Titel: Neues Verfahren des Weinbaues; von J. Persoz.
Fundstelle: Band 112, Jahrgang 1849, Nr. XCVI., S. 443
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XCVI. Neues Verfahren des Weinbaues; von J. Persoz.Das Wesentliche dieser künstlichen Cultur des Weinstocks wurde bereits im polytechn. Journal Bd. CXI. S. 231 mitgetheilt; bei der Wichtigkeit des Gegenstandes lassen wir hiemit eine ausführlichere Beschreibung des Verfahrens nebst seiner wissenschaftlichen Begründung nachfolgen. Der Verfasser hat dasselbe in einer Broschüre veröffentlicht, welche den Titel führt: Nouveau procédé pour la culture de la vigne: par J. Persoz. In 8° avec 2 pl. in - 4° gravées en taille douce. Prix: 1 fr. 50 c. (Chez Victor-Masson). Aus dem Journal de Pharmacie, März und April, 1849. Persoz, über ein neues Verfahren des Weinbaues. Der Erfolg, welchen ich von künstlich zubereiteten Düngern bei einigen Zierpflanzen hatte, veranlaßt mich, solche Versuche im Interesse wichtigerer, nämlich landwirthschaftlicher Zwecke anzustellen; ich wählte den Weinbau zum Gegenstand meiner Versuche. Im Jahr 1846 veröffentlichte ich das Resultat der gleichzeitigen Pflege zweier Weinstöcke, wovon der eine mit phosphorsauren Salzen behandelt, der andere sich selbst überlassen wurde (polytechn. Journal Bd. CV S. 65). Der erste von sehr kräftigem Wachsthum, war mit Trauben bedeckt; der andere hingegen trug keine einzige Frucht. Seitdem fuhr jener fort, jedes Jahr eine Menge Trauben zu tragen; jedes Fruchtholz oder jeder Trieb, deren stärkster in Länge und Dicke eine Schwanenfeder, und die mittlern eine Gansfeder nicht übertrafen, trug immer wenigstens 2, oft 5, gewöhnlich 3 Trauben, welche alle den Vergleich mit den besten Gutedeltrauben bestanden. Um diesen ersten Versuch zu vollenden, behandelte ich letztes Frühjahr den Musterstock, welcher keinen künstlichen Dünger erhalten und nie mehr als einige Trauben getragen hatte, ebenso wie denjenigen, welchem er zur Vergleichung gedient hatte, und so bedeckte er sich diesen Herbst mit Früchten zur Verwunderung aller Personen, welche den vergleichenden Versuchen gefolgt waren. Der Grundsatz von welchem ich ausging, ist sehr einfach; es gibt nämlich keinen Wein, welcher nicht Weinstein enthielte; soll daher die Pflanze Weinsteinsäure erzeugen, so muß ihr nothwendig das erforderliche Kali geliefert werden. Um nun den Weinstock damit zu versehen, muß das Kalisalz in einem Zustand angewandt werden, wo die Wurzeln es assimiliren können, ohne daß die Pflanze darunter leidet, und überdieß die geeignetste Zeit dazu bestimmt werden. Nachdem ich (in der oben angeführten Mittheilung) den Zustand angegeben hatte, in welchem das Kalisalz angewandt werden muß, hatte ich noch den Einfluß der Ammoniaksalze oder salpetersauren Salze bei der Vegetation und den Zeitpunkt zu bestimmen, wo das Kalisalz in Wirkung treten soll. Es scheint fest zu stehen, daß die zur Vegetation unentbehrlichsten Agentien die phosphorsauren Salze, der kohlensaure Kalk und das kieselsaure Kali sind. Aus der merkwürdigen Wirkung der ammoniakalischen Salze unter gewissen Umständen (man vergl. darüber die Abhandlungen des Hrn. Schattenmann (im polytechn. Journ. Bd. XCI S. 218 und Bd. CIV S. 213), hat man, ohne weitere Beweise als die Elementaranalysen, den Satz abgeleitet, daß Ammoniak durch den Stickstoff, welchen es liefert, direct auf die Pflanze wirke; wenn dem also wäre, so würden die Ammoniaksalze überall dieselbe unbestreitbare Wirkung hervorbringen; da dieß nun aber nicht der Fall ist, so ist es wahrscheinlicher, daß die Wirkung dieser Salze nur eine mittelbare ist. Ich werde die Gründe davon darzulegen suchen. Welches Ammoniaksalz man an den Fuß einer Pflanze gießen mag, das salzsaure, schwefelsaure oder essigsaure, so bemerkt man nach einigen Tagen auf der Oberfläche der Erde und auf der begossenen Stelle selbst eine weiße Kruste, welche alle physischen und chemischen Eigenschaften der Kreide (des kohlensauren Kalks) hat. Befindet sich nun Kreide unter den Producten der Einwirkung eines Ammoniaksalzes auf die Pflanzenerde, so muß das Ammoniak zeitweise sich im Zustand des kohlensauren Salzes befunden haben; die zeitweise Bildung dieses Salzes aber anerkennen, heißt eine secundäre und später erfolgende Reaction annehmen, indem bekanntlich das kohlensaure Ammoniak mit Kali- oder Natronsalzen (salzsauren, schwefelsauren und salpetersauren) nicht in Berührung kommen kann, ohne sie zu zersetzen und eine entsprechende Menge kohlensaures Kali oder Natron zu erzeugen. Während wir in Folge der Leichtigkeit, womit der phosphorsaure und kohlensaure Kalk auflöslich und fähig werden kann in den Gefäßen zu circuliren, um in denselben dann unlöslich zu werden, die hohe Wichtigkeit der Functionen dieser beiden Agentien leicht begreifen, wurde es uns schwer, die Rolle der Kieselerde, welche sich in manchen Pflanzen in so großer Menge vorfindet, zu erklären. Wie in der Natur Auflösungen von Kieselerde entstehen, ist leicht nachzuweisen, denn die Feldspathgebirge sind beständig im Verwittern und in Zersetzung begriffen, um einerseits Thone, andererseits kieselsaures Kali und Natron, welche aufgelöst bleiben, zu erzeugen. So kann also die Kieselerde als kieselsaures Alkali durch das Wasser in die Gefäße der organischen Wesen geführt werden; auf welche Weise wird sie aber in Freiheit gesetzt? Bisher haben die Chemiker nur den Säuren das Vermögen zuerkannt, die kieselsauren Salze zu zersetzen; einen solchen Grundsatz aufstellen, heißt aber das Freiwerden der Kieselerde völlig unerklärlich machen. Das phosphorsaure Salz der Knochen wird offenbar unter dem Einfluß eines Alkali's abgesetzt, weil es ein basisches Salz ist. Jenes im Gerippe der Pflanzen wird unter gleichen Umständen abgesetzt, nur erfolgt die Ablagerung meistens durch eine langsame und secundäre Einwirkung des kohlensauren Kalks. Wenn nun in beiden Fällen die Ablagerung nur durch Dazwischenkunft eines basischen Körpers erklärt werden kann, wie ist der Antheil zu erklären, welchen die Kieselerde an der Bildung der Zellen zugleich mit dem phosphorsauren und kohlensauren Kalk nimmt? Ich glaube die Lösung dieser Frage nebst jener hinsichtlich der Rolle des Kochsalzes in der Landwirthschaft gefunden zu haben. Welchen Einfluß übt also das Kochsalz beim Feldbau aus oder mit andern Worten, welche Einwirkung hat es auf das Wachsthum? Es unterliegt keinem Zweifel, daß wenn kohlensaures Ammoniak vorhanden ist, das Kochsalz kohlensaures Natron liefern kann; man kann sich also das Kochsalz von diesem Gesichtspunkte aus schon als eine Quelle eines starken Alkali's vorstellen; allein diese Wirkung ist nur eine untergeordnete neben der geheimnißvollen und wichtigen Rolle, die ich ihm zuschreibe. Sobald nämlich das Kochsalz mit dem kieselsauren Kali (Fuchs'schen Wasserglas) in Berührung kommt, wird auch die Kieselerde schon ausgeschieden; nur wenn diese Ausscheidung in Gegenwart einer großen Menge Wassers erfolgt, bleibt die Kieselerde aufgelöst und bildet dann bei der freiwilligen Verdunstung eine durchsichtige Gallerte; erfolgt die Abscheidung aber in Gegenwart einer großen Menge Salzes, so schlägt sie sich als ein undurchsichtiges Pulver nieder. Auf diese Weise erklärt sich die kräftige und unmittelbare Wirkung, welche das Kochsalz, in gehöriger Menge angewandt, stets beim Anbau solcher Pflanzen ausübt, welche der Kieselerde zur Bildung ihres Gerippes bedürfen (wie die Grasarten). Meine ersten Versuche mit der Cultur des Weinstocks stellte ich, wie gesagt, mit Individuen von kräftigem Wuchs an. Da die Stöcke schon eine gewisse Entwickelung hatten, so hatten eben dadurch die Kalisalze eine minder starke Einwirkung auf dieselben; andererseits gelangten diese Salze bei ihrer geringen Auflöslichkeit zu langsam an die Wurzeln der Pflanzen, als daß ich ihre ganze Einwirkung hätte bemessen können. Als ich dieselben Versuche mit jungen Stöcken wiederholte und mich dazu einer größern Dosis Kalisalzes bediente, sah ich nicht ohne Verwunderung, daß das Wachsthum, weit entfernt eine starke Entwickelung zu nehmen, im Gegentheil an Kraft verlor, und die Individuen verkrüppelten. Der Ueberschuß an Kalisalzen that hier die Wirkung des Kochsalzes auf die zufällig in salzigem Boden wachsenden Pflanzen; bekanntlich leidet das Wachsthum der letzteren so sehr, daß einige Botaniker besondere Species aus ihnen machten. In Anbetracht alles dessen kam ich auf den Gedanken, den Bau des Weinstocks in zwei Perioden abzutheilen, zuerst nämlich dem Rebholz durch sorgsame Pflege sowohl als vermittelst phosphorsauren Kalks alle mögliche Entwickelung zu geben; nachher aber nur auf die Traubenbildung hinzuarbeiten. Es tritt auf diese Weise an die Stelle der bisherigen natürlichen, eine künstliche Cultur des Weinstocks. Behufs der möglichst vollkommenen Entwickelung des Holzes setzte ich mehrere Weinstöcke in Gruben, auf deren Boden ich gebracht hatte: 1 Kilogr. per Quadratmeter eines Gemenges, 1) von gröblich gepulverten Knochen (käuflichen Knochenmehls), 2) von Leder- oder Hornabfällen. Ich bedeckte dieß alles mit gutem, mit Erde vermengtem Dünger. Drei im März 1847 so behandelte Reben a, b, c gaben: a) Fechser von virgin. Isabelle: ein Rebholz von                                       7,28 Meter Länge und 2 Centim. Durchm. b) Fechser von weißem Gutedel: zwei Rebhölzer eines vondas andere von 5,95    „       „5,53    „       „ und 1,3 Centim. Durchm. c) Fechser von rosa Gutedel: zwei Rebhölzer eines vondas andere von 4,43 Meter Länge4,32    „       „ und 1,6 Centim. Durchm. In heurigem Frühjahr (1848) gaben wir drei junge eingewurzelte Stöcke, d, e, f, ebenso behandelt: d) Fechser von weißer Muskateller: ein Rebholz von                                       6,60 Meter Länge und 1,1 Centim. Durchm. e) Fechser von grauer Tokayer: ein Rebholz von 6,70    „       „      und 1,1       „          „ f) Fechser von grauer Muskateller: zwei Rebhölzer eines vondas andere von 4,43 Meter Länge4,42    „       „ und 1,2 Centim. Durchm. Durch gleichzeitiges Bedecken der Wurzeln der drei Weinstöcke a, b, c mit einer gewissen Menge kieselsauren Kali's (Fuchs'schen Wasserglases) erhielt ich folgende Resultate: Der Stock a (Isabelle) trieb 48 Schößlinge aus den Blattwinkeln, wovon jeder 3–4 Trauben trug. Der Stock b entwickelte 23 Schößlinge von 1 1/2 Centimeter Durchmesser an der Basis. An jedem solchen Sprößling befanden sich durchschnittlich drei Trauben. Der Stock c hatte 80 Schößlinge, deren jeder im Mittel drei Trauben trug. Der mittlere Durchmesser dieser Schößlinge ist 1 1/10 Centimeter; einer derselben, welcher das Holz des vorigen Jahres endigte, erreichte 3 3/10 Meter Länge. Aus allen meinen Versuchen schloß ich, daß man sich wohl zu hüten habe, die Entwickelung des Holzes oder der Zelle mit jener des Keims zu verwechseln, weil in vielen Fällen das Vorherrschen der einen nur auf Kosten der andern stattfindet. Es wird hiemit übrigens nur eine bekannte Thatsache bestätigt, daß nämlich ein Baum mit sehr kräftigen Trieben nur selten Früchte trägt, und umgekehrt einer, bei welchem die Zellenentwickelung durch künstliche Mittel verzögert wurde, gewöhnlich damit beladen ist. Cultur. Ich bin nicht gemeint, die verschiedenen Methoden des Weinbaues behufs der Vergleichung mit der meinigen hier zu entwickeln. Ich habe nur dazuthun, daß jeder Stock aus dem Erdreich selbst, worin er steht (falls seinen Wurzeln nicht unmittelbar die Qualität und Quantität des ihm zuträglichen Düngers geliefert wird) die zur Entwickelung sowohl der Zelle als des Keims nöthigen Elemente ziehen muß; diese Elemente werden ihm dann durch im Schooße der Erde nach einander vorgehende Zersetzungen geliefert. Da nun die zur Fruchtbildung unentbehrlichen Kalisalze am häufigsten durch Zersetzung der Feldspathgebirge entstehen, letztere aber nur durch Beihülfe der Wärme und der Feuchtigkeit stattfinden können, so hängt bis jetzt der Erfolg einer Ernte, unter übrigens gleichen Umständen, großentheils von den atmosphärischen Einflüssen ab. Wenn demnach ein Weinstock, um Früchte zu tragen, 10 Theile Kali's bedarf, so wird man, wenn die Einwirkung der Wärme und des Regens auf das Gestein und das Erdreich, welche in Zersetzung begriffen sind, deren nur fünf liefern konnten, eine schlechte Ernte erhalten. Dieser Gefahr soll meine Methode vorbeugen, durch welche der Weinstock beständig eine zweckmäßige Nahrung erhält; indem durch sie dem Winzer, der sie anwendet, die Quantität des Products gesichert wird, kann sie jedoch keineswegs auch dessen Güte verbürgen, welche stets von der Temperatur abhängt. Man würde sich die Mühe ersparen, jeden Stock besonders in Behandlung zu nehmen, wenn man eine gehörig große Grube (Graben), herstellt, in welche man eine gewisse Anzahl Reben einlegte, denen man zuerst allen zu ihrer Entwickelung unentbehrlichen Dünger und dann, nach einem oder zwei Jahren, die zur Bildung der Trauben erforderliche Menge Kalisalze gibt. Nach den Versuchen, welche ich im Kleinen anstellte, die alle meiner Erwartung entsprachen und sich gegenseitig controlirten, bleibt mir über den Werth meines Verfahrens nicht mehr der geringste Zweifel. Ich habe nun bloß noch durch Versuche in größerem Maaßstab zu ermitteln, ob der von einer auf diese Weise erhaltenen Traube erzeugte Wein ebenso gut ist wie ein anderer und ob sich alle Fechserarten zu der neuen Culturmethode, die ich nun näher beschreiben will, eignen. In eine Grube werden die alten Wurzelstöcke von Weinstöcken eingelegt oder abgesenkt, oder, in Ermangelung solcher, junge Stöcke eingepflanzt, denen man vorher so viel Pflege gewidmet hat, daß sie mit Erfolg zum Ausfechsern gebraucht werden können. In beiden Fällen muß man den im folgenden Jahre abzusenkenden Weinstock im voraus so beschneiden, daß er nur zwei, höchstens drei Schößlinge treiben kann, um allen Saft in diesem Holze anzusammeln, so daß jene Schößlinge 2 bis 2 1/2 oder wo möglich 3 Meter lang werden. Diese Länge ist unerläßlich, damit sich an dem Wurzelstocke eine den Respirationsorganen des Stengels (der Rebe, den Zweigen, den Blättern und der Frucht) entsprechende Anzahl von Wurzeln entwickelt. Nach Hinwegnahme der Schößlinge bringt man auf die in die Grube gelegten Reben ungefähr 6 bis 7 Centimeter Erde, welcher man vorher per Quadratmeter Oberfläche der Grube beigemengt hat: 3 Kilogr. Knochenmehl, 1 1/2 Kilogr. Abschnitzel von Fellen oder Leder (Abfälle der Schuhmacher und Gerber), Horn, Klauen, Blut etc. 1/2 Kilogr. Gyps. Oder 60 Kilogr. des Gemenges auf die ganze Grube von 12 Meter Länge. Die angegebenen Mengenverhältnisse können ohne Anstand vergrößert werden, weil dieser Dünger langsam wirkt. Wenn das die Rebe bildende Holz hinlänglich entwickelt ist, gibt man den Wurzeln die Kalisalze, welche den Trieb der Trauben befördern müssen. Zu diesem Behuf breitet man, 7 bis 8 Centimeter von den in die Erde eingegrabenen Wurzelstöcken entfernt, in der Grube per Quadratmeter Oberfläche, 2 Kilogramme eines Gemenges aus von 4 Kilogr. kieselsaurem Kali (Wasserglas) und 1 phosphorsaurem Kali-Kalk. Man füllt dann die Grube auf und die Wurzeln sind für lange Zeit mit der ihnen nöthigen Menge Kali versehen; um ihrer Erschöpfung zu begegnen, thut man gut, jedes Jahr an den Fuß der Weinstöcke eine gewisse Menge Weintrestern zu legen. Diese Weintrestern, welche beim Einäschern 2 1/2 Proc. kohlensaures Kali liefern, ersetzen der Grube jährlich einen guten Theil des ihr entzogenen Kali's wieder. Hiezu kann man auch die Rückstände der ausgelaugten Holzasche, welche ebenfalls Kali enthalten, und gewisse an Kalisalzen reiche Pflanzen verwenden. Nach dieser Beschreibung des Culturverfahrens habe ich noch mitzutheilen, wie man sich die erwähnten Dünger verschaffen kann. Nach der Rolle, welche hiebei die Flechsen, das Horn, die Klauen, das getrocknete Blut etc. spielen, sieht man, wie wichtig es ist, solche sorgfältig zu sammeln; da aber diese jetzt sehr wohlfeilen Stoffe einmal zu theuer werden könnten, muß man auf Mittel denken, stets große Quantitäten phosphorsaurer Salze zur Verfügung zu haben. Diesen Zweck erreicht man durch Sammeln des Harns und Ableiten desselben in eine mit hydraulischem Mörtel erbaute und innen mit Gyps (schwefelsaurem Kalk) überzogene Grube. Dieser Gyps wird durch die im Harn aufgelösten Salze zersetzt und erzeugt einen reichlichen Niederschlag von phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk; das Ammoniak verwandelt sich in schwefelsaures Salz, welches durch Abgießen gesondert, mit Vortheil als flüssiger Dünger für gewisse Erdreiche zu verwenden ist. Der abgetropfte Niederschlag wäre zum Anlegen der Gruben zu benutzen, welche zur Entwickelung des Rebholzes bestimmt sind. Hinsichtlich der Kalisalze muß man auf die im Handel vorkommenden, welche sehr auflöslich sind, verzichten. Ihre Einwirkung auf den Weinstock ist so stark, daß man sie nur von Erde oder Knochenkohle absorbirt, welche sie allmählich an die Wurzeln abtreten, anwenden könnte. Es dürfen also nur Salze in Anwendung kommen, die das Kali nach und nach an den Weinstock abgeben. Am besten eignet sich hiezu das Wasserglas (kieselsaure Kali), welches man durch Zusammenschmelzen von 15 Theilen Quarz (Sand) mit 10 Theilen Potasche und 2 Thln. Kohle erhält. Für unseren Zweck ist es besser, mehr Potasche anzuwenden, um ein leichter zersetzbares Product zu erhalten; wohlfeiler ist es, gleich rohe Potasche anzuwenden (nämlich die Rückstände vom Abdampfen der Aschenlauge, welche in Oefen calcinirt werden, um die käufliche Potasche zu bereiten). Ich schlage hiezu vor: 15 Theile Sand und 35 Theile rohe Potasche. Diese geschmolzene Masse zersetzt sich mit aller Leichtigkeit. Auch kann man, wenn in der Nähe Feldspath vorkommt, dieses Gestein mit 15 bis 20 Proc. Potasche fritten und das Product anstatt Wasserglas anwenden. Die phosphorsauren Salze, oder vielmehr das pyrophosphorsaure Kali-Kalksalz, kann man sich mit geringen Kosten verschaffen. Zu diesem Behufe werden 12 Kilogr. gepulverte, weißgebrannte Knochen mit so viel Wasser angerührt, daß sie einen sehr dünnen Brei geben und dann mit 9 Kilogr. Schwefelsäure behandelt, die man allmählich und unter Umrühren den gebrannten Knochen zugießt. Es entsteht schwefelsaurer KalkDa dieses Salz mit gutem Erfolg in der ersten Epoche der Cultur des Weinstocks verwendet werden kann, so braucht man es nicht auszuwaschen und erleidet daher keinen Verlust an Phosphorsäure. und doppelt-phosphorsaurer Kalk; nachdem man hierauf Wasser zugesetzt und umgerührt hat, läßt man das Ganze 2–3 Tage stehen, behandelt es hierauf mit heißem Wasser und filtrirt durch ein Tuch, auf welchem der schwefelsaure Kalk zurückbleibt; die Flüssigkeit, welche Phosphorsäure und phosphorsauren Kalk enthält, versetzt man mit Potasche, bis sie schwach alkalisch reagirt. Nun braucht das Ganze nur noch in einem gußeisernen Kessel abgedampft und der trockene Rückstand bei Dunkelrothglühhitze gefrittet zu werden. Das gepulverte Product wird mit dem kieselsauren Kali vermengt, zur Entwickelung der Traube benutzt. Den Grundsätzen gemäß, auf welchen die von mir vorgeschlagene Methode beruht, muß man also: 1) sich anfangs ausschließlich mit der Entwickelung des Rebholzes beschäftigen, durch sorgsamste Pflege der jungen Sprößlinge und mittelst Düngers, der aus phosphorsaurem Kalk und thierischen Stoffen, oder, was dasselbe ist, aus Knochen, Hörnern etc. oder selbst Guano besteht; 2) dahin trachten, daß jeder Wurzelstock eine hinreichende Anzahl Wurzeln treibt, damit, wenn das Rebengeländer einmal errichtet ist, ein gehöriges Verhältniß bestehe zwischen der Kraft der Saugorgane (Wurzeln) und der Athmungsorgane (Blätter und Zweige), welche die Säfte auszuarbeiten haben; 3) wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, der Pflanze das ihr zuträgliche Kalisalz geben, um den Trieb des Holzes zurückzuhalten und dafür denjenigen der Traube hervorzurufen; 4) den Verlust an Kali, welchen die Grube erleidet, dadurch ersetzen, daß man ihr jährlich davon so viel als möglich durch Anwendung von Weintrestern, Aschenrückständen und kalihaltigen Pflanzen wiedererstattet; 5) den Weinstock beschneiden, indem man das Rebholz in der bestimmten Höhe erhält; 6) ausputzen (die überflüssigen Augen) mit strenger Beobachtung der von mir angegebenen Regeln. Ich kann mich nun kurz fassen, um die Vortheile dieser Culturmethode vor der gewöhnlichen einleuchtend zu machen. Bei meiner Methode reduciren sich alle Operationen, nachdem das Geländer einmal errichtet ist, auf das Beschneiden, das Ausputzen und das Wiederaufrichten, welche gleichzeitig geschehen können. Es wird demnach dreimal das bisherige Hacken erspart: das erstemal im Monat März, das zweitemal im Monat Mai, das drittemal im Laufe des Augusts. Da man überdieß der Anschaffung von Weinpfählen enthoben ist, so fällt auch ihr Ausziehen im Herbst und ihr Einstecken nach dem ersten Hacken weg. Ferner kann man, da die Geländer 1 2/10 Meter von einander entfernt sind, bei fruchtbarem Erdreich, ohne dem Weinstock zu schaden, in dem Raum zwischen ihnen Nähr- oder Futtergewächse bauen, z.B. Herbstgerste, welche nicht nur das Beschneiden des Geländers nicht hindern, sondern auch zu der Zeit geerntet würde, wo die Traube ins Blühen kömmt und das Ausputzen des jungen Rebholzes ohne Schwierigkeit zuließe; Türkischkorn etc., namentlich die Zwergsorte, indem diese Pflanze in gehörigen Zwischenräumen keinen Schatten werfen und das Aufrichten und Anbinden des Rebholzes stets gestatten würde; Kartoffeln und Gelbrüben, die den Durchgang niemals hindern würden. Endlich könnten Rasengänge oder künstliche Wiesen gesäet werden, welche im Monat Junius, also vor dem Ausputzen, mit der Sichel geschnitten würden. Hat man nur ein steiniges Erdreich, sogar Felsen, so kann man dennoch in den angelegten Gruben die wenige Erde, welche sich in der Nähe vorfindet, anhäufen und durch künstlichen Dünger das Rebholz darin zum Treiben bringen, das man alsdann auf der Oberfläche der Felsen sich entwickeln läßt. In diesem Fall werden statt der hölzernen Pfähle hohle eiserne Stäbe angewandt, die man gleich in den Fels oder in einen vorher in den Boden gesteckten Stein einläßt. Es können auf diese Weise ganz unfruchtbare Erdreiche zum Weinbau verwendet werden. Noch einen Vorzug gewährt mein Verfahren, den ich nicht mit Stillschweigen übergehen kann. Oft ist an einer schlechten Ernte zu große Feuchtigkeit oder zu große Trockenheit Schuld. Im ersteren Falle könnte der Winzer durch Dämme, die er vor den Gruben anbringt, das Regenwasser leicht ableiten, damit es in die Fußwege ablaufe; im zweiten Fall könnte er durch die entgegengesetzte Vorkehrung dasselbe aufsammeln, um es in die Gruben zu leiten und in denselben den zum Wachsthum erforderlichen Grad von Feuchtigkeit zu erhalten. Um einer andern Gefahr zu begegnen, welche den Weinstock jährlich bedroht, derjenigen des Frostes, wäre es zweckmäßig, das abfallende Laub am Fuße jedes einzelnen Weinstocks anzuhäufen.