssigen Theil. Der feste ist Margarin, der flüssige Oleïn. Bringt man die Butter in einem leinenen Sack unter die Presse, so fließt das Oleïn derselben aus. Je mehr Margarin die Butter enthält, desto fester, je mehr aber das Oleïn darin vorherrscht, desto weicher ist sie. Letzterer Umstand nun ist von chemischem Interesse für die Lösung unserer praktischen Frage. Wenn nämlich die Festigkeit der Butter von ihrem Margaringehalt abhängt, diese Festigkeit aber variirt, so sollte natürlich auch der Margaringehalt derselben variiren; und dennoch ergibt eine sehr sorgfältig angestellte Untersuchung, daß dieß nur selten der Fall ist. In welcher chemischen Beziehung stehen also die festen und flüssigen Fettsubstanzen der Butter zu einander? Können sie sich ineinander umwandeln? Sind die Umstände, unter welchen die Butter geschlagen wird, der Art, daß sie diese Umwandlung hervorbringen? Und können sie dieselben in einer Jahreszeit in einem höhern Grad hervorrufen, als in einer andern? 1) Chemische Beziehungen zwischen den beiden Fettsubstanzen. Das Margarin sowohl als das Oleïn geben bei einer gewissen Behandlung eine süße, zuckerartige Substanz, welche man Oelsüß oder Glycerin nannte; nachdem diese süße Substanz abgeschieden ist, ist das Margarin in Margarinsäure und das Oleïn in Oleïnsäure verwandelt. Es handelt sich sonach um die Vergleichung der Zusammensetzung dieser beiden Säuren; sind sie wieder mit derselben Substanz, dem Glycerin, verbunden, so bilden sie wieder die respectiven natürlichen Fettsubstanzen, also Margarin und Oleïn. Nun besteht die Kohlenst. Wasserst. Sauerst.Der Chemiker sieht, daß der größern Einfachheit wegen ein Aequivalent Wasser weggelassen wurde, hinsichtlich dessen die beiden Säuren sich ebenfalls unterscheiden. Margarinsäure aus     34     33    3 die Oleïnsäure aus     36     33    3 Aus diesen Zahlen geht hervor, daß die Oleïnsäure sich von der Margarinsäure nur dadurch unterscheidet, daß sie zwei Aequivalente Kohlenstoff mehr enthält; sie kann sonach nur vermittelst Sauerstoffs in Margarinsäure umgewandelt werden. Wenn man demnach Kohlenst. Wasserst. Sauerst. einem Atom Oleïnsäure     36     33     3 vier Atome Sauerstoff beifügt      –      –     4 ––––––––––––––––––––– so erhält man     36     33     7 nimmt man von diesen zwei At. Kohlensäure weg       2      –     4 ––––––––––––––––––––– so bleibt Margarinsäure zurück     34     33     3 d.h. wenn ein Atom Oleïnsäure aus der Luft oder einer andern Quelle vier Atome Sauerstoff absorbirt, so wird sie unter günstigen Umständen zwei Atome Kohlensäure entbinden und sich in Margarinsäure umwandeln. Es ist kein, auch nur einigermaßen wahrscheinliches, Mittel bekannt, durch welches auf so einfache Weise die umgekehrte Verwandlung der Margarinsäure in Oleïnsäure bewerkstelligt werden könnte. Der natürliche Gang der in den Fettsubstanzen der Butter vorgehenden Veränderung scheint sonach eine Umwandlung der flüssigen Substanz in eine feste zu seyn. Diese Ansicht bestätigt der Umstand, daß es sehr schwierig ist Oleïnsäure in reinem Zustand zu erhalten; ihr Bestreben Sauerstoff anzuziehen ist so groß, daß sie durch bloße Berührung der Luft eine rasche Veränderung erleidet. Da dieselbe in einer schnellen Absorption von Sauerstoff besteht, so ist es sehr wahrscheinlich, daß die flüssigere Fettsubstanz der Milch, wie sie aus dem Kuheuter kommt, mehr oder weniger in die festere umgewandelt wird, oder mit andern Worten, daß aus einer und derselben Butter unter dem Einfluß verschiedener Umstände in Folge einer rein chemischen Veränderung besagter Art mehr oder weniger feste Butter erhalten werden kann. Es ist dieß übrigens eine Bestätigung einer von mir schon früher ausgesprochenen Ansicht, daß nämlich schon mehrmals beim Buttern eine Gasentwickelung beobachtet wurde und daß dieses Gas wahrscheinlich Kohlensäure sey. 2) Umstände, unter welchen die Butter gerührt wird. In welcher Art können diese verschieden seyn? Können diese Verschiedenheiten auf die mehr oder weniger große Absorption von Sauerstoff von Seite der flüssigern Fettsubstanz der Butter einen Einfluß haben? Das Buttermachen zerfällt eigentlich in zwei Vorgänge, nämlich ein heftiges Untereinanderrühren der Molecüle der Milch und dann daß eben diese Theilchen abwechselnd der Einwirkung der Luft ausgesetzt werden. Der erste dieser Vorgänge bringt die Kügelchen in Berührung mit dem Sauerstoff der atmosphärischen Luft, die sich im Butterfaß beständig erneuert und dadurch die flüssigere Fettsubstanz in Umstände versetzt, welche ihrer Verwandlung in die festere Fettsubstanz günstig sind. Da aber die Dauer des Butterns und die Temperatur der Luft, sowie auch die der Milch, sogar in einer und derselben Jahreszeit und demselben Butterkeller, selten in zwei Operationen gleich sind, so müssen beinahe bei jeder Butterung kleine Verschiedenheiten in den chemischen Umständen und folglich auch in den chemischen Resultaten stattfinden. Diese Bemerkungen finden auf das gewöhnliche Butterfaß, welches mit der Hand oder einem andern Motor in Bewegung gesetzt wird, ihre Anwendung; allein in neuerer Zeit wurden eine Menge neuer Formen von Butterfässern als schnellere und bessere Resultate liefernd eingeführt und empfohlen (man vergl. polytechn. Journal Bd. XCIV S. 418). Unter diesen sind zwei sehr sinnreiche und interessante, die sehr gerühmt werden und von welchen anzunehmen ist, daß sie die ihnen zugeschriebenen Vorzüge zum größten Theil dem oben beschriebenen eigenthümlichen chemischen Einfluß der Luft verdanken. Einer dieser Apparate ist das Weston'sche Luft-Butterfaß, welches in einem hohlen Zinkcylinder besteht, in den man den Rahm bringt und durch dessen Boden man mittelst einer kleinen Druckpumpe einen Luftstrom treibt. Diese Luft setzt den Rahm oder die Milch in lebhafte Bewegung und veranlaßt so die schnelle Butterbildung. Es wird auf diese Weise der Sauerstoff der Luft vollkommener und wiederholter mit der Milch in Berührung gebracht und es läßt sich in der Regel die Bildung einer festern Butter erwarten. Der andere Apparat ist eine Art Butterfaß mit Abtheilung von der Erfindung des Hrn. Robinson, worin der Rahm mittelst eines rotirenden Schaufelrades im Kreise herum bewegt wird; indem er hiebei von einer Seite des Rades zur andern übergeht, gelangt er durch einen nicht bedeckten Theil des Butterfasses, wo er frei der Luft ausgesetzt ist. In diesem offenen Theil wird die Butter im Augenblick, wo sie sich abzuscheiden beginnt, von einer Schleuße zurückgehalten, welche sich ihrem Rücktritt in das Faß widersetzt, und wo sie der Einwirkung der Schaufeln ausgesetzt ist. Wenn also die Luft einen Einfluß darauf hat, daß die Butter in Folge einer chemischen Veränderung fest werde, so scheinen die Form dieses und des Weston'schen Butterfasses diesen Zweck vollkommen zu erreichen. Die Eingangs gestellten Fragen erscheinen somit genügend gelöst. Man ist darüber einig, daß verschiedene chemische Veränderungen in den Verdauungs-Organen, vielleicht selbst in der Brust der Kuh vorgehen. Die in den Nahrungsmitteln enthaltenen Fettsubstanzen werden nach Erforderniß in die beiden Fettsubstanzen der Milch umgewandelt und letztere können ohne allen Zweifel in sehr verschiedenen Mengenverhältnissen in der Milch verschiedener Thiere oder auch eines und desselben Thieres zu verschiedenen Zeiten vorhanden seyn. Die Nahrung, die Temperatur und die Umstände, in welchen das Thier sich befindet, können diese Verschiedenheiten hervorrufen und diese Verschiedenheiten können der natürliche und leicht begreifliche Ursprung der Abweichungen sowohl in der Menge als in der Consistenz der Butter seyn. Allein auch mit einer und derselben Milch kann vermöge der Absorption einer mehr oder weniger reichlichen Menge Sauerstoffs eine mehr oder weniger feste Butter erzeugt werden und in dieser chemisch mit Wahrscheinlichkeit erklärten Thatsache hat man den Schlüssel zu einer Menge abweichender Fälle in der Praxis. Vielleicht kann man auch in der Folge zu einer Veränderung des gegenwärtigen Verfahrens beim Buttermachen gelangen, wodurch man in den Stand gesetzt würde, Butter von der festesten Consistenz mit Zuverlässigkeit zu erzeugen. Der chemische Einfluß der Luft beim Butterrühren wurde schon oft gemuthmaßt; allein die eigenthümliche Weise, in welcher dieselbe wirklich auf die Güte der Butter einwirkt, wurde bisher noch nie angegeben.