Titel: Ueber den gegenwärtigen Zustand der Mosaikkunst; von Digby Wyatt, Architekt.
Fundstelle: Band 110, Jahrgang 1848, Nr. XLI., S. 222
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XLI. Ueber den gegenwärtigen Zustand der Mosaikkunst; von Digby Wyatt, Architekt. Aus dem Mechanics' Magazine, 1848, Nr. 1286. Wyatt, über den gegenwärtigen Zustand der Mosaikkunst. Bei der Wiederbelebung der classischen Studien und der Vitruv'schen Systeme suchte man natürlich auch einige der alten Künste wieder in Aufnahme zu bringen. Zu Rom bemühte man sich das opus figlinum (Thonarbeit), zu Florenz das opus sectile (die musivische Arbeit) nachzuahmen und beides wurde mit Erfolg gekrönt. Jenes ist uns gegenwärtig als römische, dieses als florentiner Mosaik bekannt. Das Studium zu Rom wurde ohne Zweifel durch die daselbst von Zeit zu Zeit aufgefundenen alten Stücke sehr angefeuert und zur Beförderung dieser Kunst wurde endlich die große päpstliche Mosaikfabrik errichtet. Da in der Verfertigungsweise der Mosaik in den letzten 200 Jahren keine Veränderung eingetreten zu seyn scheint, dürfte eine kurze Notiz über das gegenwärtige Verfahren nicht ohne Interesse seyn. Man umgibt zuvörderst eine, in der Regel metallene Platte von der Größe des zu copirenden Gemäldes, mit einem ¾ Zoll über sie hinaufreichenden Rande; die Oberfläche wird nun mit einem etwa ¼ Zoll dicken Mastix-Cement, aus gepulvertem Travertino-Stein, Kalk und Leinöl bestehend, überzogen. Nach dem Erhärten wird dieser Ueberzug ganz mit Gyps bedeckt und zwar in gleicher Höhe mit dem Rand, welcher auch derjenige der fertigen Mosaik werden soll; auf diesen Gyps wird eine sehr sorgfältige Contour des zu copirenden Bildes gezeichnet und mittelst eines feinen Meißels von Zeit zu Zeit so viel davon entfernt, als nothwendig ist, um die kleinen Stückchen Mosaikglas oder Schmelz (émail smalto der Italiener) einsetzen zu können. Dieser Schmelz besteht aus Glas und wird in runden Stückchen von 6–8 Zoll Durchmesser und ½ Zoll Dicke verfertigt. Der Arbeiter wählt aus dem großen Lager, in welchem sich in Trögen gegen 10,000 Nüancirungen von Farben befinden, die geeigneten aus, welchen er dann die erforderliche Gestalt gibt. Dieß geschieht dadurch, daß man mit einem scharfschneidigen Hammer direct über einer ebenfalls scharfen Schneide, welche vertical darunter gestellt wird, auf den Schmelz schlägt; durch den Schlag bricht der Schmelz so ziemlich in der erforderlichen Gestalt; er wird alsdann mittelst eines mit gepulvertem Schmirgel belegten Bleirades vollkommener geschliffen. Das so geformte Stück wird nun mit etwas Cement befeuchtet und an der ihm bestimmten Stelle eingelegt u. s. f. bis das Bild vollendet ist, worauf das Ganze, zu einer glatten Fläche abgeschliffen und polirt, ein unzerstörbares Kunstwerk bildet. Auf diese Weise wurden einige der schönen Mosaikstücke verfertigt, welche die Peterskirche und einige andere Kirchen zu Rom zieren, und in neuerer Zeit Werke geschaffen, die in jeder Beziehung mit den ausgezeichnetsten Schöpfungen antiker Kunst wetteifern. Sechs ausgebildete Künstler sind in der sogenannten „Fabrica“ im Vatican jetzt beständig beschäftigt. Die Florentiner Mosaik besteht, statt aus Irdenstoffen (fictile), ganz aus Marmor, Achaten, Edelsteinen etc., mittelst welcher Blumen, Früchte, Verzierungen etc. anmuthig und fein ausgearbeitet wurden. Marmore und Jaspisse von glänzenden Farben sind natürlich von hohem Werthe, und man bedient sich ihrer daher nur in dünnen Scheiben, so dünn wie Furnürholz und legt sie auf Schiefer auf. Das Verfahren dabei ist sehr langwierig; es wird nämlich für jedes kleine Stückchen Marmor eine Papierform geschnitten und jeder Theil muß so lang am Rad abgeschliffen werden, bis er genau mit diesem Muster übereinstimmt. Berücksichtigt man die ungeheure Schwierigkeit der Bearbeitung eines solchen Materials, so muß man über die vollendeten Gemälde erstaunen; einige Werke, welche jetzt in der großherzoglichen Manufactur in Arbeit und für den Hochaltar der Capelle der Medicis zu St. Lorenzo bestimmt sind, dürften das Schönste seyn, was bis jetzt noch erzeugt wurde. Natürlich kann die Nachfrage für solche mühsame und daher kostspielige Werke nur eine sehr beschränkte seyn; im Handel kommen von solchen hauptsächlich nur Kaminverzierungen, Papierbeschwerer etc. vor. Meines Wissens hat außer den Italienern keine europäische Nation sich um die Wiederherstellung der Mosaik-Fabrication bemüht. Hr. Ward sagt in seiner Abhandlung in Blashfield's werthvollem Werk über Mosaikböden: „Vor 40 Jahren erhielt Hr. Charles Wyatt ein Patent für ein Verfahren, eingelegte Fußböden durch Einlegen von Steinen in farbige Kitte nachzuahmen; so verfertigte Fußböden aber schienen durch den Gebrauch leicht uneben zu werden, wegen der ungleichen Härte der Materialien, was ihrer allgemeinen Einführung hinderlich war. Terracotta (oder gebrannter Thon), mit farbigen Cementen eingelegt, wurde ebenfalls versucht, zeigte aber denselben Fehler.“ „Seit den letzten 10 Jahren benutzt Hr. Blashfield mit Metalloxyden gefärbte Kitte (Cemente) und zwar mit ziemlich gutem Erfolg bei den vor dem Wetter geschützten Producten; für Arbeiten außerhalb des Hauses aber, die dem Froste ausgefetzt sind, war man genöthigt römischen Cement anzuwenden, dessen dunkles Braun allen damit gemischten Farben einen schwarzbraunen Ton ertheilt. Dieß, nebst einigen andern praktischen Schwierigkeiten, verhinderte den Erfolg dieses Verfahrens. Auch mit Metalloxyden gefärbtes Erdharz wurde von Hrn. Blashfield als Material zu ornamentalen Fußböden angewandt. Der Grund des Musters wurde zuerst in irgendeiner gegebenen Farbe gegossen und dann wurden die Zwischenräume mit Erdharz von verschiedenen andern Schattirungen ausgefüllt; dieses Verfahren hatte aber einen noch ungünstigern Erfolz als das erstere. Die Zusammenziehung und Ausdehnung des Erdharzes machte die Oberfläche bald uneben; der eingetretene Staub verdunkelte das Muster und das Verfahren war überdieß kostspielig.“ Diese und ähnliche Bemühungen bahnten den Weg zu jenen großen Verbesserungen in der Kunst, solche Fußböden zu legen, welche ich jetzt beschreiben will. Dieser Erfindungen sind drei an Zahl; die erste derselben ist, ihrer Natur nach, zwar keine wahre Mosaik, doch derselben so nahe verwandt, daß sie nicht wohl davon zu trennen ist. Ich rede hier von den enkaustischen Ziegelplatten. Bekanntlich bestunden dieselben aus einer Thonmasse, welche in Stücke von 6 Zoll im Gevierte geformt war, in deren Oberfläche, während ihres noch weichen Zustandes, Metallwürfel eingedrückt wurden, auf denen sich ein Muster in Relief befand; die vertieften Stellen wurden dann mit Thon von einer verschiedenen Farbe ausgefüllt. Die Ziegelplatte wurde hierauf gebrannt und mit einer Glasur überzogen, welche die Farbe der Masse erhöhte und zugleich beschützte. Diese Kunst wurde in England in den Jahren 1300 bis 1500 allgemein, und erhielt im Jahr 1830 wieder neues Leben, wo ein Patent auf Verfertigung solcher Ziegel genommen wurde; seitdem wurde sie von den HHrn. Minton und Comp. in Stoke-upon-Trent und vielen andern Fabricanten in größerm Maßstabe ausgeübt, und jetzt sind solche Producte ziemlich verbreitet. Der zweite große Schritt in der Wiederbelebung der Mosaikkunst geschah durch Hrn. Singer (unterstützt von Hrn. Pether), welcher sich im Jahr 1829 eine sinnreiche Maschine zur Verfertigung gleichförmiger Tesserae Patentiren ließ. Hr. Singer beabsichtigte das alte, römische Opus tesselatum vollkommen nachzuahmen, und mußte zu diesem Behufe Vierecke (tesserae) oder kleine Würfel erzeugen, die gleich waren an Größe, Härte, Farbe und Oberfläche. Zu diesem Ende brachte er compacten und wohl durchgearbeiteten Thon in eine Maschine, wo er mittelst mächtiger Hebel starkem Druck unterworfen und zuletzt aus einer horizontalen Oeffnung von 6 Zoll Breite und ½ Zoll Dicke herausgedrückt wurde. Beim Hervortreten wurde er in 3 Zoll lange Stücke geschnitten und diese 6 Zoll langen, 3 Zoll breiten und ½ Zoll dicken Thonstückchen ließ man dann einige Tage austrocknen. Nun wurden 15–20 derselben übereinander gelegt und man ließ einen Rahmen, über welchen Drähte gespannt waren, die sich in regelmäßigen Zwischenräumen durchkreuzten, und der vertical an zwei Stangen gleitete, durch sie hindurchgehen, so daß auf einmal etwa 100 gleiche Vierecke ausgeschnitten wurden. Wollte man gekrümmte Formen, so setzte man die Vierecke winkelrecht in eine Vertiefung und zog ein gekrümmtes Stück Metall durch eine Anzahl derselben. Die Vierecke wurden dann gebrannt und theilweise verglast, wodurch ein sehr schönes Material erhalten wurde, von welchem ein sehr hübscher getäfelter Fußboden verfertigt werden konnte. Die von Hrn. Singer ausgeführten Arbeiten, wovon wir insbesondere den Fußboden der Halle des Reformclubs und das Pflaster eines Theils der Wiltonkirche bei Salisbury erwähnen, sind wunderschön. Die dritte große Verbesserung, welche einen Zweig der Mosaikkunst sogar auf einen höhern Grad der Vollkommenheit bringt, als ihn die Alten erreichten, wurde ursprünglich von Hrn. Prosser zu Birmingham im Jahr 1840 erfunden. „Derselbe fand, daß wenn man Porzellanmasse in ein feines Pulver verwandelt und in diesem Zustand zwischen zwei stählernen Stempeln einem starken Druck unterzieht, das Pulver auf ein Viertel seines Volums reducirt und beim Brennen in eine compacte Substanz von außerordentlicher Härte und Dichtigkeit verwandelt wird, welche weit weniger porös und viel härter ist, als das gewöhnliche nicht comprimirte und gebrannte Prozellan.Polytechn. Journal Bd. LXXXIX S. 160. Diese Entdeckung wurde von Hrn. Prosser zur Fabrication von Knöpfen benützt; später kam Hr. Blashfield auf die glückliche Idee, dieses Verfahren zur Verfertigung von Pflasterstückchen zu benützen. Diese Pflasterstückchen können von jeder Form verfertigt werden, in Vierecken zum Täfeln (gewürfelten Böden); in Drei- und Sechsecken behufs der Nachahmung des Opus alexandrinum in Polygonen und Rhomboïden, so wie auch von jeder Farbe; durch Emailliren der Oberfläche mit den glänzendsten Farben und Gold kann ein herrliches Surrogat der alten Glasmosaik erzeugt werden. Um aus diesen Pflasterstückchen eine Mosaik zu bilden, wird das Muster zuerst auf einer vollkommen ebenen, rechtwinkeligen Tafel geordnet; dann werden die Pflasterstückchen auf derselben dicht zusammengestellt, so daß sie genau die verlangte Verzierung bilden; hierauf werden sie mit einem von Hrn. Blashfield erfundenen Cement überdeckt, welcher eine ungeheure Härte annimmt und der Hitze und dem Wasser sehr gut widersteht; auf diesen kommt eine Lage starker Ziegelplatten oder Schieferplatten. Nachdem der Cement fest geworden ist, was sehr schnell eintritt, kann der Fußboden aufgehoben und an der beabsichtigten Stelle niedergelegt werden; er ist auf seiner obern Seite vollkommen eben, von der rechten Härte, unverwüstbar und unveränderlich, und die Fugen sind kaum sichtbar, kurz er läßt nichts zu wünschen übrig. Das Pflaster der Eingangshalle der Society of arts wurde von den HHrn. Minton und Blashfield auf diese Weise ausgeführt.