Titel: | Ueber die Structur und chemische Zusammensetzung des Zuckerrohrs, ferner über die Zuckergewinnung daraus; von Payen. |
Fundstelle: | Band 113, Jahrgang 1849, Nr. XIV., S. 45 |
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XIV.
Ueber die Structur und chemische Zusammensetzung
des Zuckerrohrs, ferner über die Zuckergewinnung daraus; von Payen.
Aus den Comptes rendus, Mai 1849, Nr.
21.
Payen, über die Structur und chemische Zusammensetzung des
Zuckerrohrs.
Bei meinen Untersuchungen über das Zuckerrohr beabsichtigte ich hauptsächlich zu
bestimmen:
1) die Formen und die Zusammensetzung der Gewebe dieser Pflanze;
2) den Sitz der Zucker-Absonderung;
3) die durch das Alter in den Formen und der Beschaffenheit der verschiedenen Theile
des Gewebes stattfindenden Veränderungen;
4) die Veränderungen, welche gleichzeitig die nähern Bestandtheile erfahren.
In letzterer Hinsicht berücksichtigte ich hauptsächlich die Stengeltheile, welche bei
der Zuckerfabrication ausgebeutet werden.
Die Lösung dieser Fragen zu welcher ich gelangt bin, dürfte, abgesehen von den
wichtigen Arbeiten welche wir über das Zuckerrohr von Proust,
Derosne, Plagne, Avequin, Peligot, Dupny, Hervy
und Casaçoeca besitzen, Interesse gewähren.
Wenn man eine perpendiculär zur Achse des reifen Stengels geschnittene Scheibe,
nachdem sie gelblich geworden ist und die Blätter abgefallen sind, von der
Oberfläche nach dem Mittelpunkt hin untersucht, so bemerkt man:
1) eine der Epidermis (dem Oberhäutchen) anhangende oberflächliche Schicht, welche
aus einer Art Wachs (dem Cerosin) besteht; sie wurde von Plagne und Avequin zuerst beobachtet, dann von Dumas analysirt;Nach Avequin enthält jeder vollkommen entwickelte
Zuckerrohrstengel im Mittel 2 Gramme Cerosin (polytechn. Journal Bd. LXXIX S. 441).
2) das Oberhäutchen mit eckigen Vorsprüngen, welche den Fugen zwischen den Zellen entsprechen;
3) die dicken Wände der epidermischen Zellen; zwischen den äußern Wanden dieser
Zellen befinden sich Gränzlinien und ihre Höhlungen communiciren frei oder durch
eine dünne Membran vermittelst zahlreicher in den Wänden befindlicher Canälchen;
4) das Zellgewebe mit dünnern Wänden, unter der Epidermis;
5) ein Zellgewebe mit dicken Wänden, durch welche Canälchen gehen;
6) zwei concentrische kreisförmige Reihen von Holzfaserbündeln; jede umgibt einen von
den verschiedenen unten beschriebenen Gefäßen erfüllten Raum.
Diese Bündel stoßen in der ersten Reihe beinahe an einander, befinden sich aber in
der zweiten weniger nahe.
Aehnliche Gefäße findet man, jedoch an Holzfasern allmählich abnehmend und in stets
größeren Abständen, bis zur Achse des Stengels.
Keines dieser Gewebe enthält Zucker, während sie andere, unten angegebene Substanzen
in mehr oder weniger großer Menge enthalten.
Ich ermittelte den Sitz des krystallisirbaren Zuckers, indem ich dünne Schnitte der
verschiedenen Gewebe des trockenen Rohres unter dem Mikroskop beobachtete. Ich
gebrauchte die Vorsicht, die losen Theilchen vorher durch Umherbewegen der Scheiben
in wasserfreiem Alkohol zu entfernen; da dieser nämlich den krystallisirten Zucker
nicht auflöst, kann er zwischen den Objectträger und die die Schnitte bedeckende
Lamelle gebracht, die Beobachtung erleichtern. Auf diese Weise lassen sich mehr oder
weniger große, dem Kandiszucker ähnliche Krystalle in allen dünnwandigen,
cylinderähnlichen Zellen wahrnehmen, welche die zahlreichen Holzfaserbündel und
Gefäße von der Achse an bis zur zweiten Reihe der holzigsten Fasern umgeben.Die zu diesem Versuche angewandten Proben verschaffte sich im J. 1843 Hr. Derosne in den Colonien, indem er das vorher in 1
Centimeter dicke Scheiben zerschnittene Zuckerrohr an der Sonne rasch
trocknen ließ.
Man bemerkt, daß alle diese Zellen in den sich berührenden Flächen mit einander durch
eine große Anzahl kleiner in ihren Seitenwänden befindlicher Oeffnungen in
Verbindung stehen; die Grund- oder Endflächen, die beiden Grundflächen des
hohlen Cylinders, welchen jede Zelle bildet, sind nicht mit solchen Oeffnungen
versehen.
Alle angeführten Gewebe des reifen Rohrs werden, wenn man sie mit reinem Wasser
auswascht und dann mit Jod zusammenbringt, gelb gefärbt; Schwefelsäure, obwohl sie
den Zusammenhang der Zellensubstanz aufhebt, beseitigt diese Färbung nicht, sondern
macht sie noch intensiver.
Wenn man aber einen Theil der in den kleinen dünnwandigen Gefäßchen enthaltenen
stickstoffhaltigen Substanz, sowie einen Theil der in den zuckerführenden Zellen
enthaltenen stickstoffhaltigen und holzigen Substanzen mit Aetznatronlösung von 1/10
Gehalt auszieht, so beobachtet man bei jener Doppelreaction (des Jods und der Säure)
mehrere auffallende Erscheinungen; die kleinen punktirten Gefäße nehmen, indem sie
anfangen ihren Zusammenhang zu verlieren, eine schwach indigblaue Färbung an.
Der innere Theil der Zuckerzellen, schnell aufschwellend, geht in den Zustand der aus
ihrem Zusammenhang getretenen Theilchen der Zellensubstanz über, sowie sie sich im
Stärkmehlhydrat finden. Natürlich müssen sich diese Theile nunmehr dunkelblau
färben. Die dieser innern Schicht anhangenden stickstoffhaltigen Körperchen trennen
sich davon und offenbaren ihre Gegenwart durch die specielle orangegelbe Färbung des
leichten körnigen Gebildes, welches sie parallel mit den Umrissen der innern
aufgeschwollenen Wände bilden.
Die fester zusammenhängenden und vollern äußern Membranen widerstehen hingegen der
speciellen Aufhebung ihres Zusammenhangs; sie schwellen jedoch auf, bilden krumme
Falten und trennen sich an verschiedenen Punkten von den ihnen anhangenden Zellen,
behalten aber die durch die doppelte chemische Reaction erzeugte orangegelbe Färbung
bei.
Wenn man auf eine dünne Schnitte, nachdem man sie mit reinem Wasser ausgewaschen hat,
eine Aetzkali- oder Natronlösung einwirken läßt, so sieht man, daß alle mit
Holzsubstanz erfüllten Theile des Gewebes sich gelb färben, während die kleinen
punktirten Gefäße und das Oberhäutchen durchscheinender und farblos werden. Dieses
verschiedene Verhalten gegen das Reagens liefert noch ein Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen kleinen
Gefäßen und dem übrigen Gewebe des Rohrs; es scheint die Abwesenheit von
Holzsubstanz in denjenigen Theilen anzuzeigen, welche unter dem Einfluß des
kaustischen Alkalis keine bleibende gelbe Färbung annehmen.
Diese gelbe Färbung verschwindet jedoch überall, wenn man nach der Einwirkung des
Alkalis ein Auswaschen mit reinem Wasser, und dann Berührung mit überschüssiger
Essigsäure folgen läßt. Diese Säure erleichtert durch die eintretende Klarheit die
mikroskopischen Beobachtungen bedeutend. Behandelt man solche dünne Schnitte mit
ätzendem Natron oder Kali und erhöht deren Wirkung durch Abdampfen bis zur Trockne,
so bemerkt man nach vollständigem Auswaschen, daß die Scheiben ihren Zusammenhang
ganz verloren haben; deßgleichen die kleinen punktirten Gefäße, welche man dann
nicht mehr auf der Stelle findet die sie einnahmen. Alle anderen Theile des Gewebes
nehmen, indem sie in Gegenwart von Jod und concentrirter Schwefelsäure ihren
Zusammenhang verlieren, die den reinen Zellenstoff charakterisirende indigblaue
Färbung an.
Beim minder entwickelten Zuckerrohr erfolgt die theilweise oder gänzliche Befreiung
des Zellenstoffs von allen Geweben viel schneller und es bedarf dazu keiner so
kräftigen Agentien. Wenn man nämlich sehr dünne Schnitte des Stengels (zwischen den
Knoten des mittleren Theils) eines noch grünen ZuckerrohrsIch habe durch die Gefälligkeit der Professoren und Vorstände des
naturgeschichtlichen Museums Zuckerrohrproben aus den verschiedenen Epochen
seiner Entwickelung erhalten., welches erst ein Drittheil seiner Entwickelung erreicht hat, unter dem
Mikroskop 1) mit reinem Wasser, 2) mit wässeriger, mit Alkohol versetzter Jodlösung,
3) mit concentrirter Schwefelsäure behandelt, so bemerkt man, daß die Epidermis und
das unter ihr befindliche Zellgewebe widerstehen und sich intensiv orangegelb
färben; die Holzfaser, welche ihren Zusammenhang verliert, und die breiten
punktirten Gefäße (deren zwei in jedem Gefäßbündel sind) nehmen eine orangegelbe
Färbung an und behalten sie; die kleinen punktirten Gefäße erscheinen grünlichblau
gefärbt und verlieren schnell ihren Zusammenhang; die Zuckerzellen endlich gehen vom
Gelblichen ins Grüne, dann ins Indig-Violette über, wobei sie aufschwellen,
sich verrücken und allmählich ihren Zusammenhang verlieren.
Mit denselben Reagentien behandelte ich den untern, weißlichen (ganz von
scheibenförmigen Blättern umhüllten) Theil eines Rohrstengels im frühesten Alter; dieser
Antheil hatte 3 Centimeter Höhe vom Knopfe an (diesen inbegriffen) bis zum nächsten
Knopfe, und eine Schnitte zeigte unter dem Mikroskop die noch wenig dicken
Holzfasern.
Eine wässerige Jodlösung färbte die Gewebe gelb, mit Ausnahme der kleinen punktirten
Gefäße; durch Zusatz eines Tropfens Schwefelsäure entstand auf allen diesen Geweben
eines der schönsten mikroskopischen Bilder; die äußern Haare, auf ihrem äußern
Oberhäutchen und ihrer innern körnigen Membran gelb gefärbt, wurden in der ganzen
Dicke ihrer angeschwollenen Wände violett; das Häutchen und die Epidermis des
Stengels hatten eine dunkel orangegelbe Färbung angenommen; das darunter liegende
Zellgewebe war in der Dicke aller Zellen gebläut; dieselbe Farbe hatten die kleinen
punktirten Gefäße, welche auf diese Weise einen cylindrischen blauen Büschel
bildeten, der ganz von orangegelben Geweben umringt war, nämlich 1) den breiten,
punktirten Gefäßen und den 14 bis 18 jedem derselben anhangenden Röhren; 2) den
Röhren von aufeinander liegenden Scheibchen; 3) den schwachholzigen Fasern. In der
Mitte der gelbgefärbten Wände dieser letztern sah man die innere Schicht
neugebildeter Zellensubstanz, sich als einen unregelmäßigen, angeschwollenen,
gebläuten Ring ablösend.
Im jüngern Gewebe oberhalb dieses Knotens zeigten die Zellen alle eine Art
abgerundeten oder elliptischen Kern von feinem, stickstoffhaltigem Gewebe;
zahlreiche Körnchen stickstoffhaltiger Substanz hingen allen innern Wänden an. Man
sah viele Stärkmehlkörner, welche bis 5/1000 Millimeter maßen; Jod und Schwefelsäure
nach einander zugesetzt, färbten die Epidermis, die Scheibchen und alle
stickstoffhaltigen Körper bleibend dunkelgelb; alle Röhren, Gefäße und Zellen
schwollen an, färbten sich dunkel violett und trennten sich von einander; bald wurde
die Auflösung eine vollständigere, die gebläuten Wände verschwanden und ließen die
isolirte braungelbe Epidermis und die orangegelben stickstoffhaltigen Körperchen
sehen, welche dem Innern der zerstörten zelligen Membranen anhingen.
Dieselben aufeinanderfolgenden Behandlungen, bei dünnen Schnitten eines
Seitenschößlings angewandt, dessen Blätter erst 30 Centimeter lang waren, zeigen die
Epidermis der Blätter und des Stiels lebhaft orangegelb gefärbt, während alle andern
Bestandtheile der Gewebe mit Verlust ihres Zusammenhangs sich rasch violett
färben.
Endlich sind in allen Stengeln und Blättern der neuen Triebe Stärkekörnchen in großer
Menge zu sehen.
Namentlich enthalten solche die Stengel in ihren Geweben unter der Epidermis und in
den Zuckerzellgeweben rings um die Gefäßbündel herum.
Auch die Blätter zeigen reichliche Stärkeabsonderung um die Nervengefäße herum, in
den diese Nervchen umhüllenden Zellgeweben, welche sich von einer Seite des Blatts
bis zur andern erstrecken.
Diese Verschiedenheiten in der Beschaffenheit und Vertheilung der näheren
Bestandtheile, die viel geringere Dicke der Zellenwände, Fasern etc. und der viel
kärglichere Inhalt der Holzfasern in den jüngeren Geweben, schienen anzudeuten, daß
man bei Vergleichung der Zusammensetzung der unvollkommen entwickelten Stengel mit
jener der sich der Reife nähernden Stengel, ähnliche Verschiedenheiten finden
würde.
Die Resultate der vergleichenden Analysen ergaben solche wirklich; sie erklären die
in den Zuckersiedereien wohlbekannten Schwierigkeiten bei der Behandlung des vor der
Reife geernteten Zuckerrohrs.
Sie zeigen ferner, daß man immer gut thut die Schößlinge abzusondern, welche den
nutzbaren Stengeln anhangend bleiben, vielleicht sogar die jüngsten Enden dieser
Stengel.
Uebrigens ersieht man aus den vergleichenden Analysen, daß die Zusammensetzung des
Zuckerrohrs complicirter ist als man bisher glaubte.
Nähere Bestandtheile des
Zuckerrohrs.
Textabbildung Bd. 113, S. 50
Otaheiti'sches Rohr im Zustand der
Reife; Zu einem Drittheil entwickeltes Rohr; Wasser; Zucker 1); Zucker;
Zellensubstanz und Holzstoff 2); Eiweißstoff und drei andere stickstoffhaltige
Substanzen 3); Zellensubstanz und sie bekrustende Holzfaser; Cerosin, grüne
Materie, gelber Farbstoff. sich braun und karminroth färbende Substanzen,
Fettsubstanzen, ätherisches Oel, aromatische Substanz, zerfließliche Substanz
4); Unauflösliche Salze 0,12; auflösliche 0,16; phosphorsaurer Kalk und
phosphorsaure Talkerde 5); Eiweißstoff und drei andere stickstoffhaltige
Substanzen 6); Stärkmehl, Cerosin, grüne Materie, gelber Farbstoff, sich braun
und karminroth färbende Substanzen; Thonerde; schwefelsaurer und oxalsaurer
Kalk; essigsaure und äpfelsaure Salze von Kalk, Kali und Natron; schwefelsaures
Kali; Chlorkalium und Chlornatrium; fette und aromatische Substanzen,
hygroskopische Substanz, ätherisches Oel, auflösliche und unauflösliche Salze,
Kieselerde, Thonerde; Kieselerde
1) Wenn man annimmt, daß der Traubenzucker und flüssige Zucker
nicht präexistiren, so erklärt sich ihr gewöhnliches Vorkommen in sehr kleiner
Menge, als eine Folge der eintretenden Veränderungen an allen denjenigen Stellen, wo
die Gewebe zur Zeit der Zuckerrohrernte zerrissen oder zerschnitten wurden.
2) Das Mengenverhältniß der Gewebe ist verschieden, je nachdem die
(dichtere und festere Gewebe enthaltenden) Knoten
einander mehr oder weniger nahe stehen.
3) Diese Menge stimmt mit der Elementar-Analyse überein,
welche für 2297 Milligr. trockener Substanz, 7 Kubikcentimeter Stickstoff = 0,02145
Milligr. stickstoffhaltiger Substanz im trockenen Rohr, oder 0,0055 im
normalbeschaffenen Rohr ergab.
4) Diese Substanz hat nach Plagne und
Hervy die Eigenschaft, den Zucker im Saft in eine
klebrige und geschmacklose Materie zu verwandeln und sich der geistigen Gährung zu
widersetzen; ein Filtriren über Knochenkohle (ohne Wärme) scheidet diese
zerfließliche organische Substanz ab.
5) Der Rohrsaft enthält doppelt-phosphorsauren Kalk und
phosphorsaure Talkerde; denn durch Zusatz eines kleinen Ueberschusses von Ammoniak
entsteht ein krystallinischer Niederschlag von phosphorsaurer
Ammoniak-Talkerde und noch ein stockiger Niederschlag, welcher mit
Schwefelsäure behandelt, schwefelsauren und doppeltphosphorsauren Kalk gibt. Unter
dem doppelten Einfluß der Luft und des Ammoniaks färbt sich der Saft allmählich
braun.
6) Das Gesammtgewicht dieser vier stickstoffhaltigen Substanzen
ist aus der Stickstoffbestimmung mittelst der Elementar-Analyse
abgeleitet.
Hienach enthält das grüne Rohr um die Hälfte weniger Zucker, ungefähr um 30 Proc.
weniger Gewebe und dreimal so viel organische Materie und Salze als das zur Reife
gediehene Rohr.Noch weit mehr wich die chemische Zusammensetzung des oben beschriebenen
Stengels vom zartesten Alter ab: vom ersten (mit inbegriffenen) Knoten bis
zum zweiten betrug das Gewicht 4,825 Gramme, welche sich durch das Trocknen
auf 0,435 Gr. reducirten; die fünf Knoten und Gewebe, welche 2 Centimeter
hoch waren und den ganzen obern Theil dieses Stengels bildeten, wogen
zusammen 3,760 Gramme; durch das Trocknen reducirten sie sich auf 0,312 Gr.;
folglich enthielt der erste Theil dieses Stengels 9 Proc. trockener
Substanz, der ganze übrige Stengel nur 0,0825, und das Ganze weniger als 1/2
Proc. Zucker (die gesummte trockene Substanz enthielt 3/100 wachsartiger und
Fettsubstanzen). Diese Abweichungen in Verbindung mit der bekannten Thatsache, daß mehrere
organische Substanzen und Salze die Krystallisation des Zuckers verhindern, erklären
uns, warum in Gegenden, wo wegen Mangels hinlänglich hoher Temperatur das Zuckerrohr
die gehörige Reife nicht erreichen kann, auch der Rohrzucker nicht mit Vortheil zu
gewinnen ist.
Die Knoten des Zuckerrohrs bestehen aus einem dichten
Gewebe, worin die Holzfasern mit dicken Wänden vorherrschen; wo alle Zellen, im
Verhältniß zu ihrer größern Dicke kleinere Höhlungen haben; übrigens die Zuckerzellen kleiner und
weniger sind. Es folgt daraus, daß in den Knoten des Rohrs der Zuckergehalt sich
fast auf die Hälfte oder von 18 auf 10 Procent reduciren muß, welches Resultat auch
Peligot bei seiner Analyse des reifen Rohrs erhielt, und von dessen Richtigkeit ich
mich überzeugte.Noch holziger werden die Knoten, wenn sich an der Seite, außen, ein Schößling
und Würzelchen entwickeln; wirklich findet man dann in den entsprechenden
innern Theilen des Knotens eine mit Holzsubstanz stark inkrustirte Masse
Gewebes.
Ueber eine andere Thatsache wird man sich kaum wundern, so sonderbar sie auch anfangs
erscheinen mag; daß nämlich die Knoten so viel Wasser enthalten, als die Gewebe des
ganzen Stengels zusammen. Dieß kömmt daher, daß das größere Mengenverhältniß von
Zellensubstanz und bekrustender Holzsubstanz in gewissen Theilen dieser Knoten,
wieder durch ein geringeres Verhältniß von Zucker in andern Theilen derselben
ausgeglichen wird. Die aus den Zuckerrohr-Knoten gewonnenen Lösungen müssen
nothwendig dem Zucker gegenüber mehr fremdartige Substanzen enthalten, als in dem
aus den Zwischenräumen der Knoten gezogenen Saft zu finden ist; weil die wenig oder
gar nicht zuckerhaltigen Flüssigkeiten, welche in den specieller Zuckerzellen
ermangelnden Geweben eingeschlossen sind, größtentheils dem Zucker fremdartige
Substanzen enthalten, deren Vorhandenseyn die Analyse nachweist.
Schließlich will ich noch Einiges über die so wünschenswerthen Verbesserungen in der
Zuckererzeugung auf den Kolonien bemerken.
Vor Allem kommt es darauf an, daß die Arbeit nicht zu viel kostet und dennoch der
freien Arbeit der bestmögliche Lohn gesichert wird. Dieser Zweck kann dadurch
erreicht werden, daß man alle heutzutage von den landwirthschaftlichen, mechanischen
und chemischen Fortschritten gebotenen Mittel benutzt.
Hinsichtlich des Anbaues sollte man den in jeder Wohnung
sich vorfindenden mineralischen Dünger, die Asche des ausgepreßten Rohrs, die Kruste
der Kessel, sorgfältig sammeln und auf die Felder verbreiten, denselben überdieß
Alkali- und Kalkverbindungen zusetzen, um deren Verminderung im Boden zu
ersetzen.
Man sollte ferner alle Fabrications-Rückstände, die Melasse, den Schaum, als
Viehfutter verwenden, um dem Boden mit den thierischen Excrementen auch den größten
Theil derjenigen Stoffe zurückzugeben, welche die Pflanzen aus ihm geschöpft
haben.
Die pulverigen Abfälle vom Wiederbeleben der Knochenkohle, dann Asche, Mergel und
getrocknete Erde, sollte man zur Absorption, Austrocknung und Aufbewahrung der thierischen
Excremente verwenden, um letztere in kleinerem Volum und Gewicht verbreiten zu
können.
Man sollte die organische Nahrung der Pflanzen durch stickstoffreichen Dünger, z.B.
getrocknetes Blut und Fleisch, Rückstände aus Fischereien, verdorbene Stockfische
etc. vermehren.
Endlich muß man sich hüten solche Dünger anzuwenden, welche das Mengenverhältniß der
verschiedenen Salze über das der Entwicklung des Zuckerrohrs förderliche erhöhen
könnten.
Die Wichtigkeit dieser Verbesserungen, welche die Fruchtbarkeit des Bodens
unterhalten oder erhöhen, ist einleuchtend, wenn man bedenkt, daß der Ertrag eines
fruchtbaren Bodens, welcher jährlich per Hektare 7000
Kilogr. Zucker beträgt, allmählich bis auf 2000 Kilogr. sinken kann, wo dann der
Arbeitslohn im Verhältniß zum Product zu hoch steigt.
Fabrication. Man kann die 50 bis 60 Proc. Saft, welche
man zu erhalten pflegt, auf 70 bis 80 Proc. bringen durch Anwendung einer zweiten
Presse, in welche man Strahlen siedenden Wassers eintreibt, was die von Derosne auf den Kolonien angestellten Versuche erwiesen
haben. Bedingungen eines guten Erfolgs sind jedenfalls die Vermeidung einer zu
langsamen Ausführung der Operationen, Beschleunigung selbst der Ausziehung des
Safts, und Erhöhung seiner Temperatur über den Punkt bei welchem Gährung eintreten
kann.
Die sehr wünschenswerthe Beschleunigung des Abdampfens wäre durch Anwendung der in
unseren Rübenzuckerfabriken gebräuchlichen Apparate (namentlich jener der HHrn. Derosne und Caïl, Pecqueur,
Gaspard, Tamisier, Claës etc.) zu
bewerkstelligen. Vielleicht dürfte es zweckmäßig seyn, um die Einführung solcher in
den Colonien zu befördern, mit den einfachsten, wenigst kostspieligen den Anfang
machen.
Leider ist man an manchen Orten hinsichtlich des Brennmaterials auf das ausgepreßte
Rohr (die Bagasse) beschränkt, weil man keine Steinkohlen einführen kann.
Auch das Reinigen des krystallisirten Zuckers von Syrup und das Austrocknen desselben
mittelst Centrifugalkraft, ließen sich auf den Colonien anwenden; jedenfalls sollte
die Benutzung der Knochenkohle und das Wiederbeleben derselben zum Entfärben des
Zuckers allgemein eingeführt werden. Auf diese Weise erhielte man eine größere
Ausbeute an krystallisirtem Zucker und überdieß ein reineres Product; es würden durch ein solches auch
die Verpackungs- und Versendungskosten vermindert und die Verluste vermieden,
welche durch die Gährung des unreinen und feuchten Zuckers während des Transports
entstehen.