Titel: | Ueber die Wirkung des Chlorkalks auf die organischen Substanzen, Alkohol, Farbstoffe etc.; von William Bastick. |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XXXIX., S. 222 |
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XXXIX.
Ueber die Wirkung des Chlorkalks auf die
organischen Substanzen, Alkohol, Farbstoffe etc.; von William Bastick.
Im Auszug aus dem Pharmaceutical Journal, April
1848.
Bastick, über die Wirkung des Chlorkalks auf organische
Substanzen.
Der Chlorkalk besteht bekanntlich aus unterchlorigsaurem Kalk und Chlorcalcium in
bestimmtem relativen Verhältniß; er enthält außerdem eine wandelbare Menge Aetzkalk,
nebst etwas freiem Chlor. Die Rolle welche der unterchlorigsaure Kalk in Verbindung
mit dem Aetzkalk bei der Verwandlung des Alkohols in Chloroform spielt, veranlaßte
Hrn. Bastick auch seine Wirkung auf andere organische
Substanzen zu untersuchen.
Wenn man 1 Theil Chlorkalk mit 3 Th. Wasser anrührt und diese Mischung mit einer
concentrirten Zuckerlösung versetzt, so entsteht eine heftige Reaction und die
Temperatur erhöht sich bedeutend. Nimmt man die Operation in einem Destillirapparat vor, so
findet man im Recipient (sogar nach vorläufigem Erwärmen der Wasse) bloß Wasser und
die geringe Menge freies Chlor welches der Chlorkalk schon enthielt. Untersucht man
den Inhalt der Retorte, so findet man, daß der Zucker und der Alkohol, wenn keiner
von beiden in Ueberschuß vorhanden war, gänzlich zersetzt sind. Der Rückstand zeigte
sich bei der Analyse aus ameisensaurem Kalk, Chlorcalcium, Aetzkalk und Wasser
bestehend.
Folgende Formeln erklären die erhaltenen Resultate:
1 Aequiv. Zucker
C
12
H
9
O
9
Cl
6
Ca
6
6 Aeq. unterchlorigsaurer Kalk
C
12
H
9
O
12
Cl
6
Ca
6
6 Aeq. Aetzkalk
C
12
H
9
O
6
Cl
6
Ca
6
–––––––––––––––––––––––
C
12
H
9
O
27
Cl
6
Ca
12
welche sich verwandeln in:
6 Aeq. ameisensauren Kalk
C
12
H
6
O
24
Cl
6
Ca
6
3 Aeq. Wasser
C
12
H
3
O
3
Cl
6
Ca
6
6 Aeq. Chlorcalcium
C
12
H
3
O
3
Cl
6
Ca
6
–––––––––––––––––––––––
C
12
H
9
O
27
Cl
6
Ca
12
Aus diesen Ziffern ist die Wirkung des Kalks bei der Erzeugung der Ameisensäure
ersichtlich; man kann sich daraus auch erklären, warum der Aetzkalk zur Erzeugung
des Chloroforms nöthig ist, obgleich nach Liebig der Kalk
bei derselben keine Rolle zu spielen scheint.
Behandelt man den Zucker mit unterchlorigsaurem Kalk, welcher keinen Aetzkalk
enthält, so ist das Resultat ein sehr verschiedenes; die Producte bestehen in
Kohlensäure, Wasser und Chlorcalcium.
Letztere Reaction wird durch folgende Formeln ausgedrückt:
1 Aeq. Zucker
C
12
H
9
O
9
12 Aeq. unterchlorigsaurer Kalk
O
24
Cl
12
Ca
12
–––––––––––––––––––––––
C
12
H
9
O
33
Cl
12
Ca
12
welche sich verwandeln in:
9
Aeq. Wasser
C
12
H
9
O
9
12
Aeq. Kohlensäure
C
12
H
9
O
24
12
Aeq. Chlorcalcium
C
12
H
9
O
24
Cl
12
Ca
12
–––––––––––––––––––––––
C
12
H
9
O
33
Cl
12
Ca
12
Der Verf. hat sich durch zahlreiche Versuche überzeugt, daß Stärkmehl, Baumwolle,
Lein und überhaupt alle Pflanzenstoffe welche den Sauerstoff und Wasserstoff im
Verhältniß der Wasserbildung enthalten, durch den unterchlorigsauren Kalk auf
ähnliche Weise zersetzt werden wie Zucker, nur nach ihrem Aggregatzustand weniger
lebhaft.
Aus die Pflanzenstoffe, welche viel Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten, wie
Kampher, wesentliche Oele etc., äußert der unterchlorigsaure Kalk keine merkliche
Wirkung; auf das Kreosot wirkt er ähnlich wie Chlor und verwandelt es in eine
harzartige Materie.
Die Stoffe animalischen Ursprungs, welche wie Thierleim, Wolle, Seide etc.
stickstoffhaltig sind, werden durch den unterchlorigsauren Kalk auf eine ähnliche
Weise zersetzt wie der Zucker und geben dabei analoge Producte,Um zu ermitteln ob eine organische Substanz bei der Behandlung mit
unterchlorigsaurem Kalk Ameisensäure bildet, darf man nie einen Ueberschuß
von Chlorkalk anwenden, weil sonst die entstandene Ameisensäure in
Kohlensäure und Wasser verwandelt würde; zur Sicherheit muß man also die
organische Substanz vorwalten lassen.Um das erhaltene Product auf Ameisensäure zu untersuchen, filtrirt man es,
wodurch der darin enthaltene Aetzkalk abgesondert wird. Die filtrirte
Flüssigkeit wird mit verdünnter Schwefelsäure gesättigt, um den Kalk
niederzuschlagen welcher mit Salzsäure und Ameisensäure verbunden war. Die
vom entstandenen schwefelsauren Kalk abfiltrirte Flüssigkeit wird hieraus
der Destillation unterworfen, um die Salzsäure und Ameisensäure von den
nicht flüchtigen organischen Stoffen zu trennen. Das Destillat wird genau
mit Ammoniak neutralisirt und dann mit salpetersaurem Silber in Ueberschuß
versetzt, wobei Chlorsilber und ameisensaures Silber entstehen. Das Ganze
wird nun gelinder Wärme ausgesetzt, wodurch bald alles ameisensaure Silber
zersetzt und das Silber metallisch niedergeschlagen wird. Behandelt man
jetzt den Niederschlag mit Aetzammoniak, so wird das Chlorsilber aufgelöst
und das metallische Silber bleibt zurück; aus letzterm kann man die
vorhanden gewesene Ameisensäure berechnen. zu welchen aber
natürlich noch Ammoniak kommt. Unter gewissen Umständen bildet sich dabei auch
Cyan.
Nach der gewöhnlich angenommenen Theorie des Bleichprocesses erklärt man die Wirkung
des Chlors durch dessen Verwandtschaft zum Wasserstoff, in deren Folge die
Farbstoffe entmischt und zerstört werden. Der Verfasser zieht aber aus den oben
angeführten Versuchen einen dieser Ansicht entgegengesetzten Schluß. Nach ihm
beweisen dieselben, daß das Chlor in hohem Grade oxydirend wirkt und daß es gerade
durch diese Eigenschaft die vegetabilischen Farbstoffe zerstört; man kann es nach
dem Verf. als allgemeine Thatsache betrachten, daß das Chlor bei seiner Einwirkung
auf organische Körper sich mit keinem von deren Elementen verbindet. Er betrachtet
sogar die Bildung des Chloroforms, welches durch Vereinigung des Chlors mit den
Elementen des Alkohols entsteht, nicht gerade als eine Ausnahme von dieser Regel,
weil 3 Th. des angewandten Alkohols oxydirt werden, während nur 1 Theil desselben
sich mit dem Chlor verbindet.