Titel: | Ueber die Bereitung des Kupferamalgames, welches die Zahnärzte zum Plombiren benützen. Von Dr. Max Pettenkofer, außerordentlichem Professor der Chemie an der Universität in München. |
Autor: | Dr. Max Josef Pettenkofer [GND] |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. LXXX., S. 444 |
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LXXX.
Ueber die Bereitung des Kupferamalgames, welches
die Zahnärzte zum Plombiren benützen. Von Dr. Max Pettenkofer, außerordentlichem Professor der
Chemie an der Universität in München.
Pettenkofer,über die Bereitung des Kupferamalgames.
1) Eigenschaften des
Kupferamalgames.
Einige Zahnärzte in Paris bedienen sich gegenwärtig mit großem Vortheile eines
Kupferamalgames, um die Höhlungen cariöser Zähne auszufüllen. Dieses Amalgam hat so,
wie es zu uns kommt, gewöhnlich die Form kleiner Brode, die zwischen 5 und 6 Gramme
wiegen, und nach der Versicherung des hiesigen Zahnarztes Hrn. Dr. Koch
per Stück mit 2 Fr. bezahlt werden. Die Oberfläche
derselben ist graulich angelaufen; die Härte bedeutend (viel härter als Bein); der
Zusammenhang der kleinsten Theilchen innig (man darf ziemlich starke Hammerschläge
anwenden um ein Stückchen zu zertrümmern); das Gefüge ist feinkörnig,
krystallinisch; eine von mir untersuchte Probe bestand aus 30 Proc. Kupfer und 70
Proc. Quecksilber. Dieses Amalgam hat die Eigenthümlichkeit daß es, nahe bis zum
Siedepunkt des Quecksilbers erhitzt, aufschwillt, indem Quecksilbertropfen an der
Oberfläche hervortreten, welche beim Abkühlen wieder verschwinden, indem sie sich
einziehen. Wird ein so erhitztes Stückchen noch warm in einem porzellanenen Mörser
zerdrückt und längere Zeit zerrieben, so erhält man eine Masse, welche sich zwischen
den Fingern ähnlich wie magerer Thon zusammenpressen und formen läßt. Man formt
durch abwechselndes kräftiges Kneten zwischen den Fingern und gelindes Walzen mit
den Fingern der einen Hand auf der innern Fläche der andern Hand Kugeln, welche man
wieder in den Mörser legt und mit einem Pistille sehr kräftig drückt. Durch
mehrmaliges Wiederholen der Operationen des Knetens zwischen den Fingern, des
gelinden Walzens auf der innern Handfläche, und des kräftigen Drückens mit dem
Pistille wird die Masse zuletzt so weich und bildsam, wie fetter Thon oder Wachs; ja
es lassen sich sogar bei einigem Kraftaufwande zwischen den Fingern Tropfen
kupferhaltigen Quecksilbers auspressen. In diesem Zustande kann das Amalgam in alle
beliebigen Formen gestrichen und gedrückt werden. Ueberläßt man aber die plastische
Masse der Ruhe, so erhärtet sie nach 10–12 Stunden vollkommen wieder, und
zeigt wieder alle Eigenschaften welche ich Eingangs dieser Zeilen davon angegeben
habe. Bemerken muß ich noch, daß nach dem anscheinend vollkommenen Erstarren dennoch
der Zusammenhang noch zunimmt, und das Amalgam erst nach etwa 48 Stunden den
höchsten Grad desselben und damit auch die größte Härte erreicht. Mit scharfen
Bruchstücken kann man mit Leichtigkeit in Zinn graviren und hartes Bein ritzen.
Erwärmt man ein solches Stückchen abermals bis zum bezeichneten Punkte, und
unterwirft es den eben angegebenen Manipulationen, so wird es neuerdings weich und
bildsam, und erhärtet in der Ruhe abermals nach einiger Zeit.
Wir sehen ein sehr interessantes Beispiel von den Wirkungen des Krystallismus und
Amorphismus auf die Eigenschaften der Körper vor uns. Im weichen Zustande zeigt
dieses Amalgam keine Spur einer Krystallisation, es ist amorph; nachdem es erhärtet
ist, zeigt es körnig krystallinisches Gefüge. Für die eigentlichen Metalle ist es
das erste mir bekannte Beispiel der beiden Zustände der Körper bei ein und derselben
Temperatur, und ist gewiß ebenso lehrreich hiefür, als der elastische amorphe
Schwefel und der knirschende spröde Stangenschwefel für die Nichtmetalle.Zum Abklatschen von Wachssiegeln bediente man sich einst eines Zinkamalgames,
welches frisch bereitet weich war, und nach einiger Zeit so weit erhärtete,
daß man mit einem solchen Modell siegeln konnte. Es scheint das nämliche
Verhältniß zu seyn, wie bei diesem Kupferamalgam.
Das specifische Gewicht des Amalgames habe ich in amorphem und krystallischem
Zustande gleich gefunden. Gerade dieses ist für die Zwecke der Zahnärzte eine sehr
schätzbare Eigenschaft, da ihnen natürlich daran gelegen ist, daß die Masse nach dem
Erhärten ganz genau den nämlichen Raum erfülle, wie im weichen Zustande. Um hiefür
einen schlagenden Beweis zu führen, habe ich das weiche Amalgam in eine ⅓
Linie weite Glasröhre gepfropft, durch gelindes Aufklopfen ein allseitiges Anliegen
erzielt, und es erhärten lassen: nach dem Erhärten bildete der etwa eine Linie lange
Metallpfropf einen vollkommen luftdichten Verschluß.
Das Mengenverhältniß zwischen Kupfer und Quecksilber anlangend habe ich ziemlich
weiten Spielraum gefunden. Ich habe Legirungen dargestellt, welche zwischen 25 und
33 Proc. Kupfergehalt sich bewegten; alle diese erstarrten zu einer festen
krystallinischen Masse, die kupferarmen übrigens viel langsamer als die
kupferreichen, und letztere gewannen mehr Härte als erstere. Stöchiometrische
Verhältnisse zwischen Kupfer und Quecksilber existiren für Bildung eines
krystallinischen Amalgames nicht. Die in der Natur vorkommenden krystallisirten
Silberamalgame dürfen deßhalb auch nicht länger als chemische Verbindungen, als
mineralogische Species betrachtet, sondern müssen als Metalllegirungen nach Art
aller übrigen angesehen werden.Ueber diesen Punkt werde ich in den Gelehrten Anzeigen der bayerischen
Akademie der Wissenschaften einiges Nähere mittheilen.
Die innige Adhäsion zwischen den Kupfer- und Quecksilbertheilchen scheint die
alleinige Ursache des Uebergangs aus dem amorphen Zustand des Quecksilbers in den
krystallischen zu seyn, welcher durch Erwärmen und Reiben (Bewegung), die gemeinsten
Widerstände der Adhäsion, wieder aufgehoben wird. Ein in dieser Beziehung sehr
interessantes Beispiel wurde mir von Hrn. Prof. Krötz
dahier mitgetheilt, welcher beobachtet hat, daß ein quecksilberreiches
Silberamalgam, welches in Ruhe gelassen eine feste Form hat, durch bloßes
anhaltendes Schütteln in einem Glase flüssig wird, und erst nach tagelangem ruhigem
Stehen wieder in den festen Zustand übergeht.
2) Bereitungsart des
Kupferamalgames.
Was die Darstellung dieses Kupferamalgames anlangt, so gelingt sie nicht nach jeder
Methode gleich gut. Ich mußte mehrere Wege versuchen bis es mir gelang es. dem
Pariser Muster völlig gleich zu erhalten. Die beste Bereitungsart ist folgende: man
verwandelt eine gewogene Menge Quecksilber durch erwärmtes Schwefelsäurehydrat in
schwefelsaures Quecksilberoxydul, und reibt den erhaltenen Krystallbrei mit einer
nach der Quecksilbermenge zu berechnenden Quantität von feinzertheiltem
regulinischem Kupfer in einem porzellanenen Mörser unter Wasser von einer Temperatur
von 60–70° C. längere Zeit zusammen, wobei alles schwefelsaure
Quecksilberoxydul zu Quecksilber reducirt und eine äquivalente Menge schwefelsaures
Kupferoxyd gebildet wird. Es muß demnach soviel regulinisches Kupfer angewendet
werden, daß erstens alles Quecksilberoxydul reducirt wird, und daß noch soviel
regulinisches Kupfer überschüssig vorhanden sey, als sich mit dem reducirten
Quecksilber amalgamiren
muß, um die beabsichtigte Legirung von 3 Theilen Kupfer und 7 Theilen Quecksilber zu
erhalten. Am besten eignet sich dasjenige Kupfer, welches man durch Reduction des
schwarzen Kupferoxydes durch Wasserstoffgas bei sehr gelinder Rothgluth erhält;
jedoch ist auch das aus Kupfervitriol durch Eisen gefällte anwendbar.
Um die Bereitung in einem concreten Beispiele darzustellen, nehme man 100
Gewichtstheile Quecksilber und übergieße es in einer etwas tiefen Porzellanschale
mit 100 Gewichtstheilen englischer Schwefelsäure. Durch eine untergestellte
Weingeistflamme erhält man die Schwefelsäure immer nahe bei der Temperatur ihres
Siedepunktes, und binnen 5–6 Stunden hat sich das Gemenge in einen
Krystallbrei von schwefelsaurem Quecksilberoxydul umgesetzt, unter Entwicklung von
schwefliger Säure und Wasser. Man muß eine zu hohe Temperatur bei der Oxydation des
Quecksilbers durch Schwefelsäure vermeiden, weil man sonst nicht Quecksilberoxydul
sondern Quecksilberoxyd erhält, welches zur Reduction gerade nochmal so viel Kupfer
erfordert als das Oxydul.
Man löse 232½ Gewichtstheil krystallisirtes schwefelsaures Kupferoxyd (blauen
Vitriol) im 10–12fachen Gewicht Wasser und fälle in der heiß zu haltenden
Flüssigkeit durch blankes Eisenblech alles Kupfer aus. Da es sich hier darum
handelt, das Kupfer so fein vertheilt als möglich zu erhalten, so setze man der
Kupfervitriollösung etwa noch 100 Gewichtstheile englische Schwefelsäure zu, die man
vor dem Zugießen mit etwas Wasser verdünnen muß. Neben der Fällung des Kupfers durch
das Eisen geht nun auch noch eine Auflösung des Eisens durch die überschüssige Säure
unter lebhafter Wasserstoffgasentwicklung vor sich, welche sehr dazu beiträgt, daß
das Kupfer in Form von Pulver und nicht in Form von Lamellen erhalten wird. Ist
alles Kupfer präcipitirt, was sich bekanntlich dadurch zu erkennen gibt, daß ein in
die Flüssigkeit gestecktes blankes Eisen nicht mehr verkupfert wird, so zieht man
die zur Präcipitation angewendeten Eisenbleche heraus, bürstet oder schabt das noch
adhärirende Kupfer von ihnen in die Flüssigkeit hinein ab und läßt das Kupfer
sedimentiren. Darnach gießt man die Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul vom
Kupferniederschlage ab, und wäscht diesen mit heißem Wasser durch Decantiren
einigemal aus.
Man schüttet nun das feuchte Kupferpulver und den Krystallbrei von schwefelsaurem
Quecksilberoxydul in eine geräumige Reibschale, fällt mit heißem Wasser bis über die
Hälfte voll, und reibt etwa eine halbe Stunde lang mit einer Pistille durcheinander.
Das anfangs farblose Wasser wird sehr bald intensiv blau gefärbt von gebildetem
schwefelsaurem Kupferoxyd.
In 232½ Theilen reinen Kupfervitrioles sind 58,75 Theile regulinisches Kupfer
enthalten. 100 Gewichtstheile Quecksilber sind anfänglich in schwefelsaures
Quecksilberoxydul verwandelt worden.
Wird dieses mit 15,89 Gewichtstheilen regulinischen Kupfers zusammengebracht, so
setzt es sich gerade um zu regulinischem Quecksilber (100 Theile) und schwefelsaurem
Kupferoxyd (Kupfervitriol). Es bleiben mithin von den 58,75 Gewichtstheilen des im
ganzen verwendeten regulinischen Kupfers 42,86 Theile überschüssig, welche sich mit
den ausgeschiedenen 100 Gewichtstheilen Quecksilber amalgamiren, und welche der
Rechnung nach ein Amalgam liefern sollen, das in 100 Theilen ganz nahezu 70 Theile
Quecksilber und 30 Theile Kupfer enthalten wird. Man reibt dieses anfangs sehr
plastische Amalgam längere Zeit unter heißem Wasser, welches so oft erneuert wird,
bis dieses kein schwefelsaures Kupferoxyd mehr aufnimmt. Sodann wird es abgetrocknet
und der Ruhe überlassen; nach mehreren Stunden erhärtet es. Für die Zwecke der
Zahnärzte wird es am besten seyn, wenn sie die Masse noch vor dem Erhärten in kleine
Brode formen, diese erhärten lassen und so für den Gebrauch aufbewahren.
Hat sich bei der anfänglichen Behandlung des Quecksilbers mit englischer
Schwefelsäure — etwa in Folge zu großer Hitze — neben schwefelsaurem
Quecksilberoxydul auch Quecksilberoxydsalz gebildet, so verursacht dieses einen
äquivalenten Abgang an Kupfer im Amalgame und einen relativen Ueberschuß an
Quecksilber. Es läßt sich zwar durch Pressen in ledernen Beuteln ziemlich viel
überschüssiges Quecksilber entfernen, aber es ist dennoch viel praktischer, diese
lästige und unvollkommene Operation zu umgehen. Man löse deßhalb auf 100 Theile
Quecksilber anstatt 232½ Theile Kupfervitriol 293 Theile in Wasser,
präcipitire daraus alles Kupfer, und die Menge desselben wird 74,1 Gewichtstheil
betragen. Diese Menge ist hinreichend, um ein Amalgam zu erhalten, in welchem nie
weniger als 30 Proc. Kupfer enthalten seyn werden, selbst in dem Falle, wo alles
Quecksilber in schwefelsaures Quecksilberoxyd anstatt in Oxydul übergeführt worden
wäre. Ist das meiste Quecksilber Oxydul geblieben, so erhält man natürlich ein
Amalgam, welches viel kupferreicher (etwa 36 procentig) ist, und welches gleich
anfangs ziemlich hart und spröde ist, und nur unvollkommen zu einer plastischen
Masse vereinigt werden kann. Man kocht das wohlabgeriebene Gemenge von Kupfer und
Quecksilber so lange mit Wasser, als noch schwefelsaures Kupfer daraus aufgelöst
wird, und gießt darnach in sehr kleinen Portionen so viel regulinisches Quecksilber
unter beständigem Umrühren zu, bis die Masse die gehörige Bildsamkeit erlangt hat,
wozu oft nur ein
sehr geringer Quecksilberzusatz erforderlich ist. Auf diese Weise läuft man nie
Gefahr zuviel Quecksilber in das Amalgam zu bringen, und man hat noch anbei den
Vortheil, daß man nicht alles Quecksilber, welches man ins Amalgam zu bringen
beabsichtigt, zuvor in schwefelsaures Oxydulsalz zu verwandeln genöthigt ist.
Was das Erweichen größerer Massen anlangt, muß ich noch bemerken, daß es nicht gut
gelingt, wenn man ein ganzes Stück von größerem Umfange erhitzt, sondern daß man es
vor dem Erhitzen jederzeit in kleinere Stücke zu zerschlagen hat.
Aus den angegebenen Eigenschaften dieses Amalgames ergibt es sich von selbst, daß es
sich zu noch viel mannichfaltigerer Anwendung eignet, als zum Ausfüllen der
Höhlungen cariöser Zähne. Es wird vorzügliche Dienste leisten als Kittmittel für
Metalle, da es sich weder im kochenden Wasser, noch in verdünnten Säuren und
Alkalien, noch in Weingeist oder Aether verändert. Fugen und sonstige Zwischenräume
an Metallapparaten, welche luftdicht schließen müssen, können mit Vortheil mit
diesem Amalgame ausgefüllt werden.