Titel: Ueber die Anwendung des überhitzten Wasserdampfs zum Verkohlen des Holzes in Pulverfabriken, zum Brodbacken und zu verschiedenen industriellen Zwecken; von Hrn. Violette.
Fundstelle: Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XXVII., S. 137
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XXVII. Ueber die Anwendung des überhitzten Wasserdampfs zum Verkohlen des Holzes in Pulverfabriken, zum Brodbacken und zu verschiedenen industriellen Zwecken; von Hrn. Violette. Aus den Comptes rendus, Juni 1848, Nr. 25. Violette, über Anwendung d. überhitzten Wasserdampfs z. Verkohlen d. Holzes etc. Die Holzkohle, wie man sie zur Verfertigung des Pulvers und namentlich des Jagdpulvers bereitet und anwendet, unterscheidet sich sehr von der reinen Kohle und enthält flüchtige Nebenbestandtheile. Das Verhältniß dieser letzteren wechselt nach ihrer Bereitungsart und dem Hitzgrad bei welchem man die Verkohlung beendigt; darnach ist auch das Product zur Pulverfabrication mehr oder weniger geeignet. Man pflegt daher in den Pulverfabriken die erzeugte Kohle sorgfältig zu sortiren; auf dem ersten Grad der Verkohlung nennt man sie rothe (braune) Kohle und die so vollständig als möglich verkohlte heißt schwarze Kohle. Offenbar würde also ein Verfahren, wodurch man das Holz gleichförmig und in dem gewünschten Grade verkohlen kann, große Vortheile gewähren.Der zweckmäßigste bisher gebräuchlich gewesene Apparat zur Gewinnung der rothbraunen Holzkohle für die Schießpulverfabrication ist im polytechn. Journal Bd. LXXIII S. 206 beschrieben.A. d. R. Ich habe gefunden daß sich bei einer Temperatur von 200° C. das Holz nicht verkohlt; daß man bei 250° C. nur eine unvollkommene Kohle, sogenannte Brandkohlen erhält; daß sich bei 300° C. rothe Kohle bildet, daß man aber bei 350° C. und darüber hinaus stets schwarze Kohle erhält. Die zur Verkohlung erforderliche Zeit wechselt von einer halben Stunde bis zu drei Stunden, während welcher das Product allmählich von der rothen Kohle zur schwarzen übergeht. Die Civilingenieure Thomas und Laurent hatten die glückliche Idee den überhitzten Wasserdampf zum Wiederbeleben der Knochenkohle (in den Zuckerfabriken) anzuwenden;Polytechn. Journal Bd. LXXXIX S. 157. daraus schloß ich daß er auf analoge Weise auch zum Verkohlen des HolzesDieselben haben den auf 300° C. erhitzten Wasserdampf auch schon zum Verkohlen von Holz und Torf und zum Verkohken von Steinkohlen angewandt; man vergleiche polytechn. Journal Bd. LXXXVIII S. 349.A. d. R. dienen könnte. Durch die ersten Versuche in einem kleinen Apparat überzeugte ich mich schon, daß man auf diese Art bedeutend mehr Kohle erhält und das mit ihr verfertigte Pulver überdieß etwas stärker ausfällt. Dieß bewog den Kriegsminister mir 5000 Fr. zur Herstellung eines solchen Apparats im Großen anzuweisen. Bei diesem Apparat wird der Wasserdampf von einem gewöhnlichen Kessel geliefert; der Dampf zieht durch ein schraubenförmig gewundenes Rohr von 2 Centimeter innerem Durchmesser und 20 Meter Länge; dasselbe befindet sich in einem Feuerraum, um den Dampf auf eine bestimmte Temperatur, z. B. 300° C. zu erhitzen, wo man dann bloß rothe Kohle erhält: der Dampf umhüllt einen horizontalen Cylinder welcher das Holz enthält; er dringt dann in diesen Cylinder, erhitzt das Holz und bewirkt dessen Verkohlung; hierauf entweicht er mit den Destillationsproducten beladen aus dem Cylinder. In der Pulverfabrik zu Esquerdes, deren Leitung mir anvertraut ist, wird seit einem Jahre die Kohle zur Fabrication des Jagdpulvers ausschließlich und vortheilhaft mittelst dieses Apparats erzeugt. Ich erhalte aus dem Holz gewöhnlich 33–37 Proc. rothe Kohle; durchschnittlich 35 Proc. und 2 Proc. Brandkohlen, aber durchaus keine schwarze Kohle. Bisweilen erhielt ich über 39 Proc. rother Kohle. Nach dem alten Verfahren erhält man durchschnittlich 18 Proc. rother Kohle und 14 Proc. schwarzer Kohle; das neue Verfahren liefert also doppelt soviel brauchbares Product. Uebrigens kann man mit dem Apparat leicht auch schwarze Kohle darstellen, wenn man die Temperatur des Dampfs über 300° C. erhöht. Zum Gelingen der Operation ist es unumgänglich nöthig, den Dampf innerhalb bestimmter thermometrischer Gränzen zu erhalten, was durch Regulirung seines Zulassungshahns leicht zu bewerkstelligen ist: dieß ist ein großer und wesentlicher Vortheil bei der neuen Verkohlungsart. Auch die Gestehungskosten der Kohle sprechen zu Gunsten des neuen Verfahrens. Obgleich das Pulver in verschiedenen Fabriken in gleichem quantitativem Verhältniß der Bestandtheile bereitet wird, so ist seine chemische Zusammensetzung doch nicht dieselbe; die Kohle enthält nämlich je nach ihrer Bereitungsart mehr oder weniger von flüchtigen Bestandtheilen, welche über zwei Fünftel ihres Gewichts betragen können. Der erhitzte Wasserdampf gestattet in allen Industriezweigen, wo die Wärme zwischen 100 und 500° C. benutzt wird, eine vortheilhafte Anwendung. Brod und Schiffszwieback kann man in einem Strom auf 200° C. erhitzten Wasserdampfs vollkommen backen; dieß bewiesen die Versuche welche unlängst zu Esquerdes in Gegenwart eines von dem Marineminister abgeordneten Ingenieurs angestellt wurden: das continuirliche Backen des Brodes ist also durch dieses neue Verfahren ausführbar geworden. In großen Anstalten könnte man einen solchen Apparat zum Kochen des Fleisches statt der gewöhnlichen Kücheneinrichtungen anwenden, und insbesondere statt der Papinischen Töpfe, deren Gebrauch stets mit Gefahr verbunden ist; bei dem neuen Apparat ist jede Gefahr beseitigt, denn die Spannung des erhitzten Wasserdampfs beträgt nur eine Viertels-, höchstens eine halbe Atmosphäre über den gewöhnlichen Luftdruck. Ohne Zweifel könnte man nach dem neuen Verfahren ebenso leicht Holzessig gewinnen; denn einerseits enthält der verdichtete Wasserdampf alle Destillationsproducte des Holzes und andererseits kann man durch die Stellung des Dampf-Zulassungshahns die Temperatur in der Art reguliren daß man möglichst viel Essigsäure erhält; vielleicht läßt sich hiebei sogar die Bildung des brenzlichen Oels vermeiden, welches der Holzessig gewöhnlich enthält. — Auch der Holzgeist wird sich nach dem neuen Verfahren mit Vortheil gewinnen lassen, wenn man die zu seiner Bildung in größter Menge erforderliche Temperatur ausgemittelt hat. Endlich kann man nach dem neuen Verfahren mit der größten Leichtigkeit das Austrocknen des Holzes bewerkstelligen; meine neuen und auffallenden Resultate über den Widerstand verschiedener Holzarten nach ihrem Trocknen bei Temperaturen zwischen 100 und 250° C. werde ich in einer besondern Abhandlung veröffentlichen.