Titel: Ueber die Verfälschungen des Mehls; von Louyet.
Fundstelle: Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XCVII., S. 443
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XCVII. Ueber die Verfälschungen des Mehls; von Louyet. Aus dem Journal de Pharmacie, Nov. 1848, S. 355. Louyet, über die Verfälschungen des Mehls. Der von Hrn. Bouchardat erstattete Bericht über meine Abhandlung bezüglich der Verfälschungen des MehlsPolytechn. Journal Bd. CVIII S. 290. rief von Seite der HHrn. Soubeiran, Gaultier de Claubry und Guibourt Bemerkungen hervor, aus welchen ich ersehe, daß man meine Arbeit nicht von dem Gesichtspunkt aus betrachtete, von welchem aus ich meine Schlüsse zog. Ich hatte nämlich gesagt, daß in den meisten Fällen die Einäscherung des Mehls allein schon hinreichend sichere Kennzeichen gebe, um sogleich auf das Vorhandenseyn oder Nicht-Vorhandenseyn gewisser Verfälschungsmittel schließen zu können, und zwar nicht nur der mineralischen, Kreide, Gyps etc. was man schon lange wußte, sondern auch gewisser vegetabilischen, wie der Hülsenfrüchte, weißen Bohnen, Wicken, Erbsen u.s.w., was noch nicht bekannt war. Von da aus aber bis zu dem Schluß, daß man nach der bloßen Einäscherung sich mit Gewißheit über die Natur und Reinheit eines Mehls aussprechen könne, wäre nach Soubeiran ein großer Sprung, welchen ich mit Unrecht gewagt haben soll; „denn, sagt derselbe, wenn man auch mit dem Verfasser annimmt, daß das Mehl in runder Zahl 1 Procent Asche gibt und das Mehl der Hülsenfrüchte 3 Procent, so wäre man doch in großer Verlegenheit, sich über einen Betrug auszusprechen, wenn man bei mehreren Versuchen größere Aschengewichte als sonst bekäme, und Hr. Soubeiran glaubt nicht, daß ein Gemenge von Weizenmehl und von Roggen- und Gerstenmehl etc. auf diese Weise zu erkennen wäre.“ Hr. Gaultier de Claubry behauptete, daß er beim Einäschern von reinen Mehlen niemals ein übereinstimmendes Gewicht Asche erhalten habe. Hr. Guibourt endlich fügt bei, daß er nicht glaube, daß die fixen Bestandtheile der Getreidearten unwandelbar sind, weil jedes Mehl mehr oder weniger von der Substanz des Mühlsteins mitreißen muß. Es sey mir erlaubt die mir unterlegten Ansichten zu berichtigen und die aus meinen zahlreichen Versuchen gezogenen Schlüsse zu vertheidigen. Die absolute Menge der in den Getreidekörnern sowie in andern Samen enthaltenen fixen Substanzen ist eine veränderliche, wie dieß sowohl aus meinen Versuchen als aus denen meiner Vorgänger hervorgeht. Aber die Abweichungen sind gering, denn bei den Versuchen, welche ich mit sehr vielen Sorten Weizen anstellte, betrug das geringste Gewicht, welches ich erhielt, 0,64 Procent und das größte, 0,90 Proc. nach vorläufiger Austrocknung des Mehls bei 80° R. Ich mache in meiner Abhandlung darauf aufmerksam, daß die Hülsenfrüchte eine viel größere Menge fixer Substanzen enthalten; daß solche bei den Erbsen und Weißbohnen 3 bis 3,3 Procent des bei 80° R. getrockneten Hülsenfrüchtenmehls beträgt; daß folglich der Zusatz von 1/12 dieser Mehle zum Weizenmehl das Gewicht des bei der Einäscherung des letztern bleibenden Rückstandes beträchtlich erhöhe. Da aber andere Substanzen, sowohl organische (Gerstenmehl) als mineralische (Gyps oder Kreide), dem Weizenmehl in gewissen Mengen zugesetzt, das Gewicht seiner Asche ebenfalls erhöhen müssen, so betrachtete ich dieses Merkmal mehr vom negativen, als vom positiven Gesichtspunkt aus und bemerkte, daß bei Untersuchung eines verdächtigen Mehls es das Erste seyn müsse, dasselbe bei 80° R. etwa eine ganze Stunde lang auszutrocknen, dann 5 Gramme davon abzuwägen und sie in einer Platinschale sorgfältig einzuäschern. Uebersteigt das Gewicht der Asche nicht 45 Milligr., so kann mit Zuversicht daraus geschlossen werden, daß in diesem Weizenmehl weder Mineralsubstanzen, noch Hülsenfrüchte, noch Gerste etc. enthalten sey. Dann lenkte ich die Aufmerksamkeit auf die Verschiedenheit der Zusammensetzung der Asche verschiedener Samenkörner, welche über die Natur des Verfälschungsmittels Aufklärung geben könne. Ich zeigte, daß in der Asche der Hülsenfrüchte dreifachbasische phosphorsaure Salze enthalten sind, welche in derjenigen der Cerealien, namentlich des Weizens, nicht vorkommen; daß man folglich, wenn man die Asche eines reinen Mehls mit Wasser behandelt und filtrirt, eine Flüssigkeit erhält, welche auf Reagens-Papiere nicht wirkt, durch salpetersaures Silber rein weiß gefällt wird, und daß dieser Niederschlag, dem Lichte ausgesetzt, seine Farbe nicht verändert; die Asche der Hülsenfrüchte hingegen, ebenso behandelt eine Flüssigkeit gebe, welche stark alkalisch reagire, durch Silbersalpeter gelblich gefällt werde, und daß der Niederschlag, dem Lichte ausgesetzt, sehr schnell eine dunklere Farbe annehme. Es folgt daraus, daß ein Zusatz von Hülsenfrüchten zum Weizenmehl nicht nur das Gewicht seiner zurückbleibenden Asche erhöht, sondern auch die Reactionen dieser Asche modificirt.Das Mangkorn (Roggen und Weizen) gibt beim Einäschern nicht mehr Asche, als reiner Weizen, denn der Roggen enthält beinahe ebenso viel Asche als der Weizen; aber die Asche reagirt schwach alkalisch. Enthält also ein Mehl eine gewisse Menge Mineralsubstanzen, mit welchen es manchmal verfälscht wird, wie Kalkstein, Kieselerde oder Gyps, so erhält man als Aschengewicht eine viel höhere Ziffer als die höchste, welche der Weizen geben kann; aber mit Wasser behandelt, gäbe diese Asche eine Flüssigkeit, welche auf salpetersaures Silber gerade so wirken würde, wie diejenige des reinen Mehls. Das Verhalten wäre dasselbe, wenn das Weizenmehl Gerste enthielte, deren Asche keine freien Alkalien oder dreifach basisch-phosphorsauren Salze enthält. Gibt nun aber das Mehl ein höheres Gewicht Asche, welche alkalisch reagirt und auf die Silberlösung anders wirkt, als die Asche reinen Mehls, so hätte man starken Grund, das Vorhandenseyn von Hülsenfrüchten zu vermuthen; die mikroskopische Untersuchung, zu deren Behufe man vorher das Mehl auf dem Objectträger mit stark verdünntem Kali behandelt, könnte dann jeden Zweifel heben. Bekanntlich kann man durch dieses, von Hrn. Donny entdeckte VerfahrenBeschrieben im polytechn. Journal Bd. CVI S. 297. bei einiger Uebung die Trümmer der den Hülsenfrüchten eigenen Zellensubstanz wahrnehmen. Man wird mir nicht bestreiten, daß bei einer Analyse, namentlich wo es sich um ein sachverständiges Gutachten handelt und man sich mit Bestimmtheit aussprechen soll ob ein Betrug stattfindet, zwei Merkmale besser sind als eines. – Die Vermehrung der fixen Bestandtheile des Mehls durch Abnutzung des Mühlsteins anbelangend, so ist von dieser Seite sicherlich nichts zu befürchten, es sey denn in den äußerst seltenen Fällen, wo die Mühlsteine frisch behauen werden, und selbst dann mahlt man vorher Stroh oder dergl., um die Steine zu reinigen. Nach in Belgien angestellten Versuchen kann die Abnutzung der Mühlsteine den Gehalt des Mehls an fixen Bestandtheilen nur höchst unbedeutend vergrößern. Selbst aber wenn sich Steinsubstanz dem Mehle beimengte, würden, da sie im Wasser unauflöslich ist, die Reactionen der Weizenasche dadurch nicht verändert werden. Ich habe ferner zu bemerken, daß wenn man bei mehreren nach einander vorgenommenen Einäscherungen von Weizenmehl nicht immer dasselbe Resultat erhält, ebensowohl eine unvollkommene Einäscherung als eine wirkliche Verschiedenheit des Mehls die Ursache seyn kann. Wer im Einäschern nicht geübt ist, wird dabei nie zweimal nach einander ziemlich übereinstimmende Zahlen erhalten; hier wie bei den meisten chemischen Operationen ist eine gewisse Uebung erforderlich, sonst kann man eine Einäscherung für vollendet halten, während die Asche mit Wasser und Säuren behandelt, noch einen beträchtlichen Kohlengehalt zeigt. Eine Hauptsache beim Einäschern ist, daß man die bei der ersten Verbrennung des Mehls entstandene Asche oder Kohle nicht aufrührt, sondern ihr die angenommene Gestalt läßt, welche den Zutritt der Luft begünstigt. Ferner darf, besonders am Anfang, die schwache Rothglühhitze nicht überschritten werden, einerseits weil bei lebhaftem Rothglühen einige Salze verschwinden und andererseits weil das bei hoher Temperatur verkohlte Mehl eine schwieriger einzuäschernde Kohle gibt. Befolgt man diese Vorschrift, so wird man bei gleichem Mehle stets sehr nahekommende Zahlen erhalten. Man hat also, nach meiner auf Erfahrung gegründeten Ansicht, behufs der Untersuchung eines verdächtigen Weizenmehls, vor allem eine gewisse Menge desselben, welche vorher bei 80° R. getrocknet wurde, sorgfältig einzuäschern. Beträgt auf 5 Gramme des Mehls das Gewicht der Asche ein Namhaftes über 10 Milligr., so kann man beinahe versichert seyn, daß eine Verfälschung vorhanden ist; erreicht der Mehrbetrag des Aschengewichts nicht 100 Milligr. oder darüber, so hat man es wahrscheinlich mit einem Hülsenfruchtmehl zu thun, und die Alkalität der Asche, das Verhalten ihrer Auflösung zu salpetersaurem Silber liefern weitere Anzeichen dafür. Endlich wird die den Hülsenfrüchten eigene Zellensubstanz, welche nach Donny's Verfahren durch das Mikroskop zu entdecken ist, vollends allen Zweifel heben. Wenn der bei der Einäscherung von 5 Gram. bei 80° R. getrockneten Mehls erhaltene Rückstand zwischen 35 und 45 Milligr. wiegt, so ist die Reinheit des Mehls höchst wahrscheinlich; wenigstens ist dann ein Zusatz weder von Mineralsubstanzen, noch von Gerste oder von Hülsenfrüchten darin zu suchen.Es versteht sich, daß hier nur von gebeuteltem Mehle die Rede ist, welches allein verfälscht zu werden pflegt.