Titel: | Das Gesetz der Ernährung der Thiere. |
Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. XXV., S. 133 |
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XXV.
Das Gesetz der Ernährung der Thiere.Auszug aus dem Lehrbuch der chemischen Technologie von Dr. Fr. Knapp, Bd.
II, außerord. Professor der Technologie und Chemie an der
Universität zu Gießen, Bd. II, mit Benutzung eines darnach bearbeiteten Artikels
im Philosophical
Magazine, Juniheft 1848
Begriff von
Nahrungsmittel.
Das Gesetz der Ernährung der Thiere.
Der Kohlenstoff, der Wasser-, Stick- und Sauerstoff, der Phosphor,
Schwefel, der Kalk bilden vornehmlich die Masse des thierischen Leibes, sowie auch
des Körpers der Pflanzen. Die Wissenschaft von den Gesetzen und Erscheinungen des
thierischen Lebens, die Physiologie, hat die gemeine Lebenserfahrung dahin
bestätigt, daß diejenigen Elemente, welche der thierische Leib zu einem bestimmten
Zeitpunkte enthält, keineswegs die Masse seiner Organe bleibend constituiren. Nach einem im Verhältniß zur Lebensdauer sehr
kurzen Zeitpunkte hört der bis dahin verwendete Stoff gänzlich auf, für die Zwecke
der Lebensthätigkeit brauchbar zu seyn und wird ausgeschieden — um
gleichzeitig durch von außen aufgenommenen Stoff wieder ersetzt zu werden. Das Aufgenommene muß, dem
chemischen Bestande nach, das Abgeschiedene in allen einzelnen Elementen ersetzen
und von dem Organismus selber nachher für seine Zwecke zubereitet werden, wenn das
Leben nicht unterbrochen oder in einzelnen Verrichtungen gestört werden soll.
Im weiteren wissenschaftlichen Sinne gehören sämmtliche von einem Organismus
aufgenommene Stoffe unter die Nahrungsmittel; sie sind
sowohl nach Ursprung als nach Beschaffenheit und Bestimmung verschieden, nämlich Luft, Wasser, pflanzliche und thierische
Nahrungsmittel.
Obgleich die Körpermasse organisirter Wesen aus den bereits genannten Elementen
besteht, so darf man sich doch der Vorstellung nicht hingeben, als ob die einzelnen
Theile derselben: Blut, Muskelfaser, Membrane ohne weiteres durch Zusammentreten
dieser Elemente entstanden seyen. Im Gegentheile, die Lebensthätigkeit schafft durch
Befruchtung der chemischen Kraft aus diesen Elementen zuerst eigenthümliche, sehr
zusammengesetzte Verbindungen (die sogenannten näheren
Bestandtheile), welche nun erst das eigentliche Baumaterial bilden, woraus
sie die verschiedenen Organe des Körpers aufbaut. Daß einige dieser näheren
Bestandtheile der Organismen als ein wesentliches Element Stickstoff enthalten, andere ganz davon frei sind, ist die erste
Wahrnehmung, die sich gleichsam von selber aufdringt.
Stickstofffreie
Nahrungsmittel.
Die letzte Gattung der stickstofffreien Bestandtheile ist immer aus drei Elementen:
Kohlen-, Wasser-, Sauerstoff zusammengesetzt und trennt sich in drei
Abtheilungen. In der einen sind die beiden letzten Elemente in demselben
Verhältnisse, wie im Wasser (d. h. 1 Aeq. Wasserstoff auf 1 Aeq. Sauerstoff)
zugegen. Dahin gehören beispielsweise:
Textabbildung Bd. 110, S. 134
Stoffe.; Aequivalente:;
Kohlenstoff.; Wasserstoff.; Sauerstoff.; Stärke; Rohrzucker; (Trauben-)
Stärkezucker; Milchzucker; Gummi
In der zweiten Abtheilung ist der Sauerstoffgehalt, d. h. die Anzahl seiner
Aequivalente, größer als die des Wasserstoffs; so bei vielen Säuren organischer
Abstammung, z. B. Weinsteinsäure, Aepfelsäure etc.
Bei der dritten Abtheilung endlich tritt der Sauerstoff ganz in den Hintergrund,
oder, was dasselbe besagt, Wasser- und Kohlenstoff überwiegen. Alle Fette,
die Harze, das Wachs, sind hierunter begriffen;
z. B.:
Kohlenstoff.
Wasserstoff.
Sauerstoff.
Schweineschmalz
79,10
11,15
9,75
Hammeltalg
79,00
11,70
9,30
Neben dem Wasser ist keine andere stickstofffreie Substanz, als Fett, im thierischen
Körper.
Stickstoffhaltige Nahrungsmittel.
Solche sind bei den Pflanzen besonders: Pflanzeneiweiß,
Pflanzenfaserstoff, Legumin und Pflanzenleim;
sie enthalten bei sehr verschiedenen Eigenschaften Kohlen-, Wasser-,
Stick- und Sauerstoff in gleichem Verhältniß und
zeigen nur hinsichtlich ihres Gehalts an Schwefel und Phosphor Verschiedenheiten.
Ganz dasselbe hat sich aus den entsprechenden näheren Bestandtheilen des thierischen
Körpers, soweit sie stickstoffhaltig sind, nämlich: thierisches Eiweiß (aus Blut, Eiern), Thierfaserstoff (aus Blut, Muskeln), Käsestoff
(aus Milch) ergeben, wie aus der folgenden Uebersicht hervorgeht:
Textabbildung Bd. 110, S. 135
Kohlenst.; Wasserst.; Stickstoff.;
Schwefel.; Phosphor; Sauerst.; Pflanzeneiweiß; Pflanzenfibrin; Legumin;
Pflanzenleim; Thiereiweiß; Thierfibrin; Käsestoff
In der Pflanzennahrung sind folglich Substanzen, enthalten, welche ihrer chemischen
Natur nach den entsprechenden der Fleischnahrung, und ebenso denen des lebendigen
Organismus selbst; auffallend nahe stehen, so daß sie durch die Lebensthätigkeit
unmittelbar zu Theilen des Organismus verwendet werden können. — Bei andern
stickstoffhaltigen Bestandtheilen sind die Beziehungen verschieden und theilweise
noch nicht so anschaulich entwickelt. So ist die Substanz, welche den Haaren, der
Oberhaut, den Nägeln, dem Horn etc. zu Grunde liegt, ferner die Substanz, woraus die
leimgebenden und chondringebenden Gebilde (Membranen, Sehnen, Knorpel,
Knochengallerte etc.) gebildet sind, von anderer Zusammensetzung, als die in der
obigen Tafel.
Eben so wenig ist bekannt, in welcher Beziehung die wirkenden stickstoffhaltigen
Substanzen im Kaffee, Thee, in den Gewürzen zur Ernährung stehen.
Begriff der Nahrhaftigkeit.
Bei Substanzen von so verschiedenartigem chemischen Charakter, wie sie in den
Nahrungsmitteln vorkommen, Stoffen, die so sehr in den Verhältnissen ihrer
Zusammensetzung, als in der Art ihrer Elemente abweichen — die bald
Stickstoff, bald keinen, bald Schwefel, bald keinen, bald überwiegend Kohlenstoff
enthalten, bald nicht — muß man voraussetzen, daß sie dem Leben zu
verschiedenen Zwecken dienen. Welches sind diese Zwecke? Ueber diese so naheliegende
Frage hat die Beobachtung merkwürdige Aufschlüsse gegeben.
Durch Versuche hat man nämlich ermittelt, daß irgend ein Nahrungsbestandtheil für
sich, z. B. bloßer Zucker, oder bloße Stärke, zur Erhaltung des Körpers ungeeignet
ist. Auf der andern Seite weiß man, daß die Natur, wo sie die Nahrung selbst
zubereitet, wie die Milch der Mutter für das Junge, diese Nahrung stets eine
gemischte ist, d. h. Nahrungsbestandtheile der verschiedensten Gattungen umfaßt. In
der Milch also ist eine stickstoffhaltige Substanz, der Käsestoff, welcher zugleich Schwefel enthält; unter den stickstofffreien
eine sehr kohlenstoffreiche, die Butter, eine daran
weniger reiche, der Milchzucker, nebst Salzen welche Phosphorsäure, Kalk, Chlornatrium enthalten.
Alles, was man bis jetzt weiß, deutet darauf hin, daß einige der
Mischungsbestandteile der Nahrung von der Lebensthätigkeit zur Neubildung der
Körpermasse in ihren verschiedenen Theilen verwendet werden, also ganz besonders dem
Stoffwechsel dienen. Man hat solche „plastische Mittel“
genannt. Diese müssen stickstoffhaltig seyn, wie Eiweiß, Fibrin, Käsestoff etc.,
um Muskel etc., und phosphor- und kalkhaltig, um die Knochen zu bilden.
— Andere dagegen nehmen keinen Antheil an dem Baue des Körpers, gehen nicht
in seine Substanz ein, sondern werden zur Wärmeerzeugung verwendet. Die
Wärmeerzeugung beruht aber darauf, daß diese Stoffe, nachdem sie ins Blut
übergegangen, der eingeathmeten Luft entgegengeführt werden. Es entspinnt sich eine
allmähliche chemische Einwirkung ihres Sauerstoffs auf dieselben, eine Zersetzung,
während welcher sich Wärme entbindet, ähnlich wie bei bei der Verbrennung, aber
verhältnißmäßig sehr langsam. Solche zu dem Athmungsproceß dienende, oder „Wärme erzeugende“ Stoffe werden nur
unter Bedingungen zum Baue des Körpers verwendet und zurückgehalten, welche mit dem
Athmen zusammenhängen, und dienen alsdann zur Bildung von Fett.
Es geht daraus entschieden hervor, daß der Begriff von „nahrhaft“ im praktischen Leben stets
einseitig aufgefaßt wird. Nahrhaft kann nur diejenige Speise genannt werden, welche
dem Körper Stoff für alle seine Functionen und nicht bloß für einzelne bietet.
Die Milch als Typus aller
Nahrung.
Die Milch, welche in besonderen Organen des weiblichen
Säugethiers für die Ernährung des Jungen zubereitet und abgesondert wird, ist das einzig wahre Vorbild aller Nahrung, und jede
Speise sollte wenigstens Repräsentanten aller einzelnen Nahrungsbestandtheile der
Milch enthalten. Das große Interesse, welches die Milch — als eine von der
Natur selbst gegebene Vorschrift für die Ernährung — darbietet, wird noch
durch ihre praktische Bedeutung in der Landwirthschaft
sehr gesteigert.
Bedingungen des Milchertrags der
Kühe.
Auf dem Landgute Boussingault's zu Bechelbronn sind 7 Kühe
in Bezug auf den Milchertrag ein Jahr lang einer genauen Controle unterworfen
worden. Sie erhielten jede 30 Pfd. Heu, oder eine dem entsprechende Fütterung von
Wurzeln, und lieferten zusammen 8788 Maaß (3~37 Quart), wobei sie 302½ Tag milchgebend waren. Dieß
macht im Mittel 4,1 Maaß (= l,8 Quart) auf die Kuh täglich, aber der Ertrag ist so
ungleich, daß auf die Monate Juli, August über 6 Maaß, auf die Monate Februar und
März dagegen nur 2½ Maaß täglich kommen. Aus Beobachtungen gleicher Art, aber
an einer einzelnen Kuh, ergab sich der tägliche Milchertrag für die Zeit, die sie
milchgebend war, also die Zeit des Trockenstehens abgerechnet = 3,7 Maaß. Nimmt man 2½ als
einen höchst niedrigen und 7 Maaß als einen sehr hohen Ertrag, so gibt eine Kuh
täglich:
10,3 Pfd. Bis 29 Pfd. Milch,
worin:
10,0 Loth bis 27,8 Loth Butter,
15,1 Loth bis 42,7 Loth Milchzucker und lösliche Salze,
16,8 Loth bis 47,3 Loth Käse und unlösliche Salze,
––––––––––––––––––––––––––––––
zusammen
1 Pfd. 10 Loth bis 3Pfd. 22 Loth feste Bestandtheile.
Was den Einfluß des Futters anbelangt, so ist jedem Landmanne
bekannt, daß die Kühe am meisten Milch geben bei grünem Futter und umgekehrt. Im
Uebrigen ist der Einfluß des Futters, so lange die Thiere nur keinen Mangel leiden,
nicht so groß, als man vielleicht erwarten sollte.
Zu diesem Schluß waren Boussingault und Le Bel gelangt, wenigstens was die Menge der Milch
anbelangt. Dr. R. Thomson
dagegen zog aus ähnlichen und ebenfalls umfassenden Beobachtungen die Folgerung, daß
der Ertrag an Milch und der Buttergehalt mit dem Stickstoffgehalt (Gehalt an
plastischen Stoffen) der Nahrung wachse. Er hat dieses Ergebniß für eine fünftägige
Periode und in Durchschnittszahlen für zwei Kühe in der folgenden Tafel
veranschaulicht, worin nur das Gras als einzige Ausnahme dasteht.
Art des Futters.
Milch.
Butter.
Stickstoffgehalt des Futters.
Pfunde.
Pfunde.
Procent.
Gras
114
3,50
2,32
Gerste mit Heu
107
3,43
3,89
Malz mit Heu
102
3,20
3,34
Gerste, Syrup und Heu
107
3,44
3,82
Gerste, Leinsamen und Heu
108
3,48
4,14
Bohnen mit Heu
108
3,72
5,27
Eine andere Tabelle gibt in ähnlicher Weise Rechenschaft über den Gehalt der Milch an
festen Theilen (Rückstand nach dem Eintrocknen) für eine andere fünftägige
Periode:Die Ziffern der Tabelle sind ursprünglich jedesmal das Mittel aus den
5- bis 14tägigen Beobachtungen an zwei verschiedenen Kühen, der
Vergleichbarkeit halber auf 5 Tage berechnet.
Textabbildung Bd. 110, S. 139
Futterart.; Gras.; Gerste
ungeschroten.; Malz ungeschroten.; Geschrotene Gerste. Geschrotenes Malz.;
Gerste mit Melaffe.; Gerste mit Leinsamen. Bohnen.; Trockene Milch (das Wasser
abgerechn.); Pfd; Butter
Die Milch bestand in 100 Theilen aus Wasser 87,19; Butter 3,70; Zucker 4,35;
Käsestoff 4,16; lösliche Salze 0,15; unlösliche Salze 0,44. Die Bestandtheile der
Butter waren: Fett 86,3; Käsestoff 0,9; Wasser 12,8.
Die Thatsache, daß nicht bloß der Milchertrag, sondern auch der Buttergehalt durchweg
mit dem Stickstoffgehalt des Futters (d. h. mit seinem Gehalt an plastischem
Nahrungsstoff) steigt, ist um so bemerkenswerther, als man bei der Abwesenheit des
Stickstoffs in der Butter gleichsam berechtigt gewesen, das Gegentheil zu erwarten.
— Playfair ist zwar durch seine Versuche darauf
geführt worden, daß stickstofffreies Futter (wie Kartoffeln etc.) viel und
butterreiche Milch geben und daß Ruhe (Stallfütterung) ebenso wirkt, während das
Vieh im Freien auf armer Weide, wo es viel umhergehen muß, käsestoffreichere Milch
liefert — allein seine Beobachtungen sind für zu kurze Perioden und viel zu
vorübergehend gemacht, um einigermaßen auf Sicherheit Anspruch machen zu können. Aus
Thomson's Beobachtungen läßt sich außerdem noch
entnehmen, daß der Milchertrag einer Kuh bei gleichförmiger Diät, also z. B. bloßer
Gerstenfütterung, nach einiger Zeit abnimmt und mit dem Wechsel derselben wieder
steigt. Eine häufige Veränderung der Fütterung ist also Vortheil bringend. Auch hat
sich als eine allgemeingültige Regel herausgestellt, daß die Morgenmilch reichlicher
ist als die Abendmilch. So bei Heu- und Gerstenfütterung wie folgt:
1. August.
2. August.
3. August.
4.August.
Morgen
11½ Pfd.
11½ Pfd.
11 10/16 Pfd.
10 14/16 Pfd.
Abend
10 1/5
9 11/16 Pfd.
9 11/16 Pfd.
9 11/16 Pfd.
Wahrer Werth der Nahrungsmittel und
Verhältniß ihrer Mischung.
Aus den oben angeführten Thatsachen geht hervor, daß der Werth der
landwirthschaftlichen Erzeugnisse als Nahrungsmittel zunächst von der Menge fester
Materie, oder was dasselbe ist, vom Wassergehalt abhängen
und in der trockenen Materie nach dem Verhältniß bestimmt
werden muß, in welchem sich der wärmeerzeugende darin zum
blutbildenden (stickstoffhaltigen oder nahrhaften)
befindet. Die Ziffern in folgender Tabelle hat Dr. Thomson nach seinen eigenen Versuchen berechnet.
Verhältniß des blutbildenden Theils zum
wärmeerzeugenden Theil.
Kuhmilch
1 zu 2
Frauenmilch
1 zu 6
Saubohnen
1 zu 2½
Hafermehl
1 zu 5
Gerste
1 zu 7
Weizenmehl (englisches)
1 zu 8
Kartoffeln
1 zu 9
Reis
1 zu 10
Rüben (Brassica rapa)
1 zu 11
Arrow-rootTapiocaSago
1 zu 26
Stärke
1 zu 40.
Um daraus ein Urtheil über den Werth der Nahrungsmittel für das praktische Leben zu
fällen, müßte zuvor ermittelt werden, in welchem Verhältniß der blutbildende
Bestandtheil zu dem wärmeerzeugenden in derjenigen Nahrung steht, von der mit
Bestimmtheit bekannt ist, daß sie das Leben und die Thätigkeiten des Organismus
vollständig zu unterhalten vermag, also in der normalen Nahrung. Es müßte ferner
dieses Verhältniß — da es nothwendig je nach Alter, Art der Thätigkeit und
Lebensweise, und nach Klima etc. verschieben seyn muß — für die
Hauptkategorien des Lebens festgestellt seyn. Mit der höchsten Wahrscheinlichkeit
kann man z. B. voraussagen, daß ein Mensch bei einem Beruf, der ihm geistige
Thätigkeit, neben verhältnißmäßiger körperlicher Ruhe auferlegt, ein anderes
Mischungsverhältniß seiner Nahrung bedarf, als derjenige, den sein Beruf zum
Umgekehrten zwingt. Thomson hat einen einfachen und
sinnreichen Weg vorgezeichnet, um zu der so wünschenswerthen Ergänzung dieser Lücken unseres
Wissens zu kommen, in dem er das Gewicht und die elementare Zusammensetzung der in
einer gegebenen Zeit (von einer Kuh) genommenen Nahrung und ausgeworfenen Ercremente
bestimmte. Aus beiden Factoren läßt sich berechnen, wie viel Nahrung wirklich von
dem Körper aufgenommen (assimilirt) worden und in welchem Verhältniß dieses Quantum
gemischt war. Er fand, daß eine Kuh bei Stallfütterung täglich 15,28 Pfd. Ryegras
assimilirte, worin 1,56 Pfd. blutbildende und 13,00 Pfd. wärmeerzeugende
Bestandtheile sind. Beide stehen also im Verhältniß von 1 : 8⅓, ein
Verhältniß, welches beim Menschen höchst wahrscheinlich dem Gleichgewicht viel näher
steht, und zwar dem Mischungsverhältniß der Mehlfrüchte 1 : 5 oder 1 : 6 nahe kommen
wird. Das kann man mit voller Gewißheit sagen, daß für den Säugling das Verhältniß
das der Milch, nämlich 1 : 2,5, seyn müsse.
Aus einer (von Liebig mitgetheilten) Menage-Tabelle
einer Compagnie Soldaten, welche mit Fleisch, Brod, Gemüse, Hülsenfrüchten, Bier,
Schnaps, Fett ernährt wurde, läßt sich das Verhältniß des blutbildenden
Bestandtheils zum wärmeerzeugenden in der assimilirten Nahrung, mit großer
Annäherung zur Wahrheit bestimmen, wenn man in Abzug bringt, was mit den Excrementen
in derselben Zeit wieder aus dem Körper geführt wird; es ergibt sich daraus: daß 855
Mann verzehrt haben:
Wasser.
trockener Substanz.
Verhältniß des blutbildenden zum wärmeerzeugenden
Bestandtheile in letzterer.
Pfd. Nahrungsmittel Zusammen 4001 mit
1655
2346 Pfd.
298 : 1357
Pfd. Excremente zusammen 294 mit
220½
73½ Pfd.
13 : 51
Verhältniß des blutbildenden zu wärmeerzeugenden Theil der assimilirten
Nahrung
285 : 1306 = 1 : 4,7.
Die Quantität 4,7, welche aus der Lebensweise von Personen entnommen ist, welche viel
körperliche Bewegung haben, würde sich jedenfalls für Personen mit sitzender
Lebensweise vergrößern. Obgleich diese Zahlen, um ganz sichere Anhaltspunkte zu
gewähren, aus umfassender statistischer Aufnahme in großem Maßstabe hervorgehen
müßten, so sind sie
doch der Wahrheit nicht so fern, um nicht einige wichtige Schlußfolgerungen zu
gestatten.
Zuvörderst springt in die Augen, daß das Mischungsverhältniß von 1 : 4,7 (welches
Personen entspricht, die mäßiger körperlicher Bewegung unterworfen sind) gerade
dasjenige ist, welches den vornehmsten Getreidearten, dem Weizen, Korn, der Gerste
und dem Hafer von Natur innewohnt. Diejenigen, die ausschließlich von Fleisch leben,
wie viele wilde Nationen und Jäger, oder von Hülsenfrüchten, empfangen einen
namhaften Ueberschuß an blutbildenden Bestandtheilen, der entweder durch solche
Zusätze ausgeglichen werden kann, die reich an wärmeerzeugendem Stoff sind, oder
durch vermehrte Bewegung. Im Gegensatz dazu befinden sich die unbemittelten Classen
der Bevölkerung bei uns; sie sind in Folge der bestehenden socialen Zustände auf das
wohlfeilste Nahrungsmittel, auf die Kartoffeln, beschränkt; je größer die Verarmung,
umsomehr sieht man die bessere, aber kostspielige Nahrung von der Kartoffel
verdrängt. Die Kartoffeln sind nämlich um die Hälfte ärmer an blutbildendem
Bestandtheil als die Getreidearten; es hat mithin die Natur, die bei dem Wilden sich
nur eines Ueberschusses zu entledigen hat, in diesem
Falle den ungleich schwereren Kampf mit einem Mangel zu
bestehen, worin sie nur den Instinct zum Bundesgenossen hat, der den Armen immer
antreibt, nach Möglichkeit des Verdienstes mit Brod, Milch, Käse, Kaffee zu Hülfe zu
kommen. Jedenfalls muß man gestehen, daß die Lebensweise der Aermeren durch die
Armseligkeit ihres ganzen Zustandes mit Gewalt auf einen unnatürlichen Standpunkt
geschoben ist; diese Verrückung der naturgemäßen Lebensweise kann ihre Nachtheile
möglicherweise in drei Richtungen offenbaren: sie kann zu mangelhafter Körperkraft
und Gesundheit führen, dieß ist nicht das Vorstechendste; oder zu vermehrter
Sterblichkeit und kürzerer Lebensdauer, worüber die Statistik zur Auskunft
verpflichtet ist; oder endlich zu Mangel an geistiger Energie, zu einer Art stupider
Schlaffheit und Theilnahmlosigkeit für Alles, was die nächsten thierischen
Interessen übersteigt, wohl die gewöhnlichste Folge. — Mit der vorwiegenden
Kartoffelnahrung sind die betreffenden Classen schon gleichsam auf das letzte
Hülfsmittel hingewiesen, stehen gewissermaßen auf dem äußersten Rande und haben
keinen Boden mehr vor sich. Daher kommt es denn, daß schon ein theilweises Mißrathen
der Kartoffelernte die Massen an allen Enden zur Empörung aufwiegelt, eine um so
bedeutsamere Erscheinung, weil der deutsche Arbeiter und arme Bauer ganz gewiß die
Aufgabe gelöst hat, mit dem Minimum von Nahrung, noch dazu von mangelhafter
Qualität, das größte Maaß von Arbeit zu leisten.
Die Verwendung der Kartoffel in der Landwirthschaft zum Branntweinbrennen erscheint
von obigem Gesichtspunkt aus als eine Scheidung des überschüssigen wärmeerzeugenden
Theiles, also des Stärkemehls, von dem Rest desselben mit dem blutbildenden Stoff
oder Eiweiß, welcher Rest mit dem Kleber des Malzes vermengt, eine richtiger
gemischte halbgelöste Nahrung bildet, deßhalb aber auch, um sie der Natur des
Wiederkäuermagens besser anzupassen, einen Zusatz von Stroh oder sonst geringerem
Futter verträgt. Da die Kartoffel das 10fache des Eiweißes an Stärkemehl enthält, so
kann davon beiläufig die Hälfte in Branntwein verarbeitet werden, bis ein Rest
bleibt, der im Verhältniß der Getreidearten (1 : 5) gemischt ist.