Titel: | Rückwärts-Steuerungen für Locomotiven. |
Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. II., S. 7 |
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II.
Rückwärts-Steuerungen für
Locomotiven.
Aus dem Practical Mechanic's Journal, Juli 1849, S.
78.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Rückwärts-Steuerungen für Locomotiven.
In der letzten Zeit wurden zwei sinnreiche Steuerungsvorrichtungen für
Locomotiven-Cylinder vorgeschlagen. Die erste, in Fig. 11, 12 und 13 abgebildete, ist von
Hrn. R. Elsdon in Lemington bei Newcastle, und hat den
Zweck, die Zahl der bewegenden Maschinentheile zu verringern; bei derselben wird
nämlich für jeden Cylinder ein Excentricum mit seiner Stange und den Verbindungsstücken mit der
zweiten entbehrlich, oder überhaupt der sonst gebräuchliche Mechanismus zum
Rückwärtssteuern.
Fig. 11 ist
ein Längendurchschnitt durch den Dampf- oder Schieberkasten mit den
Dampfcanälen und dem Cylinder.
Fig. 12 ist
ein Grundriß dessen, was der Erfinder Mündungsstück (mouth
piece) nennt, welches an die Cylinderfläche angeschraubt ist, oder mit
andern Worten, der Grundriß der Cylinderfläche, auf welcher sich der Schieber zum
Rückwärtsfahren verschiebt, wobei die punktirten Linien die Dampfcanäle angeben,
welche zu den beiden Cylinderenden führen.
Fig. 13 ist
der Grundriß des neuen Schiebers zum Umwenden der Bewegung, welcher zwischen dem
Mündungsstücke und dem Cylinder liegt. Statt der zwei gewöhnlichen Mündungen, durch
welche der Dampf zum Boden und Deckel des Cylinders geleitet wird, schlägt der
Erfinder vier vor. In Fig. 12 leiten die
Oeffnungen A und B zum
oberen Cylinderende, und die mit C und D bezeichneten zum unteren. Aus dem Durchschnitte Fig. 11 ist
ersichtlich, wie dieß möglich gemacht ist. In der Lage, in welcher der Dampfschieber
gezeichnet ist, muß der Kolben in der Mitte des Cylinders stehen, und der Dampf
tritt in den oberen Cylinderraum, um den Kolben abwärts zu bewegen, da der
Dampfschieber E die Mündungen A und C nicht bedeckt. Weil aber der in Fig. 13
besonders gezeichnete Schieber F zwischen dem Cylinder
und dem Mündungsstück C, Fig. 12, liegt, so kann
der Dampf nur durch die Mündung A, und folglich nur über
den Kolben treten. Dieß beruht auf der Anordnung der Oeffnungen in dem
Umwendschieber F; denn unter den erwähnten Bedingungen
correspondirt seine Oeffnung D mit der gleichförmigen in
dem Mündungsstücke, und umgekehrt findet dasselbe Verhältniß zwischen den Oeffnungen
C, C und B, B statt.
Wie der Umwendschieber jetzt steht, trifft die Oeffnung A
in dem Mündungsstücke G genau auf die eben so
bezeichnete Oeffnung in dem Schieber F, und die
gegenüberliegende Mündung D auf die gleichnamige
Oeffnung in F, so daß durch diese beiden der Dampf zum
unteren Cylinderraume geführt werden kann. Die Mündungen B und C sind geschlossen, weil unter denselben
undurchbrochene Stücke des Schiebers F liegen. So lange
nun dieser unverrückt stehen bleibt, gelangt der Dampf in den Cylinder, und verläßt
denselben, gerade so, wie dieß bei der gewöhnlichen Steuerung der Fall ist, bei
welcher der Dampfschieber direct sich auf der Cylinderfläche hin und her bewegt. Der
Dampf geht durch die
unbedeckte Oeffnung A in den oberen Cylinderraum, und
tritt zu gleicher Zeit aus dem unteren Raume durch die Oeffnung D aus, die unter der Höhlung des Dampfschiebers liegt.
Soll die Bewegung umgekehrt werden, so schiebt man die Platte F mit ihrer Stange, welche durch eine Stopfbüchse an der Stirnfläche des
Dampfkastens geht, so weit einwärts, bis die Oeffnungen B und C in dem Mündungsstücke und der Platte
F zusammenfallen, wobei dann A und D durch den massiven Theil der Platte
bedeckt sind. Auf diese Weise ist die Bewegung der Maschine plötzlich umgewendet,
ohne daß dabei ein Rückwärtsexcentricum, Umwendcylinder oder sonst ein Mechanismus
nöthig wäre. Das Mündungsstück ist auf den Cylinder aufgeschraubt, so daß es leicht
abgenommen, untersucht, und wieder an Ort und Stelle gebracht werden kann.
Zwei Einwürfe lassen sich jedoch gegen die neue Einrichtung machen: der erste ist
der, daß beim Umwenden der Dampfschieber nicht voreilen kann. Es ist in der That
leicht einzusehen, daß der Dampfschieber beim Rückwärtsfahren eben so viel hinter
dem Kolben zurückbleibt, als er beim Vorwärtsfahren voreilt, wenn die Maschine
überhaupt mit voreilendem Schieber geht. Der zweite Einwurf ist der: daß wenn ein
oder der andere Krummzapfen zufällig beim Umwenden der Bewegung auf seinem todten
Punkte steht, für die ersten Augenblicke der Maschinenbewegung der Dampfdruck auf
die beiden Kolben entgegengesetzt wirkt, so daß sie sich das Gleichgewicht halten.
Dieß wird bei aufmerksamer Betrachtung der Zeichnung einleuchten, und der
Maschinenführer wird in diesem Falle darauf zu achten haben, daß er den
Rückwärtsschieber langsam bewegt.
Die zweite Steuerungsvorrichtung ist eine Idee des Hrn. George Ogle in der Fabrik der HHrn. Hawthorn in
Newcastle.
Fig. 14 ist
ein Längendurchschnitt eines Locomotiven-Cylinders mit den Dampfschiebern und
dem Umwendeapparat. Jeder Cylinder hat zwei Dampfbüchsen und Dampfschieber, welche
letztere durch zwei besondere Excentriken bewegt werden, von denen das eine wie
gewöhnlich zum Vorwärtsfahren, das andere zum Rückwärtsfahren dient. Die
Dampfschieber gleiten indeß nicht direct auf der Cylinderfläche, sondern auf einer
beweglichen Messingplatte, welche dampfdicht auf dieselbe aufgeschliffen ist.
Die Maschine geht, wie sie gezeichnet ist, vorwärts, da der äußere Schieber, durch
sein auswärts liegendes Excentricum bewegt, in Thätigkeit ist. Der Dampf tritt auf
die gewöhnliche Weise in den Cylinder und aus demselben, da die Oeffnungen in der verschiebbaren
Platte mit den Dampfcanälen zusammentreffen. Die Maschine geht so mit vollem Dampf
und voreilendem Schieber, wie es das Excentricum erfordert.
Soll rückwärts gefahren werden, so hat man nichts zu thun, als die vor den
Cylinderböden liegende Querachse durch den Umwendehebel am Platze des Maschinisten
zu drehen, wodurch die beiden verschiebbaren Platten in den beiden Dampfkästen auf
einmal verstellt werden, und zwar so, daß die eine in dem innerhalb liegenden
Dampfkasten die Canäle nicht mehr bedeckt, während die äußere die vorher offenen
Canäle zudeckt. Durch diese Bewegung wird die Maschine auf einmal, und zwar
vollkommen richtig, zum Rückwärtsgehen veranlaßt; und es wird dieselbe, da jeder
Schieber mit seinem Excentricum gehörig gestellt ist, rückwärts die nämliche Wirkung
äußern wie vorwärts. Da beide Vertheilungsschieber, so lange die Maschine im Gange
ist, in Bewegung sind, so kommt es darauf an, die Reibung, und folglich den aus den
doppelten Schiebern hervorgehenden Kraftverlust so viel als möglich zu verringern.
Um nun von jedem Vertheilungsschieber, so lange er nicht steuert, also leer mitgeht,
den Dampfdruck wegzunehmen, befindet sich ein kleiner Canal in dem Metall der
Umwendschieberplatte, so daß dadurch eine Verbindung des Dampfkastens mit der
Höhlung des Schiebers hergestellt ist. Ist einer der beiden Vertheilungsschieber
außer Function, wie der auf der Zeichnung einwärtsliegende dargestellt ist, so ist
der Dampfdruck auf die äußere Schieberfläche durch den Druck in der Schieberhöhlung
aufgehoben. Bei dem auswärts liegenden arbeitenden Schieber ist der kleine
Dampfcanal geschlossen, da seine Mündung auf dem massiven Theile der Cylinderfläche
aufliegt, und der Dampf kann nicht in den Schieber gelangen. Durch dieses einfache
Mittel ist von jedem der Schieber, wenn er nicht arbeitet, wobei er aber von seinem
Excentricum doch bewegt wird, der Dampfdruck fast gänzlich weggenommen, und er
bewegt sich deßhalb nicht viel schwerer, als wenn nur sein eigenes Gewicht auf ihn
wirkte.
Hrn. Ogle's Anordnung ist sicherlich höchst wirksam, und
läßt in Bezug auf richtige Steuerung keinen Einwurf zu. Die vermehrten Kosten für
die doppelten Schieber und Dampfkästen etc., die Abnützung, Reibung und die bei der
größeren Menge von Theilen leichter vorkommende Unordnung sprechen nicht zu ihren
Gunsten. Beide Dampfschieber bewegen sich beständig, und obgleich derjenige, welcher
leer geht, nur einen geringen Dampfdruck erleidet, so kann letzterer auf die
angegebene Weise doch Nicht gänzlich beseitigt werden.
Die Vortheile sind: das Erreichen einer großen Genauigkeit bei der Bewegung der
Maschine vor- oder rückwärts, und die directe Verbindung der
Excentricumsstange mit der Schieberstange, wobei nur ein Gelenke nöthig ist statt
dreien, wie dieß bei der Gelenk-Expansions-Vorrichtung der Fall ist.
Die richtige Lage und Bewegung der Schieber ist bei der neuen Anordnung keinenfalls
so schnell beeinträchtigt, wie bei der erwähnten früheren. In Beziehung auf
Gestehungskosten spricht nichts zu Gunsten der neuen Anordnung; denn wie sonst sind
vier Excentrica nothwendig, und für die wegfallenden Gelenke etc. sind die Schieber
mit Dampfkästen etc. doppelt. Die Manipulation des Umwendens ist einfach und leicht
zu vollführen, da nichts weiter nöthig ist, als die Umwendplatten an ihren Stangen
herauszuziehen, oder dieselben hineinzuschieben. Die beiden Vorrichtungen haben
nichts mit einander gemein; denn bei der einen wird Einfachheit der Steuerung mit
Hintansetzung der vollkommenen Richtigkeit bezweckt, während bei der anderen
vollkommen richtige Steuerung erreicht ist, wobei jedoch die Zahl der angewandten
Maschinentheile größer wird als bisher.